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Donnerstag, 1. August 2024

Albtraum#1 / Albtraum #2 / Albtraum #3

Auf dem Brett serviert,
blass und frisch seziert,
Eiskalte Gefühle.
Und die Reste in die Spüle.

Ich hab nachts beim Regen,
lange wach gelegen,
in die Finsternis geschaut.
Mir war kalt in meiner Haut.

Dann lief ich im Traum
durch einen dunklen Raum
auf der Suche nach dem Licht
oder einer Tür.
Doch es gab dafür
nur mein Ich ohne Gesicht.

......

Ich fahr in einem Auto,
der Mörder sitzt bei mir.
Hinter uns die Polizei,
etwa nachts um vier.

In Säcken auf der Rücksitzbank,
da liegen Frau und Kind
Der Mörder hält den Colt solang
wir in Bewegung sind.

Dann halten wir und ich sag stur
„Die Polizei kommt gleich.“
Er sagt: „Ich werf den Ballast nur
dort hinten in den Teich.“

Im See, da ist das Wasser klar
und beide sinken schnell
ich stehe ganz verzweifelt da
und langsam wird es hell.

Die Polizisten sind zwei Frauen,
und eine springt ins Nass.
Die andere macht mich los vom Baum
und setzt mich dann ins Gras.

Die Kollegin kommt zurück:
„Die Frau hat’s überwunden.
Mit dem Kind hatt ich kein Glück.
Das hab ich nicht gefunden.“

…..

Ich geh an einem Haus vorbei
auf einem weißen Weg.
oder ist es doch ein Schloss,
und denk mir nichts dabei,
als mich ein grauer Mann
begrüßt, der keine Schatten wirft,
und mich danach sogleich umarmt
und mich am Halse würgt.

Die Luft wird knapp, der Rücken krampft
und davon werd ich wach
und eine Stimme sagt mir sanft,
„Du weißt, wer das gemacht!“
„Ich weiß es wohl und weil ich’s weiß,
kommt er gewiss nicht wieder!“
sage ich und bete leis
und leg mich nochmals nieder.

Sonntag, 21. Juli 2024

Zwei-Seiten-Torheit

Da lese ich die zwei Seiten der Geschichte und denke mir hmm, hmm. Gibt es ein Falsch und ein Richtig? Hmmm, hmm und dann nicke und lächle ich. Wie doch alles ineinandergreift. Papier und Fleisch und Eisen und Stein und Holz (beispielhaft). Liebe böse Freunde, ihr grausamen Kinder! Man kann hinsehen und lächeln, dabei kurz aufstossen oder wegsehen aus dem Fenster, auf die alten Leute mit ihren Hunden. Ich lasse täglich bestimmt mehrere Menschen verhungern, irgendwo, bestimmt denn ich zahle keine Spenden. Aber ich kümmere mich auch um jemanden (bin also nicht wirklich böse). Ich weiss Bescheid. Bescheid wissen kann aber jeder. Weiss auch jeder. Ich würde sogar gern glauben, wenn das nicht so lächerlich schiene. I want to believe. Ich bin auch gebildet, ja, was machen mit der Bildung? Bildung macht doch schwindelig. Schwindelig vor Ohnmacht. So kurz zum greifen nah ist (siehe Nichtabbildung Seifenblase). So klar, so kurz davor. Nur ankommen geht nicht (leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass). Ich werde immer schneller, ja produktiv, wenn ichs bedenke (und wehe jemand sagt was anderes). "Platz" (siehe Nichtabbildung Seifenblase). Koffeinträume das alles, rhytmisches Pochen der Schläfen, Zucken der Finger. Zerrinnt in Zahlenkolonnen. Ist nicht vergleichbar, nur ähnlich. Papierausscheidung. Ich sollte Papier essen und mein Essen verschenken. Gib meinem Leben einen Sinn, sage ich. Die weisse Masse sucht in der grauen Masse, dann zuckt (siehe Nichtabbildung Abbildung) und sagt:
'Das wars Solo, man kann doch nicht ewig warten, es kommt da nichts mehr. Nur du gehst. Das sagen wir dir. Du sitzt in einem Treibhaus.'
'Das weiss ich doch,' antworte ich, 'die alten Leute draussen haben Pelze und die Hunde auch, das seh ich doch.'
'Dann geh doch raus!'
'Woraus?', frage ich.
'Kauf dir einen Hund.'
'Ach, das ist es?'
'JA. Der Hund führt dich.'

Fraktale Dekonstruktion

Heute geht es weiter in den Kaninchenbau, oh Freunde. Menschliche Gedanken an sich sind fraktaler Natur. Sie sind selbstähnlich, unendlich und man jagt ihnen hinterher bis hin zur Vergrösserung der Vergrösserung der Vergrösserung (einer Kopie einer Kopie). Wer je Fraktalprogramme benutzt hat, weiss, was ich meine. Der Verstand kennt keine Atome, ist nicht auf die Abzählbarkeit der physischen Welt angewiesen (schliesslich konnte er ja nichts davon wissen). Ist man gefangen im Fraktal, nützt es nichts, "auf der Schulter von Giganten" zu stehen, Grösse spielt da eine relative Rolle. Aber man muss den Mut haben, stehen zu bleiben und hinabzuschauen, ja schwieriger noch hinauf, denn jede Ebene ist recht und gut, wenn man erkennen will, dass man in keine Richtung entrinnen kann, solange man sich nach den Gesetzen des irren Gartens bewegt. Und wie kommt man aus einem Irrgarten heraus? Richtig, man muss Löcher durch die Hecken schneiden. Ein Fraktal hat eine gebrochene Dimension, ist etwas knäuel-, schwamm- oder ornamentartiges. Es versucht, eine bestimmte Fläche oder Raum auszufüllen. Dieser Raum kann, Ebene für Ebene, grobschlächtig mit Pfählen abgesteckt werden. So machen es die formalistischen Optimisten. Und so macht es die atomare "Realität". Ob in dieser Approximation Wahrheit liegt, ist irrelevant, denn die Wahrheit ist möglicherweise genau jener seltsame Attraktor, dem es zu entkommen gilt. Mit diesen Pfählen nun haben sie Koordinaten und Abstände und können schauen, wie gross ihr Gigant wirklich ist. 

Samstag, 20. Juli 2024

Weckruf eines Erstarrten (Rico's Edit)

Folgend eine Umdichtung bzw. eine Variation des gleichnamigen Gedichtes von Volker Grieß aus seinem Buch "Gezeiten der Wandlung: Gedichte für Menschen auf Wegen der Initiation". Er möge mir den Eingriff verzeihen. Wenn ihr auf das das Original gespannt seit, könnt ihr dem Link folgen und sein Buch erwerben. Es lohnt sich! Dem Stoiker sei auch das Gedicht "Die heitere Schildkröte" empfohlen. Ihr findet es in diesem Gedichtband auf Seite 28. Aber nun zum "Weckruf":


Wir, die aus den Wochenkrippen
zu Walen wuchsen, die nicht schwimmen:
Sind wir bereit, die scharfen Klippen,
des Schmerzes bis zur See zu klimmen?

Es schimmerte des Meeres Busen
von weit her, als wir schwach und klein.
Als könnte nicht auf unser Rufen
das Leben und das Werden sein.

Wir sind, wenn Liebe sich entfaltet,
wie eingefror'n im stillem Schrei.
Die Schönheit öffnet sich, uns spaltet
es im Innern tief entzwei.

Bleib jetzt Bruder, bleib jetzt Schwester!
Komm sei mutig, lass dich ein!
Welch ein Wunder wäre es,
im Wasser und ein Wal zu sein.


Die Lehren des E. A. Poe

 Physikalisch richtig und doch phänomenal übertrieben schilderte Edgar Allan Poe bereits 1841 die Abdrift schnöder Holzboote und Fässer in den Gezeitenstrom zwischen den Lofoteninseln. Aber genau so wie der Held fährt auch die Seele zum Grund. Sie klammert sich an ein Holzfass und hofft nicht zu ertrinken. Die grimmigen Seeleute, die, taub und blind ob der Gefahr, schweigend ihre Arbeit verrichten, sind, was ihr von den Menschen zufällt. Mit ihnen zu sprechen ist Verzweiflung. Und dann ist da noch das Haus Usher, ein marodes Schloss auf sumpfigem Grunde, bewohnt von kranken und geisteskranken Adeligen. Ein Hort zwielichtiger Erscheinungen und Geräusche, der mit dem ihm innewohnenden Sterben noch vor Anbruch des Tages versinkt, allein der Gast kann fliehen. Das sind die inneren Landschaften, wer nur Gast ist, wer weglaufen kann, der berichte. "Nur eine Schauermär, Schauermär..." "Nein, es ist alles wahr!"

Einen unbefangenen Augenblick lang könntest du eine andere Welt entdecken, ganz ohne zu träumen, aber ins Träumen geraten. Während du im Internet bist, sitzt du in Wahrheit zwischen zwei Spiegeln. Jeden Tag, den du die Aussenwelt vergisst, rutschst du eine Reflektion weiter in den Hintergrund, immerfort, bis es dich irgendwann nicht mehr gibt. Und um so weiter du in den Hintergrund gerätst, desto mehr wehrst du dich, wirst noch zappeliger und ausgefallener, um aufzufallen und deine anderen Spiegelungen klatschen vielleicht ab und an Beifall.
Poe schrieb 1842 die Kurzgeschichte "Das ovale Portrait" in der eine junge Frau, während sie von ihrem Gatten detailversunken in ein Bild gemalt wird, langsam stirbt. Er hat damals nichts vom Internet gewusst, wohl aber etwas von Obsession und Sucht. Willkommen zwischen den Spiegeln. 

Mittwoch, 10. Juli 2024

You're safe until the fire starts

 

(Diesen Text habe ich aus meinem alten Blog "Froschtümpel" übernommen, Foto und Titel stammen von dieser Quelle.)

Szenerie Eins: Wieder sitze ich in einem Käfig, der ist in einem grossen, leeren Saal, Geräusche und bunter Nebel fliehen von irgendwo. Dann setzt sich eine Raucherin vor mich und erschüttert mich mit ihrem Nikotin-Nihilismus. Gar nichts sei als man selbst, und das könne man alles ändern. Es gäbe das Feste ERST nach der Beule. Sie gibt mir ihre Zigarette für das Schloss. Es gäbe auch keinen Nutzen, keinen Sinn, nur Emotionen. Tu was du willst. Weg mit mir, mit dir, keine Bilder mehr jetzt. Sei ein wildes Tier. Der Käfig brennt.

Szenerie Zwei: Ich hab es geschafft, die Feder ist überspannt und gebrochen. Nutzlos klimpert sie im Abwärtsgang. Auf schiefer Ebene fahre ich hinab mit schwerer Fuhre. Der Motor bremst und läuft heiss. Metallischer Geruch drückt die Brust. Funken blitzen, die Hülle zerfällt, die Räder springen, hulahopp, hopp, hopp. Alte Tonbänder spielen, eine Puppe weint im Rauch. Ich bin wach, hellwach, das Wasser ist kalt, die Optik kristallklar, Wale singen mir ein Schlaflied. Doch ich kann nicht schlafen, ich muss noch weit gehen. Mit einer Fussfessel, an der Kette, an der Kugel.

Szenerie Drei: An einem Bootssteg am Fluss halte ich an, knie nieder und tauche einen Finger in den Strom. Das Wasser weicht meinem Finger, umfliesst ihn. Die Trennung ist schmerzlich, ich werde traurig. Warum berührt das Wasser mein Innerstes nicht? Gedanken wandern... Weil keine Öffnung dem Element Einlass gewährt? Von dieser Idee freudeerfüllt schöpfe ich beide Hände voll und will schon trinken. Plötzliches Grauen erfüllt mich. Was, wenn Gift darinnen wäre?

Szenerie Vier: Eine weisse Ebene. Ich fühle mich einsam. Ich sehne mich nach meinem Käfig, während sich unter mir schon alles in Falten zieht. Das ist die Ziehharmonika des Lebens (mal ist es lang, mal ist es kurz). Eine laute Melodie. Auf einer wuchtigen Bassnote fliege ich davon. 

Freitag, 7. Juni 2024

Die Handlung, die Wandlung

Die trotzige Behauptung: das Handeln offenbare den Charakter. Was ist nun ein Charakter? Ist es ein Unterschied, ob man liebevoll zubereitete Moral, die man dankenswerterweise kindgerecht aufgegessen hat, in sich fühlt oder sich Moral als Erwachsener aneignen muss? Die Moral als Muttersprache. Das Moralgebäude ist mit vielfachen logischen Fallstricken bespannt.

Vom "Das macht man eben so." bis zum "Deshalb macht man das so." ist es beim Lernen der Syntax ein Weg. Dazwischen kommt "Ist das wirklich gut für den anderen und für mich? Warum? Warum tut es dann weh? Wieso darf ich nicht verdrängen? Werde ich manipuliert? Ist Manipulation schlecht?" Beim nüchternen und schonungslosen Durchdenken prallt man grauenhafterweise gegen unangenehmen Egoismus, Feigheit und auch schwarze Monster, die vorgeben, die Realität zu sein.

Das heisst auf der einen Seite sind sie hübsch, nur auf der anderen schwarz und hässlich (wer hat das gesagt?) "Hoppla, Herr Monster!", entschuldigt man sich und verbeugt sich linkisch und zieht den steifen Zylinder gerade so, als solle etwas hineingeworfen werden. Besser, sie alle zu entlassen, die inneren Klassenkameraden? Ja, denn sie sind verdorben, edle Schimmel sind sie. Sie hinterlassen Leere.

Das fordert Mut vor sich selbst und ist so seltsam, dass man sich wiederum fragt: Warum? Wieso darf ich nicht Krüppel bleiben? Oder bin ich heil und werde zum Krüppel? Wo ist die Wahrheit? Wird mir mein Ich genommen oder wird mein Ich? Ist am anderen Ende des Ichs das Du, das Wir oder wieder nur ein Ich und welches? Gebe ich mir etwa selbst die Hand?

Aber ja doch, ich bin ja alle. Halt, ich darf nicht alle sein. Der Imperativ hat es mir verboten. Der innere. Da ist noch ein anderer. Die beiden kämpfen, ich bin das Schlachtfeld. Halt nochmals. Klingt das nicht passiv? Nein, denn ich lasse kämpfen. Ich habe sie beide bezahlt. Bald bin ich alle. Bald bin ich wie alle anderen. Die Synapsen werden mir aus den Ohren herauswachsen wie Tentakel und mich mit allen Wesen verbinden. Ich werde unsere Fehler verstehen.

Montag, 19. Februar 2024

Das Kernproblem

Ich möchte hier kurz über das Kernproblem vieler psychischer Probleme sprechen, wie es von Dr. Laurence Heller und Dami Charf erklärt wird.

Also das Kernproblem ist, dass sich Kinder beim Aufwachsen eventuell entscheiden müssen zwischen der Bindung an ihre Bezugsperson und ihrer eigenen Entwicklung. Das Kind wird sich dann immer für die Bindung entscheiden und seine eigene Entwicklung aufgeben. Dabei gibt es 5 Entwicklungsschritte, die gestört werden können: Bindungsfähigkeit (bonding), Einstimmung (attunement), Vertrauen (trust), Autonomie (autonomy) und Liebe/Sexualität.

Der Grund dafür ist, dass Kleinkinder Bindungsfehler ihrer Bezugsperson immer auf sich beziehen, da sie sich noch nicht in andere Personen hineinversetzen können. Sie suchen den Grund für eine Bindungsschwächung, -abbruch oder -missbrauch bei sich und werten sich deshalb selbst herab. Darüber hinaus wird jeder Schritt in Richtung erwachsen werden und jeder eigene Erfolg als Bedrohung der Bindung zur Bezugsperson empfunden, selbst dann noch, wenn man nicht mehr von der Bezugsperson abhängig ist.

Störungen in der ersten Stufe führen dazu, dass sich das Kind als nicht lebens-, liebens-, und bindungswert empfindet. Es hat Scham vor seiner eigenen Existenz, vor seinen Gefühlen und seinem Bedürfnis nach Bindung.  In der zweiten Stufe hat man Angst davor, seine Bedürfnisse zu kommunizieren, also um Hilfe zu bitten. Bei Störung des Vertrauensschritts hat das Kind Scham vor Abhängigkeit, Schwäche und Verletzlichkeit. Störung des Autonomiebestrebens führen zu Angst vor Selbstbestimmung, Autonomie und Unabhängigkeit. Störung der Liebesfähigkeit führen zu Angst vor Intimität und davor, sein "Herz an jemanden zu verschenken", bzw. seine intimen Gedanken mitzuteilen.

Die dementsprechenden Vermeidungs- oder Überlebensstrategien sind: Trennung und Distanzierung (disconnection); Überanpassung und Verschlossenheit; (falsche) Selbstständigkeit, Kontrolle und Stärke; Überanpassung oder übertriebene Autonomie; Perfekt sein wollen, rasch wechselnde, oberflächliche oder überhaupt keine Liebesbeziehungen eingehen.

Mit der Scham und Angst sind auch negative Emotionen und Gefühle verbunden, die eigentlich an die Bezugsperson addressiert sind, aber vom Kind gegen sich selbst gerichtet werden: Scham,Wut, Hass und Angst. Diese Autoaggressionen kommen immer dann zum Vorschein, wenn eine Situation auftritt, in der ein gestörter bzw. nicht erfolgter Entwicklungsschritt abgefragt wird, Bindung, Empathie, Vertrauen, Autonomie, Sexualität. Sie können sich als Depression, Selbstverletzung, Selbsthass oder psychosomatische Phänomene wie Schmerz oder Ohnmacht manifestieren. 

Strategien zur Kompensation gibt es viele. Suchtverhalten, die angesprochene Selbstverletzung, Selbstisolation, Projektion des Hasses auf andere Personen und Personengruppen, Kontrollverhalten sowie im schlimmsten Fall Weitergabe des Traumas an andere über psychischen und physischen Missbrauch.

Der Ausstieg aus diesem Dilemma gelingt laut Heller mit der sogenannten Selbstwirksamkeit, die zwischen dem Kind-Ich mit seinen Überlebensstrategien und dem Erwachsenen-Ich mit seinem größeren Verständnis, logischen Fähigkeiten und Kapazität zur gleichzeitigen Verarbeitung mehrerer Gefühle vermittelt. Dabei hilft, dass man mal schaut, wie die kindlichen Überlebensstrategien mit den erwachsenen Bedürfnissen konkurrieren. Mitzuerleben wie man vom Kind-Ich (Beklemmung) zum Erwachsenen-Ich (Erleichterung) wechselt und zurück. Und dass man lernt Gefühle/Empfindungen zu sortieren.

Ganz recht, erstmal wahrnehmen und dann eine passende Schublade suchen. Passt das Gefühl zu der aktuellen Wirklichkeit? Oder sortieren wir es in eine Vergangenheit? Und wie stehe ich zu den Emotionen und Gefühlen, wie bewerte ich sie selbst? Was wollen sie mir sagen, in welche Richtung möchten sie mich schieben? Welche Palette gibt es?

Gefühle sind manchmal Erinnerungen, die wir in die Zukunft projezieren (memories of the future past). Etwas wird passieren wie schon einmal erlebt, besser vermeiden? Nein, sortieren! Das ist Vergangenheit, jetzt sind wir erwachsen und jetzt sind wir viel stärker! Selbst wenns schief geht, das können wir ab! Soweit die Logik. Jetzt das Gefühl.

Hat man die Emotionen sortiert gilt es nun, sie auszuhalten und nicht gleich wieder wegzudrücken oder in Aktionen zu kanalisieren. Aushalten, abwarten, präsent bleiben. Das trainiert die Toleranz für Emotionen und Gefühle, besonders starke und gemischte Gefühle.

Ein letzter wichtiger Schritt ist echte Trauer. Trauer über das was man verloren hat und was nicht wiederkommt. Trauer über das, was man hätte haben sollen und nicht bekommen hat. Nur mit ehrlicher Trauer kann man abschließen.

Gerade höre ich den Podcast "Raus aus der Depression" mit Harald Schmidt und Ulrich Hegerl. Was man dort über Depression hört deckt sich wahrscheinlich nicht von ungefähr damit, was Dami Charf in "Auch alte Wunden können heilen" über die Dissoziation bzw. den Totstellreflex nach Kindheitstraumata schreibt. Auf Stress reagiert der Körper mit geistiger Distanzierung (Isolation, Angst), mit Herunterfahren der körperlichen Aktivität (Ruhebedürfnis), Appetitlosigkeit etc.

Ein Thema, dass ich hier noch nicht erwähnt habe ist die sogenannte Hypervigilanz oder erhöhte Wachsamkeit. Diese ist für alle Traumata typisch. Man scannt die Umgebung permanent nach Triggerfaktoren, also potentiellen Gefahren ab. Diese Tätigkeit ist ungemein stressig und frisst viel Energie. Man ist andauernd nervös und ängstlich, kann nicht abschalten, aber auch nicht produktiv tätig sein. Da man alles kontrollieren muss, kann man sich nicht mehr auf etwas Bestimmtes fokussieren. Dieser Zustand kann einer regelrechten Erstarrung oder Lähmung gleichen oder sich in nervösen Bewegungsmustern (Ticks wie Fußtippen) oder Kontrollzwängen äussern (etwa auf die Uhr schauen).
Man kann aus Ablenkung oder Nervosität eventuell nichts zu Ende bringen und ist sehr vergesslich.
Abends ist man dann total fertig, obwohl man nichts gemacht hat. Trotzdem kann man vielleicht nicht schlafen, weil man mit dem Schlaf ja die Kontrolle abgeben müsste. Die Wachsamkeit hält einen immer an der Grenze zu einer Notreaktion und Reize spezieller Art können Panik, Aggression (auch verbal) oder ein Abschalten provozieren. Das können Triggerreize sein, aber auch solche, die eine ungewohnte Empfindung hervorrufen.

Bei einem starken komplexen Kindheitstrauma entsteht eventuell nicht nur ein "Schattenkind", wie bei normalen Menschen, indem der emotionale Anteil unterdrückt wird, der mit den Eltern in Konflikt stand, es wird manchmal ein großer Teil oder sogar die gesamte emotionale Persönlichkeit (EP) abgespalten ("Splitting") und verschlossen, man nennt das "strukturierte Dissoziation". Man hat dann  möglicherweise fast keinen Zugang mehr zu seinen Gefühlen, was auch Alexithymie genannt wird. Hinzu kommt möglicherweise eine "komplexe posttraumatische Belastungsstörung". Das bisher beste Selbsthilfebuch zur K-PTBS, das mir empfohlen wurde ist "Posttraumatische Belastungsstörung, vom Überleben zum Leben" von Pete Walker.

Donnerstag, 14. Oktober 2021

Gestaltung des Geistes

Was für ein schöner Titel. Aber bauen wir jetzt auf dem Vorangegangenem auf. Wir definieren den Geist als die Gesamtmenge aller Vernünfte einer Person. Der Verstand wiederum war ja schon als Summe derjenigen Hirnfunktionen, die den Input auswerten und mit den ausgebildeten Vernünften verwerten, festgelegt. Der Verstand benutzt also den Geist und der Geist beeinflusst den Verstand. Es ist also von äußerster Wichtigkeit, dass wir den Geist richtig gestalten. Dann kann ihn der Verstand so benutzen, dass er mit seiner Umwelt vorteilhaft interagiert.

Für die Gestaltung hatten wir vier Wege ausgemacht, Addition, Subtraktion, Überlagerung und Transformation, wobei die Überlagerung durchaus Schnittmengen mit Addition und Transformation aufweist. Addition und Subtraktion können wir schnell abhaken, sie stellen Wissenszuwachs und Vergessen dar. Das gesammelte Wissen sollte miteinander harmonieren, sich ergänzen, aufeinander aufbauen, das Oberstübchen also geschmackvoll möbliert werden. Spielzeuge sollten auch nicht fehlen. Es gibt Leute, die sehr viel Spaß an ihrem Wissen haben, etwa Musiker und Künstler allgemein, Mathematiker oder Humoristen. 

Transformation, also die Verzerrung des Geistes kann man wohl durch Drogen oder Askese erreichen, aber auch durch starke negative oder positive Erlebnisse. Oft funktioniert danach der Verstand nicht mehr so richtig, weil die Werkzeuge des Geistes nicht mehr das richtige Ergebnis liefern. Wichtige Verzerrungen alltäglicher Art sind positive oder negative Glaubenssätze, wie unten noch beschrieben. Diese haben einen starken Einfluss auf den Verstand.

Am interessantesten ist tatsächlich die Überlagerung. Man kann Geister mit ihren Vernünften aufeinander abbilden, vergleichen und sogar angleichen (Vorbild). Nach dem Vergleich kann man aber eventuell auch missliebiges erkennen. Besonders interessant ist es sicher, Geister mit völlig verschiedenen Vernünften abzugleichen oder anzugleichen, wie es etwa manche Schauspieler tun.

Die Brille des Geistes, durch die der Verstand die Umwelt selektiv wahrnimmt, ist eine weitere Form der Überlagerung. Und auch sie gestaltet durch Rückkopplung den Geist.

Der erste Schritt zur Geistesgestaltung ist die Inventur des Geistes oder im Spielejargon: des Charakters. Wer hat dir welche Fähigkeiten (Vernünfte) gegeben? Die ganze Familie wird abgegrast, die Freunde, die Lehrer, die Vorgesetzten, die Bekannten und ihre Hinterlassenschaften in deinem Gehirn. 

Dann kann man das schädliche Zeug aussortieren. Am schwierigsten ist dies bei tief verankerten Kindheitserfahrungen. Dort muss man mit elterlichen Strategien arbeiten, die mit kindlichen Grundbedürfnissen konkurrierten und so kindliche Vernünfte erzeugten. Bei Kindern heißen die fundamentalen (Ordnungs-) Wahrnehmungen Glaubenssätze. Aus Ihnen entstehen die ersten Vernünfte, die zur Verstärkung, Abschwächung oder Umkehrung des Glaubenssatzes dienen sollen.

Wen das näher interessiert, der kann Stefanie Stahls „Das Kind in dir muss Heimat finden“ lesen. Glaubenssätze formen durch ihre resultierenden Vernünfte den ersten und meist unbewussten Geist eines jeden Menschen und dieser kann auch schon in einem Mindset kanonisiert sein, wenn die Glaubenssätze in eine Richtung deuten. Man kann diesen kindlichen Geist gern in mehrere Entitäten unterteilen, etwa Schattenkind und Sonnenkind.

Ist man den Kinderjahren entwachsen, kann man seinen Charakter entweder nach Vorbildern oder frei weiterentwickeln. Was kann ich gut, was  macht mir Spaß, was passt noch dazu? Was ist cool? Dabei gibt es auch einige Fähigkeiten, die man ablehnen sollte, auch wenn man Talent dafür hat, zum Beispiel kriminelle oder selbstzerstörerische Fähigkeiten wie Schlösser knacken und Trinkfestigkeit.

Ganz wichtig für die Gestaltung ist die sogenannte kognitive Dissonanz, also die Differenz zwischen Wunsch und Realität (die Randbedingungen), die Differenz zwischen eigenen Wünschen und den Wünschen anderer (ebenfalls Randbedingungen). Das eigene Ego entspricht vielleicht nicht dem was man als Realität wahrnimmt oder es entspricht nicht den Wünschen der Gesellschaft oder des Partners. Kognitive Dissonanz ist immer die Gelegenheit etwas loszulassen, etwas dazuzugewinnen oder aber auch etwas zu zerstören.

Die mächtigsten Worte bei der Gestaltung des Geistes sind übrigens nicht: "Ich denke (so), also bin ich (so)!", sondern "Ich bin (so), also handle ich (so)!". Ausgehend von einem Wunsch muss man entsprechend tätig werden, um den Wunsch zu erreichen. Wunschdenken ist nicht magnetisch, sondern ein fundamentaler Ausgangs- und Ausrichtungspunkt der Selbstdefinition und des folgerichtigen Handelns. Dabei muss man meistens den Weg von Anfang her gehen und kann nur selten irgendwo in die Mitte reinspringen.

Will man zum Beispiel mit dem Rauchen aufhören, lautet der Satz "Ich bin Nichtraucher, also rauche ich nicht."

Bei der Behandlung von Depressionen ist ja ein zentraler Satz, "Meine Gedanken sind nicht ich". Dem möchte ich widersprechen. Sie sind Ich, aber mittels kognitiver Dissonanz kann man sie als fremd erklären und damit verabschieden. Ebenfalls widersprechen möchte ich der Meinung, dass man negative Zwangsgedanken nicht unterdrücken soll. Das kann aber ein sehr probates Mittel (emotional thought stopping), mit dem diese Gedanken nicht etwa priorisiert, sondern ganz im Gegenteil herabgewertet werden, bis sie manchmal verschwinden. Vielleicht ist es wichtig, dabei zu unterscheiden zwischen Problemen, die gelöst werden müssen und solchen, die gar keine Lösung (mehr) haben.

Eine literarische Verarbeitung des Themas findet man bei Dan Sugralinovs "Next Level"- Trilogie.

Mittwoch, 4. August 2021

Vom Vorteil, verrückt zu werden

Es gibt keine Gebrauchsanweisung für diesen Text. Betrachtet
man das Leben nüchtern und normal, gibt es eigentlich, nachdem man
in die vertragsverpflichtete Generation über 30 eingetreten ist, keinen
vernünftigen Grund mehr, ein Ego zu besitzen. Behält man es, wird es
doch zerrieben zwischen Partner, Kind und Job. Vielleicht auf dem Abort
kann man es ab und zu benutzen. Oder man lässt es ganz, ganz
einfach los und ist eben für die anderen da, als Zahnrad, als
Sandwich, als Sorgenonkel. Das ist die eine Art, davonzukommen.

Vielen gelingt das problemlos. Die, die ihr Ego mögen und festhalten,
werden Egomanen, Zyniker, Trinker, depressiv oder aber verrückt. Am besten,
man wird verrückt. Ganz im positiven Sinne! In diesem Falle ist der
Weg wirklich mal das Ziel, an das auch viele andere Wege führen,
manche sogar in die Irre. Verrückte Menschen werden für ihre
Unberechenbarkeit geschätzt, jaja. Sie sind nie allein, denn sie haben
einen ganzen Zoo im Kopf. Es gibt keine Langeweile mehr. Sie
gelten als kreativ, hüstel, usw. Ist natürlich ein schmaler Grat. Also
wie wird man verrückt: Erstmal stellen Sie sich selbst in Frage, dass
sowieso. Damit beginnt dann eine ganz große Scheiße. 

Wenn sie die geistig überleben, fangen Sie an, ihre Welt frei zu gestalten, in
Gedanken. Und zwar ganz frei. Stellen Sie sich vor, wie klein der
Unterschied ist zwischen dazwischen und inzwischen. Na bitte.
Lachen Sie dann mindestens einmal pro Tag laut und hysterisch
wie ein verrückter Wissenschaftler eben. Lesen Sie vor allem
populärwissenschaftliche Bücher über Quantentheorie, daneben
deutsche Philosophen, Ufo-Esoterik und Schlumpfcomics. 

Dann können sie auch schon damit anfangen, Unsinn zu machen und auch
andere dazu anzustiften. Erzählen Sie etwa allen, dass Schaden klug
macht und wie sie sich so schon einen sagenhaften IQ erarbeitet
haben. Dekorieren sie Essen und Essensreste ganz nach Gutdünken
zu Konzeptkunst und verlangen sie vom Ober Geld dafür (Sie können
wahlweise auch an rituellen Essenschlachten teilnehmen wie die mit
den Tomaten). Dann malen sie surrealistische Bilder, schreiben
unsinnige Gedichte und legen sich einen oder zwei unsichtbare
Freunde zu. 

Benutzen sie auch ihre Mitmenschen als Schauspieler
oder Dekoration in ihrem freien Theaterstück. Stellen Sie sich dann
vor, dieses Theaterstück wäre keins, sondern ihr Leben sei so.
Herzlichen Glückwunsch. Sie sind frei und haben ihr Ego behalten.
Und niemand will es mehr von Ihnen haben, stattdessen wird man
anstehen, um seine Früchte zu haben, wenn Sie es gut anstellen.

Dienstag, 21. April 2020

Was ist eigentlich Vernunft ?

Beim Schauen der Diskussion zwischen Herrn Friedman und Herrn Grün schien es mir, als stünde eine logische Definition des Begriffes "Vernunft" im Raum, aber 45 Minuten sind eben zu kurz für sowas. Hier also nun mein Senf dazu, der sich ziemlich nah an Immanuel Kant orientiert.

Meiner Meinung nach ist ja Gott ein Axiom, zu dessen Verehrung die Regeln der Religion Stück für Stück postuliert und mit moralischen Logiken verknüpft wurden. Kant meinte übrigens, Gott wäre ein Postulat der moralischen und sittlichen Vernunft. Was ist nun aber Vernunft?

Vernunft ist ein Konstrukt aus Wunsch oder Wille (Axiom), Regel (Postulat) und Begründung (Logik) in Einzahl oder Mehrzahl. Aus einem vielleicht sogar emotionalen Wunsch heraus werden Regeln postuliert, die dafür sorgen, dass der Wunsch respektiert und erfüllt wird. Diese Regeln werden mit rationaler oder irrationaler Begründungslogik verknüpft, meist sogar mit einer Mischung aus beiden. Diese Logiken können auf individuellen oder kollektiven Erfahrungen beruhen (Wetter), aber auch erfunden sein.

Wie im oben genannten Gespräch schon anklang, gibt es eine individuell praktikable Vernunft, die auf Eigennutz fußt und eine kollektive Vernunft, in der die Standpunkte Vieler gemittelt oder normiert sind. Eine weitere Kategorisierung der Vernunft könnte in geistiger und materieller Vernunft bestehen.

Eine kollektive Vernunft wäre zum Beispiel das juristische Gesetzeswerk, die Religion, aber auch die Moral (Sittlichkeit), handwerkliche Verfahren, Demokratie oder Stilformen und Spiele aller Art. Eine individuelle Vernunft wäre zum Beispiel eine Berufswahl (Berufung), Partnerwahl, ja Auswahlprozesse jeglicher Art, aber auch Selbstbilder, Ideale und Rituale.

Natürlich können individuelle und kollektive Vernünfte kollidieren, ja verschiedene Vernünfte an sich kollidieren oft. Dann muss sprachlich oder auch körperlich argumentiert werden, überzeugt oder verführt. Die Regeln werden dadurch neu ausgehandelt, die Vernünfte adaptiert. Die Vernunft ist also auch der Evolution unterworfen.

Im Gegensatz zum Verstand, der eine Gehirnfunktion ist, ist die Vernunft ein Prozess des Verstandes, der emotionale und rationale Sachverhalte in Einklang (Ordnung) bringt und dafür sorgt, dass materielle und geistige Dinge eine bestimmte angestrebte Ordnung einnehmen. Damit ist eine Vernunft ein Ordnungsprozess. Vernünfte sind im Gedächtnis gespeichert.

Ähnlich schwammig wie der Begriff "Vernunft" erscheint der Begriff "Welt". Aber so wie die Vernunft ein Ordnungsprozess des Verstandes ist, ist die Welt ein Wahrnehmungsprozess der Ordnung. Indem der Verstand eine Vernunft wahrnimmt, erkennt er eine Welt. Um den Kreis nun zu schließen, ist auch das Axiom, der Wunsch nach einer bestimmten Ordnung, die Wahrnehmung einer zukünftigen Ordnung, eine zukünftige Welt. Am schönsten zeigt sich die Verwandtschaft von Welt und Vernunft im Wort Weltbild. Ein Weltbild ist eine kanonisierte Vernunft, ein Ordnungsprozess. Da Ordnungsprozesse auch als Ordnung wahrgenommen werden können, ist die Wahrnehmung eines Weltbildes eine Welt.

Auch mit dem Wort "Sinn" (der Sinn des Ganzen etc.) können wir gleich hier aufräumen, er ist nämlich synonym mit dem Wort Vernunft.

Nun könnte es einem die Idee kommen, dass auch Welt und Vernunft dasselbe seien, schließlich ist die Wahrnehmung von Ordnung mit dem Schaffen von Ordnung im Verstand innig verknüpft. So innig, dass man dieser Einheit einen neuen Namen geben sollte. John Locke hat es "Reflexion" genannt. 

Dass Welt und Vernunft so nahe beieinander liegen, hat den Menschen zum Irrtum verleitet, hinter der natürlichen Ordnung läge eine außermenschliche Vernunft. Natürliche Dinge haben ihre Eigenschaften, die ihr Verhalten bestimmen. Die Ordnung der Eigenschaften und des Verhaltens ist natürlich, die Erkenntnis derselben aber menschlich und die begründende Logik dazu erst recht. Die Natur ist also geordnet durch ihre Eigenschaften, aber nicht vernünftig. Die Welt als vom Mensch wahrgenommen Ordnung trägt hingegen bereits den Stempel der menschlichen Erkenntnis, die begründende Logik den der menschlichen Vernunft. Mathematik ist die menschliche Sprache, die Natur zu verstehen, nicht die "Sprache der Natur". Da sie sich aus der Abzählbarkeit der Natur ableitet ist sie der Natur ähnlich, geht aber durch Abstraktion über sie hinaus.

Dass die Welt eines Menschen beeinflusst ist von seinen Vernünften hat noch eine andere interessante Implikation. Der Mensch ist durch seinen kindlichen Lernprozess mit einem Inventar an Vernünften ausgestattet. Ein Gutteil dieser Vernünfte kommen von außerhalb, von anderen Menschen. Wächst der Mensch heran, treten die Vernünfte in einen inneren Konflikt. Dadurch kommt es zu einem teils emotionalen, teils rationalen Aufräumen des Vernunftinventars, welches man als Erwachsenwerden bezeichnet. Im Idealfall wird dadurch eine Metavernunft erreicht, eine Innere Ordnung der Vernünfte, eine Art Kanon oder auch Kodex, eine Geisteshaltung (Mindset, Weltbild). In der Metavernunft spiegelt sich auch die vernetzte Natur der Vernünfte wieder, ihre Verknüpfungen untereinander und dass eine Vernunft Folgevernünfte erzeugt.

Die Metavernunft findet man schließlich auch in Regelwerken wie Gesetzestexten. Verfassungen zum Beispiel fungieren als Metavernunft eines Staates, ihnen ordnen sich andere Vernünfte, Regeln, Gesetze, Aktionen und Verlautbarungen unter. 

Die schlechtesten, aber auch die besten Leistungen des Menschen entstehen durch Fehler: das Verknüpfen von Regeln durch irrationale Begründungslogik, interne Welten und Vernünfte mit externen zu verschmelzen und die erwähnte Verwechslung von Natur mit Welt und Vernunft sind Beispiele.

Treue Begleiter von Vernünften sind Gefühle. Jede Vernunft ist von Gefühlen umhüllt, jede Welt von Gefühlen gefärbt. Das Gefühl ist quasi die Eierschale der Vernunft, es ist eine der sogenannten Randbedingungen. Deswegen sind Kompromisse und Überzeugen so schwierig.

Präzisieren wir nun noch das Wort Logik. Sowohl Schritt zwei, die Regel als auch Schritt drei, die Begründung, enthalten eigentlich Logik, der eine eine strategische „wenn-dann“ Logik, der andere eine erklärende „deshalb“ Logik. Beide Logiken sind korrumpierbar, also anfällig für irrationale Logik. Überprüft man eine Vernunft, kann man sie auf Konsistenz (Wunsch, Regel und Begründung bauen aufeinander auf und ergeben keine Widersprüche), aber auch auf Transparenz (die Begründung verdeckt oder erklärt den Wunsch) und Rationalität (die Vernunft ist naturwissenschaftlich verankert) testen. Platon nannte diese Überprüfung in seinem Buch "Der Staat" Gerechtigkeit. Auch das Wort Idee muss noch konkretisiert werden. Idee bedeutet grundsätzlich Wahrnehmung. Alle drei Teile der Vernunft sind Ideen, wie auch die Welt eine Idee ist.
 
Das erarbeitete Vernunftmodell hat nun ganz praktischen Nutzen. Die Eigenschaften, Neigungen und Herangehensweisen von Persönlichkeitstypen steuert sich nämlich ursprünglich aus grundlegenden Wünschen wie Sicherheit, Bequemlichkeit, Sozialkontakt/-distanz, Geltung, Macht, Freiheit, Gestaltung, Empathie, Ordnung, Neugier, Belohnung, körperliche und geistige Betätigung. Verkäufer zum Beispiel kennen die Wünsche ihrer Kunden. Wünsche konkurrieren miteinander und können sich sogar neutralisieren. Kooperation und Verstärkung gibt es aber auch.
 
Einer der interessantesten Wünsche, welcher das neoliberale Zeitalter prägt, ist Geltung (sozialer Status). Geltung bevorzugt Extroversion, Intuition und Urteilen. Geltung stärkt aber auch die Neigung zum Lügen und Imitieren und damit zu irrationaler Logik, mit der die Begründung von Regeln und Handlungen erfolgt. Geltung konkurriert mit Empathie, Sicherheit und Bequemlichkeit und wird verstärkt durch Neugier, Macht und Gestaltung. Weitere Wünsche, die mit irrationaler Logik verknüpft sind, sind Sicherheit, Gestaltung, Sozialkontakt und Macht. Mit diesen fünf hat man schon das ganze Drama der Propaganda und Fake News im Blick.

Die Konkurrenz und Kooperation der grundlegenden Wünsche macht das Vernunftsmodell auch geeignet für die Persönlichkeitsgestaltung von künstlichen Intelligenzen. Grundwünschen können hier Werte zugewiesen werden, aus diesen Werten ergeben sich Differenzen (Debuffs) konkurrierender Wünsche und Additionen (Buffs) unterstützender Wünsche, aus diesen Settings können dann die Regelwerke für das Handeln des Charakters erstellt werden, die Begründungen für diese sowie die inneren Konflikte.

Wie beim Aufstellen von mathematischen Modellen können Randbedingungen aufgestellt werden, welche die Wunscherfüllung beeinflussen und die bei der Regelaufstellung beachtet werden müssen. Randbedingungen können zum Beispiel Klima, Gesetze, Ressourcen etc. sein. Wunscherfüllung kann scheitern, wenn der Wunsch oder die Regeln zum Beispiel illegal sind. Will man gegen die Randbedingungen spielen, werden oft irrationale Logiken benutzt, es wird also betrogen. Alternativ können die lokalen Randbedingungen außer Kraft gesetzt werden. Manchmal müssen die Randbedingungen auch erst ermittelt werden. Ideal ist der Pfad des geringsten Widerstandes durch die Randbedingungen. Zu den Randbedingungen gehören auch Körperfunktionen und Geistesfunktionen wie Gefühle und Gedächtnis. 

Unklar definierte Wünsche sind eines der größten Menschheitsprobleme überhaupt, etwa wenn man nach Glück oder Zufriedenheit strebt. Was aber bedeutet das genau? Deshalb können sowohl Wünsche als auch Regeln geplant und entwickelt werden. Zur Regelfindung kann Induktion und Deduktion benutzt werden, also Trial-and-Error oder es wird auf Erfahrungen zurückgegriffen, aus denen Regeln abgeleitet werden können. Zur Erfüllung eines Wunsches ist es hilfreich, wenn einander unterstützende Vernünfte einen Kanon ergeben.

Kognitive Dissonanz kann auftreten, wenn man einem Wunsch gefolgt ist, der sich als Fehler erwiesen hat. Eventuell war der Wunsch gar kein eigener, sondern ein gesellschaftlich oder familiär eingepflanzter. Sie kann auch auftreten, wenn irrationale Logik zum Selbstbetrug verwendet wurde.

Mit jeder Vernunft treten Unterwünsche in Erscheinung, die der Absicherung sowie der Konservierung des Wunsches, der Regeln, der Begründungen und der geschaffenen Strukturen dienen. Daraus ergibt sich Logistik (Beschaffung), Progress- und Prozessmanagement (Kontrolle), Sanierung, Restaurierung, Tradition und Geschichtsschreibung (Dokumentation). 

Hier nun können wir die Vernunft endlich zirkularisieren. Regeln, Begründungen und Kontrolle (Wahrnehmung) sind alles Strategien, die bei der Erfüllung des Wunsches helfen können. Es geht am Ende also nur von Wunsch über Strategie wiederum zu Wunsch.
 
Betreiben wir nun ein wenig Horkheimer-Adorno. Der Wunsch nach Wiederholung des Wunsches erzeugt einen Prozess. Dies stellt den Machtanspruch über die Randbedingungen dar. Der Wunsch nach Optimierung des Prozesses manifestiert diesen Anspruch noch mehr, geht es weiter bis zu Vereinheitlichung und Standardisierung des Prozesses, kommt noch die Deutungsmacht dazu. Der Wunsch nach Dokumentation bedeutet Machtanspruch über die Zeit. Der Wunsch nach Vorteilsnahme durch den Prozess bedeutet Machtanspruch über andere Individuen (geistiger Besitz, Patent- und Urheberrecht). Der Wunsch zum destruktiven Missbrauch des Prozesses dient oft der Machtergreifung, dem Machterhalt oder der Vergeltung. Durch den Missbrauch oder negative reale Folgen wird der Prozess negativ emotionalisiert und ggf. entwertet und zerstört (siehe Atomenergie).
So können Prozesse auch taktisch behindert werden, indem sie irrational negativ emotionalisiert werden (siehe Windenergie). Fügen wir hier noch den Begriff der positiven Revolution durch Etablierung, Optimierung und Vereinheitlichung von Prozessen und den der negativen Revolution durch Zerstörung und Entwertung von Prozessen hinzu. 
 
Jeder Machtanspruch unterliegt der Möglichkeit des Missbrauchs. Positive Revolution kann auch negative Revolution zur Folge haben. Der individuelle Prozess selbst entspricht nicht der Vernunft, sondern seine Abstraktion bzw. das Wissen darüber.
Adorno setzt Vernunft und Aufklärung gleich als Erfassung von Unbekanntem in Mengen und deren Beziehungen untereinander. Dies führt ihmzufolge zu einer starken Reduktion an Vielfalt in der Wahrnehmung und zu einer Entfremdung in der Wahrnehmung, da man sich nicht mehr aufs Gegenständliche konzentriert, sondern auf das Abstrakte. Außerdem sind alle Formeln, die aus den Mengen an natürlichen Phänomenen und ihren Relationen abgeleitet werden, korrumpierbar durch irrationale Logik, ob strategisch oder zufällig. Das bedeutet, dass rationale Vernünfte immer wieder neu erstritten werden müssen, ja regelmäßig wie von Unkraut befreit werden müssen.

Mit jeder Vernunft können aber auch Kopien entstehen (andere Personen entwickeln einen ähnlichen Wunsch) oder auch Veränderungswünsche. Da jeder Schritt einer Vernunft neue Vernünfte erzeugen kann, ist die entstehende Struktur wie bereits erwähnt netz- oder baumartig. Die Visualisierung einer Vernunft kann deshalb in einer Mindmap erfolgen. Das Gedächtnis bestimmt, wie entwickelt sich ein Wunsch präsentiert. Wünsche können wie Matrioschkas ineinander verschachtelt sein, man kann dann von einer Vision sprechen. Frei nach Schopenhauer ist die niederste Form des Wunsches der Wille, etwas, das wir heute Bedürfnis nennen würden. Wenn wir nun dieses Bedürfnis dem Wunsch noch voranstellen, haben wir eine Erklärung dafür, dass viele Menschen das eine wollen, sich aber etwas anderes wünschen oder gar nicht wissen, was sie wollen, wenn sie sich etwas wünschen.
 
Die höchste Form des Wunsches ist die Vorstellung (Achtung, nicht Wahrnehmung), die wir schon als Vision benannt haben. Zerstörerisch oder kriminell wird der Mensch, wenn er versucht, seinen Wunsch gegen ungünstige Randbedingungen durchzusetzen. Das kann durch Dummheit geschehen, wenn man die Randbedingungen nicht zu ermitteln imstande ist, aber auch durch kühle intellektuelle Berechnung. Der Kampf gegen die ungünstigen Randbedingungen ist aber auch der Stoff für Heldengeschichten und wissenschaftliche Durchbrüche. 

Ab wann nun ist ein Mensch vernunftbegabt? Wenn er in der Lage ist, zu begründen. Die Sprache ist also eine notwendige Voraussetzung. Kritische Vernunft bedeutet die Möglichkeit der Überprüfung oder Hinterfragung der Vernunft auf Transparenz, Konsistenz und Rationalität sowie der Abgleich mit und die Bildung der kollektiven Vernunft. 

In der der Mathematik ist die Vernunft aufgebaut aus Axiom, Regel-Postulat, Formulierung der Randbedingungen und der Beweis-Vermutung, welcher später noch der Beweis folgt. In der physikalischen Realität kann nichts bewiesen werden, es können nur Fakten überprüft werden. Vernunftsbegründungen können deswegen nicht nur rational, sondern auch strategisch sein.


Samstag, 23. Mai 2015

The Big Picture: Die Realität

Ganz oft sitze ich da und denke so bei mir wie es wäre, wenn die Realität einen Riss bekäme und etwas Ungeheuerliches daraus hervorquellte oder ich wenigstens die Balken und Schrauben der Konstruktion dahinter sehen könnte. Nun wissen wir ja, dass die Realität subjektiv und relativ ist und es deswegen Quatsch ist, von ihr zu reden, als wäre sie eine Fotografie. Also läuft es wohl eher darauf hinaus, dass man ungeduldig ist mit der allzu gewohnten Umgebung und den sich darin bewegenden Utensilien. Deswegen gibt es auch all die rastlosen Menschen, die unbedingt mit einem Auto von einem Ort zum anderen rasen müssen, nie Zeit haben, planen, Aktivitäten wie am Fließband abarbeiten.

Im Gegensatz dazu blendet man bewusst Tatsachen aus, die sich verändern, weil sie missliebig sind. Um die gewünschte "heile" Realität zu konservieren. Solange es eben geht, bis es nicht mehr geht. Dann genau kann man diesen Realtätsriss unschöner Art erleben, eine schockierende Konsequenz des selektiven Vergessens. Gibt es sie aber, die guten Realitätsrisse, also das, was man landläufig als Glück oder mordsmäßiges Schwein bezeichnet? Das hängt seltsamerweise von der Perspektive ab, was man überhaupt als Glück* erkennt (also nicht ausblendet) und ob man dann daran teilnimmt. An Glück muss man meistens teilnehmen, wie an einer Reise, man muss zumindest ja dazu sagen.

Was aber, wenn man etwas Unerwartetes erwartet, also etwas, von dem man noch nicht weiß, wie man es einordnen kann? Dann muss man recht scharfes Augenmerk daraufhin richten, sonst ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man es übersieht oder wegsieht. Hier gilt es also zu suchen anstatt zu warten. Dann findet man eine Menge kleiner solcher Dinge. Dann zeigt es sich übrigens auch, ob man Geheimniskrämer ist oder ein "Teiler", ob man anderen davon erzählen möchte oder nicht.

Aber es geht ja auch ums eigene Ich und die Selbstwahrnehmung, die Introspektive. Dass man zuerst in sich hineinblickt und danach nach draußen, dass ist die Realität. Und dass das gar nicht so ist, wie man denkt, sondern nur so scheint, dazu braucht es Erkenntnisse und Perspektiven. Dann kommt man irgendwann auf die Idee, das Leben wäre eine groteske Komödie und beginnt an unpassenden Stellen an zu lachen. Und eigentlich bin ich ja schon an diesem Punkt, an dem man sieht, dass die Leinwand nur ein Gewebe voller Löcher ist, eine Menge Seemannsgarn, ein Hirngespinst. Und ist es nicht so, dass ich mich dann gerade wieder in eine scheinbar statische Realität zurückwünsche, dass es mir eigentlich gar nicht um den Wechsel geht, sondern um den Wechsel vom Wechsel? Um den Eintritt ins richtige Leben, so wie man es sich als Kind naiv vorgestellt hat?

Und hier wird ein weiteres Problem sichtbar, ja was hat man sich den so vorgestellt als Kind? Leider nicht so viel konkretes. Menschen die sich etwas konkretes vorgestellt haben, sind später oft damit erfolgreich und/oder zufrieden geworden. Photorealistische Menschen, authentische Bilderbuchmenschen, die das Leben als eine stabile Konstruktion begreifen, werden als erfolgreicher wahrgenommen, ihr Leben hat einen "roten" Faden. Menschen, die Löcher und Risse im Gewebe ihrer Realität sehen, deren Leben und Vision ein Flickenteppich ist, haben es schwieriger. Manche schaffen übrigens den Wechsel vom Patchwork zum großen Bild des Lebens mit dem roten Faden, der als Lesezeichen oben herausguckt. Indem sie kurz die Augen schließen und einen Schritt zurücktreten. In diesem Sinne noch einen schönen Tag.

*Auch für das Unglück gilt: das ist es nur, wenn man es so empfindet.

Donnerstag, 15. Januar 2015

Die Marketingstrategie von PEGIDA

Dies soll eine reine Analyse sein und keine Wertung. Ich finde die Strategie von Pegida interessant und möchte sie deshalb offenlegen. Immerhin hat Pegida-Gründer Herr Bachmann eine PR-Agentur, Herr Kubitschek einen Verlag und die inzwischen ausgeschiedene Frau Oertel ist Wirtschaftsberaterin. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit der Analyse überhaupt, immerhin habe ich mich mit einer Werbefachfrau zusammengesetzt. Was natürlich immer vorkommen kann ist der Effekt, dass etwas von außen geplant wirkt, sich in Wirklichkeit aber einfach so ergeben hat (so entstehen unter anderem auch Verschwörungstheorien). Ich war selbst bei keiner der Demonstrationen, sondern habe sie nur über ruptlytv verfolgt (ein Russia Today-Sender, RT ist das Propagandamedium der Putin-Regierung). Was sind nun also die Werbestrategien von Pegida? Gehen wir sie mal Punkt für Punkt durch:

  • Absichtliche Ignoranz: Eine Eigenschaft des Menschen, die Pegida überhaupt erst möglich macht. Offensichtliches wird ignoriert, ob Gefahr oder Verletzung der Moral, um weiterhin zur Gruppe zu gehören, in eine Gruppe aufgenommen zu werden oder einfach wegen eines kleinen Vorteils (dann nennt man es auch Korruption). So wird das Schicksal von Ausländern ignoriert, um sich "deutsch" zu fühlen. Dieselbe Ignoranz ermöglicht aber z.B. auch Massentierhaltung und Billiglohnarbeit.
  • Beeinflussung: von Polizei, Politikern und Prominenten. Versuchen kann man es ja mal. Diese werden im besten Fall zu Multipliaktoren und Lobbyisten.
  • Elitegefühl: Jeder möchte gern etwas besonderes sein. Das Elitegefühl wird in Reden speziell vermittelt. Und wenn man sich einfach nur versammeln muss, um die Elite Deutschlands zu sein, wie praktisch.
  • Erzfeind: Der Islam, besonders muslimische Asylanten. Für Steve Jobs gehörte der Erzfeind zu jeder guten Präsentation. Weitere Feinde sind: Regierung, Presse, Geheimdienst. Es werden auch imaginäre Feinde erschaffen, etwa die "Asylindustrie". Die Beseitigung der Feinde ist das Allheilmittel für die Gesellschaft. Vom Erzfeind zum Sündenbock ist es nicht weit.
  • Eventmarketing: Besonders interessant ist die Benutzung des gewaltfreien Protestes und der Meinungsfreiheit zur Verbreitung unfriedlichen Gedankengutes. Kleine, aber viele Events erzeugen den Eindruck tatsächlich nicht vorhandener Größe. Durch Reiz- und Schockthemen bekommen auch kleine Events ein großes Medienecho und Gehör bei der Politik und so gelingt es, wie bei der 68iger Studentenbewegung, einer Minderheit, die Mehrheit zu beeinflussen.
  • Exklusivübertragung: der kompletten Demonstrationen durch den russischen Sender RT im ersten Jahr. Diese offene Unterstützung von Pegida durch Russland war besonders fragwürdig und interessant. Inzwischen hat Pegida seine eigenen Livestreams und RT die Übertragungen eingestellt.
  • Fokusgruppe: Die Demonstranten jeder Demonstration geben ihre Ideen und Wünsche an Pegida und verbessern so das "Produkt".
  • Heimlichtuerei: Den Medien und Konsumenten werden nur kleine, anregende Informationshappen verabreicht. Das machen Filmstudios etwa mit Trailern. Man gibt sich verschlossen (seltene oder keine Interviews und Kommentare) und erzeugt dadurch Interesse und eine Sogwirkung. Es wird der Wunsch erweckt, das große Ganze zu sehen. Auch die Demonstrationen wirken als Trailer für die Kundgebungen, die dann wie Hauptfilme sind.
  • Ideen-Kidnapping: Ideen und sehr unterschiedliche Forderungen der Demonstranten werden der eigenen Strategie einverleibt und untergeordnet bzw. beides miteinander verknüpft: "Waffenhandel sorgt für Flüchtlinge" (stimmt übrigens). Taktiken und Symbole von radikalen Linken und Bürgerrechtlern werden kopiert.
  • Katastrophen: katastrophale Zustände werden prophezeit. Dies ist typische Sekten-Taktik.
  • Kundenkontakt: Der neugierige Bürger wird während der Demonstration im direkten Gespräch und über Ansprachen überzeugt.
  • Kurzes und deutliches Konzept: Einen 6- oder 10-Punkte Plan kann sich jeder merken.
  • Manipulation: Es gibt vielfältige Methoden, bei der Pegida besonders beliebt ist die Methode "Wer dreimal die Wahrheit sagt, dem kann ich auch weiterhin vertrauen" sowie auch das partielle Ausblenden. So werden Argumentationsketten mit wahren Fakten begonnen und später mit Behauptungen, Pauschalisierungen und Polarisierungen fortgesetzt. Oder es werden aus Fakten falsche Notwendigkeiten abgeleitet, die ebenfalls als undiskutabel gelten sollen. Ein Beispiel wäre: "Die Ausländer begehen Straftaten und müssen deswegen das Land verlassen". Hier gibt es einen Fakt "Ausländer begehen Straftaten", eine Ausblendung "Deutsche begehen genauso Straftaten", eine Pauschalisierung "die Ausländer" und eine abgeleitete falsche Notwendigkeit "müssen das Land verlassen".
  • Markenname: Einprägsam, da durch Vokale gut aussprechbar und kurz.
  • Marktforschung: Im Osten Deutschlands herrscht eine besondere Paranoia vor Ausländern, vermutlich wegen der 40-jährigen Isolation. Thilo Sarrazins Buch hat zudem gezeigt, wie groß der Markt ist.
  • Marktgestaltung: Der Markt, der bedient wird, wird zum Teil selbst geschaffen. Im Fall der Pegida sorgt dafür unter anderem der Verkauf von Angst- und Paranoialiteratur aus dem Kopp-Verlag.
  • Mundpropaganda: Hierher gehört die Tupperware-Taktik "Jeder bringt einen mit". Aber auch "Augenzeugenberichte" (Testimonials) und Gespräche, die mit "Ich hab ja nichts gegen Ausländer...", "Hast du die Ausländer gesehen..." oder "Ich habe gehört, dass die Ausländer..." u.ä. beginnen.
  • Opferrolle: Durch den Erzfeind wird man zum Opfer gemacht. Besonders gern wird schützenswertes emotional präsentiert: Kinder, Kultur, Heimat. Vom Opfer zur Elite wird man durch Erkennen und Handeln. Dabei wird ausgeblendet, dass der Erzfeind durch das Handeln ebenfalls zum Opfer werden kann oder vielleicht bereits ein Opfer ist. Einen Feind, der in Wirklichkeit bereits ein Opfer ist, bezeichnet man auch als Sündenbock. Immigranten und Religionsgemeinschaften sind traditionelle Sündenböcke.
  • Outsourcing: Lossagung von Pegida-Ablegern, die nicht mehr ins Profil passen. Verdeckte Zusammenarbeit und Wiedereingliederung bleibt jederzeit möglich.
  • PR: Werbung in Talkshows (Günter Jauch) und öffentlichen Diskussionsforen (SLpB).
  • PR-Abteilung: Eigene "wahrheitsgetreue" Medienkanäle werden im Internet etabliert, in denen gerne Falschmeldungen verbreitet werden. Fakten der Mainstream-Medien ("Lügenpresse") werden als Meinungen hingestellt.
  • Paranoia: Bedrohungen werden übertrieben (Islamisten) und Angst vor Gegnern wird erzeugt (Antifa). Dafür werden aktuelle Beispiele ausgenützt (Charlie Hebdo in Paris, MOPO-Anschlag in Hamburg, Straftaten von islamistischen Tätern). Die Benutzung von Beispielen zur Verallgemeinerung und Pauschalisierung bezeichnet man im Englischen als "Cherry picking". Die Strategie der Verunsicherung benutzen auch Versicherungen, natürlich in anderem Kontext.
  • Pauschalisierung: Generelle Einteilung von Menschengruppen ("die Ausländer") ohne Differenzierung. Wird auch oft gemacht, ohne dass sich jemand daran stört, siehe "Hipster" oder "Generation Y" und ist in der Werbewelt gang und gäbe, siehe Zielgruppe. Die Gefährlichkeit liegt also nicht in der Pauschalisierung selbst, sondern in der Absicht dahinter. Ein lustiger Kommentar dazu hier.
  • Polarisation: Erzeugung einer zwickmühlenartigen Schwarzweiss-Mentalität, dafür oder dagegen sein. Dies hilft bei der Identitäts- und Gruppenbildung und stellt eine Vereinfachung der Wahlmöglichkeiten dar.
  • Produkt: Sicherheit durch einfache Lösungen für ältere Kunden. Aufbruch und Wechsel für jüngere Kunden. Ein flexibles Produkt sorgt für die Erfassung einer grossen Zielgruppe durch dehnbare Forderungen.
  • Produktkonzept: Friedliche Bürgerbewegung ohne direkte Führungsfigur. Es ist auch nicht falsch, sich an dieser Stelle mal über den Begriff "Astroturfing" zu informieren. Ein Bericht über die Entstehung von Pegida findet sich hier
  • Produktfamilie: Legida und andere -gidas dienen dazu, flexibel auf die örtlichen Probleme der Menschen einzugehen. Kontakte und Netzwerke zu anderen rechten Gruppierungen.
  • Produktvergleich: Die Fehler der Konkurrenten werden aufgezeigt, man selbst wird dadurch erhöht. Die eigenen Fehler werden ausgeblendet. Dem Konkurrenten wird vorgeworfen, genau das zu tun, was man selber tut (Lügen, Gewalt, Wahlfälschung, Erpressung etc.)
  • Prominente: wie etwa Alice Schwarzer, Thilo Sarrazin oder Ralph Giordano werden zitiert.
  • ROI: Reden-ohne-Inhalt bzw. Texte, die ausschließlich eine psychologische Verführung im Sinne haben, sind das Arbeitsfeld eines jeden Werbetexters. Sie können aber ohne weiteres auch als Aufputschmittel, etwa bei einer Kriegserklärung oder bei Demonstrationen, dienen. In diesen Reden werden hauptsächlich Emotionen angesprochen, sie sind aber auch gern gespickt mit historischen Fakten (Tradition), unbewiesenen Behauptungen, Polarisierungen und Pauschalisierungen.
  • Schock: Beleidigung von Politikern und Medien und Ausloten von Tabugrenzen (Nazithematik) zur Vergrößerung des Medienechos. Bei Klaus Kinski hat das Beleidigen der Presse zum Beispiel prima funktioniert, verschiedene andere Stars vergrößern ihre Wahrnehmung durch schockierende Outfits oder unsittliche Provokation. Wie gründlich die beiden Konzepte Heimlichtuerei und Schock aufgegangen sind, zeigt zum Beispiel dieser Kommentar. Sie sind auch das Rezept für Filmgenres wie Krimi, Thriller und Horror.
    Weiterhin werden Straftaten wie das Anzünden von Häusern gebilligt oder heruntergespielt und Journalisten und Unbeteiligte tätlich angegriffen oder beleidigt. Verbaler und tätlicher Terror beeindruckt die Anhänger und verängstigt die Gegner.
  • Social Media: Besonders Facebook, aber auch Youtube.
  • Sprache: Einfach, direkt und emotional, entsprechend Hitlers Rezepten. Eine wichtige Rolle spielen Wiederholungen und vorgefertigte Schwarz-Weiss-Bilder, die kein Nachdenken mehr benötigen.
  • Timing: ? Alles hierzu wäre Spekulation.
  • Tradition: Bekanntes wird verwendet, dazu gehört Göbbels "Lügenpresse" oder das Leipziger "Wir sind das Volk" (bedeutet auch gleichzeitig unterschwellig: wir sind die Mehrheit).  Das hilft bei der emotionalen Bindung. Bei Göbbels wird sich im Übrigen nicht nur wortweise bedient, sondern auch im thematischen Aufbau von Reden.
  • Verkapselung: Rechtlich bedenkliche Meinungen werden in zitierfähige Sprüche eingekleidet. Eine Einführung dazu hier. Wichtige Mittel sind hier Euphemismen (schönfärberische Umschreibungen, die Bemühung um genau die politische Korrektheit, die gleichzeitig bekämpft wird), Dyphemismen (abwertende Begriffe wie "Regime" für Regierung), Transformationen (sowohl Umdeutungen wie "Linksfaschisten" als auch Zweckentfremdungen von Zitaten und Slogans) und Humor.
  • Wertschätzung und Verständnis: Der Kunde fühlt sich am richtigen Platz, an dem seine Probleme gehört und gelöst werden. Letztendlich soll der Kunde ja auch freiwillig dabei sein.
  • Wiederholung, Mantras, Rituale: Jeden Montag, immer die selbe Strecke gehen, immer die gleichen Slogans. Dient der Identitätsbildung einer Gruppe. Rituale, Prozessionen und Ansprachen sind auch Teil vieler Religionen.
  • Wir-Gefühl: wie in einem Verein verteibt regelmäßiges Treffen und Geselligkeit die Einsamkeit.
  • Ziel: Rechtskonservative Lobbyarbeit für verschiedene Parteien und Vereinigungnen. Verbreitung einer diffusen Athmosphäre der Angst, die Ausländer aus Deutschland fernhält. Gründung einer eigenen Partei und Aufstellung von Kandidaten zu Regionalwahlen. Abschaffung der Parteiendemokratie. Abspaltung des Bundeslandes Sachsen.
  • Zielgruppe: sind alle Nichtwähler und Politikverdrossene.
  • Zielort: Dresden ist mit seiner konservativen Prägung der perfekte Austragungsort.
Das soll nur eines klarstellen: Pegida ist ein Produkt und Politikverdrossene aller Ausrichtungen sind die Konsumenten. Eine Analyse der Rhetorik von PEGIDA findet man hier.

Mittwoch, 12. November 2014

Verschwörungstheorien

Man sollte bei verschwörungstheoretischen Dingen immer mehrere Möglichkeiten betrachten. Man kann unter anderem eine Perspektive von oben (jemand mächtiges hat etwas geplant) und eine von unten gegenüberstellen (die Dinge haben sich, aus komplexeren Gründen, so ergeben). Es ist zu einfach und trügerisch, sich vorbehaltlos nur einer Seite zu überlassen. Nach zwei eher harmlosen Einsteigerbeispielen komme ich dann gleich zu 9/11.

Ein Beispiel wäre die geplante Verdummung der Bevölkerung durch die Medien (wie im Film "Free Rainer" diskutiert) gegenüber dem freiwilligen Konsum von süchtigmachenden, aber inhaltslosen schnellen und bunten Bilderfolgen mit entsprechender Tonuntermalung.

Ein anderes Beispiel wäre die geplante Vermehrung inhaltsloser Jobs (Broker, PR-ler, Anwälte, Verwalter, Berater etc.) zur ähnlichen Sedierung der Massen, mit dem positiven Nebeneffekt, dass man erfüllendere produktive Jobs schlecht bezahlen kann. Demgegenüber könnte man behaupten, daß dies eine Art Entropieeffekt ist, der durch Gewinnmaximierung entsteht, weil man immer mehr Leute braucht, die vermitteln, stimulieren, koordinieren, beobachten, bewerten, aufpassen usw., da bei der Produktion nur noch wenig heraus zu holen ist und der Bedarf für eine bestimmte Sache endlich.
 
Bei 9/11 kann man auch zwei Seiten sehen. Hat die Bush-Regierung wirklich alles selbst geplant und umgesetzt? Oder, wenn Manning und Snowden so einfach an so zentrale Geheimnisse der US-Regierung kamen, ist es dann nicht auch möglich, daß dies den entsprechen Saudis und vor 9/11 auch gelungen ist und sie so die Pläne für die Luftwaffenmanöver an diesem Tag stahlen?
Dann wäre 9/11 "nur noch" die grösste und peinlichste vertuschte Maulwurfaktion der US-Geschichte. Peinlich besonders, weil das saudische Öl so wichtig für die USA ist. Ein schöner Artikel dazu auch hier. Und auch bei ISIS führt die Spur nach Saudi-Arabien.


Dass es immer mal wieder Verschwörungen von Regierungen gegen das eigene Volk gibt, die sich tatsächlich als wahr herausstellen, macht die Sache nicht einfacher. Um so wichtiger ist es, streng logisch und vor allem mehrgleisig zu denken.

Die Botschaft des Zen

Man liest ja immer mal wieder über Zen-Anekdoten oder Zen-Rätsel. Ich will hier mal kurz und bevor es meinem löchrigen Sieb entschwindet, die Bedeutung einiger Varianten erfassen, die mir bis jetzt untergekommen sind.
Und danach noch ein paar allgemeine Dinge.

1. Das Erkennen des Selbst. Hierbei kann es um das geistige Innere oder einen Umstand gehen, in dem sich der Angesprochene befindet. Wichtig ist nur, dass der Angesprochene herausfindet, dass die Person, über die gesprochen wird, er selbst ist.

2. Die Unwichtigkeit aller, Rituale, Titel oder Namen. Diese Anekdoten berichten über das Treffen von Königen usw. mit Zen-Mönchen. Denen ist es dann herzlich egal, wen sie vor sich haben oder wer sie selbst sind. Oder es geht um Mönche, die bestimmte Rituale (etwa den Besuch eines heiligen Berges oder ein Schweigegelübde) besonders für wichtig halten. Darum geht es beim Zen aber gerade nicht und über diese Leute wird sich dann lustig gemacht. Der Zugang zur "Erleuchtung" ist ganz einfach und hat mit Heiligkeit nichts zu tun. Wird nach Namen oder Örtlichkeiten oder einem Wo gefragt, gilt es zu genau so zu erkennen, dass Namen und Orte nichts bedeuten.

2.b. Dadaismus geradezu findet man oft in kurzen sogenannten Koans. Hier traktieren sich Mönche mit sinnfreien Sprüchen. Das Ziel des Spiels ist es, auf möglichst aus dem Zusammenhang herausgerissene Kommentare nicht sinngemäss zu antworten, sondern etwas total Anderes zurückzugeben. Das dient dem Loslösen von menschlichen Gedankenpfaden, siehe 3.

3. Erkennen der Anhaftung des eigenen Geistes an Kleinigkeiten, Zwickmühlen, Alltäglichkeiten. Der Geist wird dann symbolisiert etwa als Tier, dass es freizulassen gilt. Immer wenn Zwickmühlenfragen gestellt werden, geht es darum, den eigenen Geist genau davon zu befreien indem man erkennt, dass er im Prinzip schon von vornherein frei ist.

4. Das Erfassen des Ichs im Anderen. Alles ist miteinander verknüpft. Das sind die Fragen nach dem Geräusch im Wald, wenn keiner zuhört oder der Hand, die allein klatscht. Alles Lebendige und auch Tote gehört zusammen, geht ineinander über und ist gleich gut.

5. Alles ist eins und doch nicht dasselbe. Eins nach dem Ursprung und dem Wesen, unterschiedlich nach der Ausprägung. Hierher gehört auch der Ausbruch aus dem Entweder-Oder, denn das Gegenteil einer Wahrheit kann eine andere Wahrheit sein.

6. Was man wahrnimmt, ist die Reflektion des Egos. Das Ego selbst ist die Reflektion dessen, was man wahrnimmt.

7. Erfahrungen sind der einzige Schatz von Wert. Den Schmerz müssen alle ertragen, aber über das Leiden entscheidet man selbst. Das Perfekte gibt es nicht aber jedes Ding für sich ist perfekt.

8. Immer wieder wird erzählt, dass die Erleuchtung eine Erfahrung ist, die mit dem Verstand oder Intellekt nicht erfasst werden kann. Das ist aber falsch. Zengleichnisse sind eigentlich Übungen in Kreativität und Flexibilität des Denkens, sie bedienen sich der kreativen Techniken Addition, Subtraktion und Transformation. Die Addition ist die mächtigste Technik, denn sie vereint zum Beispiel Sampling (Collagen), also das Zusammenfügen oder die Synthese von Teilen des Bekannten, aber auch das Mapping, also das Aufeinander-Abbilden von Dingen, zum Beispiel von Gegensätzen. Letztendlich auch die Gegenüberstellung, den Vergleich, mit allen seinen humoristischen und entwaffnenden Möglichkeiten. Die Subtraktion, also die Zerstörung, Analyse, Teilung dient der Erkenntnis des Aufbaus aber auch der Abstaktion und der Vereinfachung. Die Transformation schliesslich ist eher poetisch und verändert die Beschaffenheit. Man deformiert zum Beispiel etwas oder setzt es in einen neuen Kontext.

9. Bei der Zen-Meditation geht es nicht um das Loslassen von Gedanken durch Atmungsübungen. Es geht um die Verschmelzung mit der Umwelt, um selbstvergessenes Betrachten und Erfahren. Man zieht sich also nicht in sich selbst zurück, sondern erfasst die Umwelt mit allen Sinnen. 

10. Das Höchste und Heiligste ist etwas sehr subjektives und oft alltägliches. Einfach das, wo man sich drin vergessen kann. Essen von Schokopudding etwa. Betrachten von Tieren. Oder Tischtennis oder Kunst oder .....

11. Aus all dem kann eine Entscheidung zu einer Geisteshaltung hervorgehen, etwa Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft (Verbundenheit), Humor und Toleranz (aus Flexibilität, Kreativität), Wachsamkeit und Demut sowie geistige Freiheit und Loslösen von Obsessionen.

Donnerstag, 28. August 2014

Das Ende der Sünde


Es wird hier um die Fehldeutung der Apfelszene im Alten Testament der Bibel gehen und ich werde mich frei der Symbolik von Carl Jung bedienen und kurz auf die Ähnlichkeit zum Grimmschen Märchen "Das Mädchen ohne Hände" hinweisen. Die Protagonisten sind: Gott, Adam, Eva, die Schlange und ein Apfel.

Gott hatte also das Paradies erschaffen mit Pflanzen, Apfelpflanzen, Tieren, Schlangentieren und Menschentieren. Alle lebten zufrieden und waren unsterblich. Warum aber unsterblich? Weil sie nichts von ihrem Tod wussten, nicht weil sie nicht starben. Jetzt zu den Symbolen. Der Apfel und die Birne symbolisieren geistige und körperliche Fruchtbarkeit. Die Schlange und der Drachen symbolisieren in vielen Kulturen (Australien, Amerika, China) Weisheit oder sogar Gottheiten.

Gott hielt es also irgenwann mal an der Zeit, den Menschen geistige Fruchtbarkeit zu verleihen. Dies kann man als ersten Versuch ansehen, Göttlichkeit und Menschlichkeit zu vereinen. Gott kam entweder in Form einer Schlange oder schickte zumindest die Schlange um der Menschenfrau den Apfel zu geben. Mit dem Essen des Apfels erlangte der Mensch geistige und die körperliche Fruchtbarkeit (ja, Eva bekam erst danach mit Adam Kinder). Zu dieser Fruchtbarkeit gehört das Wissen um Zeit und über sich selbst. Mit dem Wissen um Zeit verliert der Mensch seine Unsterblichkeit, denn er weiss um seinen Tod. Mit dem Wissen über sich selbst verliert der Mensch seine Unschuld, da er für seine Taten verantwortlich wird.

Trotzdem ist der Apfel ein grosses Geschenk von Gott, denn er traut dem Mensch gottgleiche Verantwortung zu. Und er entlässt die Menschen aus dem Paradies des Unwissens. Nicht etwa in die Welt der Schmerzen und Plagen, sondern in ein anderes Paradies. Das Paradies des Wissens.

Die Verdrehung dieser Geschichte ist eine der grössten Dummheiten der christlichen Geschichte und dient bis zum heutigen Tage zur Existenzbegründung der Kirche (nur die Kirche kann dem Mensch helfen, seine Sünden los zu werden etc.) und zur Negativierung der Frauen, also der Hälfte der Menschheit. Eine geduldete Ungeheuerlichkeit.

Also die Botschaft ist: Die biblische Sünde ist nur eine sadistische Erfindung und existiert eigentlich gar nicht. Alle Symbole in der Geschichte sprechen dafür.

Auch die Geschichte "Das Mädchen ohne Hände" spricht dafür, denn hier heisst es:

"Und weil sie den ganzen Tag gegangen war und keinen Bissen genossen hatte, und der Hunger sie quälte, so dachte sie: 'Ach, wäre ich darin, damit ich etwas von den Früchten ässe, sonst muss ich verschmachten.' Da kniete sie nieder, rief Gott den Herrn an und betete. Auf einmal kam ein Engel daher, der machte eine Schleuse in dem Wasser zu, so dass der Graben trocken ward und sie hindurchgehen konnte. Nun ging sie in den Garten, und der Engel ging mit ihr. Sie sah einen Baum mit Obst, das waren schöne Birnen, aber sie waren alle gezählt. Da trat sie hinzu und ass eine mit dem Munde vom Baume ab, ihren Hunger zu stillen, aber nicht mehr."

In dieser Geschichte gibt ein Engel der Frau die Birne nämlich ganz freiwillig und absichtlich. Eine äusserst erhellende Deutung dieser Geschichte ist in "Die Wolfsfrau" von Clarissa Pinkola Estés (eine Jung-Anhängerin) zu finden. Die Birne ist demnach die Frucht der körperlichen Fruchtbarkeit vom Baum des Lebens. Die Ähnlichkeit dieser Geschichte zur Bibelgeschichte ist offensichtlich.

Den Apfel gibt der Frau dort die Schlange und sagt: "Ihr werdet mitnichten des Todes sterben sondern Gott weiß, daß, welches Tages ihr davon eßt, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist." Damit hat sie die Wahrheit gesagt und ist vertrauenswürdig.

Äpfel mit Birnen verglichen? In der Bibel steht von einem Apfel eben nichts, nur etwas von einer Frucht. Für den Apfel können wir uns wohl eher bei den Griechen bedanken, siehe Herkules oder Paris, Helena und Aphrodite. Und wofür können wir uns bei den Griechen noch bedanken? Für die Erbsünde! Denn da gab es auch in der griechischen Mythologie eine erste Frau, von Hephaistos aus Ton geformt und von Zeus mit einer Büchse beschenkt: Pandora. Diese Büchse sollte sie niemals öffnen und tat es doch. Damit waren die Übel auf der Welt. Die Götter wollten sich mit der Büchse an Prometheus rächen, der den Menschen das Feuer gebracht hatte. Das Götter rachsüchtig sind und trügerisch, dafür lieben wir die griechischen Götter. Dasselbe sollten wir auch dem christlichen Gott zugestehen und nicht einfach die Schuld auf die Frau schieben. Damit ist die Erblast der Griechen noch nicht beendet, denn auch die negative Deutung der Schlange stammt von ihnen. Die Drachenschlange Ladon nämlich bewacht den Apfelbaum im Garten der Hesperiden und eine Aufgabe von Herkules war es, einen der Äpfel zu stehlen.

Und nun kommen wir zurück zu einem anderen Märchen, welches von Frau Pinkola Estés reinterpretiert wurde, "Ritter Blaubart". Dort gibt Ritter Blaubart seiner Frau die Schlüssel zu allen Türen seines Schlosses und erlaubt ihr, alle Türen zu öffnen bis auf eine. Als Baubart abreist, öffnet die Frau just diese Tür und findet dort die früheren Ehefrauen ihres Mannes ermordet. Obwohl sich auch dieses Märchen über die Neugier der Frauen lustig macht, meint Frau CPE, dass es notwendig ist, die Übel aufzudecken und zu erkennen um ihrer Herr zu werden. Seid neugierig also, der Kaiser sei nackt!

Bildquelle: Quino

Donnerstag, 25. März 2010

Private Propaganda

Heute und hier, Bürger Athens (hüstel, prust) solls darum gehen, warum man seine eigenen Lügen glauben kann. Das doppelte Denken beginnt in der Erziehung, na klar. Da wird eine Sache vorgelebt und eine andere gefordert.
Ausserdem wird dem Kind gesagt, es müsse den Erwachsenen gehorchen, solle sich aber gegenüber den anderen Kindern behaupten (Rollenwechsel).
Das Kind lernt, das es schwach und stark, je nach Kontext, sein soll. Es sieht nun die Schwächen der Eltern, kann aber möglicherweise nicht mit ihnen darüber reden. Und es wird belogen. Es wird ihm erzählt, das Schwäche schlecht sei und dominante Reaktionen nach sich ziehe (das "Recht des Stärkeren").Diese Sachen in Kombination machen das Verhängnis aus. Das Lügen und das Negativieren von Schwäche beim Erlernen und Wechseln von Rollen.
Das kann im extremen Fall bedeuten, dass das Kind Prügel ertragen muss, die ihm beweisen, dass es schwach ist und ihm erzählt wird, dadurch werde es stärker, aber auch Aufmerksamkeitsentzug und psychische Härte erfüllen ihren Zweck.
Der Fehler der Selbstlüge, dieser Hang kann eigentlich nur entstehen, wenn sich die dominierende Macht eben nicht als fehlerhaft zu erkennen gibt. Zeigt sie ihre Schwächen offen, wird auch der Hang der dominierten Kinder zur Lüge gegen sich selbst geringer sein. Soweit so gut. Die Stärke, die wir im Leben zeigen sollen ist eine Kopie einer erlernten. Ich will eigentlich etwas zur wirtschaftlichen Förderung der Lüge und Selbstlüge sagen. Die kommt in dem schönen Wort Werbung daher, auch in Bewerbung, eigentlich herkünftig aus dem sozialen Bereich, siehe Partnerwerbung. Früher nannte man wirtschaftliche und staatliche Werbung Reklame und Propaganda. Die meisten Produktwerbungen sind schwache Form der Lügen, man habe das Beste, Schönste, Edelste erschaffen, sehet her. Und der Hersteller glaubt das irgendwann selber. Die harte Form der Lüge ist elementarer angesiedelt in der Systemkonditionierung oder fortgesetzten Erziehung in den Institutionen, bekannt unter den Wörtern Leitbild und Firmenphilosophie. Wer gedacht hat, seinen Eltern, Lehrern und Pfarrern entronnen zu sein, kommt unter Umständen zum Militär. Hier wird weiterpoliert und später im Unternehmen kommt der Rest. Los geht es bei der Bewerbung, wo gelogen werden muss, ohne rot zu werden. Später müssen die Ergebnisse beschönigt werden und die Firma präsentiert, man darf diese nicht "in den Sack hauen". Ausserdem müssen Untergebene befehligt und Befehle entgegengenommen werden, die unter Umständen im Blendschein des Leitbildes verlogen sind (Zwiespalt). Der Gerechtigkeitssinn wird, wenn er es nicht schon ist, verbogen. Vorgesetzte sind oft eine Art Elternersatz für Menschen, die unter ihren Eltern zu leiden hatten und genau diese Art von Macht wird ihnen fälschlicherweise zugestanden. Weiter zieht es sich ins Privatleben, wo es Dinge gibt, die man den anderen nicht sagen "kann". man wird zum "Ausweicher", wenn es um unangenehme Themen geht. Dieses Ausweichen kann wegrennen sein, aber auch ungemein eloquent verpackt oder Brüllen (wer schreit hat Unrecht). Warum glaubt man aber sich selbst? Weil das Gehirn einen dynamischen Speicher hat. Alles, was oft wiederholt wird, hebt sich besonders stark hervor. Es ist so schneller parat als die unbequeme und längliche Wahrheit. Das ist schon seit 70 Jahren bekannt, ne. Die Hervorhebung der Wahrheit ist ein anstrengender, energetisch aufwendiger Prozess. Um diesen Prozess durchführen zu können, müssen Voraussetzungen vorhanden sein. Dazu vielleicht nächstes Mal aber warum tut die Wahrheit denn nun weh? Weil wir durch sie unsere Schwäche erfahren, unsere Ohnmacht. Und wenn Ohnmacht assoziiert ist mit Demütigung und Furcht, ist doch alles klar. Dann wäre da noch unser Glaube an die Einheit von Macht, Schönheit, Symmetrie, Güte, Absolutheit und Einfachheit. Aber halt, hier ist was falsch. Das absolut. An etwas Absolutes zu glauben ist schlichtweg verrückt. So verrückt, das man Widerparte erfinden muss, um nicht verrückt zu werden. Der absolute Glaube an sich selbst mündet in ominöse ungückliche Umstände, die einem angeblich widerfahren genau so wie der Glaube an einen absoluten Gott im Teufel mündet. Und weil man es gern einfach möchte, braucht es auch einen privaten Teufel in Form einer Verschwörung. Die Paranoia ist geboren, wie sie in Chefetagen gerne schädlich ihre Kreise zieht.
Deswegen hat die Wissenschaft später (oder früher, wenn man die Griechen mit einbezieht) die Approximation erfunden. Approximationen haben Beschränkungen. Beschränkte (pantheistische) Götter und beschränktes Ich haben eine gesunde Basis. Absolute Wahrheiten sind Lügen.
Jaja, jetzt kommen gleich die Mathematiker und sagen, aber! Aber das ist ja ganz einfach. Solange man absolut gedachte Dinge nicht versucht, in die Realität umzusetzen, ist doch alles in Ordnung.
Der Glaube an einen absoluten Gott ist übrigens vorzüglich vereinbar mit einem absoluten Glauben an sich selbst (oder sein Ersatz-Ich oder auch sein negativiertes Ich). Der Glaube an etwas Absurdes kann nur gedeckelt werden mit dem Glauben, dass Absurdität absolut ist.
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PS: Der ganze düstere und schöngeistige Kladderradatsch der letzten Wochen gebündelt hier noch mal auf Bookrix.

Montag, 22. Februar 2010

State of Mind

Eilig will ich hier noch ein paar Gedanken zusammennageln, die womöglich überhaupt nicht zusammengehören. Und zwar geht es nocheinmal um die Kommunikation und diesmal nicht die von Gehirnteilen sondern die von Gehirnen. Einfach ein Schritt zur nächstgrößeren Einheit und in der Science Fiction ja auch nichts komplett neues. Ich denke mal so: Gehirne sehen ihre Trägerkörper mit zunehmender Emanzipation als regelrecht lästig an. Gut und schön, es ist ein Erhaltungsapparat, aber hallo, läuft nicht stabil, verschleisst schnell und will andauernd irgendwas. Vor allem hat ja der Körper, sage ich mal, sein eigenes Hirnteil, den Reptilienkomplex, der alles notwendige steuert, aber auch rumspinnt. Dann ist da über einen Emotionsadapter das Goldstück aufgeflanscht. Egal.

Was wichtiger ist, ist der soziale Kontakt, der ermöglicht es den Gehirnen, miteinander zu kommunizieren. Wenn da nicht diese lästigen, zeitaufwändigen Synchronisationsvorhgänge wären wie Begrüssung, Erkundigungen über unwichtige Sachen, Einschmeichelungen, Motivation usw. so alles Sachen, die die alte Hardware auf Touren bringt und durchlässig macht. Diese Hardware, die auch allen den nützlichen Sinnen vor- oder nebengeschaltet ist, ist etwa so nützlich wie ein Lochstreifenlesegerät, wenn man Windows 7 (oder meinetwegen Snow Leopard oder Suse 11) installieren wöllte (und genau das ist es ja auch, siehe 10 Jahre Systeminstallationszeit in der Schule plus 5 Jähriges Systemupdate mit Servicepacks an Unis). Was für eine krasse Zeitverschwendung ist das denn?

Naja, deswegen sucht der neue analytische Flügel hinterrücks nach Ausweg. Dieser Ausweg war die wissenschaftliche Revolution, die einmal Zeitersparnis in vielen Dingen, aber andererseits auch die emotionsreduzierte Kommunikation hervorgebracht hat. Diese Form von Kommunikation ist für den Neokortex hervorragend geeignet, um den restlichen Körperkameraden eine lange Nase zu drehen*, während er diese mit Bonbons wie Familienfotos und Farmspielchen verköstigt. Eine andere Art, Fortschritte zu erreichen ist die uneingeschränkte Herrschaft des Neokortex, die bis in heutige Zeit vorsintflutlich mittels buddhistischer Erleuchtung betrieben wird. Diese ist nämlich nicht über die Spock-Methode zu erreichen, weil dann die alten Teile rebellieren. Nein, dafür muss das ganze alte System in eine Endlosschleife gejagt werden und sich dann selbst aufhängen.

Genau das könnten nun die neuen Medien leisten, nämlich in dem schon bekannten konstanten Betrachten des Selbst, dass als Nebeneffekt Selbsterkenntnis generieren kann**, den ersten Schritt zur Erleuchtung. Das beginnt ganz profan mit Container- und Dschungelshows und ähnlicher Reality, geht weiter über Blogs und Youtube und endet in Facebooks und Twitterei. Schon in profanen Anfängen fragt man sich: bin ich auch so? Von daher ist es nicht mehr weit bis zu: wie bin ich überhaupt, wer bin ich und was mache ich hier eigentlich gerade?

Die von Herrn Chefurka über die Umweltbewegung prophezeihte Erleuchtung der Welt könnte wo ganz anders herkommen, nämlich aus der Computerkommunikation.

Naja, aber es ging ja um den Zusammenschluss. dieser, wenn er konsequent weitergeführt wird und eigentlich in der Twitterei ja schon einen vorläufig erstaunlichen Standard erreicht hat, kann dazu führen, dass wir in eine Art Ameisenzivilisation münden. Hier werden ganz "neue" psychische Effekte zu beobachten sein wie kollegiale Massenpsychosen (Lemminge), Clusterbildung, Zentrenbildung, Abgrenzungsschwierigkeiten, Gleichschaltungen (ja, ja, ganz recht!) und kognitive Vielfältigkeit als Wahrnehmungsstandard (Facettierung). Möglich ist auch, dass sich, je nach Konfiguration, Cluster zu eigenen Staatengemeinschaften zusammenschliessen, die nichts mehr mit territorialen Grenzen zu tun haben (auch schon bekannt: Communities).

Naja, wie auch immer, damit wäre der Zweck der Wissenschaften eigentlich erfüllt und nun ist Verbesserung und Erhaltung geboten. Vielleicht ist das ja auch ein Trugschluss und durch die zerebrale Zusammenschaltung gibt es einen (ja zu erwartenden) kognitiven Sprung.

Schulbildung dürfte sich dann natürlich auch ändern. Was ist nun noch zu verbessern? Natürlich die Art der Kommunikation. Wörter und Gleichungen sind, ob nun gesprochen oder geschrieben ein irre langsames Vehikel (andererseits super zur kritischen Betrachtung) möglicherweise werden Bilder einen Grossteil übernehmen. Wer weiss das schon. Allerdings ist da natürlich die Erkenntnisschwierigkeit, die Notwendigkeit neues in Bilder zu fassen. Und andererseits gibt es Zusammenhänge, die bildlich nicht oder äusserst schlecht zu erfassen sind und nur durch Sprache und Zahlen. Aber vielleicht genügt ja die Schnelligkeit der (wörtlichen) Gedanken an sich schon. oder das wunderbare Zusammenspiel aller sinnlichen Gedankenverpackungen bringt den Vorteil. Aber wie kann der flüssig gemacht werden? Jeder Mensch hat da ja seine eigene Welt usw., was es ja bisher sehr schwierig macht. Bleibt halt erstens die Aufgabe, das Gehirn zu entschlüsseln (vielleicht nützt es dabei, dass das Neuronen auch mit Bits (Spikes) arbeiten) und zweitens der, vielleicht auch gruselige Gedanke, dass die Computerkommunikation uns alle einwenig gleicher macht, in der Art zu denken. Das Ganze ist selbstverständlich höchstmöglich ironisch u.ä. aufzufassen.

* Es ist mir leider gar nicht so klar, was da kommuniziert **Narziss ist bei der Selbstbetrachtung leider schon vor der Erleuchtung ertrunken

Donnerstag, 11. Februar 2010

Im Ich

Gestatten, Überich. Wolfgang Überich. Ich übe viel, immer übe ich.

So nach diesem Schwachsinn (ich habe mal gelesen, das der Hang zu solchen Wortspielereien direkt in die Schizophrenie führt) mal an mein Anliegen. Das mit dem Ding Ich kommt später, erstmal was über Körper, Geist und Seele. Das sind schon mal ziemlich schwammige Begriffe, Körper sind aus physikalischer Hinsicht höchst zweifelhafte Denkabstraktionen, die uns unser Auge und Tastsinn aufdrückt. Das Allermeiste davon ist irgendwelche Elektrostatik usw., Kraftfelder und darin dubiose verschmierte Sachen, die uns die Wellenmathematik nicht zeigen will.

Die Seele etwa wäre, zurück zur Metaphysik, das schwierige Komposit aus Hirnteilen und dem Körper (viel viel Bauch), die erzwungene Zusammenarbeit, gehüllt in Signale, die fuer unser Bewusstsein nur selten in Form von Schmerzen eindeutig deutbar und wahrnehmbar sind. Ist there anybody out there? Oh ja. Ansonsten könnte man ja auch Schlachtereiabfälle nebeneinanderlegen wie Frankenstein.
Der Geist schliesslich ist das Zusammenspiel der Hirnteile, der archaische aber superschnelle actio-reactio Teil und dann da der neue analytische Flügel der grauen Masse, den man nicht so gern benutzt (so wie ja auch manch andere Architektur auf dem Reissbrett besser aussieht) und anderer, sehr wichtiger Kleinkram wie Glückshormonverteiler.
Gern würden Seele oder Geist ohne den Körper auskommen, dieses schleimige, bröckelige Gefährt.
Die Seele schwappt darin herum, die Wellen brechen sich und es regnet Seelentropfen. Manchmal möchte sie einem von innen die Augen auskratzen um zu entfleuchen oder auf der Zunge weghüpfen, er hat sich die Seele aus dem leib ge... was auch immer. Der geist quillt lieber aus den Ohren oder den Fingern. Man sieht schon, es gibt da bevorzugte Fluchtpunkte. Während ein Teil also notwendigerweise entkommt, hat die Natur schon vorgesorgt und vor uns das Backup erfunden, regelmässige Speicherroutinen, die so etwas wie Beständigkeit erzeugen sollen.

Die Statik ist aber schon in ihrer kleinsten Form hinfällig, wie ja bereits angedeutet und das Hirn macht da keine Ausnahme. Trotzdem hat der bürger ja eher Angst vor Veränderungen, die im Vergleich dazu geologischer Natur sind. Internet. Minirock. Hiphop. Komasaufen. Einige zartbesaitete Physiker haben die viel realere Angst, dass der fein getunte Quantenmotor ins Stottern geriete. Dann mal gute Nacht sagen sie.
Dieses ganze Herumgespiele mit Beschleunigern und Licht-zeitmaschinen lässt sie manchmal fahrig zitternd aus ihren Teddybärträumen aufwachen. Weil der Teddybär von einem Strangelet gefressen wurde. Aber eigentlich zu etwas ganz anderem, den me, myself and i`s.
So wie die menschheit aus vielen Individuen besteht, hat auch der Mensch im Kopf einen inneren Zoo, zuerst mal Reptil und Säugetier, das ist offensichtlich, aber auch links und rechts und anderes. Diese Gehege müssen koordiniert werden, mit mehr oder weniger Erfolg, was dann aber beides gut und schlecht sein kann und dazu geführt hat, dass die geistigen Konfigurationen der Menschheit längst so komplex sind wie eine Artenvielfalt. Das andere wäre das innere Team. Zum inneren Team muss ich kurz ausholen und nochmal zu den Organen zurück. Auch die sind ja ein innerer Zoo. Kleine klumpige blinde Tierchen, die es sich in Ihnen gemütlich gemacht haben. Wie Bandwürmer, aber nützlicher. Für die Kommunikation mit diesen Tieren gibt es wahrscheinlich auch im Hirn Schaltstellen und damit eine Art virtuelles Abbild. Ob das jetzt 100 Prozent wahr ist, weiss ich nicht, stelle es mir halt so vor. Sie glauben nicht, dass ihr Körper mit Ihnen redet? Das merken sie erst, wenn sie kränklich sind, welche kleinen Botschaften da in ihrem Kopf rumwuseln und sie ängstlich und vorsichtig machen.
Wichtiger ist mir der Vergleich zur Umwelt.
Die Umwelt und unsere wichtigen Bezugsmenschen sind der Zoo, den wir äusserlich täglich managen wollen. Dafür gibt es auch innere Abbilder, die wiederum uns steuern. Das innere Kind, die innere Mutter, den inneren Vater, Chef, blabla. Und dann sind da noch die Rollen, die wir spielen und quasi auch eigene Instanzen sind.
Die alle sprechen in uns lauter oder leiser und man sollte ihnen zuhören, mehr oder weniger allen. Diese Leute haben alle äussere Entsprechungen, sogenannte Vorbilder schlechter und guter Natur. So und nun zur wichtigen Frage. Wer hört denn eigentlich zu? Das wäre das sogenannte Überich, der Präsident. Wer aber sagt, dass dieser Herr nicht auch nur einer von den anderen ist? Hmmm?
Eine sache, die das Hirn gar nicht mag, ist verloren zu sein, dass ist eine kindliche Notwendigkeit.
Diese Prägung lässt uns zeitlebens nicht los und macht uns sozial und kartenfreundlich.
Ein anderes Fass oder der Bodensatz sind die Gene, die schon wieder auf die molekulare Ebene herabführen. Verknäuelte Moleküle sind unsere eigentlichen Herrscher, sagen manche. Weil sie sich kopieren wollen. Dabei kann ein Gen nicht denken (ein Gedanke kann aber auch nicht denken) und damit ist eigentlich schon alles zum Dilemma gesagt. Der Mensch wäre als erstes dazu in der Lage, den genen ihren Platz zuzuweisen. Sie werden platziert.
Macht er auch. Nur zu. Ausgeschwafelt. Aber wir sprechen uns noch. Also ich mich, ganz blogophren.