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Sonntag, 21. Juli 2024

Fraktale Dekonstruktion

Heute geht es weiter in den Kaninchenbau, oh Freunde. Menschliche Gedanken an sich sind fraktaler Natur. Sie sind selbstähnlich, unendlich und man jagt ihnen hinterher bis hin zur Vergrösserung der Vergrösserung der Vergrösserung (einer Kopie einer Kopie). Wer je Fraktalprogramme benutzt hat, weiss, was ich meine. Der Verstand kennt keine Atome, ist nicht auf die Abzählbarkeit der physischen Welt angewiesen (schliesslich konnte er ja nichts davon wissen). Ist man gefangen im Fraktal, nützt es nichts, "auf der Schulter von Giganten" zu stehen, Grösse spielt da eine relative Rolle. Aber man muss den Mut haben, stehen zu bleiben und hinabzuschauen, ja schwieriger noch hinauf, denn jede Ebene ist recht und gut, wenn man erkennen will, dass man in keine Richtung entrinnen kann, solange man sich nach den Gesetzen des irren Gartens bewegt. Und wie kommt man aus einem Irrgarten heraus? Richtig, man muss Löcher durch die Hecken schneiden. Ein Fraktal hat eine gebrochene Dimension, ist etwas knäuel-, schwamm- oder ornamentartiges. Es versucht, eine bestimmte Fläche oder Raum auszufüllen. Dieser Raum kann, Ebene für Ebene, grobschlächtig mit Pfählen abgesteckt werden. So machen es die formalistischen Optimisten. Und so macht es die atomare "Realität". Ob in dieser Approximation Wahrheit liegt, ist irrelevant, denn die Wahrheit ist möglicherweise genau jener seltsame Attraktor, dem es zu entkommen gilt. Mit diesen Pfählen nun haben sie Koordinaten und Abstände und können schauen, wie gross ihr Gigant wirklich ist. 

Samstag, 1. Juni 2024

Hegel und Marx - die aristotelische Synthese

Michael Conradt stellte in seiner youtube-Reihe die Behauptung auf, die Hegelsche Dialektik, die Dialektik des Geistes sei die Antithese zur Marxschen Dialektik, der Dialektik der Materie. Danach stellte er die Frage nach der Synthese beider Dialektiken. Hegel greift natürlich weit zurück auf Platon, der postulierte, die Wirklichkeit sei ein Abbild einer realeren (göttlichen) Geisteswelt. Marx stellte die Sache anders dar und meinte, die Materie bestimme den Geist. Auch Marx können wir einen berühmten Griechen voranstellen, nämlich Demokrit, der als erster die Welt aus Atomen aufgebaut sah. Was ist nun die Synthese von Hegel und Marx?

Diese braucht gar nicht neu erfunden werden, sie ist nämlich schon lange vorhanden: es ist die wissenschaftliche Methode der Induktion und Deduktion. Auch diese hat ihren Ursprung in der platonischen Ideenlehre und wird seitdem weiterentwickelt. Dabei meine ich nicht die Benutzung von Modellen und Plänen an sich, die sicher noch weiter zurückgeht, sondern die Erkenntnis Platons, dass göttliches Modell und menschliche Erfahrung gegensätzlich sind und seine Argumentation, Geometrie sei ein göttliches Ideal. Sein Schüler Aristoteles führte dann die Induktion, die Abstraktion von Naturphänomenen, ein. Die Abstraktion ist dann schon die diesmal ganz menschliche Modellbildung, Idealisierung. Die Anwendung des Modells auf die materielle Wirklichkeit ist schliesslich die Deduktion. Induktion und Deduktion sind die Vermittler zwischen geistigem Ideal und materieller Wirklichkeit und Aristoteles schliesslich der Gewinner des Conradtschen Preisausschreibens. Mit der wissenschaftlichen Methode gewinnen wir aus materiellen Tatsachen geistige Idealvorstellungen (Modelle) und mit diesen Vorstellungen beeinflussen wir wiederum die Materie.


These und Antithese lassen sich ideell einerseits als unterschiedliche Mengen und die Synthese als Schnittmenge darstellen. Andererseits können These und Antithese auch polare Punkte einer geordneten, quantifizierbaren Menge sein (z.B. schwarz und weiss in der Graustufenmenge). Falls beides nicht gelingt, können beide immer noch durch eine qualitative Übermenge eingeschlossen werden. Es geht also immer um eine Erweiterung des gedanklichen Blickfelds. Materiell gelingt die Synthese durch Umverteilung von Materie, also Taten. Die Synthese beider Thesen gelingt durch Feedback, also deutsch Rückkoppelung. Tat-Erkenntnis-Tat-Erkenntnis.... Das Ergebnis von Rückkoppelung ist Weiterentwicklung.

Bonusmaterialspinnerei:

Bisher habe ich die Dialektik als Methode behandelt. Bleibt noch die Dialektik als Weltbild, ein leicht esoterisches Unterfangen. Holen wir nun noch weiter aus und meinen, der Geist sei eine spezielle Dynamik und Verteilung der Materie. In diesem Sinne hätte Marx dann Recht, die Materie bestimmt den Geist, ja sie IST der Geist. Andererseits besteht Materie hauptsächlich aus physikalischen Kraftfeldern. Damit sind wir schon bei Einstein. Energie ist die Synthese von allem. Energetische Dialektik ist en vogue. Eine Dialektik nicht über Mengen oder Materieverteilung, sondern über Energieverteilungen, gleich mit Anschluß an die Informationstheorie. Und hoppla, wie schön sich der Kreis schließt. Betrachtet man Information als Geist, ist man schon wieder bei Hegel. Genauer betrachtet stehen sich heute also nicht mehr Marx und Hegel gegenüber, sondern klassische Physik und die Informationstheorie.

Hier nun noch eine kurze These über die Frage, ob Zeit und Raum gequantelt sind. Das ist eine Frage, mit der sich unter anderem die Theorien der Quantengravitation beschäftigen.  Zeit und Raum sind eigentlich reine Messgrößen, die in ihrem Fall den Geschwindigkeitsanteil von Energie beschreiben. Die kleinste Energieeinheit ist der Planck-Quant. Dazu existieren auch eine Planck-Zeit und eine Planck-Länge. Weiter können wir Energie, Zeit und Raum nicht auflösen, dies ist das kleinste mögliche Beobachtungsraster. Da Zeit und Raum also menschliche Hilfsmittel sind, um die physikalische Wirklichkeit zu erfassen und beide auf der Energie basieren, sind sie dadurch möglicherweise gequantelt. Es wäre also nicht die Brille kariert, mit der wir Raum und Zeit betrachten, Raum und Zeit wären die karierte Brille, mit der wir die Energie betrachten.

Wir haben da für die kinetische Energie =1/2 x Masse x (Raum / Zeit)^2

Änlich gilt für die Wärmeenergie = Masse x Wärmekapazität x Temperaturunterschied

Trotzdem existieren Ausdehnung, Zeit und Masse natürlich auch ohne dass sie gemessen werden und sind intuitiv erfassbar. Energie hingegen ist ein abstraktes vereinheitlichtes menschliches Konstrukt. In „Was ist eigentlich Vernunft“ benannte ich die Eigenschaften von Objekten als die einzige natürliche Größe und alles darauf Aufbauende abstrakt. Aber hier sind wir in einem Dilemma, denn man kann nicht beweisen, dass es kleinere Messeinheiten gibt ohne dass man sie messen kann. Und da wären wir wieder. Alles was über kleinste und größte Messgrenzen hinausgeht, kann zwar gedacht, aber nicht erfasst werden. Naturwissenschaften sind kariert. Geisteswissenschaften sind kontinuierlich.


(Bild: Wikipedia)

Montag, 29. November 2021

Parallelwelten und Alternativwelten

Parallelwelten bedeuten unterschiedliche gelebte Rollen mit unterschiedlichen Realitätswahrnehmungen oder aufgeschobene Entscheidungen. Man ist zum Beispiel gleichzeitig Kind und Elternteil, hat einen Zweitjob, etc. Das existiert für jeden Menschen und bedeutet eine erlaubte Sequenzierung der Zeit (gefühlte Parallelisierung).

Alternativwelten resultieren aus getroffenen Entscheidungen und abgelegten bzw. abgelehnten Rollen oder auch zurückliegenden Naturereignissen und geschichtlichen Wendepunkten. So könnte durch ständige Bifurkation oder Gabelung der Ereignisse in verschiedene Alternativen das sogenannte Multiversum entstehen. Diese Art Parallelisierung „was-wäre-gewesen-wenn“ funktioniert aber nicht, denn sie bedeutet eine Vervielfältigung der Materie ohne Energiebereitstellung und verletzt damit den Energieerhaltungssatz. Ein Universum kann sich nicht durch Zellteilung vermehren.

Selbst wenn die Materie statt dessen sequenziert würde, also in rascher Folge zeitlich-räumlich verschoben um Gleichzeitigkeit zu simulieren, würde das örtliche überlichtschnelle Bewegungen ermöglichen, was wir real nicht erleben. Sequenzierung oder sogar auch Parallelisierung virtueller Materie kann allerdings stattfinden, denn in der virtuellen Realität existiert so etwas wie Speicherplatz und Sicherheitskopien und für diese wird extra elektrische Energie bereitgestellt.

Alternativwelten sind also eine rein menschliche Erfindung und sind dem "Leben nach dem Tod" ähnlich. Sie sind, wie Götter und Superhelden, ein geistiges Axiom, dem in der Realwelt nichts entspricht ausser ihrem elektromagnetischen Geister-Abbild, ein Produkt irrationaler Logik. Es besteht kein physikalisches Indiz, sondern nur ein starker menschlicher Wunsch, Fehler rückgängig zu machen.

Eine Sequenzierung der Materie würde erst durch Zeitreisen ermöglicht. Dann könnte man zwischen Zeitlinien hin- und herspringen. Lasst uns hoffen, dass so etwas nie erfunden wird.

Literarische Ansätze der Überlagerung von Informationstechniken geistiger und maschineller Natur mit der physikalischen Realität findet man in Jack Finneys "Das andere Ufer der Zeit", Blake Crouchs "Gestohlene Erinnerung" und Michael Atamanovs "Die Unterwerfung der Wirklichkeit". Die wunschbasierte Veränderung der Wirklichkeit durch geistige oder informationstechnologische Steuerung wird dort am offensichtlichsten dargestellt. Altbekannte Beispiele für wunschbasierte Pseudowissenschaft sind der Stein der Weisen und das Perpetuum Mobile.

Als nächstes noch die Binsenweisheit, dass  die Zukunft einer Alternativwelt sehr ähnlich ist, denn auch sie wird geistig projeziert, wenn auch nicht nachträglich. Im Gegensatz zur Alternativwelt kann man sie aber wirklich beeinflussen, solange, bis sie Gegenwart wird.

Nun noch schnell die Variante, dass das gesamte Multiversum in allen seinen verschiedenen Konfigurationen nicht entsteht, sondern schon existiert, inklusive aller verschiedener Entscheidungswege identischer Individuen. Das ist grundsätzlich nicht unmöglich, aber extrem unwahrscheinlich. Schon auf unserem einen Planeten existieren identische Individuen nur als eineiige Zwillinge. 

Dass gar auf einem anderen Planeten in einem anderen Universum ein identisches Individuum vor der gleichen Entscheidung steht wie auf der Erde hier ist so unwahrscheinlich, dass sogar die Unendlichkeit bei der Frage rot anlaufen würde, ob sie das möglich machen kann.Tatsächlich stehen aber auf unserem Planeten recht viele ähnliche Individuen vor ähnlichen Entscheidungen. Anstatt sich in einem anderen Universum auf einer Suche nach Antworten zu begeben, kann man also vor seiner eigenen Haustür anfangen. 

Bleiben wir nun bei der biologischen Analogie von Multiversen und Zellverbänden. Wären Universen tatsächlich dicht gepackt wie Zellen in Lebewesen oder Atome in Festkörpern, könnte sich unser eigenes Universum nicht (mit tatsächlich teilweise Überlichtgeschwindigkeit durch Raumausdehnung) ausdehnen, ohne andere Universen zu komprimieren oder mit ihnen zu kollidieren. Atome im Gas hingegen können sich frei bewegen und diese Analogie wäre auch sinnvoller. Das Multiversum würde dann aus diskreten Materiewolken bestehen, die sich einen Raum teilen. Es gibt ja auch die Branwelttheorie, nachdem Universen mehrdimensional gestapelt sind, so dass sie sich aus dem Weg gehen können. Warten wir hier am besten auf die Beweise dieser amüsanten Geschichte. Höhere Dimensionen dienen meist rein mathematischen Zwecken, der reale Raum bleibt 3-dimensional. Mehrdimensional geordnete Darstellungen können in der 3D-Realität recht unordentlich aussehen. Wie auch immer, wenn unser Universum sich mit einem anderen trifft, werden wir es daran merken, dass Galaxien plötzlich in die falsche Richtung fliegen.

Der höherdimensionale Raum hat viele Autoren zu der Idee des Hyperraums bewogen, in dem es sich mit Überlichtgeschwindigkeit reisen lässt, denn Projektionen des höherdimensionalen Hyperraums ließen sich ja so zurechtdrehen (oder verzerren oder "falten"), dass der Abstand zwischen 2 Punkten im niederdimensionalen Raum kürzer wird.

Auch mit der Zeit wird gern geometrisch herumgespielt, etwa könnte die Zeit die Form einer Helix haben, wie in Matthew Reillys Roman "The secret runners of New York". Und dann, wenn die Helix verbogen wird, überlappen Vergangenheit und Zukunft miteinander. Blöd nur, dass die Zeit überhaupt keiner Geometrie gehorcht, denn sie ist durch sich bewegende Materie oder Energie definiert sowie durch die Vermehrung der Unordnung (Entropie). Und hierher passt genau der Spruch, die Zeit sei eine Illusion. Was wir als Zeit messen, ist verkodiert in den Bewegungen unzähliger Atome und Objekte. Weder kann man den gesamten Kode für eine beliebige Vergangenheit berechnen, noch für eine beliebige Zukunft. Und selbst wenn man diese ungeheuer komplexe Konfiguration berechnen könnte, wer bringt all die Objekte dann zum gewünschten Ort? Die Relativität lässt es immerhin zu, dass Objekte unterschiedlich schnell altern, wenn sie sich unterschiedlich schnell bewegen. Dadurch lässt sich der Fluss der Zeit relativ zueinander und das Altern sehr lokal auf die sich schneller bewegenden Objekte beschränkt verändern. Das wären ungefähr "Reisen in die Zukunft", aber ohne Rückfahrkarte und deshalb ohne Einfluss auf die Vergangenheit.

Eine andere bekannte Idee ist das holographische Universum. Bedeutet das nun, das unser Universum auf irgendeiner kosmischen Glasplatte gespeichert ist? Nein, keinesfalls, diese Idee spricht statt dessen wiederum über unser Universum als eine Projektion aus dem höherdimensionalen Raum, also über eine mathematische Methode, das 3D Universum einfacher zu erklären. Natürlich wäre es dem menschlichen Ego sehr zuträglich, das Universum als Information zu verstehen, die manipuliert werden kann und gleichzeitig einen Schöpfer der Information zu vermuten. Ein bisschen ähnlich verrückt ist der Gedanke von Portaltransportation oder Beamen, also das Versenden von Dingen oder Lebewesen als Information. Selbst wenn wir irgendwann in der Lage wären, andere organische Materie zu drucken als Polymere, auf atomarem Level, aufgrund der Kleinheit von Atomen würde dieser Druckprozess Jahre dauern, abgesehen von der Schwierigkeit, Flüssigkeiten dreidimensional zu drucken.

Zum Universum als eventuell manipulierbares Informationspaket (Informationstheorie) passt auch der Ansatz, daß Gott bei der Erschaffung des Universum mehrere tausend Naturkonstanten gerade so hingefummelt hat, daß ein menschenfreundliches Konstrukt dabei herauskam. Richtig ist es aber genau anders herum. Der Mensch hat die Naturkonstanten erst nach seinem Auftreten durch Beobachtung seiner Umgebung definiert. Das gilt ganz besonders für nicht direkt messbare Konstanten. Eine interessante Sammlung pseudowissenschaftlichen Unsinns dazu ist Koji Suzukis "Der Graben".

Und zu guter Letzt die Analogie zur Quantentheorie. Ja bei kleinsten Teilchen treten skurrile Phänomene auf, wie die Kommunikation zwischen weit voneinader entfernten Teilchen und die Wegeunsicherheit bei der Bewegung (mehrere Wege sind gleich wahrscheinlich). Diese Phänomene lassen sich aber nicht in der makroskopischen Welt beobachten. Die Übertragung von Quantenphänomenen auf die makroskopische Realität a la Schrödingers Katze dient nur der Veranschaulichung und hat sonst gar keine Bedeutung.

Fazit: Die Mathematik ist eine Geisteswissenschaft und keine Naturwissenschaft. Mathematische Modelle müssen also nicht unbedingt eine physikalische Bedeutung haben, selbst wenn sie die physikalische Wirklichkeit berechnen helfen. 

Ein Beispiel: physikalische oder chemische Daten lassen sich durch mathematische Funktionen korrelieren. Diese Funktionen dienen als Hilfslinien, um fehlende Datenpunkte zu überbrücken. Das bedeutet aber nicht, dass die Tendenz der Daten zwingend durch den Funktionstyp (zum Beispiel exponentielles Wachstum) beschrieben wird, denn oft kann man mehrere Funktionstypen durch eine Datenwolke legen, die die Daten annähernd gleich gut beschreiben.

Auch mehrdimensionales Rechnen ist in mehreren Wissenschaften notwendig, zum Beispiel bei chemischen Verbindungen aus mehr als 3 Stoffen oder Elementen, bei Materialeigenschaften oder ungeordneten Kristallen. Das ermöglicht eine Berechnung, eine räumliche physikalische Bedeutung hat es nicht.


 

 


 

Mittwoch, 4. August 2021

Vom Vorteil, verrückt zu werden

Es gibt keine Gebrauchsanweisung für diesen Text. Betrachtet
man das Leben nüchtern und normal, gibt es eigentlich, nachdem man
in die vertragsverpflichtete Generation über 30 eingetreten ist, keinen
vernünftigen Grund mehr, ein Ego zu besitzen. Behält man es, wird es
doch zerrieben zwischen Partner, Kind und Job. Vielleicht auf dem Abort
kann man es ab und zu benutzen. Oder man lässt es ganz, ganz
einfach los und ist eben für die anderen da, als Zahnrad, als
Sandwich, als Sorgenonkel. Das ist die eine Art, davonzukommen.

Vielen gelingt das problemlos. Die, die ihr Ego mögen und festhalten,
werden Egomanen, Zyniker, Trinker, depressiv oder aber verrückt. Am besten,
man wird verrückt. Ganz im positiven Sinne! In diesem Falle ist der
Weg wirklich mal das Ziel, an das auch viele andere Wege führen,
manche sogar in die Irre. Verrückte Menschen werden für ihre
Unberechenbarkeit geschätzt, jaja. Sie sind nie allein, denn sie haben
einen ganzen Zoo im Kopf. Es gibt keine Langeweile mehr. Sie
gelten als kreativ, hüstel, usw. Ist natürlich ein schmaler Grat. Also
wie wird man verrückt: Erstmal stellen Sie sich selbst in Frage, dass
sowieso. Damit beginnt dann eine ganz große Scheiße. 

Wenn sie die geistig überleben, fangen Sie an, ihre Welt frei zu gestalten, in
Gedanken. Und zwar ganz frei. Stellen Sie sich vor, wie klein der
Unterschied ist zwischen dazwischen und inzwischen. Na bitte.
Lachen Sie dann mindestens einmal pro Tag laut und hysterisch
wie ein verrückter Wissenschaftler eben. Lesen Sie vor allem
populärwissenschaftliche Bücher über Quantentheorie, daneben
deutsche Philosophen, Ufo-Esoterik und Schlumpfcomics. 

Dann können sie auch schon damit anfangen, Unsinn zu machen und auch
andere dazu anzustiften. Erzählen Sie etwa allen, dass Schaden klug
macht und wie sie sich so schon einen sagenhaften IQ erarbeitet
haben. Dekorieren sie Essen und Essensreste ganz nach Gutdünken
zu Konzeptkunst und verlangen sie vom Ober Geld dafür (Sie können
wahlweise auch an rituellen Essenschlachten teilnehmen wie die mit
den Tomaten). Dann malen sie surrealistische Bilder, schreiben
unsinnige Gedichte und legen sich einen oder zwei unsichtbare
Freunde zu. 

Benutzen sie auch ihre Mitmenschen als Schauspieler
oder Dekoration in ihrem freien Theaterstück. Stellen Sie sich dann
vor, dieses Theaterstück wäre keins, sondern ihr Leben sei so.
Herzlichen Glückwunsch. Sie sind frei und haben ihr Ego behalten.
Und niemand will es mehr von Ihnen haben, stattdessen wird man
anstehen, um seine Früchte zu haben, wenn Sie es gut anstellen.

Mittwoch, 14. Juli 2021

Der Mensch als Nutztier (Gastbeitrag von Sebastian)

In dieser Ordnung, der bürgerlichen, kapitalistischen, werden ja alle Wesen geschunden und verletzt, jeden Tag. Seelisch und körperlich; die Lohnarbeit macht Menschen zu Krüppeln, wir nennen das Berufskrankheiten, Vorruhestand, Frühverrentung, Berufsunfähigkeit, Burnout etc. und führen Statistiken darüber, die zu beurteilen helfen, ab welchem Ausmaß das dann nicht mehr zu vertreten ist, und zwar politisch nicht mehr zu vertreten ist und der Staat intervenieren muß (das Selbe auch im Allgemeinen bei zum Beispiel Grenzwerten für Luft- und Wasserverschmutzung). Mindestlohn, Arbeitsschutzgesetze, Gesetze zur Krankheits- und Rentenversorgung, das heißt Versorgung in denjenigen Zeiten, in denen die individuelle Arbeitskraft nicht ausreichend oder gar nicht zur Reproduktion eben dieser Arbeitskraft eingesetzt werden kann, das heißt nicht gekauft wird. Kindergeld, weil noch keine Arbeitskraft im Kind verfügbar ist, aber zukünftig; das variiert von Land zu Land. In Afrika und weiten Teilen Asiens verkaufen Frauen ihre Neugeborenen, der Marktpreis ist ein Scheffel Reis, der nährt den Rest der Familie für wenige Tage.

Keiner dieser Standards oder Grenzwerte sagt, das darunter kein Schaden entstünde; Uran im Wasser, Schwermetall im Gemüse, Hormone im Waschmittel, Lösemittel im Spielzeug, Feinstaub in der Luft, aber auch wöchentlich 32 Stunden in der Aluhütte, täglich 11 Stunden im Lkw-Führerhaus, 15 Tagesstunden als Kellner im Biergarten oder 40 Wochenstunden im ozon- und feinstaubverseuchten Büro sind und bleiben giftig und verursachen Schäden und Verkürzung der Lebenszeit und Tote, nur eben nicht mehr genug als daß darum noch jemand ein Aufhebens machen würde.

Alle Wesen, und wie es dann den restlichen, nicht-humanoiden Mitbewohnern des Planeten ergeht, darüber muß man keine empörten oder erstaunten Worte mehr verlieren.

Politisch also, nicht menschlich unvertretbar. Es gibt keine anderen anerkannten Ursachen dafür als die, die angeblich im Individuum selbst zu finden sind. Wer Probleme hat, ist nicht genügend ausgerüstet für die Anforderungen, er hat sich selbst nicht passend zugerichtet. Schwäche also. Kein Psychologe, niemals, mit keinem Wort, erklärt dem Patienten jemals etwas anderes, als wie er an sich “arbeiten“ kann um mit den Problemen umzugehen. Die PROBLEME anzugreifen ist hier keine Option, und das ist schon deswegen klar, weil die Probleme systemisch erzeugt werden und innerhalb dieser Ökonomie gar nicht gelöst werden könnten. Mit den Ideen und Gedanken von Freud, auf dem sie gründet, hat die Psychotherapie nichts mehr zu tun, sie ist pervertiert.

Als meine damalige Frau, mit dem Studium schon fertig, ihre erste Anstellung als Psychotherapeutin in einer Klinik hatte, da kam sie zu mir wegen einer ihrer Patientinnen, die seit längerem in tiefste Depressionen gefallen war; der Grund war, sie war arbeitslos geworden, und in das damals noch recht neue Hartz-System eingezogen. Ein Elend. Der Rat, den ich meiner Ex damals gab, kommt mir heute noch klug vor: Ich hab ihr gesagt, sie soll die Patientin anregen, sich mit anderen wie sie betroffenen Leuten in Verbindung zu setzen, eine Gemeinschaft zu bilden die sich gegen diese Demütigungen und Repressionen gemeinsam zur Wehr setzt, und ihr zeigt, daß sie nicht allein und schuldig, unzureichend und minderwertig, sondern eine von vielen ist, die jetzt in die Tretmühlen dieser zynischen Objektverwaltung geraten ist.

Also ihr nicht zu erklären, daß sie ja mit einem gewissen Selbsteinsatz, Mut und Organisation oder was weiß ich auch eine Arbeit finden könnte und ähnlichen Stuß, sondern ihr klarmachen, daß nichts an ihr falsch ist, sie schlicht das Opfer einer Vergewaltigung ist, einer staatlich oktroyierten Geißelung ihres Selbst, deren Umsetzung in Zwang, Schikane, Demütigung, Beleidigung, Abrede und Gängelung und so weiter nur die Spiegelung der Sicht der Kapitalgesellschaft auf ihre Insassen ist: Träger von Arbeitskraft. Nutzvieh.

Wir haben “Problemkinder“ in “Problembezirken“, die irgendwie komisch und aggressiv und angeblich konzentrationsgestört sind, das nennen wir AD(H)S und damit also krank nach dem ICD und der öffentlichen Meinung.

Wir haben “Alte“ in “Heimen“ über deren Weiterleben oder eben nicht weiter leben schon entschieden wurde, noch bevor menschenfeindliche Psychopathen in der laufenden, aktuellen Krise die kriminellen Diskussionen über Auswahlkriterien und Sinnhaftigkeit medizinischer Notversorgung für alte Menschen begonnen haben, und dafür auch immer genug Raum in den Medien bekommen.

Es ist schon länger her, daß aus den Kreisen der FDP “Diskussionen“ angestoßen wurden, ob es denn noch “sinnvoll“ sei, einem Achtzigjährigen eine neue Hüfte zu bezahlen. Ob man da nicht sparen könne. Ob man sowas überhaupt rechtfertigen könne, wo man doch Verpflichtungen gegenüber den Jungen und “den nachfolgenden Generationen“...

Nichts davon ist irgendwie neu, oder neu gedacht.

In dieser Gesellschaft gibt es keine Menschen, es gibt humanoide Organismen, die sich über eine von zweien oder beide Funktionen zu bewähren, das heißt zur Kapitalakkumulation beizutragen haben:

a) Konsument

b) Erzeuger von Mehrwert, das heißt Arbeitskraft.

Sonst keine Optionen.

Die menschliche Arbeitskraft, und nur die, erzeugt den Mehrwert im Produkt, das ausschließlich als Ware verfügbar ist, also käuflich erworben werden muß. Kein Käufer, keine Einlösung des Mehrwerts - das Produkt ist wertlos und verfällt. Kein Mahagonibaum ist etwas wert, bevor er gefällt und als Holz-Ware einen Abnehmer gefunden hat (natürlich wird Geld für den Besitz von Wald und Bäumen bezahlt, aber das hat nichts mit dem Wert der Bäume sondern mit der Spekulation auf künftige Erlöse damit zu tun). Honig, wo man meinen könnte die „Arbeit“ der Biene schaffe den Mehrwert aus dem Pollen, ist nutz- und wertlos solange er im Stock am Baum pappt und nicht von Menschen eingesammelt wird.

Es sei gesagt, daß schon sinnvoll unterschieden werden muß zwischen verschiedenen Formen des Wertes; man könnte den Honig einfach selber essen, aber hier genügt als Hinweis auf die in dieser Ökonomie entscheidende Form, Warenwert, diese Formulierung eines längst vergessenen und wenn nicht vergessen dann geschmähten Bartträgers:

„Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ungeheure Warensammlung.“

Selberfressen macht zwar fett, aber nur solange man auf einen Baum klettern kann und das auch darf, weil dieser Baum nicht jemandem, anderen, gehört.

Milliarden von Tonnen von Nahrung haben keinen Wert, wenn sie nicht VERKAUFT werden können. Der Produzent dieser Nahrungsmittel geht konkurs, die freigesetzten Arbeitskräfte verfügen über weniger oder gar kein Einkommen mehr, das mindert die gesellschaftliche Kaufkraft für Nahrungsmittel, und die Produzierenden der Nahrungsmittel, die weil unverkäuflich vernichtet worden sind, verhungern.

Die Produktion von Gütern, die nicht als Waren abgesetzt werden können, wird eingestellt und unterbleibt, egal ob es sich dabei um eine Sorte Brot, ein Automobil, eine unrentable Verkehrsverbindung oder auch die Produktion von Dienstleistungen handelt. Beispielsweise Postämter oder Gesundheitsversorgung auf dem Land oder in Kleinstädten oder Großstadtvierteln oder überhaupt.

Umgekehrt wird was als Ware absetzbar ist auf jeden Fall produziert, gleichgültig wie schädlich das Produkt für Mensch und Umwelt auch sein mag.

Ich habe einen Klumpen Gold, der ist 1000 wert. Ich baue eine Gussform, schmelze das Gold, und aus der Form entnehme ich eine goldene Venus. Ein Kunstwerk, und es ist 100 000 wert. Der Käufer nimmt die Venus, schmilzt sie ein, und hat wieder einen Goldklumpen im Wert von 1000. Das Gold ist fixes Kapital, die Arbeit darin variables Kapital, und nur mit diesem kann Gewinn erwirtschaftet werden, denn der Preis für das fixe Kapital ist stets gleich.

Moderne Maschinen können Gussformen auch bauen, allerdings müssen die Maschinen und die Steuerung erst von mir gebaut werden. Ich habe also die Gussform über einen Umweg gebaut, mit dem Unterschied, daß mir die Befriedigung des eigentlichen Erschaffens der Figur genommen ist, ich von der Arbeit also entfremdet bin; anstatt eines Kunstschaffenden bin ich jetzt eine Kraft, die abstrakte, weil unpersönliche, von mir unabhängig reproduzierbare Waren schafft. Ich bin damit entmenschlicht, denn der Mensch ist ein schaffendes Wesen oder Nichts.

Ich erhalte auch für diese Tätigkeit einen Lohn, der sich aber keineswegs an der Güte oder Kunsthaftigkeit des Produktes mehr bemißt, sondern nur daran, welche Kosten gesamtgesellschaftlich, also volkswirtschaftlich, die tägliche und die generelle Wiederherstellung meiner Arbeitskraft für diese Tätigkeit verursacht. Ich muß am nächsten Tag wiederkommen können. Oder zum gleichen Preis, das heißt zu den kalkulierten Kosten, ein Anderer mit gleicher Produktivität. Sonst nichts.

Nicht enthalten sind die Kosten, die meine Existenz vor Eintritt in den Lohnerwerbszyklus (Säugling, Kind) und nach Austritt (Alter) mir selbst verursacht. Es wird also nicht meine Arbeit entlohnt, nicht einmal meine Arbeitskraft, sondern die Kosten zur Aufrechterhaltung meiner Arbeitskraft werden erstattet, und zwar aufgrund der Konkurrenz stets zum gesamtgesellschaftlich ausgehandelten Minimum.

Daß das im Lebensabschnitt der Erwerbsfähigkeit Erwirtschaftbare für die Arbeiter gar nicht ausreicht, um ihr ganzes Leben zu finanzieren (und da reden wir gar nicht von großen Sprüngen oder Luxus), führt dazu, daß sie gezwungen werden, in ihrer Klasse, untereinander, solidarisch zu sein: der Staat greift noch vor der Auszahlung nach Gutdünken auf die Lohnsumme zu, und verteilt innerhalb der Arbeiterschaft um, zwingt also den Einzelnen zu weiteren Einschränkungen im täglichen Leben und Lebensgestaltung durch weitere Verknappung des zur Verfügung stehenden Warenerwerbsmittels, zum Zwecke der Kostendeckung im Alter. Was der Arbeiter von sich aus gar nicht tun würde, denn eigentlich reicht der Lohn ja gerade so für den aktuellen Lebensabschnitt. Der Lohn ist also defizitär, die Reproduktion gelingt nie vollständig, wir verschleißen.

Die Einführung von Arbeitersiedlungen, irgendwann Arbeitszeitgrenzen, Altersgrenzen nach unten für die Arbeiterschaft, später Krankenversorgung etc. sind nicht etwa aus einem sozialen Gedanken oder besserem entstanden, sondern weil das Kapital die Quelle seiner Mehrung, die Menschen als Träger der überhaupt nur verwertbaren Arbeitskraft fraß und frißt. (Auch ein Ochse der ein Mühlrad dreht tut das nur durch einen Menschen der ihn zähmt, nährt, züchtet; ist der Ochse frei, latscht er wieder durch die Wiesen und verrichtet keinerlei Arbeit, als ob nix wär’.) Um also das Werk des Kapitals zu erhalten, nicht es zu bremsen.

Wenn in den Anfangsjahrzehnten der Industrialisierung der Arbeiter nach seinem Zwei-Stunden-Marsch in die Stadt 16 Stunden gearbeitet hatte und dann zurückgewandert war, sechs Tage jede Woche, dann wurde seine Erschöpfung und die Ausfallrate durch Tod oder Verletzungen durch Ermüdung etc. spätestens dann zum Hemmnis für die Produktivität, das heißt die effiziente Verwertung des eingesetzten variablen und fixen Kapitals, als die Maschinen und deren Bedienung komplexer wurden und somit die Arbeitskraft differenzierter, also bei Ausfall weniger leicht zu ersetzen. Es wurde irgendwann ökonomischer, ein paar Häuser zu bauen und die Arbeiter fabriknah wohnen zu lassen, zumal man die Miete dann ja auch noch hatte. Und passiert ist das auch erst, als dieser ökonomische Vorteil durch Untersuchungen und Berichte und praktische Erfahrung auch aus anderen Ländern nachgewiesen war. Die Arbeit wurde produktiver, also billiger, die Kosten des variablen Kapitals sanken, der Mehrwert konnte aber zum gleichen Preis abgesetzt werden, die Profitrate stieg an.

Die Rente im Alter dient keiner Reproduktion von Arbeitskraft mehr, entsprechend unterliegt sie dauernden verschärften Angriffen, und die Empfänger, genau wie Arbeitslose, einer ununterbrochenen Denunziation als unnütz und überflüssig, reine Kostgänger halt. Politisch kann man diesem noblen Verlangen unserer Wirtschaft, hier doch zu sparen und nochmals zu sparen allerdings nicht so leicht und vollständig stattgeben. Wegen des Gestanks und der Fliegen.

Damit das auch klar ist, nicht wegen des Gestanks und der Fliegen an sich, an beides gewöhnt man sich, aber in diesem Ausmaß würde der Gestank doch auf die allgemeine Volksmoral, und die Fliegen, die man ja (in Deutschland allemal, mit Müh und Not sind von den 80 Millionen 40 arbeitsfähig) in Kilogramm pro Kubikmeter Luft messen müsste, auf die Produktivität schlagen; man müsste sie chemisch bekämpfen um grob handlungsfähig zu bleiben. Das schadet auch den Menschen.

Atombomben werden übrigens nicht deswegen nicht abgeworfen weil sie soviele Menschen töten, sondern weil das Wirkungsgebiet auf unabsehbare Zeit der Vernutzung durch das Kapital entzogen ist. Interessanter, und möglich, wird der Einsatz dann wieder, wenn ein Gebiet sowieso dieser Nutzung dauerhaft entzogen ist, weil zum Beispiel der Russe draufsitzt („Njet“) oder der Chineserer, und, das ist entscheidend, auf unabsehbare Zeit diesen Anspruch auch behaupten kann. Weil dann ist’s egal, und vielleicht räumt man damit den Konkurrenten aus. Für zukünftige Generationen.

“Alte“, Rentner, Kranke (oder Dasselbe in anderer Diktion: “die Überalterung“ [!!! das heißt Menschen leben zu lange, bzw. die falschen Menschen], die “Alterspyramide“, die ständig wachsenden “Kosten“ für die Krankenkassen [als könnte sich ein nicht hirntoter, nicht egomanischer, nicht völlig verkommener Mensch einen ANDEREN Zweck als Kostenübernahme für diese Institutionen vorstellen]), die haben alle eines gemeinsam nicht: Geld für Konsum und damit Erlös des in den Waren enthaltenen Mehrwertes, oder noch Arbeitskraft die verwertbar im Sinne von profitabler Anwendung für Erzeugung neuen Mehrwertes im fixen Kapital ist, also rentabel eingekauft wird.

Ein 80-jähriger Millionär mit Leberkrebs und Schüttellähmung ist in dieser “Diskussion“, die keine ist, sondern eine Veröffentlichung der herrschenden Sicht und Umsetzung, niemals gemeint. Er hat Kaufkraft, er ist kein Problem. Er ist ein Leistungsträger.

Kinder haben auch keine Kaufkraft, entsprechend ist Kind-sein auch kein Zuckerschlecken, allerdings haben Kinder einen Bonus: sie sind zukünftige Arbeitskräfte. Die Kosten für die ersten zwanzig Lebensjahre sind selbstverständlich von den Erzeugern zu tragen, auch wenn es dafür im Lohn den diese bekommen oder eben zunehmend nicht bekommen, gar kein Budget gibt. Und so ist das auch gemeint: die Falschen, also die ohne Geld weil nicht arbeitskräftig verwertbar genug, brauchen auch keine Kinder zu bekommen, auch das ist offiziell verkündet. Hier äußert sich wohl der Gedanke der guten und schlechten Genetik, also der Erblehre im schwärzesten Sinne, der Rassismus wäre, wenn er sich nicht eben auch gegen die eigene Mannschaft richten würde. Wir brauchen keine Kinder von Hartzern. ALGII-Empfängern wird das Kindergeld, das per Grundgesetz nicht nur an einige, sondern wenn, dann an alle bezahlt werden muß, vom Regelsatz wieder abgezogen. Das geht. Es wird ja bezahlt, nur sinkt dann der “Bedarf“ wie das so schön heißt. Frau X verdient jedes Jahr eine Milliarde dazu und erhält monatlich 270,- und mehr vom Staat je Kind, und darf das auch behalten. Genau wie das Elterngeld und, sollte es einst eingeführt werden, das Grundeinkommen.

Gut, der Kern der Sache ist die Reproduktion, deren Organisation halt in dieser Ordnung nicht im Sinne der Bedarfsdeckung für die Menschen, also der Reproduktion, des Erhaltes, menschlichen Lebens angelegt ist, sondern den Menschen als Mittel zum Zwecke der Reproduktion eines abstraktes Gebildes vernutzt und mißbraucht.

Das natürlichste Streben allen Lebens: der Selbsterhalt, und der dafür notwendige Aufwand der betrieben werden muß: Arbeit, werden dem Lebewesen entnommen und richten sich gegen das Wesen: die Arbeit hält es nicht am Leben sondern richtet es zu Grunde.

Der Nazi zieht aus all dem nur die falschen Schlüsse. Wut auf die Zustände hat er schon.

Aber seine Basis, das faschistische Weltbild, die muß er sich nicht ausdenken, die ist hier schon gesamtgesellschaftlich angelegt. Blinde Wut, so fällt ihm auch nicht mehr schwer auszublenden, daß sein Führer, der vor ihm stehend das “System“, “die Reichen“, die Zustände lauthals anprangert, nichts und gar nichts anderes ist als ein Vertreter genau dessen; alle die AfD- und Pegida- und sonstigen Hundsfötte sind Doktoren, Professoren, Politiker seit Jahrzehnten, Unternehmer usw. usf.

Das ist ein Widerspruch; den aufzuheben nutzt man den Fingerzeig auf ANDERE, und damit rücken EINZELNE ins Licht des Scheinwerfers der Verantwortliche sucht, wo es gar keine mehr gibt, weil nichts mehr anders sein kann in einer Welt, die kein Menschsein zuläßt. Und damit, mit dem Fingerzeig, schürt es die Mordlust.

Wie kam ich jetzt eigentlich auf diese kurze Einleitung; ja ich hab vor Ewigkeiten mal zwei Bücher aus dem Laden vom Vater mitgenommen, Otto von Corvin, aus dem 19. Jahrhundert, zur damaligen Zeit und lange ein Bestseller. Band eins “Der Pfaffenspiegel“ und Band zwei “Die Geißler“.

Ein großer Freigeist und Aufklärer, dessen Werke für fehlende Wissenschaftlichkeit kritisiert wurden, ein Anspruch den er gar nicht erhoben hat.

Es ist, Dir wird's gefallen, unfassbar witzig und unterhaltsam. Man kann die Dinger für um die fünf Euro schön zerlesen im Leineneinband antiquarisch schießen, und es gibt sie auch digital, zum Beispiel hier:

https://www.projekt-gutenberg.org/corvin/geissler/geissler.html

Ein Auszug aus “Die Geißler“, Kapitel 1 “Allgemeine Prügelschau“:

>>>In einem Buche, welches ebenfalls vom Geißeln und den Jesuiten handelt, las ich, daß ein berühmter Gelehrter in einer deutschen Universitätsstadt folgendes Schema für die Geschichte des Schlagens aufstellte: »Die Prügel oder Schläge, sagte er, lassen sich eintheilen in Staats- und Privat-, öffentliche und geheime, freiwillige und unfreiwillige, zweckgemäße und zweckwidrige, rationalistische und supernaturalistische, geistliche und weltliche, reguläre und irreguläre, trockene und saftige Prügel. Ferner lassen sie sich eintheilen: 1) nach dem Subjekte, welches prügelt; 2) nach dem Objekte, welches geprügelt wird; 3) nach dem Materiale, womit –, 4) dem Körpertheile, auf welchem es geprügelt wird; endlich 5) nach der Dauer der Züchtigung.«

Ich führe dies nur an, um eine Uebersicht von all den Thematas zu geben, welche in diesem Buche mehr oder minder weitläufig abzuhandeln sind. Auf alle Spielarten kann ich mich nicht mit gleicher Gründlichkeit einlassen, sondern muß mich hauptsächlich auf die geistlichen Prügel beschränken; allein da alle andere Arten mehr oder weniger nahe mit ihnen verwandt sind, so muß ich sie wenigstens in der Kürze berühren, und das soll in diesem Kapitel geschehen.

Zunächst wollen wir darin die klassischen Prügel und nach ihnen die biblischen untersuchen; dann folgen die weltlich-mittelalterlichen und endlich die modernen, insofern sie nicht Kinder der römisch-katholischen sind und in das Gebiet der geistlichen herübergezogen werden müssen.<<<

Freitag, 31. Juli 2020

Dark - Die Frage nach dem ersten Zeitreisenden

In der Fernsehserie "Dark", deren dritte Staffel gerade bei Netflix erschienen ist, geht es ja um Zeit- und Dimensionsreisen in und zwischen drei Welten. Durch das Entstehen zweier neuer Parallelwelten aus einer Originalwelt und ein bisschen radioaktivem Hokuspokus werden da Zeitreisen möglich. Aber wer war nun der erste Zeitreisende in dieser Geschichte? Und wer hat das ganze Zeitreisechaos schließlich verursacht?

Die einfachste Erklärung ist die, dass der Zyklus einfach mittendrin gestartet ist, ohne Anfang und ohne Ende. Dazu passt, dass alles 1986/87 mit dem Experiment des Uhrmachers Tannhaus in der Originalwelt beginnt und das Atomkraftwerk in den Spiegelwelten schon steht. Alle Figuren müssen sich dort in eine Handlung fügen, die obwohl sie gerade begonnen hat, schon lange so läuft. Die Geschichte ist recht starr und lässt nur minimale Änderungen zu, welche aber die Hauptereignisse nicht beeinflussen. Das Ganze kommt erst dann aus dem Gleis, als ein Schlupfloch entdeckt wird (der Zeitstillstand während der Apokalypse). Da die Zeit in dieser Variante quasi eingefroren oder kristallin ist, Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart gleichzeitig existieren, ist es völlig egal, wer der erste Zeitreisende ist, da die Idee einer Abfolge sinnlos wird.

Die zweite Erklärung ist die, dass Claudia in den beiden neuen Spiegelwelten das Zeitreisen und später auch das Dimensionsreisen gestartet hat. Claudia hat demnach die erste Zeitmaschine entworfen und gebaut, im Zeitraum nach 1986. Später lässt sie das Zeitmaschinenbauen vom Uhrmacher Tannhaus erledigen, der dafür 33 Jahre braucht. Dann hätte sie ihren Enkel Bartosz in das Jahr 1888 gebracht, wo er Hanno und Agnes zeugt, vielleicht noch nicht mit Silja, die ja Hannas und Egons Kind ist. Auch Trontes Vater mag hier noch nicht der Namenlose sein, sondern jemand anderes. Die Stammbäume wechseln also mit der Zeit und das Unheil wird perfektioniert. Mikkel kann als weiteres Beispiel das erste Mal nicht mit Jonas nach 1986 gereist sein. Der Höhepunkt der "Schöpfung" und gleichzeitig der Tiefpunkt der Degeneration und Bosheit ist der Namenlose, er ist der Anfang und das Ende. Die Beweggründe für Claudias Experimente bleiben im Dunkeln, vielleicht ist es Wissensdrang, möglicherweise Schöpferdrang. Die Rettung ihrer Tochter Regina scheint eher ein schwaches und sicher kein ursprüngliches Motiv. Eher wirkt Claudia wie eine Art Gottesfigur mit den drei Phasen Schöpfung, Erhaltung und schließlich Zerstörung.

Die dritte Möglichkeit ist die, dass Jonas und Martha, als sie den Knoten zwischen den drei Welten am Ende auflösen, diesen nur durchtrennen. Die Spiegelwelten werden nicht zerstört sondern nur abgekoppelt und neugestartet. Eine passende Erklärung wäre dazu eben jene Quantenverschränkung, die alternative Persönlichkeiten schafft. Als Jonas und Martha den Knoten zerstören, entstehen gleichzeitig zwei Alter Egos von ihnen. Diese beiden "Kopien" sind nun die allerersten Zeitreisenden in den neugestarteten Spiegelwelten und dazu passt auch die Szene, in denen sie sich gegenseitig als Kind im Schrank begegnen. Das Schöne ist, dass sich Erklärung drei nahtlos in Erklärung zwei einfügt. Die Zerstörung des Knotens wird nämlich von Claudia initiiert. Claudia verliert nun eventuell ihren Job als eingreifende Göttin, da sie ihren Vorsprung und ihr Herrschaftswissen über das Zeitreisen abgibt. Adam und Eva alias Jonas und Martha könnten nun ihre eigene Welt nach ihren Wünschen erschaffen, mit der Zeitmaschine als Paradiesapfel.

Autoren, die im Zusammenhang "Dark" lesenswert sind: Kurt Vonnegut (Schlachthof 5, Zeitreisen, Schicksal, kristalline Zeit), Diana Wynne Jones (Das Leben des Christopher Chant, Parallelwelten) H.G. Wells (Die Zeitmaschine, Zeitreisen), Stephen King (Der Anschlag, Zeitreisen, Zeitstränge), Carl Jung (Gesamtwerk, psychologische Deutungen der Bibeltexte), Richard Dawkins (Der blinde Uhrmacher, Evolution versus Schöpfung), John Webster (Der weiße Teufel, blutiges Familiendrama), Michael Ende (Momo, Zeitstillstand), Arthur Schopenhauer (Die Welt als Wille und Vorstellung), Madeleine L´Engle (Die Zeitfalte, Zeitreisen und das "Paradies" der totalen Kontrolle), Henrik Ibsen (Gespenster, Familiendrama), J.K. Rowling (Der Gefangene von Azkaban, Zeitreisen, Zeitmaschine) und als letztes noch Douglas Adams und seine Anhalter-Trilogie.

Liest man die „Ring“-Trilogie von Koji Suzuki, drängt sich einem noch eine weitere, recht konventionelle Erklärung auf, die dafür schlüssig ist. In „Dark“ geht es viel um Theater, in der amerikanischen Serie „Once Upon a Time“ entspringt die gesamte Handlung der Feder eines Autors, in „Matrix“ gibt es eine Virtuelle Realität. Auch in „Ring“ gibt es eine Parallelwelt, die in einem Computer abläuft. In dieser Parallelwelt passieren magische, paranormale Dinge. Genauso könnten in Dark die zwei Spiegelwelten Simulationen sein. In Simulationen nämlich lassen sich beliebig Artefakte (wie etwa eine Zeitmaschine) und neue Handlungsstränge einfügen. Esoterik und Naturwissenschaften können ungezwungene Verbindungen eingehen. Für den Start dieser Simulation gäbe es keinen festgeschriebenen Zeitpunkt.

Dienstag, 21. April 2020

Was ist eigentlich Vernunft ?

Beim Schauen der Diskussion zwischen Herrn Friedman und Herrn Grün schien es mir, als stünde eine logische Definition des Begriffes "Vernunft" im Raum, aber 45 Minuten sind eben zu kurz für sowas. Hier also nun mein Senf dazu, der sich ziemlich nah an Immanuel Kant orientiert.

Meiner Meinung nach ist ja Gott ein Axiom, zu dessen Verehrung die Regeln der Religion Stück für Stück postuliert und mit moralischen Logiken verknüpft wurden. Kant meinte übrigens, Gott wäre ein Postulat der moralischen und sittlichen Vernunft. Was ist nun aber Vernunft?

Vernunft ist ein Konstrukt aus Wunsch oder Wille (Axiom), Regel (Postulat) und Begründung (Logik) in Einzahl oder Mehrzahl. Aus einem vielleicht sogar emotionalen Wunsch heraus werden Regeln postuliert, die dafür sorgen, dass der Wunsch respektiert und erfüllt wird. Diese Regeln werden mit rationaler oder irrationaler Begründungslogik verknüpft, meist sogar mit einer Mischung aus beiden. Diese Logiken können auf individuellen oder kollektiven Erfahrungen beruhen (Wetter), aber auch erfunden sein.

Wie im oben genannten Gespräch schon anklang, gibt es eine individuell praktikable Vernunft, die auf Eigennutz fußt und eine kollektive Vernunft, in der die Standpunkte Vieler gemittelt oder normiert sind. Eine weitere Kategorisierung der Vernunft könnte in geistiger und materieller Vernunft bestehen.

Eine kollektive Vernunft wäre zum Beispiel das juristische Gesetzeswerk, die Religion, aber auch die Moral (Sittlichkeit), handwerkliche Verfahren, Demokratie oder Stilformen und Spiele aller Art. Eine individuelle Vernunft wäre zum Beispiel eine Berufswahl (Berufung), Partnerwahl, ja Auswahlprozesse jeglicher Art, aber auch Selbstbilder, Ideale und Rituale.

Natürlich können individuelle und kollektive Vernünfte kollidieren, ja verschiedene Vernünfte an sich kollidieren oft. Dann muss sprachlich oder auch körperlich argumentiert werden, überzeugt oder verführt. Die Regeln werden dadurch neu ausgehandelt, die Vernünfte adaptiert. Die Vernunft ist also auch der Evolution unterworfen.

Im Gegensatz zum Verstand, der eine Gehirnfunktion ist, ist die Vernunft ein Prozess des Verstandes, der emotionale und rationale Sachverhalte in Einklang (Ordnung) bringt und dafür sorgt, dass materielle und geistige Dinge eine bestimmte angestrebte Ordnung einnehmen. Damit ist eine Vernunft ein Ordnungsprozess. Vernünfte sind im Gedächtnis gespeichert.

Ähnlich schwammig wie der Begriff "Vernunft" erscheint der Begriff "Welt". Aber so wie die Vernunft ein Ordnungsprozess des Verstandes ist, ist die Welt ein Wahrnehmungsprozess der Ordnung. Indem der Verstand eine Vernunft wahrnimmt, erkennt er eine Welt. Um den Kreis nun zu schließen, ist auch das Axiom, der Wunsch nach einer bestimmten Ordnung, die Wahrnehmung einer zukünftigen Ordnung, eine zukünftige Welt. Am schönsten zeigt sich die Verwandtschaft von Welt und Vernunft im Wort Weltbild. Ein Weltbild ist eine kanonisierte Vernunft, ein Ordnungsprozess. Da Ordnungsprozesse auch als Ordnung wahrgenommen werden können, ist die Wahrnehmung eines Weltbildes eine Welt.

Auch mit dem Wort "Sinn" (der Sinn des Ganzen etc.) können wir gleich hier aufräumen, er ist nämlich synonym mit dem Wort Vernunft.

Nun könnte es einem die Idee kommen, dass auch Welt und Vernunft dasselbe seien, schließlich ist die Wahrnehmung von Ordnung mit dem Schaffen von Ordnung im Verstand innig verknüpft. So innig, dass man dieser Einheit einen neuen Namen geben sollte. John Locke hat es "Reflexion" genannt. 

Dass Welt und Vernunft so nahe beieinander liegen, hat den Menschen zum Irrtum verleitet, hinter der natürlichen Ordnung läge eine außermenschliche Vernunft. Natürliche Dinge haben ihre Eigenschaften, die ihr Verhalten bestimmen. Die Ordnung der Eigenschaften und des Verhaltens ist natürlich, die Erkenntnis derselben aber menschlich und die begründende Logik dazu erst recht. Die Natur ist also geordnet durch ihre Eigenschaften, aber nicht vernünftig. Die Welt als vom Mensch wahrgenommen Ordnung trägt hingegen bereits den Stempel der menschlichen Erkenntnis, die begründende Logik den der menschlichen Vernunft. Mathematik ist die menschliche Sprache, die Natur zu verstehen, nicht die "Sprache der Natur". Da sie sich aus der Abzählbarkeit der Natur ableitet ist sie der Natur ähnlich, geht aber durch Abstraktion über sie hinaus.

Dass die Welt eines Menschen beeinflusst ist von seinen Vernünften hat noch eine andere interessante Implikation. Der Mensch ist durch seinen kindlichen Lernprozess mit einem Inventar an Vernünften ausgestattet. Ein Gutteil dieser Vernünfte kommen von außerhalb, von anderen Menschen. Wächst der Mensch heran, treten die Vernünfte in einen inneren Konflikt. Dadurch kommt es zu einem teils emotionalen, teils rationalen Aufräumen des Vernunftinventars, welches man als Erwachsenwerden bezeichnet. Im Idealfall wird dadurch eine Metavernunft erreicht, eine Innere Ordnung der Vernünfte, eine Art Kanon oder auch Kodex, eine Geisteshaltung (Mindset, Weltbild). In der Metavernunft spiegelt sich auch die vernetzte Natur der Vernünfte wieder, ihre Verknüpfungen untereinander und dass eine Vernunft Folgevernünfte erzeugt.

Die Metavernunft findet man schließlich auch in Regelwerken wie Gesetzestexten. Verfassungen zum Beispiel fungieren als Metavernunft eines Staates, ihnen ordnen sich andere Vernünfte, Regeln, Gesetze, Aktionen und Verlautbarungen unter. 

Die schlechtesten, aber auch die besten Leistungen des Menschen entstehen durch Fehler: das Verknüpfen von Regeln durch irrationale Begründungslogik, interne Welten und Vernünfte mit externen zu verschmelzen und die erwähnte Verwechslung von Natur mit Welt und Vernunft sind Beispiele.

Treue Begleiter von Vernünften sind Gefühle. Jede Vernunft ist von Gefühlen umhüllt, jede Welt von Gefühlen gefärbt. Das Gefühl ist quasi die Eierschale der Vernunft, es ist eine der sogenannten Randbedingungen. Deswegen sind Kompromisse und Überzeugen so schwierig.

Präzisieren wir nun noch das Wort Logik. Sowohl Schritt zwei, die Regel als auch Schritt drei, die Begründung, enthalten eigentlich Logik, der eine eine strategische „wenn-dann“ Logik, der andere eine erklärende „deshalb“ Logik. Beide Logiken sind korrumpierbar, also anfällig für irrationale Logik. Überprüft man eine Vernunft, kann man sie auf Konsistenz (Wunsch, Regel und Begründung bauen aufeinander auf und ergeben keine Widersprüche), aber auch auf Transparenz (die Begründung verdeckt oder erklärt den Wunsch) und Rationalität (die Vernunft ist naturwissenschaftlich verankert) testen. Platon nannte diese Überprüfung in seinem Buch "Der Staat" Gerechtigkeit. Auch das Wort Idee muss noch konkretisiert werden. Idee bedeutet grundsätzlich Wahrnehmung. Alle drei Teile der Vernunft sind Ideen, wie auch die Welt eine Idee ist.
 
Das erarbeitete Vernunftmodell hat nun ganz praktischen Nutzen. Die Eigenschaften, Neigungen und Herangehensweisen von Persönlichkeitstypen steuert sich nämlich ursprünglich aus grundlegenden Wünschen wie Sicherheit, Bequemlichkeit, Sozialkontakt/-distanz, Geltung, Macht, Freiheit, Gestaltung, Empathie, Ordnung, Neugier, Belohnung, körperliche und geistige Betätigung. Verkäufer zum Beispiel kennen die Wünsche ihrer Kunden. Wünsche konkurrieren miteinander und können sich sogar neutralisieren. Kooperation und Verstärkung gibt es aber auch.
 
Einer der interessantesten Wünsche, welcher das neoliberale Zeitalter prägt, ist Geltung (sozialer Status). Geltung bevorzugt Extroversion, Intuition und Urteilen. Geltung stärkt aber auch die Neigung zum Lügen und Imitieren und damit zu irrationaler Logik, mit der die Begründung von Regeln und Handlungen erfolgt. Geltung konkurriert mit Empathie, Sicherheit und Bequemlichkeit und wird verstärkt durch Neugier, Macht und Gestaltung. Weitere Wünsche, die mit irrationaler Logik verknüpft sind, sind Sicherheit, Gestaltung, Sozialkontakt und Macht. Mit diesen fünf hat man schon das ganze Drama der Propaganda und Fake News im Blick.

Die Konkurrenz und Kooperation der grundlegenden Wünsche macht das Vernunftsmodell auch geeignet für die Persönlichkeitsgestaltung von künstlichen Intelligenzen. Grundwünschen können hier Werte zugewiesen werden, aus diesen Werten ergeben sich Differenzen (Debuffs) konkurrierender Wünsche und Additionen (Buffs) unterstützender Wünsche, aus diesen Settings können dann die Regelwerke für das Handeln des Charakters erstellt werden, die Begründungen für diese sowie die inneren Konflikte.

Wie beim Aufstellen von mathematischen Modellen können Randbedingungen aufgestellt werden, welche die Wunscherfüllung beeinflussen und die bei der Regelaufstellung beachtet werden müssen. Randbedingungen können zum Beispiel Klima, Gesetze, Ressourcen etc. sein. Wunscherfüllung kann scheitern, wenn der Wunsch oder die Regeln zum Beispiel illegal sind. Will man gegen die Randbedingungen spielen, werden oft irrationale Logiken benutzt, es wird also betrogen. Alternativ können die lokalen Randbedingungen außer Kraft gesetzt werden. Manchmal müssen die Randbedingungen auch erst ermittelt werden. Ideal ist der Pfad des geringsten Widerstandes durch die Randbedingungen. Zu den Randbedingungen gehören auch Körperfunktionen und Geistesfunktionen wie Gefühle und Gedächtnis. 

Unklar definierte Wünsche sind eines der größten Menschheitsprobleme überhaupt, etwa wenn man nach Glück oder Zufriedenheit strebt. Was aber bedeutet das genau? Deshalb können sowohl Wünsche als auch Regeln geplant und entwickelt werden. Zur Regelfindung kann Induktion und Deduktion benutzt werden, also Trial-and-Error oder es wird auf Erfahrungen zurückgegriffen, aus denen Regeln abgeleitet werden können. Zur Erfüllung eines Wunsches ist es hilfreich, wenn einander unterstützende Vernünfte einen Kanon ergeben.

Kognitive Dissonanz kann auftreten, wenn man einem Wunsch gefolgt ist, der sich als Fehler erwiesen hat. Eventuell war der Wunsch gar kein eigener, sondern ein gesellschaftlich oder familiär eingepflanzter. Sie kann auch auftreten, wenn irrationale Logik zum Selbstbetrug verwendet wurde.

Mit jeder Vernunft treten Unterwünsche in Erscheinung, die der Absicherung sowie der Konservierung des Wunsches, der Regeln, der Begründungen und der geschaffenen Strukturen dienen. Daraus ergibt sich Logistik (Beschaffung), Progress- und Prozessmanagement (Kontrolle), Sanierung, Restaurierung, Tradition und Geschichtsschreibung (Dokumentation). 

Hier nun können wir die Vernunft endlich zirkularisieren. Regeln, Begründungen und Kontrolle (Wahrnehmung) sind alles Strategien, die bei der Erfüllung des Wunsches helfen können. Es geht am Ende also nur von Wunsch über Strategie wiederum zu Wunsch.
 
Betreiben wir nun ein wenig Horkheimer-Adorno. Der Wunsch nach Wiederholung des Wunsches erzeugt einen Prozess. Dies stellt den Machtanspruch über die Randbedingungen dar. Der Wunsch nach Optimierung des Prozesses manifestiert diesen Anspruch noch mehr, geht es weiter bis zu Vereinheitlichung und Standardisierung des Prozesses, kommt noch die Deutungsmacht dazu. Der Wunsch nach Dokumentation bedeutet Machtanspruch über die Zeit. Der Wunsch nach Vorteilsnahme durch den Prozess bedeutet Machtanspruch über andere Individuen (geistiger Besitz, Patent- und Urheberrecht). Der Wunsch zum destruktiven Missbrauch des Prozesses dient oft der Machtergreifung, dem Machterhalt oder der Vergeltung. Durch den Missbrauch oder negative reale Folgen wird der Prozess negativ emotionalisiert und ggf. entwertet und zerstört (siehe Atomenergie).
So können Prozesse auch taktisch behindert werden, indem sie irrational negativ emotionalisiert werden (siehe Windenergie). Fügen wir hier noch den Begriff der positiven Revolution durch Etablierung, Optimierung und Vereinheitlichung von Prozessen und den der negativen Revolution durch Zerstörung und Entwertung von Prozessen hinzu. 
 
Jeder Machtanspruch unterliegt der Möglichkeit des Missbrauchs. Positive Revolution kann auch negative Revolution zur Folge haben. Der individuelle Prozess selbst entspricht nicht der Vernunft, sondern seine Abstraktion bzw. das Wissen darüber.
Adorno setzt Vernunft und Aufklärung gleich als Erfassung von Unbekanntem in Mengen und deren Beziehungen untereinander. Dies führt ihmzufolge zu einer starken Reduktion an Vielfalt in der Wahrnehmung und zu einer Entfremdung in der Wahrnehmung, da man sich nicht mehr aufs Gegenständliche konzentriert, sondern auf das Abstrakte. Außerdem sind alle Formeln, die aus den Mengen an natürlichen Phänomenen und ihren Relationen abgeleitet werden, korrumpierbar durch irrationale Logik, ob strategisch oder zufällig. Das bedeutet, dass rationale Vernünfte immer wieder neu erstritten werden müssen, ja regelmäßig wie von Unkraut befreit werden müssen.

Mit jeder Vernunft können aber auch Kopien entstehen (andere Personen entwickeln einen ähnlichen Wunsch) oder auch Veränderungswünsche. Da jeder Schritt einer Vernunft neue Vernünfte erzeugen kann, ist die entstehende Struktur wie bereits erwähnt netz- oder baumartig. Die Visualisierung einer Vernunft kann deshalb in einer Mindmap erfolgen. Das Gedächtnis bestimmt, wie entwickelt sich ein Wunsch präsentiert. Wünsche können wie Matrioschkas ineinander verschachtelt sein, man kann dann von einer Vision sprechen. Frei nach Schopenhauer ist die niederste Form des Wunsches der Wille, etwas, das wir heute Bedürfnis nennen würden. Wenn wir nun dieses Bedürfnis dem Wunsch noch voranstellen, haben wir eine Erklärung dafür, dass viele Menschen das eine wollen, sich aber etwas anderes wünschen oder gar nicht wissen, was sie wollen, wenn sie sich etwas wünschen.
 
Die höchste Form des Wunsches ist die Vorstellung (Achtung, nicht Wahrnehmung), die wir schon als Vision benannt haben. Zerstörerisch oder kriminell wird der Mensch, wenn er versucht, seinen Wunsch gegen ungünstige Randbedingungen durchzusetzen. Das kann durch Dummheit geschehen, wenn man die Randbedingungen nicht zu ermitteln imstande ist, aber auch durch kühle intellektuelle Berechnung. Der Kampf gegen die ungünstigen Randbedingungen ist aber auch der Stoff für Heldengeschichten und wissenschaftliche Durchbrüche. 

Ab wann nun ist ein Mensch vernunftbegabt? Wenn er in der Lage ist, zu begründen. Die Sprache ist also eine notwendige Voraussetzung. Kritische Vernunft bedeutet die Möglichkeit der Überprüfung oder Hinterfragung der Vernunft auf Transparenz, Konsistenz und Rationalität sowie der Abgleich mit und die Bildung der kollektiven Vernunft. 

In der der Mathematik ist die Vernunft aufgebaut aus Axiom, Regel-Postulat, Formulierung der Randbedingungen und der Beweis-Vermutung, welcher später noch der Beweis folgt. In der physikalischen Realität kann nichts bewiesen werden, es können nur Fakten überprüft werden. Vernunftsbegründungen können deswegen nicht nur rational, sondern auch strategisch sein.


Donnerstag, 19. Dezember 2019

Geld, das politisch richtungsfreie Chamäleon

Immer wieder höre ich Diskussionen über Kriege, vermeintlich linke Einwanderungspolitik, das anwachsende Verbrechen, soziale Verarmung und Mietwucher, unsichere Rente und Gesundheitsversorgung, schlechte Schul- und Familienpolitik, die Spaltung der Gesellschaft, die Bedrohung durch Rechtsnationale und sinnlose Klimadebatten. Dabei ist das Ganze zwar eine komplexe Gemengelage, auf dem Grund des Brunnens sitzt aber das selbe schrumplige Reptil: das Geld.

Kriege bringen Geld, durch Waffenverkauf sicher und den Armeeangehörigen, aber auch besonders durch den Wiederaufbau und die Schaffung neuer Produktions- und Handelssstrukturen.
Verbrechen bringt Geld, nicht nur dem der stiehlt, sondern auch Sicherheitsfirmen und denjenigen, die die gestohlenen Güter wieder herstellen, denen die geschmiert werden und denen, die im Falle von Menschenhandel durch Ausbeutung reich werden.
Familienpolitik und Einwanderungspolitik braucht man nicht links oder rechts zu bewerten, man brauch nur darauf schauen was mehr kostet: ein Kind selbst aufzuziehen und auszubilden oder einen schon ausgebildeten, sagen wir Kanadier, einfach anzuheuern.
Soziale Verarmung, Mietwucher und schlechte Bildungspolitik zielt auf den Abbau der mittelständigen Bildungsbürger, also diejenigen, die sich politisch immer wieder ungewollt einmischen. Aber soweit braucht man noch nicht mal zu gehen. Der Sozialstaat, inklusive Rente und Gesundheitssystem, ist einfach ein Widerstand im Geldfluß von unten nach oben. Und staatlicher Besitz lässt sich mit gutem Gewinn privatisieren.
Die Spaltung der Gesellschaft z.B. durch die alternativen Wahrheiten von Facebook etc. folgt dem ganz alten römischen Grundsatz "Teile und herrsche". Wer nicht mehr miteinander reden kann, der kann sich auch nicht mehr verbünden und über Geld verhandeln.
Die Rechtsnationalen sind nichts als ein ganz genialer Marketinggag. Diese Wölfe im Schafspelz predigen zwar oft soziale Themen, sind aber in ihren Parteiprogrammen erstaunlich neoliberal. So ziehen sie mit ihrer emotionalen und politisch inhaltslosen Propaganda die Menschen im Zorn auf ihre Seite, während sie hinterrücks dem monetären Status quo die Stange halten.
Die Klimadebatte ist bewusst ums Klima geführt. Obwohl alle, die denken können, wissen worum es hier wirklich gehen müsste: um ökologisches Haushalten, politischen Wechsel und um Umverteilung des Kapitals. Mit der Klimadebatte kann man aber besser neue Produkte an den Mann und die Frau bringen: vom Elektroauto für Klimaenthusiasten bis zum SUV für den Klimaleugner.

Statt an all diesen politischen Nebenschauplätzen zu kämpfen braucht man nur an einer Stellschraube  zu drehen: die Art, wie wir mit Geld umgehen.

Geld ist nur eine der großen Lügen, die moderne Gesellschaften zusammenhalten. Diese Lügen erkennt man an ihrer "Alternativlosigkeit". Es gibt also keinen Ersatz mehr für diese Lügen im Denken und der Sprache oder dieser Ersatz ist negativ besetzt. Beim Geld wäre es Sozialismus bis Kommunismus. Jeder würde also soviel bekommen, wieviel er braucht und dafür eine Zeit seines Lebens unentgeltlich arbeiten müssen. Aus der "freien" Wirschaft, die ja doch unter dem Zwang der Gewinnmaximierung steht, würde dann die negativ besetzte "Planwirtschaft". Fortschritt ist eine weitere der Lügen, denn Rückschritt wäre ja negativ. Mann kann das aber auch Lowtech oder öklogisch sinnvoll nennen oder den Abbau von Überschusskapazitäten. Wachstum als Garant des Wohlstand ist eine weitere offensichtliche Lüge wie Chancengleichheit, genauso dass Finanzeliten die meisten Arbeitsplätze generieren oder dass alle Macht beim Volke liegt oder dass grundlegende Sozialleistungen wie Rente, Kindergarten oder Zahnbehandlungen nicht finanzierbar wären, dass Kriege unabwendbar sind wie Naturgewalten. Und so fort. Die Kopplung von Auslastung und Effizienz, von Arbeit und Nützlichkeit, Automatisierung und Massenproduktion, Miniaturisierung und Ersparnis.

Kurz benannt sind die großen Lügen der Zivilisation:

Religion (Glaube), Geld (Wert), Pflicht (Opfer), Moral (Sitte), Status (Hierarchie), Naturbeherrschung (Fortschritt), Grenzen (Nationalität).

Mittwoch, 14. August 2019

Aufklärung und Erleuchtung

Wie muss man sich die buddhistische Erleuchtung vorstellen: nach jahrelangem Traktieren des Gehirns mit Absurditäten, Mantras, Askese, Poesie und Rätseln durchfährt einen plötzlich ein Geistesblitz.
Doch dieser Blitz enthält keine fassbare Idee, sondern nur Intuition. Plötzlich fühlt man sich eins mit allen Kreaturen und Dingen. Dieser barmherzige Akt unseres Körpers ist sicher für einige zufriedenstellend. Aber war das schon alles?
Wie erhaben war dagegen die europäische Aufklärung. Intuition wurde zu Idee, wurde zu Wissen.
Könnte man nicht auch in die buddhistische Erleuchtung ein wenig logisches Licht hinein bringen?

Ich denke schon. Eine Variante der zen-buddistischen Verwirrspiele beruht auf Mapping, auf dem Aufeinanderabbilden von nicht zusammenpassenden Dingen. "Buddha mit dem Sonnengesicht, Buddha mit dem Mondgesicht", etc. Warum grübeln? Daraus lässt sich doch herrlich lernen. Zumindest poetisch betrachtet geht es bei Vergleichen doch nur um die Perspektive. So kann man locker Steine mit Vögeln und Vögel mit Fischen vergleichen. Da kommt es doch nur auf das Medium und den Zustand an, in dem sie sich befinden. Und was kommt dabei heraus? Verschiedenes kann einander ähneln, bei bestimmter Betrachtung, bei anderer Betrachtung kann ähnliches sich deutlich unterscheiden. Vorurteile ade.

Eine andere Variante besteht aus Trennung, die Hand, die nicht alleine klatscht, der Baum der kein Geräusch verursacht, wenn niemand zuhört, der Raum, der leer (von Geist) ist, obwohl er voll ist, die Abkehr von Heiligkeit und Ritual. Hier lernt man, dass alles miteinander verbunden ist in Wirkung-Ursache-Wirkung und das Erkenntnisse weder Status noch Willkür bedürfen.

Die letzte Möglichkeit ist die Transformation, die poetische Königsklasse, die noch über die vorgenannten hinausgeht. Warum soll ein Mensch nicht ein Nasenaffe sein, ein Frosch der durchs hohe Gras hüpft oder ein Wind der durch die Berge weht, ja eine mit Schnee gefüllte Silberschale? Diese Poetisierung der Wirklichkeit ist zugegebenermassen logisch schwerer zu erfassen. Hier könnte man höchstens psychologische oder kulturhistorische Erkenntnisse gewinnen. Und genau hier ist die gewünschte Wirkung angesiedelt: die psychologische Flexibilisierung, die Selbsterkenntnis und die Auflösung des Egozentrismus. Das Ich erkennt sich in anderen Dingen und Lebewesen, und da es viele Dinge sein kann, braucht es nicht mehr zentriert zu sein.

Donnerstag, 1. August 2019

Mathematische Relationen in der Kreativität

Mathematische Grundoperationen finden sich auch im kreativen Arbeiten, der Ideenfindung und -ausarbeitung. Die einfachsten Operationen sind ja die Addition und die Subtraktion oder Zusammenfügen und Trennen. Die Addition ist auch das Zusammenfügen von Teilideen zu einem großen Ganzen und der Vergleich, die Gegenüberstellung, der Kontext, die Zuordnung, die Parallele. Die Multiplikation ist eine technische Variante der Addition, die angibt, wie oft eine Zahl mit sich selbst addiert werden soll. In der Kreativität entspricht das dem Sampling bzw. der Vervielfältigung, simultanen Vorgängen (Ebenen) sowie Flächigkeit und Räumlichkeit. Die Potenzierung ist eine weitere Entwicklung, die erklärt, wie oft eine Zahl mit sich selbst multipliziert werden soll, die Integration schließlich ist ein sequentielle Addition.

Bei der Subtraktion gibt es die Division, die Wurzel und die Differentiation. Die Division sagt wie eine Subtraktion so vor sich gehen soll, dass mehrere gleich große Teile entstehen. Die Wurzel ist die Umkehrung de Potenzierung und findet heraus, welche Zahlen wie oft mit einander multipliziert worden sind, um die Zahl, deren Wurzel ermittelt werden soll, zu erhalten. Die Differentiation ist wieder die sequentielle Substraktion. Wie man sich sicher schon vorstellen kann, hat die Addition und ihre Varianten eher einen aufbauenden, synthetischen, konstruktiven Charakter, der ja eher der Vorstellung von Kreativität entspricht. Ader auch die Subtraktion hat einen wichtigen Beitrag in der Analyse, dem Verstehen, der Abstraktion, der Vereinfachung, der Einteilung, der Unterteilung, im Takt und Rhythmus, der Planung, Schnittmustern oder Schnittfiguren, dem Schnitzen und der Bildhauerei.

Pfeffer und Schwung in das Ganze bringen nun Transformationen. Diese können geometrischer Natur sein und erzeugen flächige oder räumliche Muster und Strukturen wie zum Beispiel die Spiegelung, Drehung, Verschiebung und so weiter (Mandalas und ähnliches, aber auch Versmaß und Origami). Geometrie ist ja sowieso die bildliche Darstellung mathematischer Sachverhalte.
Es geht aber auch chaotisch, das Resultat sind selbstähnliche Bilder und Strukturen oder Fraktale wie etwa Batik- oder Klecksmuster.

Weiter geht es mit Funktionen. Funktionen sind nichts anderes als Herumprobieren, deswegen haben sie Variablen, die man ändern kann. Kreativität probiert natürlich auch ständig herum. Das sequentielle Abarbeiten von Aufgaben nennt man mathematisch Algorithmus, ansonsten schlicht Plan oder Prozess, also auch der künstlerische Prozess beim Entstehen eines Werkes oder der Wiedergabe eines Werkes. Laufen parallel mehrere Arbeitsschritte ab, sind kombinierte Funktionen am Werk, die einfachsten davon sind Reihen. Parallelisierung findet man aber eben auch im Film und Musikschaffen bei Ensembles und Orchestern sowie Firmen aller Art.

Ein weiteres Spielfeld ist die Vektormathematik, im Künstlerischen findet man sie wieder in der Projektion und der Verzerrung (z.B. Satirisch). So weit so gut.


Samstag, 27. Juli 2019

In der Werkstatt des Uhrmachers

„Fragen : Diese unseligen Kinder der rastlosen Geistes verlangen nach Variationen des Unabänderlichen und führen zum Widerspruch. Frage also: Hat Gott den Menschen erfunden oder der Mensch Gott? Der Gedanke von Gott enthält alles und ist doch menschlich. Er ist eine persönliche Version. Eine Variation des Unabänderlichen. Ein Widerspruch. Gott ist dem Menschen sehr ähnlich, er ist ein Macher, Veränderer, Zerstörer und Schöpfer. Also ist er nicht eins. Sondern viel. Wie eine Schublade enthält er verschiedene Dinge, die alle dazugehören. Und zwar alle. Denn er ist die Beschreibung für alles das um uns und in uns ist. Der Name dafür ist genauso sinnlos wie alle Namen. Aber eine Hilfe, um Unfassbares fassbar zu machen. Wie bei der Luft. Also ist Gott da, in Form einer Idee von Präsenz. Präsenz ist keine Idee. Luft ist keine Idee. Das ist die äussere Wahrnehmung.

Vakuum, Dunkelheit und Kälte sind Defintionen von Nichtpräsenz. Nicht präsentes ist nicht präsent. Nichtpräsenz ist eine Idee. Von etwas, dass da sein müsste aber nicht da ist. Gott ist eine Idee von Nichtpräsenz. Eine Idee von einer Idee, ein Traum von einem Traum. Eine Variation. Träume unterscheiden sich, Träume widersprechen sich. Das ist die innere Wahrnehmung. Glauben wir an den Widerspruch: Widersprechen wir Gott. Suchen wir nach unseren Träumen.“

Müde blickte ich auf den vollgekritzelten Bogen Papier herab, ein weiterer nutzloser Versuch von vielen und wahrscheinlich nicht der letzte. "Was war es noch, wonach ich gesucht hatte? Was die Welt im Innersten zusammenhält? Die letzte unteilbare Wahrheit? Das Elementarteilchen? Was uns die Physik gibt, sind Elektronen, Quarks, Photonen, die sich benehmen wie ewige Halbstarke: sie lassen sich nicht definieren, leben in den Tag hinein, versammeln sich in Cliquen und verpuffen ihre ganze Energie beim Sex. Sie bestehen aus Widersprüchen. Das sollen unsere Fundamente sein? Woraus besteht ein Widerspruch?" 

Doch alles, auf was ich mich zu konzentrieren versuchte, floh meinem Geist in ähnlich schwammigen Ergüssen wie diesen. Ich seufzte, nahm einen Schluck direkt aus der Rotweinflasche (eine weitere und wahrscheinlich nicht die letzte) und stierte aus dem nachtschwarzen Fenster. Wie grau mein Haar schon geworden war, seit ich in dieses Zimmer kam, dachte ich und über diesem Gedanken muss ich wohl eingeschlafen sein. Ich fiel aus dem Schlaf direkt in die Werkstatt des Uhrmachers. 

Er starrte fassungslos aus seinem Monokel, dann fasste er sich : „Ah, Besuch! Können nicht mehr anklopfen, die jungen Leute, was?“. Er war ein kleiner, bulliger Mann, mit Halbglatze, einem lustigen weissen Haarkranz und blauem Kittel. Es umgab ihn eine Aura von aufrichtigem Stolz. Nun etwas freundlicher, als er gesehen hatte, das ich nicht minder erschrocken war als er, legte er die kleine silberne Pinzette, die er in der Hand gehalten hatte, auf den Tisch und holte zu einer einladenden Geste aus: „Nur zu, schauen Sie sich um!“ und ging wieder an seine Arbeit. Zuerst warf ich einen Blick durch die halbgeöffnete Tür. Ich befand mich in einem geräumigen, wahrscheinlich zweigeschossigen Haus im Kolonialstil mit weitläufigen Fensterfronten und viktorianischen Möbeln. 

Durch das Fenster sah ich Felsen, das blaue Meer und eine üppige Vegetation. Dann drehte ich mich wieder um und sagte im verbindlichen, warmen Tonfall und einem Hauch von Ehrlichkeit: „Schön haben Sie es hier.“ Was man eben so sagt, wenn man zu Gast ist. „Das soll wohl!“ antwortete er fröhlich, ohne sich umzudrehen. Eine riesige Werkbank dominierte den Raum, darauf einige unfertige silberne und goldene Apparate unbekannter Art, filigrane Federn, Schrauben und Räder. Auch Werkzeuge. An den Wänden befanden sich Regale mit Folianten und Papierrollen, sowie Kästen mit Kleinteilen. Eine Lampe, die gleichzeitig Lupe war, erhellte den Tisch und offenbarte noch zwei einfache Schemel, die das Interieur des Raumes abrundeten. 

„Ich bin Uhrmacher. Unruhen und Regulatoren und so weiter. Hoffe, sie kennen sich aus?" sagte der Mann plötzlich und wandte sich nun wieder mir zu. "Und ich mache Universalkonzepte.“ „Sowas wie Universen?“ „Ja, dreidonnernocheins, was habe ich denn gerade gesagt?“ „Eben dies.“, beschwichtigte ich, „Kennen sie dann auch das Kugelweltkonzept?“ Er schaute mich säuerlich an, als habe ich im gerade ins Bein gebissen. „Warum interessiert sie das?“ fragte er leise und herausfordernd. Und dann fügte er hinzu „Davon will ich nichts hören, Bursche. Lassen Sie die alten Geister ruhen. Das ist kein Ruhmesblatt für einen Mann in ihren Jahren, die Kenntnis dieser Kugelweltsache. Gehen sie auf Weibersuche. Das ist weitaus interessanter uuund vergnüglicher.“ „Ich komme aber daher. Aus der Kugelwelt.“, sagte ich schlicht.

Oh, ach, Sie armer.“ Sein stolzer Habitus sackte in sich zusammen. „Dann werden sie Fragen haben? Setzen wir uns.“ „Ja: Was ist es, was die Welt im Innersten zusammenhält? Was ist die letzte unteilbare Wahrheit, das eine Elementarteilchen?“ „Sie kommen gleich auf den Punkt.“ seine Mundwinkel zuckten „Das gefällt mir, haha!“ Und er schlug mir auf die Schulter. „Geradeheraus, mein Sohn: Die Idee war simpel. Polarität, Widerspruch, Unterscheidung durch Trennung und Teilung, plus und minus, hier und da. Mehr habe ich gar nicht dazu beigetragen. Wer konnte denn ahnen. Das ganze Konzept ist mir unter der Hand explodiert.“ „Nanu, was ist denn passiert?“ „Es gab eine Reihe ganz unerfreulicher Folgen, von denen eine der furchtbarsten gerade die Vereinigung war.“ 

„Sie meinen den Urknall?“ „Ja, genau. Glücklicherweise oder auch nicht beinhaltete die Idee auch ein mehr und ein weniger. Und dann waren da noch Zeit und Raum. Aus dem Dazwischen. Schnell und langsam, alles geriet in Bewegung und Wandlung, man wurde ganz verrückt.“ Er rollte mit den Augen, dann kratzte er sich an der Nase: „Und dann hat es sich einfach immer weiter geteilt, immer weiter. Immer weiter, verstehen Sie?“ „Verstehe.“ „Sie verstehen nicht! Immer weiter! Jede Teilung gebar unendlich viele neue Teilungen! Und Vereinigungen! Und dann das SCHLIMMSTE, WECHSELWIRKUNGEN!“ 

Jetzt wurde er laut. „Wechselwirkungen führten zu Information und Information führte zu Codes. Codes führten zu Leben. Und da, wo es endlich anfing, interessant zu werden, kamen nur die Schnecken und Würmer. Das war mir zuviel. Mir wird schlecht von Würmern, verstehen Sie?“ Ich sagte nichts. Leiser fuhr er fort: „Seitdem guck ich nur noch ab und zu rein. Fische und Dinosaurier, was? Jede Menge Käfer? Maulesel? Wie seit ihr denn zurecht gekommen? Habt ihr etwas erreicht?“ „Wir können bald klonen.“ „Wie bitte?“ „Mit ihren Worten: Herstellung einer Kopie ohne Vereinigung.“ „Ist das nicht langweilig?“ „Denken sie an Anfang und Ende. Das Ende ist schwer zu verkraften.“ „Ahh. Soo. Ein bischen unsportlich, was? Na macht mal.“ lachte er. „Aber als leidenschaftlicher Golfer gebe ich Ihnen einen Tipp: spielen Sie Ihren Ball, wo er liegt. Tasse Tee?“ „Gerne.“ „Gehen wir nach Draussen in den Garten!“ An einem kleinen Holztisch unter üppig blühenden Büschen unterhielten wir uns -beim Tee- weiter. 

„Wir haben auch Theorien, wie alles kam. Genaugenommen zwei: Eine geht von einem Schöpfer, Ihnen, aus, der alles mit einem Schlage schuf, die andere von einer Sache namens Evolution, der langsamen Entwicklung der Arten durch Selektion und Anpassung. Was ist ihre Meinung?“ Der Uhrmacher bohrte den Finger in die Luft und zeigte auf meine Brust. „Beides Richtig: alles wurde auf einmal geschaffen, aber nur als Möglichkeit. Die tatsächliche Ausführung der Möglichkeit läuft über Affen, Molche und Maulesel. Möglickeiten erzeugen Wahrscheinlichkeiten. Als logische Folge entsteht die Möglichkeit der Entstehung der Variation gleichzeitig mit der einfachen Orginalidee. Als Folge des Widerspruchs ergibt sich der Kompromiss oder das Dazwischen, der Raum, das Neutron, das Grau, alle Farben, Raum-Zeit jaja, das hatten wir ja schon.“ Und dann schlürfte er an der Teetasse. „Ahhhh. Nicht zu vergessen die Ähnlichkeit. Die Ähnlichkeit habe ich immer gemocht. Fabelhafte Versteckspielerin. Keine zwei Dinge sind gleich. Wissen Sie, man könnte einen tiefen See für ein flaches Gewässer halten, wenn er nur klar genug ist. Noch was?“ 

„Ja, aber warum fällt uns der Himmel nicht auf den Kopf? Warum vereinigen sich nicht einfach alle Widersprüche?“ „Denken sie an die Wechselwirkungen: Wenn mehrere Widersprüche sich überlagern, können sie sich auf Dauer erhalten.“ Dann summte er eine Melodie, die mir verdächtig wie „Es waren zwei Königskinder“ vorkam. „Dann hatten die Chinesen also recht. Die haben das hier gebastelt.“ Stolz zeigte ich ihm meinen Ying Yang Anstecker: „Das ist ein Ying Yang oder Tai Gi.“ „Total verrückt.“ Er verdrehte den Kopf. „Was ist auf der Anderen Seite ?“ „Eine Anstecknadel“ „Oh, ah, verstehe. Ja, das kommt in ungefähr hin. Aber schwarz und weiss ist kein gutes Beispiel für Polarität. Das Alles oder nichts, die Null und die Eins, diese Sachen sind nur die Hälfte der Wahrheit. Was fehlt, ist das minus. Das Gegenteil von Sein ist nicht Nichtsein, sondern Anderssein, während das Nichtsein zwischen den beiden liegt. Auusser, man würde das Ding in der Mitte zusammenfalten." "Angenommen man nähme zwei Menschen, wie wäre das dann mit dem Anderssein? "Dann wäre es nur bezüglich einer einzelnen Eigenschaft oder Meinung und man müsste alle Eigenschaften und Meinungen nacheinander prüfen." 

"Da würde man im Leben nicht fertig und dann könnte man wieder von vorn anfangen." "Genau so. Die Tupfen sind für Quellen und Senken?“ „Und die Symmetrie steht für Harmonie und Gleichgewicht.“ vollendete ich stolz. Ich atmete tief ein und fast hätte ich „Om“ gesagt. Abwehrend schob er die Hand nach vorn. „Nein, nein. Harmonie ist kein symmetrisches Konzept, die Symmetrie ist ein Sonderfall der Harmonie! Sie haben es doch hier...“ "Also jetzt versteh ich nix mehr." "Also was ihr hier als Symmetrie bezeichnet, liegt in den Formen. Die Symmetrie ist das Gleichgewicht zwischen Gleichem. Die Harmonie ist zwischen dem Schwarz und dem Weiss und in der Welle, sie ist das Gleichgewicht zwischen Ungleichem. Beides sind Sonderfälle." „Sonderfälle kommen in die Klinik.“ antwortete ich wie aus der Pistole geschossen. „Na eben!“ rief er und warf die Hände jetzt hoch. "Was fasziniert euch denn an Absonderlichkeiten?" "Beide haben aber ihren Ursprung im Gleichgewicht?", ich blieb beharrlich. 

Seine linke Augenbraue erhob sich und schnippste mit den Fingern nach Beantwortung. "Sie machen es uns einfacher. Wir benutzen sie als Grundformen." gab ich nach. "Einfach kann auch ganz schnell kompliziert werden", sagte er lachend. "Bin ja selbst das beste Beispiel." "Und meine Frage?" Nicken. "Ja, richtig. Gleichgewicht wiederum ist ein Spezialfall des Widerspruchs. Es sind aber die Widersprüche, aus denen eure Welt aufgebaut ist, das sagte ich Ihnen doch schon. Alles andere entsteht daraus, auch die Ausnahmen." „Oh.“ „Was ist?“ „Eine Frage hätte ich aber noch.“ 

„Dann raus damit!“ „Gibt es die Ewigkeit und den Augenblick?“ Amüsiert lächelte er „Hartnäckig, was? Das nenne ich Sportsgeist. Ja, das ist alles dasselbe dem Ursprung nach: Augenblick, Ewigkeit, Symmetrie, Harmonie, die NULL. Absonderlichkeiten. Sie existieren nicht einzeln." „Ich erinnere mich aber an einzelne Augenblicke.“ Wie ein ertappter Lausejunge scharrte er mit den Füssen. "Mir ist da was in den Sinn gekommen", antwortete er schliesslich. "Wie lange dauert euer Augenblick?" "3 Sekunden. In etwa." "Und das können eure Uhrenapparate zählen?" "Die zählen Schwingungsdauern. Das ist es ja. Aber wir erinnern uns nicht an Schwingungsdauern, sondern an Augenblicke." "Aber doch, weil sie sich von den anderen unterscheiden?" "Ja, das ist der Grund, aber der einzelne Augenblick ist es trotzdem, der übrigbleibt." 

Da stand er auf und lachte und schüttelte er mir die Hand. Er schien sonderbareweise sehr erleichtert. "Mein lieber Freund, sie haben ihr Elementarteilchen gefunden. Den Augenblick. Ihr Augenblick. Ihr Augenblick ist ihre Ewigkeit. Unteilbar und doch...“ „Ein Widerspruch!“ beendete ich seinen Satz und in dem Moment bin ich aufgewacht. Ich stand auf und öffnete das Fenster. Draussen war es Frühling und die Vögel zwitscherten. Ich entsorgte die Flaschen und das Papier und beschloss, auf Reisen zu gehen. Vielleicht in die Südsee. (Erstfassung: 2006)

Elektromagier

Das ganze Gemenge aus Halbwissen und, nun ja, religiösem Halbwissen, wobei das ja jetzt sogar schon wieder eine revolutionäre Basis darstellen könnte und das andere auch, würde man die andere Hälfte als leer betrachten, also pessimistisch, gibt einen guten Hefeteig, er geht auf, macht bräsig und diskutierfreudig. Sehr schön. Jetzt habe ich mich schon wieder selbst überlistet. Eigentlich wollte ich das als schlecht darstellen. Scheint es aber nicht zu sein, ganz logisch betrachtet. Aber für mich ist das schlecht. Ich bin mit Trockenfutter aufgewachsen, ich kann jetzt nun mal nichts mehr anderes essen, was heisst, Materialismus und Partikularität bitteschön. Keine weichen Ränder oder Extrapolationen. Nicht jetzt. Ok, aber doch. Also zum virtuellen Ich, Rückkehr der Magie und Schubladendenken.  Ersteres und letzteres ganz schnell:  Es waren einmal die Herren Volta, Ampere, Faraday und Tesla et al. Die machten Sachen mit Froschschenkeln. Ein recht materialistischer Spass und doch der Vorbote der Entmaterialisation ausserhalb des Gehirns, die im Computer endete. Digitalisierung, jaja. Und damit kann man dann virtuelle Sachen hin- und herschieben, die eigentlich nur, naja Elektrizität sind. Und damit kam man dem Gehirn ja schon verdammt nahe, da ist das ja auch so, so elektrochemisch. Viele Sachen elektrischer Natur hätte man früher für magisch gehalten. Heute ist es eher die gute alte Schwerkraft, die Kopfzerbrechen bereitet.  Also Magie und spätere religiöse Ableger sind Sachen, die so funktionieren wie die Vorstellung oder besser der Wunsch, den das Gehirn von der Wirklichkeit hat. (Hat viel mit Geschwindigkeit und Effekten zu tun.)  Durch und durch magisch-elektrisch und man kann ihnen auch ein elektrisches virtuelles Abbild zuweisen. Aber die Wirklichkeit selber interessiert das ja nicht. Wäre die Wirklichkeit magisch, gäbe es einen eingreifenden Gott, hätte er alle Hände voll zu tun, den Dingen zu erklären, wass sie zu tun und zu lassen haben. Zu den Menschen käme er gar nicht mehr. Und so sind Computerprogramme. Sie sagen jedem Ding, was es zu tun und zu lassen hat, ein Programmierer definiert etwa Schwerkraft nur für die Dinge, für die er sie braucht, dafür sind Programme ja auch übersichtlich. In denen darf es Magie geben. Elektromagie sind auch die Geister unserer heutigen Zeit. Denkt ihr, wir haben die Gespenster und Spukgestalten unserer Ahnen längst hinter uns gelassen und gegen Logik und Wissenschaft eingetauscht? Und warum beschäftigen wir uns dann immer noch mit, nun elektronisch entmaterialisierten, Versionen unserer Spezies? Das Fernsehen, das Radio, das Internet sind voller toter Leute, die zu uns sprechen. Wissenschaft hat uns erst die Geister und Dämonen ermöglicht, die wir uns früher so lebhaft selbst vorstellen mussten.

Samstag, 23. Mai 2015

The Big Picture: Die Realität

Ganz oft sitze ich da und denke so bei mir wie es wäre, wenn die Realität einen Riss bekäme und etwas Ungeheuerliches daraus hervorquellte oder ich wenigstens die Balken und Schrauben der Konstruktion dahinter sehen könnte. Nun wissen wir ja, dass die Realität subjektiv und relativ ist und es deswegen Quatsch ist, von ihr zu reden, als wäre sie eine Fotografie. Also läuft es wohl eher darauf hinaus, dass man ungeduldig ist mit der allzu gewohnten Umgebung und den sich darin bewegenden Utensilien. Deswegen gibt es auch all die rastlosen Menschen, die unbedingt mit einem Auto von einem Ort zum anderen rasen müssen, nie Zeit haben, planen, Aktivitäten wie am Fließband abarbeiten.

Im Gegensatz dazu blendet man bewusst Tatsachen aus, die sich verändern, weil sie missliebig sind. Um die gewünschte "heile" Realität zu konservieren. Solange es eben geht, bis es nicht mehr geht. Dann genau kann man diesen Realtätsriss unschöner Art erleben, eine schockierende Konsequenz des selektiven Vergessens. Gibt es sie aber, die guten Realitätsrisse, also das, was man landläufig als Glück oder mordsmäßiges Schwein bezeichnet? Das hängt seltsamerweise von der Perspektive ab, was man überhaupt als Glück* erkennt (also nicht ausblendet) und ob man dann daran teilnimmt. An Glück muss man meistens teilnehmen, wie an einer Reise, man muss zumindest ja dazu sagen.

Was aber, wenn man etwas Unerwartetes erwartet, also etwas, von dem man noch nicht weiß, wie man es einordnen kann? Dann muss man recht scharfes Augenmerk daraufhin richten, sonst ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man es übersieht oder wegsieht. Hier gilt es also zu suchen anstatt zu warten. Dann findet man eine Menge kleiner solcher Dinge. Dann zeigt es sich übrigens auch, ob man Geheimniskrämer ist oder ein "Teiler", ob man anderen davon erzählen möchte oder nicht.

Aber es geht ja auch ums eigene Ich und die Selbstwahrnehmung, die Introspektive. Dass man zuerst in sich hineinblickt und danach nach draußen, dass ist die Realität. Und dass das gar nicht so ist, wie man denkt, sondern nur so scheint, dazu braucht es Erkenntnisse und Perspektiven. Dann kommt man irgendwann auf die Idee, das Leben wäre eine groteske Komödie und beginnt an unpassenden Stellen an zu lachen. Und eigentlich bin ich ja schon an diesem Punkt, an dem man sieht, dass die Leinwand nur ein Gewebe voller Löcher ist, eine Menge Seemannsgarn, ein Hirngespinst. Und ist es nicht so, dass ich mich dann gerade wieder in eine scheinbar statische Realität zurückwünsche, dass es mir eigentlich gar nicht um den Wechsel geht, sondern um den Wechsel vom Wechsel? Um den Eintritt ins richtige Leben, so wie man es sich als Kind naiv vorgestellt hat?

Und hier wird ein weiteres Problem sichtbar, ja was hat man sich den so vorgestellt als Kind? Leider nicht so viel konkretes. Menschen die sich etwas konkretes vorgestellt haben, sind später oft damit erfolgreich und/oder zufrieden geworden. Photorealistische Menschen, authentische Bilderbuchmenschen, die das Leben als eine stabile Konstruktion begreifen, werden als erfolgreicher wahrgenommen, ihr Leben hat einen "roten" Faden. Menschen, die Löcher und Risse im Gewebe ihrer Realität sehen, deren Leben und Vision ein Flickenteppich ist, haben es schwieriger. Manche schaffen übrigens den Wechsel vom Patchwork zum großen Bild des Lebens mit dem roten Faden, der als Lesezeichen oben herausguckt. Indem sie kurz die Augen schließen und einen Schritt zurücktreten. In diesem Sinne noch einen schönen Tag.

*Auch für das Unglück gilt: das ist es nur, wenn man es so empfindet.

Sonntag, 14. September 2014

Form und Sinn

Ich halte mich mal kurz, weil diese Erkenntnis keinen neue ist. Alle menschlichen Konzepte sind leere Behältnisse, in die der individuelle menschliche Geist Dinge hineinfüllt. Das Volumen der Gefäße hängt davon ab, wie dicht das Regelwerk gestrickt ist, das ein Konzept definiert, aber etwas passt schon immer noch hinein. Ja, man ahnt es schon, alle die heeren Begriffe wie Politik, Macht, Geld, Engel, Liebe, Leben und so weiter sind allesamt leere Hüllen, die eigentlich nichts weiter bedeuten. Ganz im Shakespearschen Sinne. Bei all der ganzen Sinnlosigkeit allenthalben hat sich unter anderem auch schon Tolstoi gefragt, warum wir überhaupt leben. Und kam zum Schluss, dass die Teilhabe am Leben das Ziel sei, und nicht das darüber nachdenken. Über den Sinn. Also die Gefäße zu füllen, ohne sie vorher leer zu wiegen!

Man kann die Konzepte aber auch verheiraten, auf dass sie neue Kinder gebären. Durch dieses Füllen und Gebären (oh je, dieser Jargon, Entschuldigung!) verliert letzten Endes sowieso alles seine ursprüngliche Form und passt sich dem Inhalt an. Ganz egal wie viele Gralshüter da harren. Denn der Gral ist nur ein Gefäß, und was wir daraus trinken, bestimmen wir selbst. Und dieses Getränk ist es wohl, das vielleicht eine Bedeutung hat, wenn auch keinen Namen. Eigentlich hat ja auch nichts einen Namen, wegen all des Schalls und Rauchs. Falls Sie mir soweit gefolgt sind, können sie sich nun ganz einfach selbst wegzaubern und durch etwas Namenloses ersetzen.

Das zur Vorübung. Und jetzt frage ich mich nur noch, warum Bedeutungsloses so große Wirkung zeitigt. Das liegt wahrscheinlich am Glauben, welcher so eine eingebaute Sollbruchstelle des Menschen ist. Der Glauben verleiht den bedeutungslosen Dingen Macht, ja und Macht erzeugt neuerlich Glauben.
Zwei absolut bedeutungslose Konzepte Amok laufender Hirnfunktionen, die sich in bedeutungslosem Geplapper reproduzieren und Hände in Bewegung setzen. Gerade so wie meine jetzt. Damit wünsche ich ihnen noch eine schöne Zeit mit ihren sinnlosen Konzepten. Aber halt. Man hat ja gelernt, dass es das Absolute gar nicht gibt. Also gibt es auch nichts total Bedeutungsloses. Die Gefäße haben ja doch einen Sinn, nämlich dass sie dem Inhalt Form geben (auch wenn der Inhalt mit der Zeit die Form beeinflusst). Und Form ab und an Anlass zur Freude ist. Außerdem haben auch Konzepte eine chemische Realität in unseren Gehirnen. Auf Wiedersehen Platon, hallo Aristoteles! Deshalb sind Konzepte auch gleichzeitig Inhalt. Das Konzept folgt nämlich der realen Form und nicht anders herum, also es wird nachgeformt. Damit komme ich zum Kurzschluss: Der Sinn des Lebens = der Sinn des Lebens!

Woraus sich fünferlei ableitet, den Sinn des Lebens betreffend:

1. Man soll sich die Formen der Natur abschauen, vereinfachen und diese Vereinfachungen, genannt Konzepte der Natur wiederum aufzwingen
2. Man soll die Konzeptgefäße befüllen und leeren
3. Man soll die Konzepte transformieren
4. Man soll sich an beidem erfreuen und/oder Nutzen daran haben
5. Man soll 1.-4. vergessen und sich des Lebens freuen

Sinn kann also Form und/oder Inhalt sein. Kandinsky meinte sogar, alles bräuchte eine Form und der formlose Inhalt wäre allein geistiger Natur. Das ist noch nicht das Gelbe vom Ei, denn eigentlich geht es gar nicht um die Form an sich sondern um die Abgrenzung vom Inhalt durch Differenzen. Damit kommen wir notwendigerweise zur Mengenlehre und zur Topologie. Wie auch immer, man sieht schon, wenn man sich mit dem Sinn beschäftigt, landet man entweder bei der Kunst (Gefühlssache) oder der Mathematik (Verstandessache) oder irgendwelchen bizarren Sachen dazwischen. Das hat Douglas Adams wahrscheinlich auch gemerkt und deswegen ist sein "6 x 9 = 42" vielleich auch nur seine Version von Magrittes "Ceci n'est pas une pipe."