Mittwoch, 3. April 2024

Die Leierei

Es war ein mal ein Geier,
der spielte seine Leier
Das hörte ein Reiher,
der saß im Reiherweiher.

Bald wars für den Reiher
genug der Geierleier
Er sprach "Deine Leierei
verursacht bei mir Reiherei!
und das ist mir nicht einerlei,
denn ich leg grad ein Reiher-Ei."

Der Geier sagt darauf "Auweia,
ich üb' für eine Geierfeier
und was wär eine Geierfeier
ohne einen Leiergeier?"

Darauf der Reiher sprach" Verzeih,
ich wusst nichts von der Feierei.
Doch kannst du nicht leiser leiern?
Sonst muss ich mich heiser reihern."

So übte nun der Geier leise
seine Geierleierweise
und der Reiher schlief dann bleiern
ein auf seinen Reihereiern.


Dann senkt sich der Nebelschleier
leise auf den Reiherweier
und der fleissge Leiergeier
fliegt zu seiner Geierfeier.


Das Rotkäppchen (Perrault/Bechstein) gereimt

Es war einmal in einem Dorf ein kleines hübsches Mädchen,
das hatte eine Kappe aus roten Sammetfädchen.
Der kleine Schatz war Mutters und Großmutters Augenstern.
Sie trug oft ihr Hütchen, drum nannte man sie gern
"Rotkäppchen!", wie auch ihre liebe Mutter sie nun rief,
als sie fröhlich durch die Haustür in die Küche lief.
Mutter und Großmutter wohnten nicht in einem Haus,
sondern es war eine Meile in den Wald hinaus.

"Großmutter ist schwach und krank und kann uns nicht besuchen,
drum bringe ihr geschwind den Wein und auch den warmen Kuchen.
Grüße sie recht schön von mir, pass auf, dass du nicht fällst
und achte auf die Wege, dass du den richtgen wählst.
Lauf nicht herum im Walde, lass die Flasche ganz,
Tu wie gesagt und komm zu mir zurück so schnell du kannst."
So oder so ungefähr, reden Mütter immer,
Mal hilft es, manchmal nicht, und manchmal hilft es nimmer.

"Das will ich alles machen, so wie es dir gefällt."
antwortete Rotkäppchen und hat hinein gestellt
in den Korb den Kuchen und die Flasche Wein.
Dann band sie sich ihr Schürzchen und lief in den Wald hinein.
Um altehrwürd'ge Kiefern und Buchen ging ihr Pfad.
Ein Fleckchen Grau blitzt' hier und dort, wohin sie auch trat.

An einer hellen Lichtung kam ein Wolf mit prächt'gem Haar
aus dem Unterholz heraus und sagte "Gott bewahr!
Mein liebes Mädchen, was führt dich so früh schon durch den Tann?"
"Zur Großmutter, Herr Graubart, die nicht mehr aufstehn kann!"
"Was willst du denn dort machen, willst du ihr etwas bringen?"
"Bald soll sie wieder munter sein und heitre Lieder singen.
Deswegen trage ich den Wein und selbstgebacknen Kuchen."

"Ach Rotkäppchen, sage mir wo könnt ich sie besuchen?"
"Es ist ein Häuschen gar nicht weit, dahinter stehen Eichen,
dort wo die Haselbüsche den Weizenfeldern weichen."
'Oh du leckres Haselnüsschen, ich knacke deinen Kern'
dachte ganz bei sich der Wolf doch sagte "Gar nicht fern!
Sieh, dort drüben wachsen Kräuter die Gebrechen heilen.
Wolfsbeer, Wolfsbast, Wolfswurz und Wolfszahn auch bisweilen."

"Herr Graubart, werden alle Kräuter nach dem Wolf benannt?"
"Nur die allerbesten, die der Medizin bekannt.
Sammle doch ein paar davon, ich will mich empfehlen."
sprach das Tier um sich hin zur Großmutter zu stehlen.
Hinter moosbewachsnen Rinden, schaut der Wolf zurück,
dem süßen Kindchen hinterher und schnalzte "Welch ein Glück!"

Rotkäppchen sah im Walde viele schöne Blumen.
Die pflückte sie für einen Strauß und mit Kuchenkrumen
fütterte sie Vögelein, die auf dem Wege hüpften
und schließlich auch noch die im Nest gerade frisch geschlüpften.
"So ein lieber, guter Wolf, wie er an alle denkt
und jedweden den er trifft mit Weisheiten beschenkt."

Als der Wolf ans Häuschen der Großmutter kam,
fand er es verschlossen und er klopfte an.
Die Alte konnte nicht von ihrem Nachtlager aufstehen,
so krächzte sie nur "Wer ist draußen?" anstatt nachzusehen.
Da rief der Wolf "Das Rotkäppchen möchte dich besuchen!
Ich bringe roten Wein für dich und selbstgebacknen Kuchen."
Mit einer hohen Fistelstimme täuschte er die Alte,
Sie sprach "Den Schlüssel findest du hinter der Türspalte."

Der Wolf drang ein, sprang aufs Bett und fraß mit einem Bissen
die Großmutter und legte sich verkleidet in die Kissen.
Er trug der Alten Schlafgewand, Haube und auch Brille
und dachte freudig "So, jetzt warte ich in aller Stille.
wie gut hat schon der alte dürre Knochensack geschmeckt,
da möcht ich wissen welch Aroma in Rotkäppchen steckt."

Kurz darauf klopfte es leise an der Tür der Großmama.
Der Wolf sprach mit verstellter Stimme "Gott zum Gruß, wer ist denn da?"
"Draußen steht das Rotkäppchen und will dir Speisen bringen."
"Drück nur auf die Klinke Schatz, so wird die Tür aufspringen."
Das Mädchen ahnte unheilvolles, denn es roch nach Hund
und die Stimme der Großmutter klang sehr ungesund.

Sie schaute sich gar ängstlich um im trüben Stubenlicht,
der Graubart säuselte ihr zu, die Decke im Gesicht.
„Leg dich zu mir ins Bettchen, komm her und wärme mich.“
Rotkäppchen hob die Decke hoch und fragte ungläubig
"Warum sind deine Hände haarig und mit Krallen dran?"
"Damit ich dich mein Kindchen, besser halten kann."
"Warum hast du Großmutter, so lange Ohren dann?"
"Damit ich dich Rotkäppchen, besser hören kann."
"Warum hast du Großmutter, so große Augen dann?"
"Damit ich dich, mein Liebchen, besser sehen kann."
"Warum hast du Großmutter, so scharfe Zähne dann?"
"Damit ich dich, mein Herzchen, besser fressen kann!"

Mit weitem Maul in seinen Wanst, schlang er sie ganz hinein
dort saß sie dann mit ihrer Angst und dem Großmütterlein.
So eine Ungerechtigkeit ist nicht der Weisheit Ende.
Deshalb schlief der Wolf gleich ein und das brachte die Wende.
"Ein guter Bissen ist noch längst das beste Ruhekissen".

Das Schnarchen rief den Jägersmann und ohne es zu wissen,
dass er in diesem Glücksmoment der Rettungsengel war,
kehrte er ins Häuschen ein und wurde dort gewahr
wie der Wolf mit prallem Bauche lag im Schlafgemach.
Er stellte das Gewehr zur Seit und dachte erstmal nach.

Der Jäger zückte leis das Messer, öffnete den Magen
und heraus sprangen die zwei, die dort gefangen lagen.
Der Wolf hatte jetzt großen Hunger und er wachte auf,
erst sah er das Rotkäppchen und dann den Büchsenlauf.
Noch bevor er zwinkern konnte, gab es einen Knall
und der graue Isegrimm verliess den Erdenball.

Der warme Wolfsbauch hatte das Großmütterchen geheilt
und das Mädchen ist nun immer gleich zu ihr geeilt.
Den Kuchen aber nicht den Rotwein teilten sich die drei,
denn den goss sich der Jägersmann hinter das Geweih.










Der Fürchtenlerner (Brüder Grimm) gereimt

Ein Vater hatte einst zwei Söhne, einer davon klug,
der Jüng‘re jedoch war so dumm, dass man es kaum ertrug.
Sahen ihn die Leute, sagten sie "Was für ein Tropf!
Der frisst dem armen Vater die Haare nur vom Kopf."

Der Älteste, war was zu tun, schritt tagsüber hinaus.
Doch fürchtete er sich des Nachts und ging dann nicht vors Haus.
Schauermärchen waren ihm durchaus ein Riesengraus
und er machte einen Sprung beim Anblick jeder Maus.

Zum Jüng'ren sprach der Vater endlich „Heda, du bist stark,
jedoch das Faulsein steckt bei dir tief in Bein und Mark!
Du solltest etwas lernen, das nicht ein jeder kann.
So, für was entscheidest du dich, werter Sohnemann?“

Der Jüngre sagte „Vater, da denke ich nicht lang,
das Fürchten will ich lernen, denn mir ist niemals bang.“
Darauf sagte der Vater „Junge, du bist dumm wie Brot,
mit dir hat man wirklich seine liebe Not.
Mit dem Gruseln kann man wahrlich gar kein Geld verdienen.
Und wenn dir auch hundertmal sei ein Geist erschienen.“

Der ält're Bruder lachte „Freundchen, du musst dich besinnen.
Was ein Häkchen werden will muss sich beizeiten krümmen!“
Und der Vater flehentlich „Auch wenn du dumm geboren,
so ist vielleicht bei dir noch nicht Hopf und Malz verloren?“

Bald dann kam der Küster zu Besuch zum Abendbrot
und der Vater klagte ihm seine liebe Not.
Der jüngste Sprößling sei in allen Dingen schlecht beschlagen
und gäbe dumme Antworten auf jede seiner Fragen.

"Ach denken Sie sich nur, seine neueste Idee,
ist das Gruselnlernen! Potzblitz, ohjemine!"
Darauf sagte der Küster: "Wenn weiter nichts dabei,
das kann er bei mir lernen und ihr seid von ihm frei."

Und so nahm der Küster ihn, um bei Nacht und Sturm,
die Glocken wohl zu läuten hoch im Kirchenturm.
Er weckte ihn zu Mitternacht und hieß ihn aufzusteigen.
Und schlüpfte selbst ins Lakentuch, um ihm die Furcht zu zeigen.

Als der Junge oben war und griff den Glockenstrick,
sah er einen weißen Geist im nächsten Augenblick.
"Wer da?", rief er und "Gib Antwort, arger Taugenichts!"
"Oder du wirst fliegen, dass du dir die Knochen brichst."

Der Küster aber dachte `Der ist schon nicht so gemein.´
Und er blieb ganz mausestill wie ein Grabesstein.
"Geh fort!" sprach der Junge, "Hier gibt es nichts zu gaffen!"
Dann war er auf dem Sprunge sich den Spuk vom Hals zu schaffen.
Er stieß die Gestalt treppab, die ihm keine Antwort gab.
Die rollte noch zehn Stiegen und blieb dann wimmernd liegen.

Der Junge hat ganz pflichtbewußt die Glocken noch geläutet
und hat auch nicht mal nachgedacht, was all das bedeutet.
Er ging ins Bett ohne noch ein weitres Wort zu sagen.
Doch am Morgen hört´ er schon des Küsters Frau Wehklagen.

"Weißt du lieber Junge denn, wo mein Mann geblieben?
Er ist schließlich noch vor dir den Turm hinauf gestiegen."
"Nein, aber da hat einer auf der Trepp gestanden,
als er keine Antwort gab kam die Geduld abhanden,
mir und diesen Spitzbuben hab ich hinabgestossen.
Niemals kommt der wieder her, so voll hat der die Hosen."

Die Frau ging hin und fand den Mann mit einem Bein gebrochen,
der lag noch da und jammerte und es fing an zu kochen,
ihr Küsterfrautemperament, sie eilte dann mit viel Lament
zum Vater unsres Jungen und rief aus vollen Lungen:
"Euer Sprößling bringt uns nichts als Riesenscherereien!
Er brach meinem Mann das Bein, das ist nicht zu verzeihen."

Es erschrak der Vater und er kam herbei gelaufen.
Er rief den Jungen zu sich her und fing dann an zu schnaufen:
"Der Teufel hat dich angeführt zu so gottlosen Flausen!"
"Aber Vater," rief der Bub "du brauchst nicht aufzubrausen!“

"Hört mich an, er stand verdächtig mitternachts herum,
und als ich höflich fragte, stellte er sich stumm."
"Ach", sprach da der Vater, "mit dir hab ich kein Glück!
Geh mir aus den Augen und komm nicht mehr zurück!"

"Ja Herr Vater, ja recht gern will ich wandern gehen,
um endlich das Gruseln als Handwerk zu verstehen."
"Lerne was du gerne willst, das ist mir einerlei
Sag nur keinem Menschen, wer dein Vater sei.
Hier sind 50 Taler, die kannst du dir mitnehmen,
Das ist allzeit besser noch als deiner sich zu schämen."

Der Junge lief schon bald die Hauptstraße entlang,
er war guter Dinge und murmelte beim Gang:
"Ach wenn es mich nur gruselte, ach wenn es mich nur schreckte."
Und so hörte das ein Mann, der in Lumpen steckte.

Der ging ein Stück des Wegs mit ihm und dann beim Abendrote,
zeigte er ihm einen Baum, dran hingen sieben Tote.
„Die armen Teufel ham mit Seilers Tochter wild getanzt.
So bleibe doch heut abend hier, dass du dich gruseln kannst.“
„Wenn das so stimmt, sollen 50 Taler deine sein.“
sprach der Junge skeptisch und der Mann schlug ein.

Da ging der Junge zu dem Galgen, setzte sich dorthin.
Die Nacht brach ein, der Nebel kam und bald schon fror es ihn.
Zu Mitternacht blies dann ein Wind, der war gar bitterkalt
und schwenkte die Gestalten hin und her im finstren Wald.

Er hatte Mitleid, machte Feuer und mit sehr viel Fleiß
nahm er die Gehenkten ab und setzte sie im Kreis.
Sie saßen da mit hohlem Blick und aufgerissnen Mündern.
Daher gab er einen Rat den unbeholfnen Sündern.

"Gebt nur acht, dass ihr euch eure Kleidung nicht verbrennt!
Sonst hab ich euch im Handumdrehn wieder aufgehängt."
Die Toten aber hörten nicht und ihre Lumpen glimmten.
Nun sprang er auf, zog sie zurück und spielte den Ergrimmten.

"Ich kann euch nicht helfen, wenn ihr euch den Leib versengt".
Und der Reihe nach hat er sie wieder hochgehängt.
Er legte sich ans Feuer hin und schlief den Rest der Nacht.
Am Morgen grüßte ihn der Mann, so daß er aufgewacht.

Der fragte wie es neulich mit dem Gruseln vorwärts ginge.
"Nicht besonders" sprach der Bub, "ich nahm sie von der Schlinge.
Leider haben sie kein einz'ges Wort von sich gegeben.
Drum gab ich meine Mühe auf und ließ sie wieder schweben."
Er zeigte zu den Toten hin, der andre dacht beklommen,
dass so ein abgebrühter Kerl ihm noch nicht vorgekommen.

Darauf gingen beide wieder ihrer eignen Wege
und es sang so wie er lief über Feld und Stege,
"Ach wenn es mich nur gruselte, ach wenn es mich nur schreckte."
der Junge als ein alter Fuhrmann ihn entdeckte.

"Wer bist du?" "Das weiß ich nicht."
"Wo bist du her?" "Das weiß ich nicht."
"Wer ist dein Vater?" "Sag ich nicht.
Ich möcht nur, dass es gruselt mich."
"Statt das wir hier noch Reden schwingen,
wollen wir dich unterbringen."

Am Abend kehrten sie dann müde in ein Wirtshaus ein.
Da stellten sie die Pferde unter und beim guten Wein,
hörte der Wirt seine Wünsche, lachte "Kein Problem!
Hier in der Nähe gibts ein Schloß, da kannst du Geister sehn."

"Nein!" rief da die Wirtin blaß "Nein, das geht nicht an!"
"Da hat schon mancher seinen letzten Atemzug getan."
"Wenn es richtig gruslig ist, dann ist es fabelhaft,
dann wär das Schloß das Ende meiner Wanderschaft."

Der Wirt erzählte, er müsst nur drei Nächte darin wachen,
dann würde ihm das Schloß gehörn mit allen teuren Sachen.
Der König hätte zudem seine Tochter noch versprochen,
jenem Helden, der den bösen Geisterbann gebrochen.

Der Junge ging am Morgen zum König hin und sprach:
"Wenn's genehm ist, schau ich gern in eurem Schlosse nach."
Der König sah ihn prüfend an. „Weil du mir gefällst,
geb ich dir vier Dinge noch, die du dir auswählst."

"Ich nehm Feuer, Knüppel, Drehbank und eine Sitzbank."
Alles wurde ihm gebracht, bis die Sonne sank.
In einer Kammer hoch im Schloss brannte bald ein Feuer,
Da wartete der Junge brav auf das Ungeheuer.

Zu Mitternacht rief etwas "Au, mich friert!" aus einem Eck.
"Ihr Narren", drauf der Bursche, "kommt nur raus aus dem Versteck!
Was schreit ihr rum? Wenn euch kalt ist, setzt euch doch zur Glut."
Zwei große schwarze Katzen warns, die er zu sich einlud.

Nach einem Weilchen fragten sie "Woll'n wir Karten spielen?"
Er sagte "Gern, doch will ich erst auf eure Pfoten schielen."
„Unsre scharfen Krallen sind rein und ordentlich,
wir kratzen dir die Äuglein aus, dann siehst du keinen Stich!“
"Mit solchen langen Nägeln ist das Kartenspiel ein Graus."
sprach er und warf sie glatt aus dem Fenster raus.

Nun kamen aus dem Schatten noch mehr Katzen und auch Hunde.
Rasch verhalf er jedem Tier zur günstigen Flugkunde.
Dann ward er müde und er wollte gern ein Stündchen schlafen,
jedoch war das Bett verhext und es verließ den Hafen.

Es rollte wie ein Sechsgespann hin über Trepp und Dielen,
und bäumte sich auf wie ein Pferd, so dass herunterfielen,
unser Bube, Deck, Matratze und die Daunenkissen,
drum legte er sich auf den Flur "Dies Bett kann ich vermissen."

Nach dieser turbulenten und ereignisreichen Nacht,
Hat er mittags nochmal Halt beim selben Wirt gemacht.
Dieser machte große Augen, doch der Bub sprach kühl:
"Nur ein paar süße Kätzchen, die warn ein Kinderspiel."

Zum Nachmittag dann ging er abermals ins Schloß,
und setze sich ans Fenster, wo er den Blick genoß.
Ganz laut und ungemütlich wurde es um Mitternacht.
Erst rumpelte es heftig und dann fiel mit Krach
ein halbes furchtbar staubiges Skelett aus dem Kamin.
Verdutzt fragte der Junge, dem das zu wenig schien:

"Wo ist die zweite Hälfte?", und mit viel Getöse,
kam der Rest an Knochen und musterte ihn böse.
Das Gerippe setzte sich ganz keck auf die Sitzbank,
sortierte seine Knochen und wienerte sie blank.

"So ham wir nicht gewettet, "sprach der Junge, "meine Bank
ist nur für meinen Hintern. Du suchst wohl Streit und Zank?"
Er schlug den Schädel ihm vom Hals mit seinem großen Stecken,
so dass der dreimal sich gedreht und fiel ins Aschebecken.

Noch mehr Skelette kamen nun aus dem Kamin gesegelt,
eine ganze Mannschaft, die mit Knochen kegelt.
"He Freunde! Ich spiel mit, wenn es euch gefällt?"
"Gern," krächzten die Toten, "doch dafür brauchst du Geld."

"Am Geld soll es nicht mangeln, doch sind die Kugeln Schund."
und er schnitt die Totenköpfe auf der Drehbank rund.
"Jetzt werden sie viel besser rollen." hat er dann gelacht,
so spielten sie noch "Alle Neun!"den Rest der heitren Nacht.

Am andern Morgen kam der König "War es denn recht gruslig?"
"Ich habe schön gekegelt, Herr. Nein, es war eher lustig."
"Ich hoff ich lern das Fürchten noch an diesem dritten Abend,
dabei klang das Angebot verlockend und hochtrabend."

Erneut hat er sich abends auf seine Bank gesetzt,
es kamen starke Männer und diesesmal zu sechst.
Sie trugen auf den Schultern eine Totenkist'.
"Ach, das wird mein Vetter sein, der grad gestorben ist."

Kaum dass sie ihn abgesetzt, nahm er die Leich heraus
und streckte sie gemütlich vor dem Feuer aus.
"Komm Vetterchen nun komm, du bist kalt wie Eis!
Setz dich doch ans Feuer, dann wird dir wieder heiss."

Als das nicht half hat er den Mann in das Bett gelegt,
und derb an ihm gerieben, bis er sich geregt.
"Ja, für meine warmen Händchen kann ich mich verbürgen."
Der Tote aber griff hinauf. "Jetzt will ich dich erwürgen."

"Was hör ich da, mein Lieber, ist das dein Lohn und Dank?"
Gleich sollst du nochmal liegen auf deiner Leichenbank."
Er warf ihn in den Sarg zurück und schlug den Deckel zu,
Die Männer kamen abermals und trugen ihn zur Ruh.

Da trat ein alter Mann herein, größer als die andern.
"Oh du Wicht, das Höllenreich will ich mit dir bewandern."
"Nicht so schnell" sprach da der Jung, "dann musst du stärker sein."
"Dich will ich schon packen und hack dich klitzeklein."

"So stark wie du bin ich schon lang, das wolln wir erst mal sehen."
"Versuchen wirs, wenn du gewinnst, kannst du nach Hause gehen."
Dann führt er ihn durch dunkle Gänge hin zum Schmiedeherde,
mit einem Axtschlag schlug er dort den Amboß in die Erde.

"Das kann ich noch besser." sprach der Junge froh und munter.
Der Alte schob sich vor zu schauen und sein Bart hing runter.
Der Junge schwang das Äxtlein und trieb mit einem Hieb,
den Bart tief in den Amboß, so dass er steckenblieb.

"Alterchen, jetzt hab ich dich, jetzt ists an dir zu sterben."
"Mach bloss keinen Unfug, dann kannst du mich beerben".
Der Junge zog die Axt heraus und ließ ihn wieder los.
Darauf führte ihn der Alte zur Schatzkammer im Schloß.

Dort standen drei Schatzkisten mit prächtig goldnem Schein.
"Eine davon sei dem König und eine sei dein.
Die dritte Truhe gib den Armen." und der Geist verschwand,
als es zwölf schlug und der Junge ganz im Dunkeln stand.

Er tastete den Weg zurück zu seinem Kämmerlein,
legte sich ans Feuer und schlief dort friedlich ein.
Am Morgen frug der König, wie es gewesen sei.
"Ich sah meinen Vetter, viel Geld und anderlei,
aber da war nichts zum Gruseln." "Es sei nicht dein Schaden,
nun, da du das Schloss erlöst hast, wirst du reich heiraten."

Die Hochzeit ward gefeiert, das Gold heraufgebracht,
trotzdem murmelte der Bub noch in der Hochzeitsnacht:
"Ach wenn es mich nur gruselte, ach wenn es mich nur schreckte."
Worauf die Braut mit ihrer Zofe einen Plan ausheckte.
Das Kammermädchen war gewiss "Wir bringen ihn zum Schrein."
"Gieße einen Eimer Fische in sein Bett hinein."

Nachts brachte der Gärtner die Gründlinge zur Kammer,
die Braut goß sie auf den Gemahl, so daß er fuhr mit Jammer,
aus dem Bett, als der Fang auf ihm herumgesprungen:
"Jetzt hat es mich gegruselt. Weib, dir ists gelungen!“


Hänsel und Gretel (Grimm/Bechstein) gereimt

Am Wald in einer kleinen Hütte lebte einst ein Paar, 
welches Eltern der zwei Kinder Hans und Gretel war.
Der Vater war ein Holzfäller und er litt immer Not,
deshalb hatte die Familie wenig Geld für Brot.

Nachts im Heubett seufzte der an Kummer reiche Mann,
"Mein liebes Weib, ich weiß nicht mehr, wie es gehen kann
dich und mich zu unterhalten, dann noch beide Kinder.
Wir haben keinen Vorrat mehr und bald schon kommt der Winter."

"Wir führ'n sie in den Wald hinein, je eher desto lieber.
Dort zünden wir ein Feuer an und kommen nimmer wieder.
Lass die beiden dort allein bei Brote gottbefohlen sein.
Das ist die einz'ge Lösung Mann und sei es auch hundsgemein."

"Oh Gott, wie soll ich das vollziehn an meinen eignen Kindern?"
Die Frau fragte ihn gradheraus "Wie willst du es verhindern?
Dann kannst du eine Totenlade für uns viere zimmern!"
Die Kinder hörten's durch die Wand und fingen an zu wimmern.

Der Hänsel tröstete das Gretel "Hab nur keine Bange,
ich hab schon einen guten Plan, wie ich zurück gelange."
Als die Alten eingeschlafen waren, stand er auf.
Er schob sich durch die Hintertür und schlich den Hang hinauf.

Da nun schien der Mond recht helle auf die weißen Kieselsteine.
In sein Rocktäschlein hinein, sammelte er davon kleine.
Dann ging er zurück und sprach zur Gretel "Bleib gelassen,
unser Glücksstern wird ganz sicher nicht so schnell verblassen."

Noch eh die Sonne aufgestiegen, als der Tag anbrach,
rüttelte die strenge Mutter schon die Kinder wach.
"Steht auf ihr faulen Wanzen, wir holn Brennholz aus dem Wald!
Hier habt ihr einen Kanten Brot, doch esst ihn nicht zu bald."

Das Gretel trug das Brot im Rock, der Hänsel trug die Steine,
er blieb oft stehn und sah zurück."Vergiss nicht deine Beine!"
"Ach Mutter, ich seh auf dem Schornstein unsern weißen Kater."
"Narr, das ist das Sonnenlicht, nun mach nicht so'n Theater."

Wie sie auf verschlungnen Pfaden weiter vorwärts gingen,
ließ der Hänsel Steinchen aus der Hosentasche springen.
Es sprach der Vater als sie tief im Walde warn zu viert:
"Ihr Kinder, ich mach euch ein Feuer, damit ihr nicht friert.

Nun sammelt Holz." Es ward vollbracht, das Reisig dann entzündet.
Und als die Flamme recht hoch brannte, hat die Frau verkündet:
"Nun legt euch ans Feuer, ruht euch einfach aus.
Wir hauen Holz und gehen in den Wald hinaus."

Am Feuer saßen Hans und Gretel bis der Mittag kam
und haben dann ihr Stücklein Brot sich in den Mund getan.
Sie hörten Schläge einer Axt, das war jedoch nur Trug.
Es war ein festgebundner Ast, der im Winde schlug.

Lange saßen sie noch da bis sie die Augen schlossen.
Dann als der Mond sein silbern Licht hin über sie gegossen,
wachte Gretel auf und fragte "Finden wir jemals heraus?"
Hänsel sprach "Die Kieselsteine zeigen uns den Weg nach Haus."

Sie liefen Hand in Hand hindurch die ganze klare Nacht,
und kamen dann im Morgengrauen zum Haus wie ausgedacht.
Sie klopften an die Tür erregt, es öffnete die Frau.
"Was habt ihr nur so lang getrieben, wisst ihr doch genau,
dass wir hier die Hände ringen und uns um euch sorgen?
Und ihr verträumt die ganze Nacht und kommt zurück am Morgen!"

Den Vater aber freute es, ihm wars ans Herz gegangen.
Doch die Not hat bald darauf von vorne angefangen.
"Ein halbes Brotlaib noch und dann ist alles aufgezehrt.
Die Kinder müssen fort bevor der Schnitter hier einkehrt!

Wir gehen dieses Mal noch tiefer in den Wald hinein."
Dem Vater fiel es wieder schwer, doch willigte er ein.
Die Kinder hatten abermals das Zetern mitgehört.
Doch zu Hänsels Unmut blieb die Hintertür versperrt.

Er tröstete die Gretel "Uns wird schon nichts geschehen,
der liebe Gott in seiner Macht wird uns gewiss beistehen."
Morgens kam die Frau und rief die Kinder aus dem Schlaf.
Sie erhielten ihr Stück Brot und rüsteten sich brav.

Auf dem Weg zum Wald zerdrückte Hänselein sein Brot.
Er schaute wieder oft zu zurück "He Junge, bleib im Trott!"
"Ach Mutter, oben auf dem Dach sitzt unsre weiße Taube!"
"Narr, es ist das Sonnenlicht, das flimmert da im Laube."

Der Hänsel warf nun nach und nach die Bröcklein hin beim Gehen,
Dann warn sie in Waldesflecken, die sie nie gesehn.
Beim Rasten wurde wiederum ein Feuer angefacht.
Die Mutter sagte "Kinderlein, ich hab an euch gedacht.

Bleibt hier sitzen, seid ihr müde, schlafet ruhig ein.
Wir hau'n Holz und auf dem Rückweg bringen wir euch heim."
Mittags hat die Gretel dann ihr Brot mit Hans geteilt,
bis zum Abend sind sie noch am Feuerplatz verweilt.

"Wart nur Gretel." sprach der Hans "Lass erst den Mond aufgehen.
Dann werden wir die ausgestreuten Weißbrotkrümel sehen."
Der Mond ging auf, sie liefen los, doch wohin sie geblickt,
hatten schon vieltausend Vöglein alles weggepickt.

Hänsel sagte Gretel ruhig "Wir finden schon nach Haus."
Doch vergingen Nacht und Tag, sie kamen nicht heraus
aus dem Wald, sie waren müd und hatten großen Hunger.
Sie aßen Beeren und verfielen auf dem Moos in Schlummer.

Am dritten Tag, als sie schon schwach, fanden sie ein Nest
in dem ein schwarzer Vogel sang, dann flog er ins Geäst
und immer weiter her vor ihnen bis zu einer Kate.
Dort setzte er sich hoch aufs Dach und als der Hänsel nahte,
sah er dass das ganze Haus vom Giebel bis zur Türe
aus Kuchen und aus Brot bestand, verklebt mit Konfitüre.

Hänsel sprach "Von diesem Backwerk könnt ich was vertragen!
Ich nehm mir ein Stück vom Dach, du kannst am Fenster nagen."
Hänsel reichte in die Höh, die Schindeln zu erhaschen.
Gretel ging zum Fenster, den Zuckerguss zu naschen.

Eine leise Frage klang den Mundräubern entgegen:
"Knusper knusper knäuschen,
wer knuspert an meinem Häuschen?"
Die Kinder gaben darauf Antwort, ohne Überlegen:
"Der Wind, der Wind,
das himmlische Kind."

Hänsel schob sich unbeirrt den Kuchen in den Mund,
Gretel riss die ganze Scheibe aus dem Fensterrund.
Die Tür schwang auf und eine Alte schlich am Krückenstock
aus dem Kuchenhaus heraus in einem Lumpenrock.

Hakennäsig, krummgebeugt und triefäugig dazu,
runzelig, mit grünen Augen ohne Rast und Ruh,
erschreckte sie die Kinderlein in nicht geringem Maße.
"Ei traute Kindlein, tretet ein, kommt nur, kommt, ich lasse,

euch von bessren Speisen essen, mit Äpfeln und mit Nüssen."
Sie kamen gern und aßen viel und legten sich in Kissen,
die die Alte aufgeschüttelt hatte und bezogen.
Auf weißen Bettchen träumten sie, wie sie gen Himmel flogen.

Jedoch wars ein schlimmes Laster, das dahinter stand,
weil so mancher Wanderer in diesem Haus verschwand.
Die garstge Hexe fraß vor allem Kinder mit Vergnügen,
die sie fing mit Brot und Kuchen und mit süßen Lügen.

Sie hatte ihre Opfer von weitem schon gerochen
und zu sich selbst gemurmelt: "Die werde ich mir kochen."
Bevor die beiden aufgewacht, griff sie das Hänselein
und sperrte ihn am Morgen in einen Käfig ein.

Sie knebelte den Jungen, dass ihm die Stimme stockte,
dann lief sie hin zur Gretel, die blass im Bette hockte.
"Sitz nicht rum, du faule Gans und koch das Essen für den Hans!
Wenn er richtig fett geraten, mach ich einen Hänselbraten.
Bis dahin bleibt er erstmal in meinem alten Gänsestall."

Gretel weinte bitterlich, doch das half ihr leider nicht.
So kochte sie ihm Tag für Tag Süßspeisen und Hauptgericht.
Sie selbst bekam gar armselige Krebsschalen zu Essen,
denn die Hexe war nur auf das Fettwerden versessen
von dem armen Hans allein, dessen Finger regelmäßig,
sie geprüft aufs Dickesein, dabei ward ihr Mund ganz wäßrig.

"Hänsel gib den Finger mir, zu sehn wie fett du bist."
Hänsel aber streckte ihr, das war eine List,
einen dürren Knochen unter ihre schwachen Augen.
Sie prüfte es und ging mit einem ungläubigen Schnauben.

Aber nach vier Wochen war die Ungeduld zu groß.
"Heda, Gretel" rief sie "sei recht flink und laufe los,
hole Wasser, hole Holz, morgen will ich Hänsel kochen."
Ach, wie hatte dies der armen Schwester Herz gebrochen.

"Lieber wäre ich verhungert! Oh Gott, so hilf uns doch!"
"Lass das Geheule, Gretel, eh ich den Hänsel koch,
will ich ein paar Brote backen und du musst das Holz noch hacken.
Danach darfst du Teige kneten und zu deinem Gotte beten."

Früh hing dann die Gretel den Kessel auf die Feuerstelle.
"Bevor wir kochen, woll'n wir backen, dass es nicht am Brote fehle.
Der Backofen ist angeheizt, kriech rein und prüf die Hitze."
Am Ofen schossen schon die Flammen aus der Klappenritze.

Die Gretel roch noch rechtzeitig den sprichwörtlichen Braten
und wollte nicht als Nachspeise zum Hänseltopf geraten.
"Ich weiss nicht, wie ichs machen soll, wie komm ich da hinein?"
"Dumme Gans, ich machs dir vor, stell dich hintendrein."

Die Hexe schob den Kopf darauf in die Ofenkammer,
da gab ihr Gretel einen Stoß, so dass sie mit Gejammer
weit hineinfuhr und dann schloß Gretel Tür und Riegel.
Die Alte war in Kürze schwarz, so heiss waren die Ziegel.

Gretel lief schnurstracks zum Hänsel, öffnete das Gitter.
"Hänselchen, die Hex ist tot." Durch die Öffnung glitt er,
fiel der Schwester um den Hals, dann tanzten sie durchs Haus.
Als sie über eine Kiste stürzten kam heraus,
dass darin sich Edelsteine und auch Perlen türmten.

Sie stopften sich die Taschen voll und durch die Türe stürmten,
sie aus dem Hexenwald heraus und nach kurzer Zeit,
standen sie an einem Wasser, wo sie weit und breit
keine einz'ge Brücke fanden, auch kein Ruderboot.
"Da schwimmt eine graue Gans, vielleicht in unsrer Not
kann sie uns herüber tragen, uns den Weg zumindest sagen?

Gänschen, Gänschen" rief die Gretel "Hier stehn Hans und Gretel.
Ohne Steg und ohne Brücken, nimm uns mit auf deinem Rücken!"
Das Gänschen kam den Strand herauf und Hans setzte sich obenauf.
Er gab dem Mädchen seine Hand, "So wird es nicht gelingen."
Es wird zu schwer, das Gänschen soll uns einzeln rüber bringen."

Auf der andren Seite sah der Wald schon viel bekannter aus.
Nach zwei weitren Wandertagen kamen sie zu Vaters Haus.
Sie stürzten jauchzend durch die Tür und hingen an des Vaters Hals
und als die Frau den Reichtum sah, freute sie sich ebenfalls.
Beide Kinder blieben nun behütet und geborgen.
Sie hatten bis ans Lebensende keine andern Sorgen.