Montag, 15. April 2024

Der glückliche Prinz (Wilde) gereimt

Im Licht der Stadt erstrahlt das Bild des frohen Königsohns,
das auf schlanker Säule in goldner Rüstung thront.
Hoch über der belebten Stadt steht der Prinz auf einem Hügel
und bei seinen großen Füßen ruhn zwei kleine schwarze Flügel.
Besonders sorglos sieht er aus, mit blauen Augensteinen,
die voll heitrer Sanftmut aus runden Lidern scheinen.
Und auch sein schöner Mund untrüglich
lacht, als wär er wirklich glücklich.

Sie ist die letzte Schwalbe der warmen Zeit des Jahres.
An einem See erlebte sie etwas Wunderbares.
Verliebte sich dort ganz und gar in eine Binsenstange.
Die Schwärmerei währte nur kurz und doch auch viel zu lange.
Das Schilfrohr war zwar elegant, doch war es nicht mobil,
es tanzte gern im Winde und sprach weiter nicht viel.
Die Schwalbe hatte dann genug von einsamen Gelübden,
denn ihre Freunde waren schon längst in Nord-Ägypten.

Sie flog den ganzen Tag und kam des Abends in die Stadt.
„Ob die Stadt für mich schon ein Quartier bereitet hat?“
Dann sah sie auf die Statue. „Dort will ich gern einkehren.
Dieses Bettchen wird mir einen ruhigen Schlaf bescheren.
Das Schlafzimmer ist golden und liegt an frischer Luft
und die Blümchen auf dem Beet verströmen süßen Duft.“

Müde steckt sie ihren Schnabel unter das Gefieder,
da fällt ein großer Tropfen von oben auf sie nieder.
„Wie schrecklich“, ruft sie aufgeregt, „Die Nacht ist sternenklar,
das Klima in Europa ist wirklich sonderbar.“
Noch ein Tropfen „Sage mir, was diese Statue nützt,
wenn sie mich noch nicht einmal vor Wind und Regen schützt?
Ich suche mir ein Dach!“ Jedoch bevor sie losgeflattert,
kommt ein dritter Tropfen, da schaut sie ganz verdattert.

Sie blickt auf und sieht, ja was sieht sie wohl?
Die Augen des so Glücklichen sind der Tränen voll.
Tränen, welche leise hin über goldne Wangen rinnen,
dann hinab zu seinem Kinn, von dem sie zu Boden springen.
Sein Antlitz scheint im Mondeslicht so lieblich und so schön,
dass dem Vöglein danach ist vor Mitleid zu vergehen.
„Wer bist du?“ fragt es besorgt. „Man heißt mich ‚Prinz‘ und ‚glücklich‘.“
„Aber warum“, fragt es noch, "weinst du augenblicklich?"

„Der Ratsherr nennt mich Wetterhahn, die Kinder einen Engel,
doch als ich noch ein Mensch war und fern von dem Gedrängel
der Stadt im Palast Sorgenfrei lebte ohne Leid,
spielte ich im Garten mit Freunden allezeit.
Danach ging es in den großen Saal zu Speis und Tanz.
Den Garten und das Schloss umfing eine Mauer ganz.
So hoch, dass ich niemals fragte, was dahinter lag.
Denn ich war heiter und vergnügt bis zum letzten Tag.
Und jetzt, da ich tot bin, steh ich hier so hoch,
da sehe ich das Elend auf fünfzehn Meilen noch.
Auch wenn mein Herz aus Blei ist und Bronze meine Beine,
kann ich nicht verhindern, dass ich unaufhörlich weine."

"Wie, dein Herz ist nicht aus Gold?" sprach die Schwalbe leise,
doch es war nicht bös gemeint in irgendeiner Weise.
"Weit von hier", so führte die Statue weiter aus,
"steht in einer Gasse ein kümmerliches Haus.
Durch das offne Fenster seh ich eine arme Frau,
an einem Tische sitzen, dünn und müd und grau.
Sie hat raue Hände, von Nadeln ganz zerstochen.
Ihr Blick ruht auf dem Tagwerk, glanzlos und gebrochen.
Blumen stickt sie auf ein Kleid, aus Seide jeder Zoll,
dass eine reiche Dame zum Hofball tragen soll.

In der Zimmerecke liegt ihr Junge krank im Bett
und träumt von Apfelsinen, die er gerne hätt.
Wasser, braun vom Fluss, ist alles was den Bub erfrischt.
Ich bitt dich, dass du den Rubin von meinem Schwerte brichst.
Schwalbe, kleine Schwalbe bitte nimm diesen Rubin.
Der Näherin und ihrem Sohn ans Fenster bringe ihn.
Meine Füße sind an diesem Postament befestigt
und das wäre mir bei jedem Schritte denkbar lästig.“ 

„In Ägypten werde ich schmerzlich schon ersehnt.“
spricht die Schwalbe nachdenklich, langsam und gedehnt.
„Meine Freunde drehn am Nil artig Rund um Runde
und den Lotus preisen sie mit Lobgesang im Munde.
Bald werden Sie im Grab des großen Königs schlafen gehen.
Er ist selbst in einem schmucken Sarge dort zu sehen.
Da liegt er sorglich eingehüllt in gelbem Tuch aus Leinen und
um den Hals liegt eine Schnur aus grünen Jadesteinen.
Seine Hände runzeln sich wie trocknes Laub an Bäumen,
Balsamduft begleitet ihn in seinen Fabelträumen."

"Bleib Schwalbe, kleine Schwalbe, sei nicht so widerborstig.
Die Mutter ist so traurig, der Knabe ist so durstig."
Darauf sagt die Schwalbe "Leider mag ich keine Knaben,
weil sie häufig Steine in den Hosentaschen haben.
Letzten Sommer, als ich am Flusslauf Mücken fing,
sahen mich die Söhne der Frau Müllerin.
Zahlreich schwirrten Kiesel, die sie nach mir warfen,
die, weil ich kunstreich fliege, mich aber nicht trafen.

Trotzdem sehr respektlos!“ weiter kommt sie nicht,
denn sie sieht des Prinzen trauriges Gesicht.
So tut er der Schwalbe leid. „Hier wirds kühl beileibe,
doch es kann nicht schaden wenn ich eine Nacht noch bleibe.“
„Ich dank dir, kleine Schwalbe!“ Sie nimmt den Stein vom Knauf
und schwingt sich über Dächer und Türme hoch hinauf.
Am Dom grüßt sie die Engel auf ihrem Himmelsritt,
beim Schloß sieht sie ein Pärchen im Wiener-Walzer-Schritt.
Sie üben für den Hofball an einer Balustrade,
er lobt den Sternenhimmel, sie sagt indes "Schade!
Mein Kleid ist noch nicht fertig, die Näher sind so müßig.
Mit Blumen wollt ich es bestickt, mit langem Warten büß ich.“
Die Schwalbe sieht am Hafen die Schiffslaternen leuchten
und vor der Bar Matrosen, die Kehle sich befeuchten.

Sie fliegt zum kargen Häuschen und schaut zaghaft hinein.
Der Knabe hustet fiebrig, die Mutter döst grad ein.
Die Schwalbe hüpft zu ihr und in den Fingerhut der Alten
legt sie den Rubin um dann die Flügel zu entfalten.
So fächert sie am Kissen dem kranken Kinde Luft
auf die feuchte Stirne, auf dass es leise ruft
„Ich glaub, mir geht es besser.“ Die Schwalbe fliegt hinaus,
zurück zum goldnen Prinzen und richtet ihm gleich aus,
was sie für die Mutter und das arme Kind getan.
Sie meint „Es ist schon seltsam, doch mir ist richtig warm.“
„Ja, das ist der guten Tat wonniglicher Segen“,
sagt er und das Schwälbchen fängt an zu überlegen.

Doch der Schlaf, der kecke Dieb, raubt ihr die Konklusion
und dann küsst das Morgenlicht ihre Lider schon.
Morgens fliegt die Schwalbe zum Flusse um zu baden,
man sieht sie dort in Pfützen plantschen und auch waten.
Die Schwalbe murmelt vor sich hin „Heut flieg ich nach Ägypten.“
Dann tut sie einen Freudenschrei, einen ganz entzückten.
Sie macht einen Ausflug zu den Denkmälern der Stadt
und die Spatzen fragen sie, wo sie den Frack herhat.

Vom Kirchturm segelt sie beschwingt, als schon der Mond aufgeht,
hin zu ihrem Prinzen, der darauf besteht,
"Schwalbe, kleine Schwalbe, bleibe nur noch eine Nacht!"
"Ich muss doch nach Ägypten." sagt die Schwalbe mit Bedacht.
"Morgen wollten wir hinauf zum zweiten Wasserfall,
dort kaut das Nilpferd Flusskraut im heißen Königstal.
Memnon, der Koloss sitzt auf dem Thron die ganze Nacht
und wartet auf den Morgenstern, der ihn sehr glücklich macht.
Es gehn zur Mitternacht die gelben Löwen Wasser trinken,
sie haben grüne Augen, die wie Berylle blinken.
Ihr Brüllen, das ist lauter noch als das des Wasserfalles…“

„Schwalbe, kleine Schwalbe, das glaub ich dir ja alles!
Weit von hier, am Stadtrand, seh ich einen jungen Mann,
der sein Theaterstück nicht zu Ende bringen kann.
Er hat krause Haare und Lippen, rot wie Blut. 
Gerne hätte er in seinem Ofen warme Glut.
Lieber noch als Feuer wünscht er sich etwas zu essen
und über diese Sorgen hat er seine Kunst vergessen.
Welke Veilchen stehn auf seinem Schreibtisch unterm Dach
und seine feinen Hände sind schon vor Hunger schwach.”
“Eine Nacht noch will ich gern bei dir verweilen.
Hast du einen anderen Rubin, um ihn zu teilen?”
So spricht das kleine Vöglein aus seinem guten Herzen.

“Ich hab nur meine Augen, doch eins kann ich verschmerzen.
Saphire sinds, vor tausend Jahrn aus Indien gebracht.
Picke einen aus und bring ihn ihm noch heute Nacht."
"Lieber Prinz, das kann ich nicht..." spricht die Schwalbe unter Tränen.
"Mach nur, Schwälbchen, du brauchst dich doch nicht darum zu grämen."
Darauf pickt die Schwalbe des Prinzen Auge aus
und fliegt zu des Studenten Kammer hoch oben im Haus.

Sie kommt ganz leicht hinein, denn im Dach da ist ein Loch,
Schiesst hindurch, zum Bett und hüpft dann zum Schreibtisch hoch.
Sein Haupt, das hat der junge Mann vergraben in den Händen.
So merkt er nicht, wer bei ihm ist, um sein Geschick zu wenden.
Ein Luftzug geht, er sieht den Stein bei den Veilchen liegen
Und ruft freudig “Man beginnt, endlich mich zu lieben!
Ein Verehrer sicherlich, von meinen Kurzgeschichten.
Nun muss ich nicht länger mehr auf Brot und Holz verzichten.”

Am nächsten Tage fliegt die Schwalbe noch einmal zum Hafen.
Sie sitzt auf einem Schiffsmast und schaut da auf die braven
Matrosen, wie sie schwere Kisten ziehn an starken Seilen
aus dem Schiffsbauch, um erneut zum Laderaum zu eilen.
Sie bücken sich und schwitzen sehr und schrein wie die Verrückten
"Hebt an!" Das Vöglein ruft zurück: "Ich reise nach Ägypten!"
Doch hört sie niemand und deshalb, als der Mond aufgeht,
fliegt sie dahin, wo des Prinzen Schatten sich bewegt.

"Mein Prinz, ich bin gekommen um dir Lebewohl zu sagen!"
"Kleine Schwalbe, kannst du deinen Abflug nicht vertagen?"
"Der Wetterumschwung ist schon da und bald liegt hier der Schnee.
In Ägypten wärmt die Sonne den Manzala-See.
Krokodile liegen träg im Schlamm unter den Palmen.
Meine Freunde bauen ihr Nest aus Lehm und Halmen
im Tempelhaus von Luxor, wo die blaßroten Tauben,
stets gaffen und frech gurren, es ist kaum zu glauben!
Lieber Prinz, ich muss nun fort, ich lasse dich alleine.
Nächstes Frühjahr bring ich dir zwei neue Edelsteine.
Der Saphir soll blauer sein als das Firmament,
der Rubin rot wie die Lava, die im Ätna brennt." 

"Unten auf dem Platz, da steht ein Streichholzmädchen.
Ihr fielen die Hölzer heraus aus ihrem Lädchen
in den Rinnstein und so sind alle sie verdorben.
Ihr Vater wird sie schlagen, denn sie hat nichts erworben.
Weinend steht sie da, ganz ohne Strümpf und Schuhe.
Ihr kleiner Kopf ist bloß und das lässt mir keine Ruhe.
Picke, kleine Schwalbe, mein and'res Auge aus
und bringe es zu ihr noch auf dem Weg nach Haus."

"Mein Prinz, ich kann verstehen, was du fühlst für dieses Kind.
Jedoch dein Auge nehm ich nicht, denn danach wärst du blind!"
"Schwalbe, kleine Schwalbe, bitte tu, wie ichs dir sage."
Die Schwalbe nimmt das Auge nun ohne weitre Klage.
Sie lässt den Stein beim Mädchen in der hohlen Hand.
„Hoppla, kleiner Bote, wer hat dich gesandt?
Dieses blaue Glasstück sieht ja prächtig aus!“
ruft sie und sie rennt aufgeregt nach Haus.

Die Schwalbe fliegt zum Prinzen und spricht „Du bist jetzt blind.
Darum wirds für immer sein, dass wir zusammen sind.“
„Schwalbe, kleine Schwalbe, du musst nach Süden gehen.“
"Ach armer Prinz, das kann nun nimmermehr geschehen.
Ich will von heut an immerdar für dich zugegen sein."
sagt sie und sie schläft zu seinen Füßen ein.
Sie sitzt am nächsten Tag auf des Prinzen Goldgewändern
und erzählt viel Wundersames aus den fernen Ländern.

Wie die roten Ibisse stehn in Reih und Glied
und Goldfisch fangen aus dem Nil, der seinen Reichtum gibt.
Von der großen Sphinx, die selbst so alt ist wie die Welt,
die in einer Wüste lebt und schwere Fragen stellt.
Von Kamelen und Kaufleuten, die den gelben Sand durchschreiten
und den Bernsteinperlenketten, die durch ihre Hände gleiten.
Vom König der Mondberge, der so schwarz ist wie die Nacht,
der einen mächtgen Bergkristall anbetet und bewacht.
Von Pygmäen, die auf Blättern über Wasser gleiten
und sich immerfort mit den Schmetterlingen streiten.
Und von der grünen Schlange, die im Palmbaum schläft
und sich von zwanzig Priestern mit Honig füttern lässt.

"Schwälbchen du erzählst mir manche Seltsamkeit,
doch geheimnisvoller noch ist das Menschenleid.
Wie des Elends Wunde ist kein Wunder tief.
Flieg durch meine Stadt und sage mir was man dort sieht."
So fliegt die Schwalbe durch die Stadt, schaut wie in den schönen
Häusern dort die reichen Leute ihrem Luxus frönen.
Unterdes die Bettler vor geschlossnen Türen sitzen.
Dann sieht man die Schwalbe durch die engen Gassen flitzen.
Die hohlwangigen Kinder starren da mit ihren blassen
Gesichtern teilnahmslos und traurig auf die düstren Straßen.
Unter einem Brückenbogen sind zwei kleine Jungen,
die einander wärmen und liegen, eng umschlungen.
"Wie hungrig sind wir!" rufen sie. "Nicht auf die Wege legen!"
brüllt der Wächter und sie irr'n nach draußen in den Regen.

Da fliegt die Schwalbe zu dem Prinz, setzt sich und berichtet.
Der Prinz spricht zu ihr "Ich bin ganz mit feinem Gold beschichtet.
Lös es Blatt für Blatt und schenke es den Kindern.
Weil goldne Dinge nämlich der Menschen Armut lindern."
Blättchenweise zupft sie nun das feine Gold vom Rumpf,
bis der edle Prinz ganz grau aussieht und stumpf.
Jedes Blatt des reinen Goldes bringt sie an sein Ziel.
Die Kinder lachen und sie rufen froh bei ihrem Spiel:
"Hurra, hurra, jetzt haben wir endlich wieder Brot!"
und vor lauter Leben glühen ihre Wangen rot.

Dann kommt der Schnee und auch der Frost, sie schmieden Silberbänder,
aus den Straßen und die Menschen tragen Pelzgewänder.
Zapfen hängen spitz vom Dach wie Dolche aus Kristall,
die Kinder laufen Schlittschuh mit Wollmütze und Schal.
Die kleine Schwalbe friert und friert und doch sie ist geblieben,
denn sie hat sich ihrem Prinzen ganz und gar verschrieben.
Sie stiehlt beim Bäcker Krümel vorm Tore jeden Tag
und wärmt sich heftig flatternd mit ihrem Flügelschlag.

Endlich aber merkt sie, dass sie sterben muss.
Sie schwingt sich auf die Schulter. "Ich geb dir noch einen Kuss
auf deine Hand und lebe wohl, mein lieber, guter Prinz!"
"Schwälbchen, wie sehr freut mich der Wandel deines Sinns.
Dass du endlich und so spät nach Ägypten ziehst.
Und küsse mich nur auf den Mund! Ich weiß, dass du mich liebst."
"Nicht nach Ägypten reise ich, nur in des Todes Haus,
der Tod ist Schlafes Bruder, ich ruhe mich nun aus."

Dann küsst sie den glücklichen Prinzen auf die Lippen
und die Schwäche lässt sie nach hinten über kippen.
Lautlos fällt sie hin zu seinen Füßen in das Weiß
und es ertönt ein Krachen, so wie von dünnem Eis.
Zerborsten ist das Herz aus Blei, es herrscht ja starker Frost
und in einer andern Welt finden sie nun Trost.

Hoch oben, hoch im Himmelreich steht der Prinz auf einem Hügel
und bei seinen großen Füßen ruhn zwei kleine schwarze Flügel.
Besonders weise sieht er aus, mit blauen Augensteinen,
die voll heitrer Sanftmut aus runden Lidern scheinen.
Und auch das Schwälbchen ganz untrüglich,
wirkt als wär es wirklich glücklich.

Sonntag, 7. April 2024

Drachenschmaus (gendergerechte Version)

Es ist ein Tag vor vielen Lenzen als ein Drache mit fünf Schwänzen,
jedoch mit nur einem Kopfe es sich in just denselben setzt,
es täte seinem Stande gut wenn er einen Prinzen frässe.
Und während er geringelt ruht, vor seiner Höhl ein Herold krächzt
dass im nahen Schlosse hier gibt es ein Turnier um Vier
und jeder Heldin ständ es gut, wenn sie dort im Sattel säße.

Des holden Prinzen fernes Bild spiegelt sich in mancher Rüstung,
als er lichtumflossen steht auf des Schlossturms enger Brüstung.
"Ich sag euch, das Turnier beginnt, für den Prinzen Wiedekind!
Seine Hand wird der gebühren, die weiß die stärkste Lanz zu führen."

Die Ratten in der Speisekammer der königlichen Küche jammern
"Das Königshaus, das ist bankrott, bei uns herrscht bald die Hungersnot..."
Bis eine spricht "Lass uns doch wimmeln, zu den hehren Käsehimmeln.
Bei den Nonnen einzukehren, werde ich den Weg euch lehren."

Der Drachen pflückt den Wiedekind von des mächt'gen Turmes Zinnen,
klemmt ihn locker untern Arm und flattert übern Tann von hinnen.
Der Prinz ruft Hilfe und vom Auge sieht man seine Tränen rinnen.
Die Jungfern sich zum Retten rotten beim Teiche im Marillengrund,
um den Prinzen Wiedekind zu schützen vor dem Drachenschlund.

Die Knappen sehn Karotten mampfend, die Damen manche Lanze brechen,
weil die Blechhelmamazonen scheppernd sich den Rang erstreiten,
wer den Drachenpelz dem Jüngling morgen darf zu Füssen breiten.
Hernach ihre Rosse dampfend die Lungen aus dem Hals sich hecheln.

Es knattern Fahnen leis im Wind, die Fräulein rasten müd im Dreck
sie haben keine Lust mehr heute, an dem Tiere sich zu rächen.
Sie bauen Zelte auf dem Fleck und fangen lautstark an zu zechen.
Der Drachen schluckt den Wiedekind ganz samtens Rock und Firlefanz
Als kleine Mahlzeit zwischendrein, so fährt er in die Echse ein.

Über Berg und grüne Wipfel setzt er seine Reise fort, hungrig ist er, grantig ist er,
und so kehret er nicht heim, denn zu dürren Adelsknochen
noch ein paar fette Nonnelein, in ihrem eignen Saft zu kochen
dazu hat er große Lust, lüstern bläht er seine Nüstern.

Derweil grimm auch Rattenhorden in Reih und Glied die Wege schreiten
hin zum Kapuzinerorden wo die gelben Käse reifen.
Als die Schatten länger fallen, an dem elften Mai des Jahres
und Ratten in die Keller quellen, spricht die Äbtin leis den Segen
- auf Käseleib und Quittengeist  -
die der Herr erhälten möge, des leiblichen Genusses wegen.

Nun nimmt das Schicksal seinen Lauf, die Schädlingsbrut ernährt sich wild.
Die Äbtin sich ganz still bekreuzigt und dann exklamiert sie "Hülft!"
Der Orden windet sich zur Kette, vom Kellerloch zum Hofe hoch,
wird alles Essbare gebracht und im Fackelschein bewacht.

Der Lindwurm traut den Augen kaum, das Klosterhof ist ein Bankett.
Nicht nur Gottesschaf voll Eifer, auch noch runde Käseleiber.
Die Flamme sanft auf Grill gestellt, schwebt er übers Himmelszelt.
Der Schmaus beginnt und viele Seelen der Herrgott zu sich rufet.

Hörner schallen, Rufe hallen, die Ritterinnen sahn das Feuer,
so voll wie die Haubitzen, sie zu Pferde sitzen.
Der Drach denkt nach und fliegt aufs Dach
und schnaubt und faucht und lacht und wiehert,
ein verquerer Bissen macht, dass er schnöd erstickt und drauf
auf die edlen Weiber kracht von den Kirchturmspitzen.

Der Nachtwind stöhnt, die Flammen prasseln, im Keller eine Schwester fröhnt.
Sie tauft mit klarem Quittenschnaps die Ratten für den heil'gen Papst.
Da fährt der Mephistopheles aus der Hölle auf und höhnt:
"Ich mag dich, du muntre Dirn, nimm diesen Säbel, schütz die Stirn.
Hinauf, hinauf, entrinn dem Feuer!
In dem starren Drachen dann harret dir ein holder Mann,
du musst ihn einfach nur zerlegen bis der Bursch sinkt dir entgegen.
Als Preis dafür ich meinem Meister, weihe dies Gemäuer."

Die Brave hackt wie die Besengte und durch des Lindwurms Schuppen sprengt sie,
schneidet sich durch das Gewebe und hofft, dass Wiedekind noch lebe,
Bald hört sie den Verschluckten schreien, er reicht ihr die beringte Hand,
"Du Säbelmaid komm mich zu freien und regiere dieses Land!"
Mit Schaudern fliehen sie den Ort, wo fortan nur die Teufel hausen.
Sie leben redlich viele Jahr, gefolgt von ihrer Kinderschar.
Das ist wirklich so geschehn ich erzähl euch keine Flausen.

Mittwoch, 3. April 2024

Die Weihnachtsgans Auguste (Wolf) gereimt

Fünf Kilo wog die Weihnachsgans, die Herr Luitpold Löwenhaupt,
seines Zeichens Opernsänger, für den Festtagstisch gekauft.
Der Vogel war recht kapital für diese schweren Zeiten.
„In solchen Zeiten lass ich mich von meinem Herzen leiten.“
Bei diesem Satz, den Löwenhaupt mit tiefem Basse grollte,
spürte er längst, was sein Magen wirklich sagen wollte.
Während er die Gans mit beiden Händen kräftig drückte,
roch er in der Nase schon die feinen Bratendüfte.
Er spürte auch von Rotkohl und von Äpfeln den Geruch,
und brummelte darum immer wieder jenen Spruch:
"Aber etwas muss man doch für das Herze tun."
Doch das half ihm nicht, sein Gewissen auszuruhn.

Gekauft hatte er eigenmächtig
und so was wirkt oft verdächtig.
Was jedoch viel schlimmer war,
die Weihnacht war noch längst nicht da.
Deshalb, und das war notwendig
war die Gans ganz quicklebendig.

Als er sich an diesem trüben Novembertag nach Hause wagte
und, als er dann näher kam, langsam immer mehr verzagte,
fürchtete er recht verdrossen
den Zorn und Spott der Hausgenossen.
Doch der Empfang war gar nicht grob,
nein, es gab überraschend Lob,
das hatte Luitpold nicht geglaubt, 
von Frau Hanna Löwenhaupt,
die die Gans als kräftig lobte, imposant, preiswert und fett.
Das Kindermädchen fand hingegen das Gefieder sehr adrett.
Und sie sprach aus, was alle dachten,
"Wo soll das Tier nur übernachten?"

Klein-Peter, sieben, Elli, zwölf und die Gerda, zehn,
die Sprößlinge der Löwenhaupts, sah‘n hier gar kein Problem.
Das Kinderzimmer gäbe es, das Bad und die Toilette
falls das Gänschen ein Bedürfnis nach Erfrischung hätte.
Die Eltern lehnten jedoch ab. Aus hygienischen Gründen
hätt’ sich das werte Federvieh im Keller zu befinden.
Auf dass bei den Kartoffeln es allein sein Dasein friste,
weich gebettet in eine mit Stroh gefüllte Kiste.
Einmal täglich könnten die Kinder Gänse hüten,
doch mehr als eine Stunde käm nicht in die Tüten.
Die Kinder fügten sich darein
und das Glück war allgemein.

An diese Regeln hielten sich die Kinder kurze Zeit,
doch nach einer Woche war es dann schon soweit:
Das Peterle bekann zu klagen,
der Gans, die er Auguste nannte,
tät der Keller nicht behagen.
Es war die Elli, die erkannte,
dass Gänse Daunenfedern haben.
„Die bauscht sie auf wie eine Decke.“
fügte sie belehrend an.
„Verstehe, doch zu welchem Zwecke?“
„Dass sie nicht friert, du Dummerjan!“
„Ihr ist es kalt!“, flogs Gerda von der Zunge.
„Da ist es kalt!“, schluchzte der Junge.
„Ich will nicht, dass Gustje friert, ich hole Gustje rauf zu mir!“
Damit sprang er aus dem Bett und war auf dem Weg zur Tür. 

Die ält're Schwester fing ihn ab, zog ihn zum Bett zurück.
Doch am andern Ende wagte Gerda nun ihr Glück.
Elli zog und Gerda zog, so dass der Peter schimpfen musste,
“Lasst mich los! Ich will sofort in den Keller zu Auguste!”
Mitten im Tumult betrat die Mutter dann die Szene
und sie trennte mit Geduld die verknäuelten Streithähne.
Die Mutter nahm den Peter mit. Sie gebat den Schwestern Ruh
und der Rest von dieser Nacht ging dann still und friedlich zu.

Nach zwei Tagen hatten Gerda und Peter etwas ausgeheckt.
Es blieb nur die Gerda wach und hat den Peter aufgeweckt.
Als die ältre Schwester schlief und das Haus ganz stille schien,
schlichen sich die zwei auf nackten Zehen zu Auguste hin.
Im Keller unten nahmen sie die Gans aus ihrer Kiste,
die sie mit „Lat mi in Ruh!“ misstrauisch begrüßte.
Auf dem Weg nach oben machte Gustje ein Geschrei
„Lat mi in Ruh! Lat mi in Ruh!
Ick will in min Truh, ick will in min Truh!“
und Theres, das Kindermädchen eilte rasch herbei.

Weitre Türen flogen auf und selbes tat Auguste,
die sich mit Geschick aus Gerdas Arm zu winden wußte.
Sie schnatterte und flatterte durch das Treppenhaus,
und baute ihren Vorsprung durch Kapriolen aus.
Bei der Jagd durch Korridore stoben wild die Federn.
Dass Theres sie endlich einfing auf den letzten Metern
des unt'ren Hausflurs war nur reines unverschämtes Glück,
sie bracht' die Gans in einer Decke eingehüllt zurück.
Auguste schimpfte weiterhin „Ick will in min Truh!“
Der kleine Peter fügte forsch noch folgendes hinzu:
„Ich will Auguste bei mir haben,
in meinem Bett soll Gustje schlafen!“

Die Mutter brachte ihn ins Bett, versuchte zu erklären,
dass die Gänse keinesfalls ins Schlafzimmer gehören.
"Im Bett schlafen nur Menschen, nun tu nicht weiter bocken."
"Aber warum muss Auguste denn im Keller hocken?"
Peterle war aufgeregt, das konnte Hanna sehen.
So durfte Gustjes Kiste denn an seinem Bette stehen.
Gustje sprach noch etwas in ihr Federkleid hinein,
"Lat man gut sin, lat man gut sin,
Hauptsach, dat ick in min Truh bin!"
dann schliefen auch der Peter und seine Schwestern ein.
Auguste blieb nun da, natürlich
und sie war auch sehr manierlich.

Bei Tag lief sie an Peters Seite
und erzählte ihm gescheite
Geschichten über bittre Gräser und auch solche die gut schmecken
und zuletzt wie man gekonnt vorgeht diese zu entdecken.
Sie schilderte, wie wilde Gänse stets im Herbst nach Süden ziehen
und wie manche sogar an Grönlands Eisküsten gediehen.
Die Auguste blieb dem Peter wirklich keine Antwort schuldig
und war auf sein „Weshalb, warum?“ immer freundlich und geduldig.
Dass die Schwestern Gustje mochten, das ist wohl sehr leicht verständlich,
doch der Peter und sein Gänschen waren beinahe unzertrennlich.

Eines Abends hat sich Gustje dann in Peters Bett gekuschelt
und die beiden haben noch lange Zeit vertraut getuschelt.
Am Morgen schlüpfte Gustje danach wieder in ihr Stroh zurück
und die Elli und die Gerda ließen ihnen dieses Glück.
Mit Siebenmeilenstiefeln nahte nun Weihnachtszeit
und eines schönen Mittags war Herr Löwenhaupt es leid,
länger noch zu warten. „Die Auguste ist heut dran!“
Tadelnd sah ihn seine Frau mit großen Augen an
und legte gleich dazu noch ihren Finger auf den Mund.
Sollte heißen: ‚Das besprechen wir zu spätrer Stund!‘

Als die Eheleute schließlich ungestört alleine waren,
fragte Luitpold nach dem Grund für das seltsame Gebaren.
Und nun erzählte Hanna kläglich,
was Luitpold wolle, wär unmöglich.
Die Kinder hätten adoptiert,
die Gans, die er sich reserviert.
"Was ist unmöglich?" fragte er,
dann dämmerte ihm das Malheur.
"Die Gans ist jetzt ein Spielzeugtier?
Und was wird bitteschön aus mir?
Ich bin doch hier kein Hampelmann!"
Nun schwollen seine Adern an.
"Die Gans kommt auf den Tisch und basta!"
"Luitpold, denke an dein Asthma!“
Er schnappte leise wie ein Fisch
und verließ empört den Tisch.
Die Tür fiel krachend in ihr Schloss.
‚Mit dem ist heute nichts mehr los.‘
Sie stopfte seufzend ein Paar Socken
und dabei blieb kein Auge trocken.

Danach beriet sie mit Theres, ob es eine Lösung gäbe,
etwa einen andern Braten, auf dass Gustje überlebe.
Doch das knappe Haushaltsgeld würde dazu nicht genügen.
Sollte man im schlimmsten Fall die Kleinen einfach so belügen?
Und wenn Auguste nicht mehr sei,
wer brächte das den Kindern bei?
Und wie sollt‘ man es betreiben,
den armen Vogel zu entleiben?
"Wenn der Herr es selber machte, fände ich das nur gerecht."
sprach Theres und auch die Mutter fand diese Idee nicht schlecht.
Ihr Mann kannte die Gans nur flüchtig,
deshalb war die Entscheidung richtig.

Die Heldenarie klingelte noch leis in Luitpolds Ohr,
da trug ihm seine Anvertraute ihre Wünsche vor.
„Ihr Weibsvolk!“ sprach er und er legte seinen Mantel nieder.
„Muss ich dem Vogel wirklich eigenhändig ans Gefieder?“
Nochmals gab es großen Lärm, als Theres die Gans sich schnappte.
„Ick will min Ruh, min Ruh!
Lat mi in min Truh!“
Worauf Peterle erwachte und sie bei der Tat ertappte.
Die Schwestern und die Mutter weinten, Auguste büxte aus,
sie machte eine neue Tour durch das ganze Haus.
Herr Löwenhaupt, ein echter Mann,
trieb die Jagd nach Gustje an.
Er stellte sie in einer Ecke,
ohne Aussicht auf Verstecke.
Unerschrocken griff er zu, da sie keinen Ausweg fand
und er nahm sich aus der Küche einen langen Gegenstand.
Die Mutter hielt die Kinder fest, der Vater lief in die Garage.
Er befand sich mit der Gans auf dem Weg zur Mordanklage.

Luitpold hob gefasst das Messer,
doch Auguste wusst es besser.
Entwischt lief sie im Kreis vier mal
und flatterte auf das Regal.
Der Hausherr stieg erbost ihr nach,
worauf das Teil zusammenbrach.
Es ergossen auf den Wagen
sich Werkzeuge und Holzlackfarben
und eine Stange stach beileibe
mitten durch die Frontschutzscheibe.
Er setzte sich erschöpft ins Auto und Auguste kam hinzu,
beide brauchten nach der Hatz ihre wohlverdiente Ruh.
Zurück im Haus erklärte Luitpold, die Gans wär ihm wohl überlegen
und er gäbe sich geschlagen, schon allein der Nerven wegen.
Er gab das Tier einstweil zurück an den glückseligen Peter
und die Hanna gab zum Vorfall ihre trock'ne Meinung später:
"Vom Himmel fiel noch nie ein Meister,
aber schon viel Scheibenkleister."

Finster brütete der Sänger, wie er noch zum Ziele käme
und man sah ihn dirigieren über seine Sessellehne.
Plötzlich kam ihm die Idee, der Ausweg würde schmerzlos sein!
Morgens mischte er der Gans Tabletten in den Napf hinein.
Zehnfachdosis Schlaftabletten, wie für einen Elefanten,
oder ein Rhinozeros samt zweier seiner Anverwandten.
Gustje lief nach ihrer Mahlzeit Zickzack wie ein müder Kreisel.
Dann legte sie sich bäuchlings hin, groggy ohne jeden Zweifel.
Die Flügel zuckten ein klein bisschen, als die Kinder sie berührten,
wobei alle Weckversuche nur noch zu Geschnarche führten.

"Was tut Gustje?", fragte Peter. "Sie hält ihren Winterschlaf.",
sagte Luitpold, den die Frage etwas unerwartet traf.
Er wollte sich von dannen pirschen, doch der Peter hielt ihn fest.
„Warum hält sie diesen ‚ihren Winterschlaf' gerade jetzt?" 
Der Vater sprach gesenktem Haupts:
„Sie ruht sich für den Frühling aus.“  
und fühlte sich wie beim Verhör
vor seinem naseweisen Gör.
Peterchen trug seine Freundin zu sich hoch in ihre Kiste
und er fand, dass er bereits ihre muntre Art vermisste.

Als die Nacht schon fortgeschritten, ging ein Schatten durch den Raum,
bedeckte den erschlafften Vogel und griff ihn bei seinem Flaum.
Zur Küche lief Theres in Socken
und dann fielen weiße Flocken. 
Sie begann wie ihr geheißen,
der Gans die Federn auszureißen.
Auf die Federn fielen leise Tränen von Thereses Wangen,
nach der Arbeit ist sie wieder traurig in ihr Bett gegangen.
So wie Gustjes Körper lag, in der kühlen Speisekammer,
war auch Hannas Abendkuss auf des Gatten Stirn ein klammer.
Alle träumten wirres Zeug, von Geistergänsen, schaurig klagend:
„Lat mi in Ruhuhu,
ick will im min Truhuhu!“
und sie schreckten mehrfach hoch, sich mit Hirngespinsten plagend.

Der Morgen kam, in der Küche sah Theres den Schnee vorm Fenster.
Was war das? Ja, träumte sie? Waren es die Nachtgespenster?
Aus der Speisekammer drang ein sehr deutliches Geschnatter.
Sie öffnete geschwind die Tür und sie guckte ganz verdattert.
Da tapste schimpfend und gerupft, Auguste ihr entgegen.
„Ick frier, als ob ick keen Federn nich hätt!
Man trag mich gleich wieder in Peterles Bett.“
Theres schrie auf und ihre Knie schlackerten verwegen.
Der Vater trat nun auch herein und schnaufte ganz unsäglich.
Was er gerade vor sich sah, das hielt er für unmöglich.

„Was nun?“ fragte Frau Löwenhaupt, als Luitpold sich die Augen rieb,
sie ging an ihm vorbei so dass sie vor Auguste stehen blieb.
„Ich brauche einen Doppelkorn und einen Kaffee!“,
rief der Vater der noch immer dastand, weiß wie Schnee.
"Bringe einen Korb, Theres und eine warme Decke!
Luitpold, du gehe gleich zum Laden um die Ecke!
Kaufe mir ein gutes Pfund bester weißer Wolle.“
Luitpold fragte irritiert, was die Wolle solle.
"Frage nicht! Hier hast du Geld und meine Einkaufstasche.
Und du, Theres, hol mir bitte eine Wärmeflasche!"
Löwenhaupt war so erschüttert, dass er gar nicht widersprach.
Er nahm sich Mantel, Hut und Schnaps und er gab ganz einfach nach.

Schon nach einer Stunde saßen Mutter und Theres
in der Stube und sie strickten jahreszeitgemäß
für Auguste einen Pulli, kuschelwarm und blütenweiß.
Nach der Schule zeigten auch die beiden Mädchen ihren Fleiß.
Peterchen hielt derweil seine Gustje auf den Knien
und half ihr, den Pullover zur Probe anzuziehen.
Für Flügel, Beine, Hals und Sterz sollten Löcher bleiben
und man musste deren Ort und Größe noch entscheiden.
Spät am Abend konnte man das Wunderwerk bestaunen
und Auguste meckerte in ihren Wolle-Daunen:
"Winterschlaf is Schnackeschnick,
hätt ich min Federn bloß zurück!"
Peter sprang um sie herum und feierte das Ende
des dubiosen Winterschlafs zur Wintersonnenwende.

Als Löwenhaupt zum Abendessen den Pullover sah,
meinte er, und dieses ging besonders Hanna nah:
"Angekleidet macht Auguste richtig etwas her,
so ein schönes Exemplar gibt's auf der Welt nicht mehr!"
Die Stars des Viertels waren, wie es bald jeder wusste,
der kleine Peter und seine „Rollkragen-Auguste“.

Als Mitglied der Familie saß die Gans am Festtagstisch 
und der Vater sah sich um, dann räusperte er sich:
„Ähem, wer hat uns Auguste denn nach hause mitgebracht?“
„Das warst natürlich du“ sprach Peter und dann hob er mit Bedacht 
seine Gans auf Papas Schoß.
„Schau, sie gibt dir einen Kuss!“
Wahr ist, dass sie mit dem Schnabel in die Nase zwickte.

Im Bett sprach Peter zu Auguste, die er an sich drückte: 
„Warum hast du eigentlich Winterschlaf gemacht?“
„Weil man meine Federn wollte, hab ich mir gedacht.“
„Und nach den Federn, echt verrückt…“
„Kam der Pullover, handgestrickt.“
„Das ist doch totaler Quatsch!“, sprach das Peterlein,
er gähnte nochmal herzhaft und beide schliefen ein.

Zwei Kilo wogen beide Karpfen, die Herr Luitpold Löwenhaupt,
seines Zeichens Gänsevater, als Sylvesterschmaus gekauft.
Fische, die im Schlamm geschwommen,
wird der Schlammgeschmack genommen,
wenn sie im klaren Wasser baden,
wurde ihm beim Kauf geraten.
Deshalb, und das war notwendig,
war'n die zwei ganz quicklebendig.
Elli, Gerda gaben Namen,
den Fischen die gerade kamen.
Sie hießen Lothar und Susanne
und wohnten in der Badewanne.


Das Weihnachtshuschelpuschel

Ein Huschelpuschel, noch gar nicht alt, 
lebte in einem Zitronenwald.
Mit zimtenen Bächen voll klarer Glasur,
aus Lachsschaum die Hügel, so rein und so pur.

Da fielen fünf Stirnlein gesichtwärts ins Gras,
das Puschel, das staunte und wünschte sich was.
Trompeten nun quakten, potztausendundvier,
"Weihnachten feiern, das wünsche ich mir!

Auf Renrücken reiten durch stiebenden Schlick
und schenken von Herzen mit innigem Blick."
Das Huschelpuschel hat mich gerührt,
es war ja wohl ganz allein im Geviert!

Ich schenkte ihm Glockenhummeln, ne Krake
und eine tanzende Pastinake.
Das Puschel, von dankbarem Rausch besengt,
hat mir einen Zuckerbausch geschenkt.