Donnerstag, 26. Dezember 2024

Das Mädchen ohne Hände Teil 3 (Grimm)

Die Wiesel waren eingespannt,
ihr Atem dampfte in der Kälte
als die Fürstin ihrem Mann
das neueste vom Tag erzählte 
„Diese eignen Hände meine
sind mir nicht so recht geheuer.
Heut nahm ich sie von der Leine
und sie gossen Öl ins Feuer!
Gestern rissen sie sich los
und sie schubsten unsre Magd.
Schätzelein, was mach ich bloß?"

"Hör, ich muss jetzt los zur Jagd.
Sperr die Tierchen in den Kobel
und ich will mich wohl beeilen
um nach Hatz auf Nerz und Zobel
bald bei unserm Kind zu weilen.
Bin ich nicht beizeit zurück,
bitte schreib mir einen Brief,
der mir zeugt von meinem Glück,
und wie die Geburt verlief."

Gesagt, getan, die Missetäter
saßen bald im Holzverschlag
und nur ein paar Tage später
war der Fürstin großer Tag.
ein Kindlein ward geboren,
Rosig, wonnig und gesund
auch die Mutter war wohlauf.

Und schon nach etwa einer Stund
Gab sie eine Nachricht auf.
Um dem Gatten mitzuteilen
Dass der Erbe munter sei.
Und es sollt der Bote eilen
gleich beim ersten Hahnenschrei.
Von fern her klang nun schrill und klagend
eine Flötenmelodie.
Neid und Missgunst mit sich tragend
auf die frische Harmonie.

Mit Knirschen löste sich ein Brett,
die Händchen liefen durch die Nacht,
bis zum Nachttisch bei dem Bett,
wo das Brieflein hingebracht
von dem Schreiber zur Verwahrung
doch die Pferdchen mit fünf Beinen
stahlen es zwecks Offenbarung.
Wem? Das bleibt noch im Geheimen.

Im weissen Schnee, mit rotem Kopf
sass der König auf dem Schlitten
denn es summte unterm Schopf
sein ganzer Schwarm von Wut-Hornissen.
Der Brief, den er gelesen hatte,
segelte im Wind davon
und er sagte ihre Worte,
fassungslos und ohne Ton.
„Mein Gatte, ich gebar das Kind
deines Bruders Flammenkönig.
Ich verlasse dich für ihn,
das tut mir leid,
wenn auch nur wenig.“

Der Bote sprach "Ihro Durchlaucht
wollen eine Antwort geben?"
„Mein Teuerster, was es hier braucht,
ist ein Kampf auf Tod und Leben!“
Der König schob das Kinn heraus
„Die Fahrt soll gleich zum Schlosse gehen.
Dort wollen wir, als Herr im Haus,
selber nach dem rechten sehen!“

Doch die Wiesel liefen seltsam
wirre Schleifen, weite Kreise.
Erst nach Wochen kam man an,
müde von der Heimwärtsreise.
Bei der Ankunft war das Schloss
verlassen, zugig, kalt und düster.
Licht, dass durch die Türe floss
zeigte eine Reihe wüst
zerschrammter liebgewordner Dinge.

"Oh ihr Räuber, wartet bloß,
bis ich euch zur Strecke bringe!"
rief der König und die Suche
ging durch schaurig stille Zimmer.
Aber letztlich stand zu Buche,
dass man keinen blassen Schimmer
vom Verbleib der Seinen hatte
und der König sprach bewegt
„Meine Treuen, ich gestatte,
dass ihr euch zu Bett begebt.
Schließt die Türen fest sodann,
denn ich will es nicht riskieren,
auch nur einen weitren Mann
hier und heute zu verlieren."

Der König schreckte in der Nacht,

auf von einem lauten Klirren.

Er sprach „Hab ichs mir gedacht

oder sollte ich mich irren?

Ach die Hände meines Weibes

die nichts als nur Unfug trieben,

sind die einzigen…

die in meinem Schloss verblieben.”

und am Morgen war es klar,dass der König misslich fehlte…




Die Feenkönge wollte ich

länger schon in meiner Gewalt

wegen ihrer Macht


die Hände stehlen das Herz des Königs…


Hinter Bergen hinter Meeren,

irgendwo auf dieser Welt…


die Königin geht in das Haus des Flötenspielers und lebt bei ihm…

„ich bin vor dem Teufel fortgerannt“

und steigt in einen Brunnen hinab.

Der Engel kommt und gibt ihr das Herz

… die Hände sind wieder an ihrem Platz.



Sie ruft die Könige zu Hilfe:

der sturmwind lachte schauerlich
es ist sehr bedauerlich
unser bruder ist zwar tüchtig
doch er ist auch eifersüchtig.

nimm dieses Krüglein und darin
soll immer klares Wasser sein
nimm dieses Scheitlein und daran
soll immer eine Flamme sein
nimm dieses Säcklein und darin
soll immer etwas Essen sein

Dass die Hölle zugefriert?


Und die Moral am End ist:
Wenn dir die Hände genommen,
dann braucht es einen Engel,
um sie wieder zurück zu bekommen.

Donnerstag, 31. Oktober 2024

Das Mädchen ohne Hände Teil 2 (Grimm/Schleich)

Es war ein schöner, kühler Tag,
der Himmel klar und heiter.
Den Pinsel schwang mit rotem Lack
der Herbst auf seiner Leiter.
Gänse zogen mit den Wolken
langsam durch das satte Blau
und dem jungen Mädchen folgten
kleine Spuren durch den Tau.

“Es liefen zwei kleine Hände,
die ihrer Herrin so hold,
sie liefen durch manches Ländle
und brachten ihr Segen und Gold.”
Sie sprang und sang von ihrem Glück
und konnt es kaum erwarten
und wanderte ein gutes Stück
zu einem großen Garten.

Dort hingen nachts im Mondenschein
des Herbstes reiche Gaben.
Den Garten schlossen Gitter ein
und ringsum lag ein Graben.
Saftig süße Früchte zogen
Wandrer an mit ihrem Duft.

Und über schweren Ästen flogen
kleine Feen in der Luft.
Das Mädchen spürte großen Hunger,
dachte 'wär ich nur darin!'
Sie betete zu Gott im Kummer
und sank zu ihren Füßen hin.

Da schritt ein Schimmer durch das Dunkel,
ein Raunen ging durchs kleine Volk.
Ein Engel schwebte im Gefunkel
der Sterne und mit ernstem Stolz
zog er nun an Tor und Schleuse,
das Wasser gab den Eingang frei.

Es rief die Maid vor lauter Freude
und erhob sich nebenbei:
„Du Engel bist schön, schön und hell
leuchtend am andern Gestade.
von meinen Träumen bist du wohl
der mit Flügeln gerade.“

Nun ging sie in den Obsthain,
der Engel ging mit ihr.
Sie lief hin zu den Birnlein,
die waren nummeriert.
Jede Birne ward gezählt,
auf täglich gleiche Weise.
Denn sie waren auf der Welt
des Königs liebste Speise.

Sie trat hinzu und aß die Birne,
die vor ihrem Munde hing
und hinter ihr verzog die Stirne
der Gärtner, dem das nahe ging.
Er hatte Angst und dachte schon 
die Kleine sei ein echter Geist,
der in himmlischer Mission
in Gegenwart von Engeln reist.
Er schlug sich seitwärts ins Gebüsch
und das Mädchen ebenfalls.
Beide beteten für sich
zum Geber dieses Abendmahls.

Es kam der König anderntags,
um nach dem Obst zu schauen,
denn er konnte, wie gesagt,
nicht so recht vertrauen.
Er zählte und er sah sodann,
daß eine Birne fehlte
und fragte "Heda Gärtnersmann,
wo ist der Birnen zwölfte?"
Der Gärtner sprach: "Die letzte Nacht
kam ein Geist herein
der hatte keine Hände, ach,
und mit dem Mund allein,
aß er eine Birne ab!"
"Wie kam er über den Kanal?"

„Es kam ein Engel noch herab
und der schloss dann auf jeden Fall
die Schleuse und der Geist war drin.
Und des graus‘gen Engels wegen
kam ich auch nicht mehr dahin,
zu fragen oder einzugreifen.“

Der König sprach: „Oh, welche Pfeifen
habe ich nur eingestellt!
Komm, ich will mich auch verstecken,
du furchtsamer Pantoffelheld!
Wir warten hinter diesen Hecken,
wies als Jäger sich empfiehlt,
um den frechen Geist zu fangen,
der mir meine Birnen stiehlt." 

Um Mitternacht dann kam die Maid
hungrig hin zum Baum geschlichen,
streckte sich und hat vom Zweig
eine Birne abgebissen.
Der König flog, nach Feenart,
dem Mädchen mutig vors Gesicht
und er sprach: "Bei meinem Bart,
hab ich dich, du Bösewicht!
Bist du ein Mensch oder ein Geist?
Komm, spuck's aus und sei nicht scheu,
Es gibt Ärger, wenn du kneifst,
Ich schwöre es, bei meiner Treu!"

Sie gab zurück: "Ich bin kein Geist,
sondern nur ein armer Mensch.
Ich bin hungrig, dass du's weißt
und kein dummes Nachtgespenst.
Alle haben mich verlassen,
nur der liebe Gott noch nicht.

Wird die Strafe mir erlassen,
oder muß ich vor Gericht?"
„Bist du auf der Welt allein
und arm wie eine Kirchenmaus,
sollst du’s fürder nicht mehr sein.
Ich nehm dich mit zu mir nach Haus!“

„Ich bin groß und du bist klein,
ehrenwerter Feenfürst.
Wie pass ich in dein Häuslein rein?“
„Wie du gleich erleben wirst,
haben wir die schöne Gabe
der metamorphen Zauberei.

Wenn ich dich verkleinert habe,
stehn dir hundert Zimmer frei.“
Er mochte sie, das konnt` sie spüren,
der König gab ihr Silberhände,
um sie in sein Heim zu führen.
Alles nahm ein gutes Ende. 

Ein Jahr oder Jahre später
oder eine Spatzenfeder … später:

Am Tag der Hochzeit wimmelten
kleine Wichte durch die Nesseln
und süße Dämpfe kringelten
aus Töpfen und aus Kupferkesseln.
Aus Blumen und aus Spinnwebspitzen
ward das Tischtuch vorbereitet,
und auf breiten, flachen Pilzen
mit viel Sorgfalt ausgebreitet.
Kleine Musikanten schlugen
auf die blauen Blütenglocken
und auch freche Tröten trugen
bei zu Jauchzen und Frohlocken.

Viele tausend Glühwurmlichter
brachten feierlichen Schein
viele hundert Wichtgesichter
trafen sich zum Stelldichein.
Die Herrscher der vier Feenstämme
Erde, Himmel, Wasser, Feuer,
fuhren vor zum Festgeschlemme
in Karossen schmuck und teuer.

Des Erdenkönigs Kutsche ward
gezogen von sechs braunen Wieseln.
Dem Kutscher hing der grüne Bart
hinunter bis zu seinen Stiefeln.
Der Meereskönig glitt heran
in einem gelben Bernsteinwagen,
samt roten Krabben als Gespann
und mit blaubefrackten Pagen.

Aus dünnen Spalten in der Erde
züngelten nun Irrlichtflammen.
Schwarze Salamanderpferde,
mit orange gefleckten Wangen
zogen die Rubinkalesche
des Feuerkönigs in die Runde
und dabei war seine fesche
Lockenpracht in aller Munde.

Die Kometengondel trug
ein mächtger Falke in den Klauen.
und heraus sah stolz und klug
der Liebling aller Wichtelfrauen.
Der Luftikus, Herr König Sturm,
die Vier des Elementenreigens
flog in Silberuniform
zum Mittelpunkt des Hochzeitstreibens.

Der Erdenkönig sprach “Mit Küssen,
grüß ich euch in meinem Garten!
Doch geduldet euch, wir müssen
kurz auf meine Gattin warten.“
Das Mädchen kam im weißen Kleid,
mit spiegelblanken Silberhänden.
Von den Gästen konnt vor Neid
keiner seinen Blick abwenden.

„Komm mit mir!“, so rief der eine,
und du wirst ein Kind der See.”
Der zweite sagte: „Sei die meine!“
Auf den Wolken, weiß wie Schnee.“
„Nein, sei meine Feuersbraut,
Du hast rechtes Temprament!”
sprach der dritte und er staunte
“Himmelherrgottsakrament!”

Der Erdenkönig hob darüber
mürrisch seine Augenbrauen,
sprach: "Auf eure Treue, Brüder,
kann ich wahre Schlösser bauen!"
An diesem Punkt, der sehr pikant
oder doch zumindest heikel
kam der Gärtner angerannt,
wie ein angesengter Teufel,
warf sich hin und stiess hervor
„Diese sonderbaren Spinnen
fand ich drinnen, nah am Tor!“

Und dann, ohne langes Sinnen
sprangen aus dem Korb, dem seinen
zwei flinke Hände und spazierten,
untermalt von spitzen Schreien,
die die Ohren strapazierten,
zum Mädchen, das vor Freude jauchzte:
"Kommt zu mir, oh meine Schätzchen!"
und dann etwas leiser hauchte:
"Hopp, an eure rechten Plätzchen!"

Von fern her klang nun, weinend, klagend,
eine Flötenmelodie,
Drang und Sehnsucht mit sich tragend
nach Verzeih'n und Harmonie.
Die Händchen hielten zögernd inne
und begannen sich dann wiegend,
wie das Gras im Abendwinde,
an die Melodie zu schmiegen.

Und die Flöte sie klang so hell,
langsam und manchmal schnell
und sie verführte zum Tanz.
Ja, und die Wichte sie drehten sich
fühlten sich glückselig,
hielten sich fest an der Hand.
Und sie vergaßen all ihren Streit,
Wünsche und Herzeleid
und so geschahs, dass vom Fest
nach einem ganzen Jahr
noch großes Reden war,
wenn man sich darauf verlässt. 

Montag, 16. September 2024

Die Woge - Spiegelbilder

Harmonie und Vollkommenheit
blühen im Augenblick.
Im schmalen Grat
zwischen gestern und morgen.
Auf dem Kamm der Woge
reitest Du durch Täler.
Immer auf dem Weg
und doch schon angekommen.
Wo ist die Woge?

Was Du beobachtest,
ist nur für Dich.
Es rinnt durch die Finger
und war doch da.
Erinnere Dich
an den Augenblick.
Dann blicke durch
Deine Augen.
Vielleicht zum ersten Mal.

..........

Der eine Blick
durchs Kaleidoskop
findet nicht vorhandene Muster.
Sterne und Herzen:
Das Muster ist Ursache
der Täuschung.
Muster übereinander gelegt,
ergeben Überlagerungen,
Wege im Wirrwar.

Diese Wege sind stabiler
als die Muster.
Sie entstehen aus der Vielfalt.
Sie ergeben sich dem Beobachter
mit der Zeit.
Sie entstehen im Beobachter
mit der Zeit.
Der Blick hinaus
ist ein Blick hinein.

Freitag, 9. August 2024

Der Namenwal - Der Plattschwanz - Die Miesmuschel

Ein zahnloser Zahnwal im arktischen Meer
sann hungrig der beissfreud'gen Zeit hinterher
Vor seinem einst Furcht einflössenden Rachen
bogen sich nun die Robben vor Lachen!
Um keinen weiteren Spott zu erleben,
hat er sich als Zweitewal ausgegeben.
Und schlürft' dann aus kleinen, weichen, 
Seegurkentieren ein Breichen.

....................

 
Der Plattschwanz schwebt als Schleier,
durch die See im Süden.
Und er legt seine Eier
in Grotten tief hinieden.
Die Zebraschlange ist des nachts
der kleinen Fische Tod.
Und knäult am Tag sich selig ein
bis hin zum Abendrot.
Nur eines wurmet das Reptil,
der Meerestiere Lügen
Ein Seepferd sei, beim Discofox
ihm auf den Schwanz gestiegen. 

 .................... 


Was ist der miesen Muschel mies
so über allem Maße.
Sitzt dicht wie Moos am Kielesrand,
als blinder Schiffsansasse.
Die Wohnung, die fährt Tag für Tag
12 Knoten in der Stunde.
Und wird das alte Öl verklappt,
wirds ihr ganz schal im Munde.