Dienstag, 21. April 2020

Was ist eigentlich Vernunft ?

Beim Schauen der Diskussion zwischen Herrn Friedman und Herrn Grün schien es mir, als stünde eine logische Definition des Begriffes "Vernunft" im Raum, aber 45 Minuten sind eben zu kurz für sowas. Hier also nun mein Senf dazu, der sich ziemlich nah an Immanuel Kant orientiert.

Meiner Meinung nach ist ja Gott ein Axiom, zu dessen Verehrung die Regeln der Religion Stück für Stück postuliert und mit moralischen Logiken verknüpft wurden. Kant meinte übrigens, Gott wäre ein Postulat der moralischen und sittlichen Vernunft. Was ist nun aber Vernunft?

Vernunft ist ein Konstrukt aus Wunsch oder Wille (Axiom), Regel (Postulat) und Begründung (Logik) in Einzahl oder Mehrzahl. Aus einem vielleicht sogar emotionalen Wunsch heraus werden Regeln postuliert, die dafür sorgen, dass der Wunsch respektiert und erfüllt wird. Diese Regeln werden mit rationaler oder irrationaler Begründungslogik verknüpft, meist sogar mit einer Mischung aus beiden. Diese Logiken können auf individuellen oder kollektiven Erfahrungen beruhen (Wetter), aber auch erfunden sein.

Wie im oben genannten Gespräch schon anklang, gibt es eine individuell praktikable Vernunft, die auf Eigennutz fußt und eine kollektive Vernunft, in der die Standpunkte Vieler gemittelt oder normiert sind. Eine weitere Kategorisierung der Vernunft könnte in geistiger und materieller Vernunft bestehen.

Eine kollektive Vernunft wäre zum Beispiel das juristische Gesetzeswerk, die Religion, aber auch die Moral (Sittlichkeit), handwerkliche Verfahren, Demokratie oder Stilformen und Spiele aller Art. Eine individuelle Vernunft wäre zum Beispiel eine Berufswahl (Berufung), Partnerwahl, ja Auswahlprozesse jeglicher Art, aber auch Selbstbilder, Ideale und Rituale.

Natürlich können individuelle und kollektive Vernünfte kollidieren, ja verschiedene Vernünfte an sich kollidieren oft. Dann muss sprachlich oder auch körperlich argumentiert werden, überzeugt oder verführt. Die Regeln werden dadurch neu ausgehandelt, die Vernünfte adaptiert. Die Vernunft ist also auch der Evolution unterworfen.

Im Gegensatz zum Verstand, der eine Gehirnfunktion ist, ist die Vernunft ein Prozess des Verstandes, der emotionale und rationale Sachverhalte in Einklang (Ordnung) bringt und dafür sorgt, dass materielle und geistige Dinge eine bestimmte angestrebte Ordnung einnehmen. Damit ist eine Vernunft ein Ordnungsprozess. Vernünfte sind im Gedächtnis gespeichert.

Ähnlich schwammig wie der Begriff "Vernunft" erscheint der Begriff "Welt". Aber so wie die Vernunft ein Ordnungsprozess des Verstandes ist, ist die Welt ein Wahrnehmungsprozess der Ordnung. Indem der Verstand eine Vernunft wahrnimmt, erkennt er eine Welt. Um den Kreis nun zu schließen, ist auch das Axiom, der Wunsch nach einer bestimmten Ordnung, die Wahrnehmung einer zukünftigen Ordnung, eine zukünftige Welt. Am schönsten zeigt sich die Verwandtschaft von Welt und Vernunft im Wort Weltbild. Ein Weltbild ist eine kanonisierte Vernunft, ein Ordnungsprozess. Da Ordnungsprozesse auch als Ordnung wahrgenommen werden können, ist die Wahrnehmung eines Weltbildes eine Welt.

Auch mit dem Wort "Sinn" (der Sinn des Ganzen etc.) können wir gleich hier aufräumen, er ist nämlich synonym mit dem Wort Vernunft.

Nun könnte es einem die Idee kommen, dass auch Welt und Vernunft dasselbe seien, schließlich ist die Wahrnehmung von Ordnung mit dem Schaffen von Ordnung im Verstand innig verknüpft. So innig, dass man dieser Einheit einen neuen Namen geben sollte. John Locke hat es "Reflexion" genannt. 

Dass Welt und Vernunft so nahe beieinander liegen, hat den Menschen zum Irrtum verleitet, hinter der natürlichen Ordnung läge eine außermenschliche Vernunft. Natürliche Dinge haben ihre Eigenschaften, die ihr Verhalten bestimmen. Die Ordnung der Eigenschaften und des Verhaltens ist natürlich, die Erkenntnis derselben aber menschlich und die begründende Logik dazu erst recht. Die Natur ist also geordnet durch ihre Eigenschaften, aber nicht vernünftig. Die Welt als vom Mensch wahrgenommen Ordnung trägt hingegen bereits den Stempel der menschlichen Erkenntnis, die begründende Logik den der menschlichen Vernunft. Mathematik ist die menschliche Sprache, die Natur zu verstehen, nicht die "Sprache der Natur". Da sie sich aus der Abzählbarkeit der Natur ableitet ist sie der Natur ähnlich, geht aber durch Abstraktion über sie hinaus.

Dass die Welt eines Menschen beeinflusst ist von seinen Vernünften hat noch eine andere interessante Implikation. Der Mensch ist durch seinen kindlichen Lernprozess mit einem Inventar an Vernünften ausgestattet. Ein Gutteil dieser Vernünfte kommen von außerhalb, von anderen Menschen. Wächst der Mensch heran, treten die Vernünfte in einen inneren Konflikt. Dadurch kommt es zu einem teils emotionalen, teils rationalen Aufräumen des Vernunftinventars, welches man als Erwachsenwerden bezeichnet. Im Idealfall wird dadurch eine Metavernunft erreicht, eine Innere Ordnung der Vernünfte, eine Art Kanon oder auch Kodex, eine Geisteshaltung (Mindset, Weltbild). In der Metavernunft spiegelt sich auch die vernetzte Natur der Vernünfte wieder, ihre Verknüpfungen untereinander und dass eine Vernunft Folgevernünfte erzeugt.

Die Metavernunft findet man schließlich auch in Regelwerken wie Gesetzestexten. Verfassungen zum Beispiel fungieren als Metavernunft eines Staates, ihnen ordnen sich andere Vernünfte, Regeln, Gesetze, Aktionen und Verlautbarungen unter. 

Die schlechtesten, aber auch die besten Leistungen des Menschen entstehen durch Fehler: das Verknüpfen von Regeln durch irrationale Begründungslogik, interne Welten und Vernünfte mit externen zu verschmelzen und die erwähnte Verwechslung von Natur mit Welt und Vernunft sind Beispiele.

Treue Begleiter von Vernünften sind Gefühle. Jede Vernunft ist von Gefühlen umhüllt, jede Welt von Gefühlen gefärbt. Das Gefühl ist quasi die Eierschale der Vernunft, es ist eine der sogenannten Randbedingungen. Deswegen sind Kompromisse und Überzeugen so schwierig.

Präzisieren wir nun noch das Wort Logik. Sowohl Schritt zwei, die Regel als auch Schritt drei, die Begründung, enthalten eigentlich Logik, der eine eine strategische „wenn-dann“ Logik, der andere eine erklärende „deshalb“ Logik. Beide Logiken sind korrumpierbar, also anfällig für irrationale Logik. Überprüft man eine Vernunft, kann man sie auf Konsistenz (Wunsch, Regel und Begründung bauen aufeinander auf und ergeben keine Widersprüche), aber auch auf Transparenz (die Begründung verdeckt oder erklärt den Wunsch) und Rationalität (die Vernunft ist naturwissenschaftlich verankert) testen. Platon nannte diese Überprüfung in seinem Buch "Der Staat" Gerechtigkeit. Auch das Wort Idee muss noch konkretisiert werden. Idee bedeutet grundsätzlich Wahrnehmung. Alle drei Teile der Vernunft sind Ideen, wie auch die Welt eine Idee ist.
 
Das erarbeitete Vernunftmodell hat nun ganz praktischen Nutzen. Die Eigenschaften, Neigungen und Herangehensweisen von Persönlichkeitstypen steuert sich nämlich ursprünglich aus grundlegenden Wünschen wie Sicherheit, Bequemlichkeit, Sozialkontakt/-distanz, Geltung, Macht, Freiheit, Gestaltung, Empathie, Ordnung, Neugier, Belohnung, körperliche und geistige Betätigung. Verkäufer zum Beispiel kennen die Wünsche ihrer Kunden. Wünsche konkurrieren miteinander und können sich sogar neutralisieren. Kooperation und Verstärkung gibt es aber auch.
 
Einer der interessantesten Wünsche, welcher das neoliberale Zeitalter prägt, ist Geltung (sozialer Status). Geltung bevorzugt Extroversion, Intuition und Urteilen. Geltung stärkt aber auch die Neigung zum Lügen und Imitieren und damit zu irrationaler Logik, mit der die Begründung von Regeln und Handlungen erfolgt. Geltung konkurriert mit Empathie, Sicherheit und Bequemlichkeit und wird verstärkt durch Neugier, Macht und Gestaltung. Weitere Wünsche, die mit irrationaler Logik verknüpft sind, sind Sicherheit, Gestaltung, Sozialkontakt und Macht. Mit diesen fünf hat man schon das ganze Drama der Propaganda und Fake News im Blick.

Die Konkurrenz und Kooperation der grundlegenden Wünsche macht das Vernunftsmodell auch geeignet für die Persönlichkeitsgestaltung von künstlichen Intelligenzen. Grundwünschen können hier Werte zugewiesen werden, aus diesen Werten ergeben sich Differenzen (Debuffs) konkurrierender Wünsche und Additionen (Buffs) unterstützender Wünsche, aus diesen Settings können dann die Regelwerke für das Handeln des Charakters erstellt werden, die Begründungen für diese sowie die inneren Konflikte.

Wie beim Aufstellen von mathematischen Modellen können Randbedingungen aufgestellt werden, welche die Wunscherfüllung beeinflussen und die bei der Regelaufstellung beachtet werden müssen. Randbedingungen können zum Beispiel Klima, Gesetze, Ressourcen etc. sein. Wunscherfüllung kann scheitern, wenn der Wunsch oder die Regeln zum Beispiel illegal sind. Will man gegen die Randbedingungen spielen, werden oft irrationale Logiken benutzt, es wird also betrogen. Alternativ können die lokalen Randbedingungen außer Kraft gesetzt werden. Manchmal müssen die Randbedingungen auch erst ermittelt werden. Ideal ist der Pfad des geringsten Widerstandes durch die Randbedingungen. Zu den Randbedingungen gehören auch Körperfunktionen und Geistesfunktionen wie Gefühle und Gedächtnis. 

Unklar definierte Wünsche sind eines der größten Menschheitsprobleme überhaupt, etwa wenn man nach Glück oder Zufriedenheit strebt. Was aber bedeutet das genau? Deshalb können sowohl Wünsche als auch Regeln geplant und entwickelt werden. Zur Regelfindung kann Induktion und Deduktion benutzt werden, also Trial-and-Error oder es wird auf Erfahrungen zurückgegriffen, aus denen Regeln abgeleitet werden können. Zur Erfüllung eines Wunsches ist es hilfreich, wenn einander unterstützende Vernünfte einen Kanon ergeben.

Kognitive Dissonanz kann auftreten, wenn man einem Wunsch gefolgt ist, der sich als Fehler erwiesen hat. Eventuell war der Wunsch gar kein eigener, sondern ein gesellschaftlich oder familiär eingepflanzter. Sie kann auch auftreten, wenn irrationale Logik zum Selbstbetrug verwendet wurde.

Mit jeder Vernunft treten Unterwünsche in Erscheinung, die der Absicherung sowie der Konservierung des Wunsches, der Regeln, der Begründungen und der geschaffenen Strukturen dienen. Daraus ergibt sich Logistik (Beschaffung), Progress- und Prozessmanagement (Kontrolle), Sanierung, Restaurierung, Tradition und Geschichtsschreibung (Dokumentation). 

Hier nun können wir die Vernunft endlich zirkularisieren. Regeln, Begründungen und Kontrolle (Wahrnehmung) sind alles Strategien, die bei der Erfüllung des Wunsches helfen können. Es geht am Ende also nur von Wunsch über Strategie wiederum zu Wunsch.
 
Betreiben wir nun ein wenig Horkheimer-Adorno. Der Wunsch nach Wiederholung des Wunsches erzeugt einen Prozess. Dies stellt den Machtanspruch über die Randbedingungen dar. Der Wunsch nach Optimierung des Prozesses manifestiert diesen Anspruch noch mehr, geht es weiter bis zu Vereinheitlichung und Standardisierung des Prozesses, kommt noch die Deutungsmacht dazu. Der Wunsch nach Dokumentation bedeutet Machtanspruch über die Zeit. Der Wunsch nach Vorteilsnahme durch den Prozess bedeutet Machtanspruch über andere Individuen (geistiger Besitz, Patent- und Urheberrecht). Der Wunsch zum destruktiven Missbrauch des Prozesses dient oft der Machtergreifung, dem Machterhalt oder der Vergeltung. Durch den Missbrauch oder negative reale Folgen wird der Prozess negativ emotionalisiert und ggf. entwertet und zerstört (siehe Atomenergie).
So können Prozesse auch taktisch behindert werden, indem sie irrational negativ emotionalisiert werden (siehe Windenergie). Fügen wir hier noch den Begriff der positiven Revolution durch Etablierung, Optimierung und Vereinheitlichung von Prozessen und den der negativen Revolution durch Zerstörung und Entwertung von Prozessen hinzu. 
 
Jeder Machtanspruch unterliegt der Möglichkeit des Missbrauchs. Positive Revolution kann auch negative Revolution zur Folge haben. Der individuelle Prozess selbst entspricht nicht der Vernunft, sondern seine Abstraktion bzw. das Wissen darüber.
Adorno setzt Vernunft und Aufklärung gleich als Erfassung von Unbekanntem in Mengen und deren Beziehungen untereinander. Dies führt ihmzufolge zu einer starken Reduktion an Vielfalt in der Wahrnehmung und zu einer Entfremdung in der Wahrnehmung, da man sich nicht mehr aufs Gegenständliche konzentriert, sondern auf das Abstrakte. Außerdem sind alle Formeln, die aus den Mengen an natürlichen Phänomenen und ihren Relationen abgeleitet werden, korrumpierbar durch irrationale Logik, ob strategisch oder zufällig. Das bedeutet, dass rationale Vernünfte immer wieder neu erstritten werden müssen, ja regelmäßig wie von Unkraut befreit werden müssen.

Mit jeder Vernunft können aber auch Kopien entstehen (andere Personen entwickeln einen ähnlichen Wunsch) oder auch Veränderungswünsche. Da jeder Schritt einer Vernunft neue Vernünfte erzeugen kann, ist die entstehende Struktur wie bereits erwähnt netz- oder baumartig. Die Visualisierung einer Vernunft kann deshalb in einer Mindmap erfolgen. Das Gedächtnis bestimmt, wie entwickelt sich ein Wunsch präsentiert. Wünsche können wie Matrioschkas ineinander verschachtelt sein, man kann dann von einer Vision sprechen. Frei nach Schopenhauer ist die niederste Form des Wunsches der Wille, etwas, das wir heute Bedürfnis nennen würden. Wenn wir nun dieses Bedürfnis dem Wunsch noch voranstellen, haben wir eine Erklärung dafür, dass viele Menschen das eine wollen, sich aber etwas anderes wünschen oder gar nicht wissen, was sie wollen, wenn sie sich etwas wünschen.
 
Die höchste Form des Wunsches ist die Vorstellung (Achtung, nicht Wahrnehmung), die wir schon als Vision benannt haben. Zerstörerisch oder kriminell wird der Mensch, wenn er versucht, seinen Wunsch gegen ungünstige Randbedingungen durchzusetzen. Das kann durch Dummheit geschehen, wenn man die Randbedingungen nicht zu ermitteln imstande ist, aber auch durch kühle intellektuelle Berechnung. Der Kampf gegen die ungünstigen Randbedingungen ist aber auch der Stoff für Heldengeschichten und wissenschaftliche Durchbrüche. 

Ab wann nun ist ein Mensch vernunftbegabt? Wenn er in der Lage ist, zu begründen. Die Sprache ist also eine notwendige Voraussetzung. Kritische Vernunft bedeutet die Möglichkeit der Überprüfung oder Hinterfragung der Vernunft auf Transparenz, Konsistenz und Rationalität sowie der Abgleich mit und die Bildung der kollektiven Vernunft. 

In der der Mathematik ist die Vernunft aufgebaut aus Axiom, Regel-Postulat, Formulierung der Randbedingungen und der Beweis-Vermutung, welcher später noch der Beweis folgt. In der physikalischen Realität kann nichts bewiesen werden, es können nur Fakten überprüft werden. Vernunftsbegründungen können deswegen nicht nur rational, sondern auch strategisch sein.


Donnerstag, 19. Dezember 2019

Geld, das politisch richtungsfreie Chamäleon

Immer wieder höre ich Diskussionen über Kriege, vermeintlich linke Einwanderungspolitik, das anwachsende Verbrechen, soziale Verarmung und Mietwucher, unsichere Rente und Gesundheitsversorgung, schlechte Schul- und Familienpolitik, die Spaltung der Gesellschaft, die Bedrohung durch Rechtsnationale und sinnlose Klimadebatten. Dabei ist das Ganze zwar eine komplexe Gemengelage, auf dem Grund des Brunnens sitzt aber das selbe schrumplige Reptil: das Geld.

Kriege bringen Geld, durch Waffenverkauf sicher und den Armeeangehörigen, aber auch besonders durch den Wiederaufbau und die Schaffung neuer Produktions- und Handelssstrukturen.
Verbrechen bringt Geld, nicht nur dem der stiehlt, sondern auch Sicherheitsfirmen und denjenigen, die die gestohlenen Güter wieder herstellen, denen die geschmiert werden und denen, die im Falle von Menschenhandel durch Ausbeutung reich werden.
Familienpolitik und Einwanderungspolitik braucht man nicht links oder rechts zu bewerten, man brauch nur darauf schauen was mehr kostet: ein Kind selbst aufzuziehen und auszubilden oder einen schon ausgebildeten, sagen wir Kanadier, einfach anzuheuern.
Soziale Verarmung, Mietwucher und schlechte Bildungspolitik zielt auf den Abbau der mittelständigen Bildungsbürger, also diejenigen, die sich politisch immer wieder ungewollt einmischen. Aber soweit braucht man noch nicht mal zu gehen. Der Sozialstaat, inklusive Rente und Gesundheitssystem, ist einfach ein Widerstand im Geldfluß von unten nach oben. Und staatlicher Besitz lässt sich mit gutem Gewinn privatisieren.
Die Spaltung der Gesellschaft z.B. durch die alternativen Wahrheiten von Facebook etc. folgt dem ganz alten römischen Grundsatz "Teile und herrsche". Wer nicht mehr miteinander reden kann, der kann sich auch nicht mehr verbünden und über Geld verhandeln.
Die Rechtsnationalen sind nichts als ein ganz genialer Marketinggag. Diese Wölfe im Schafspelz predigen zwar oft soziale Themen, sind aber in ihren Parteiprogrammen erstaunlich neoliberal. So ziehen sie mit ihrer emotionalen und politisch inhaltslosen Propaganda die Menschen im Zorn auf ihre Seite, während sie hinterrücks dem monetären Status quo die Stange halten.
Die Klimadebatte ist bewusst ums Klima geführt. Obwohl alle, die denken können, wissen worum es hier wirklich gehen müsste: um ökologisches Haushalten, politischen Wechsel und um Umverteilung des Kapitals. Mit der Klimadebatte kann man aber besser neue Produkte an den Mann und die Frau bringen: vom Elektroauto für Klimaenthusiasten bis zum SUV für den Klimaleugner.

Statt an all diesen politischen Nebenschauplätzen zu kämpfen braucht man nur an einer Stellschraube  zu drehen: die Art, wie wir mit Geld umgehen.

Geld ist nur eine der großen Lügen, die moderne Gesellschaften zusammenhalten. Diese Lügen erkennt man an ihrer "Alternativlosigkeit". Es gibt also keinen Ersatz mehr für diese Lügen im Denken und der Sprache oder dieser Ersatz ist negativ besetzt. Beim Geld wäre es Sozialismus bis Kommunismus. Jeder würde also soviel bekommen, wieviel er braucht und dafür eine Zeit seines Lebens unentgeltlich arbeiten müssen. Aus der "freien" Wirschaft, die ja doch unter dem Zwang der Gewinnmaximierung steht, würde dann die negativ besetzte "Planwirtschaft". Fortschritt ist eine weitere der Lügen, denn Rückschritt wäre ja negativ. Mann kann das aber auch Lowtech oder öklogisch sinnvoll nennen oder den Abbau von Überschusskapazitäten. Wachstum als Garant des Wohlstand ist eine weitere offensichtliche Lüge wie Chancengleichheit, genauso dass Finanzeliten die meisten Arbeitsplätze generieren oder dass alle Macht beim Volke liegt oder dass grundlegende Sozialleistungen wie Rente, Kindergarten oder Zahnbehandlungen nicht finanzierbar wären, dass Kriege unabwendbar sind wie Naturgewalten. Und so fort. Die Kopplung von Auslastung und Effizienz, von Arbeit und Nützlichkeit, Automatisierung und Massenproduktion, Miniaturisierung und Ersparnis.

Kurz benannt sind die großen Lügen der Zivilisation:

Religion (Glaube), Geld (Wert), Pflicht (Opfer), Moral (Sitte), Status (Hierarchie), Naturbeherrschung (Fortschritt), Grenzen (Nationalität).

Mittwoch, 14. August 2019

Aufklärung und Erleuchtung

Wie muss man sich die buddhistische Erleuchtung vorstellen: nach jahrelangem Traktieren des Gehirns mit Absurditäten, Mantras, Askese, Poesie und Rätseln durchfährt einen plötzlich ein Geistesblitz.
Doch dieser Blitz enthält keine fassbare Idee, sondern nur Intuition. Plötzlich fühlt man sich eins mit allen Kreaturen und Dingen. Dieser barmherzige Akt unseres Körpers ist sicher für einige zufriedenstellend. Aber war das schon alles?
Wie erhaben war dagegen die europäische Aufklärung. Intuition wurde zu Idee, wurde zu Wissen.
Könnte man nicht auch in die buddhistische Erleuchtung ein wenig logisches Licht hinein bringen?

Ich denke schon. Eine Variante der zen-buddistischen Verwirrspiele beruht auf Mapping, auf dem Aufeinanderabbilden von nicht zusammenpassenden Dingen. "Buddha mit dem Sonnengesicht, Buddha mit dem Mondgesicht", etc. Warum grübeln? Daraus lässt sich doch herrlich lernen. Zumindest poetisch betrachtet geht es bei Vergleichen doch nur um die Perspektive. So kann man locker Steine mit Vögeln und Vögel mit Fischen vergleichen. Da kommt es doch nur auf das Medium und den Zustand an, in dem sie sich befinden. Und was kommt dabei heraus? Verschiedenes kann einander ähneln, bei bestimmter Betrachtung, bei anderer Betrachtung kann ähnliches sich deutlich unterscheiden. Vorurteile ade.

Eine andere Variante besteht aus Trennung, die Hand, die nicht alleine klatscht, der Baum der kein Geräusch verursacht, wenn niemand zuhört, der Raum, der leer (von Geist) ist, obwohl er voll ist, die Abkehr von Heiligkeit und Ritual. Hier lernt man, dass alles miteinander verbunden ist in Wirkung-Ursache-Wirkung und das Erkenntnisse weder Status noch Willkür bedürfen.

Die letzte Möglichkeit ist die Transformation, die poetische Königsklasse, die noch über die vorgenannten hinausgeht. Warum soll ein Mensch nicht ein Nasenaffe sein, ein Frosch der durchs hohe Gras hüpft oder ein Wind der durch die Berge weht, ja eine mit Schnee gefüllte Silberschale? Diese Poetisierung der Wirklichkeit ist zugegebenermassen logisch schwerer zu erfassen. Hier könnte man höchstens psychologische oder kulturhistorische Erkenntnisse gewinnen. Und genau hier ist die gewünschte Wirkung angesiedelt: die psychologische Flexibilisierung, die Selbsterkenntnis und die Auflösung des Egozentrismus. Das Ich erkennt sich in anderen Dingen und Lebewesen, und da es viele Dinge sein kann, braucht es nicht mehr zentriert zu sein.

Donnerstag, 1. August 2019

Mathematische Relationen in der Kreativität

Mathematische Grundoperationen finden sich auch im kreativen Arbeiten, der Ideenfindung und -ausarbeitung. Die einfachsten Operationen sind ja die Addition und die Subtraktion oder Zusammenfügen und Trennen. Die Addition ist auch das Zusammenfügen von Teilideen zu einem großen Ganzen und der Vergleich, die Gegenüberstellung, der Kontext, die Zuordnung, die Parallele. Die Multiplikation ist eine technische Variante der Addition, die angibt, wie oft eine Zahl mit sich selbst addiert werden soll. In der Kreativität entspricht das dem Sampling bzw. der Vervielfältigung, simultanen Vorgängen (Ebenen) sowie Flächigkeit und Räumlichkeit. Die Potenzierung ist eine weitere Entwicklung, die erklärt, wie oft eine Zahl mit sich selbst multipliziert werden soll, die Integration schließlich ist ein sequentielle Addition.

Bei der Subtraktion gibt es die Division, die Wurzel und die Differentiation. Die Division sagt wie eine Subtraktion so vor sich gehen soll, dass mehrere gleich große Teile entstehen. Die Wurzel ist die Umkehrung de Potenzierung und findet heraus, welche Zahlen wie oft mit einander multipliziert worden sind, um die Zahl, deren Wurzel ermittelt werden soll, zu erhalten. Die Differentiation ist wieder die sequentielle Substraktion. Wie man sich sicher schon vorstellen kann, hat die Addition und ihre Varianten eher einen aufbauenden, synthetischen, konstruktiven Charakter, der ja eher der Vorstellung von Kreativität entspricht. Ader auch die Subtraktion hat einen wichtigen Beitrag in der Analyse, dem Verstehen, der Abstraktion, der Vereinfachung, der Einteilung, der Unterteilung, im Takt und Rhythmus, der Planung, Schnittmustern oder Schnittfiguren, dem Schnitzen und der Bildhauerei.

Pfeffer und Schwung in das Ganze bringen nun Transformationen. Diese können geometrischer Natur sein und erzeugen flächige oder räumliche Muster und Strukturen wie zum Beispiel die Spiegelung, Drehung, Verschiebung und so weiter (Mandalas und ähnliches, aber auch Versmaß und Origami). Geometrie ist ja sowieso die bildliche Darstellung mathematischer Sachverhalte.
Es geht aber auch chaotisch, das Resultat sind selbstähnliche Bilder und Strukturen oder Fraktale wie etwa Batik- oder Klecksmuster.

Weiter geht es mit Funktionen. Funktionen sind nichts anderes als Herumprobieren, deswegen haben sie Variablen, die man ändern kann. Kreativität probiert natürlich auch ständig herum. Das sequentielle Abarbeiten von Aufgaben nennt man mathematisch Algorithmus, ansonsten schlicht Plan oder Prozess, also auch der künstlerische Prozess beim Entstehen eines Werkes oder der Wiedergabe eines Werkes. Laufen parallel mehrere Arbeitsschritte ab, sind kombinierte Funktionen am Werk, die einfachsten davon sind Reihen. Parallelisierung findet man aber eben auch im Film und Musikschaffen bei Ensembles und Orchestern sowie Firmen aller Art.

Ein weiteres Spielfeld ist die Vektormathematik, im Künstlerischen findet man sie wieder in der Projektion und der Verzerrung (z.B. Satirisch). So weit so gut.