Physikalisch richtig und doch phänomenal übertrieben schilderte Edgar Allan Poe
bereits 1841 die Abdrift schnöder Holzboote und Fässer in den
Gezeitenstrom zwischen den Lofoteninseln. Aber genau so wie der Held fährt auch die
Seele zum Grund. Sie klammert sich an ein Holzfass und hofft nicht zu
ertrinken. Die grimmigen Seeleute, die, taub und blind ob der Gefahr,
schweigend ihre Arbeit verrichten, sind, was ihr von den Menschen
zufällt. Mit ihnen zu sprechen ist Verzweiflung. Und dann ist da noch
das Haus Usher, ein marodes Schloss auf sumpfigem Grunde, bewohnt von
kranken und geisteskranken Adeligen. Ein Hort zwielichtiger
Erscheinungen und Geräusche, der mit dem ihm innewohnenden Sterben noch
vor Anbruch des Tages versinkt, allein der Gast kann fliehen. Das sind
die inneren Landschaften, wer nur Gast ist, wer weglaufen kann, der
berichte. "Nur eine Schauermär, Schauermär..." "Nein, es ist alles
wahr!"
Einen unbefangenen Augenblick lang könntest du eine andere Welt
entdecken, ganz ohne zu träumen, aber ins Träumen geraten. Während du im
Internet bist, sitzt du in Wahrheit zwischen zwei Spiegeln. Jeden Tag,
den du die Aussenwelt vergisst, rutschst du eine Reflektion weiter in
den Hintergrund, immerfort, bis es dich irgendwann nicht mehr gibt. Und
um so weiter du in den Hintergrund gerätst, desto mehr wehrst du dich,
wirst noch zappeliger und ausgefallener, um aufzufallen und deine
anderen Spiegelungen klatschen vielleicht ab und an Beifall.
Poe schrieb 1842 die Kurzgeschichte "Das ovale Portrait" in
der eine junge Frau, während sie von ihrem Gatten detailversunken in ein
Bild gemalt wird, langsam stirbt. Er hat damals nichts vom Internet
gewusst, wohl aber etwas von Obsession und Sucht. Willkommen zwischen
den Spiegeln.
Montag, 21. April 2025
Die Lehren des E. A. Poe
Montag, 3. März 2025
Multifaktorielle Migrationsursachen und ihr Einfluss auf die psychische Gesundheit (von Angelica)
Einführung
Migration hat es im Laufe der Geschichte überall auf der Welt gegeben. Sie war vor allem mit der Suche nach einer besseren Lebensqualität verbunden, sei es aus wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Gründen oder aufgrund bewaffneter Konflikte. Während des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) kam es zu einer Massenvertreibung von Menschen, vor allem in Richtung USA, die dadurch zu Flüchtlingen wurden. Seitdem war eine derart bedeutende Migrationsbewegung erst im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wieder zu verzeichnen. Hierbei initiierten globale Konflikte einen stetigen und massiven Anstieg der menschlichen Mobilität, was wiederum zu einer Diversifizierung der Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes führte. Im Jahr 2020 gab es etwa 281 Millionen internationale Migranten, das entspricht 3,6 % der Weltbevölkerung.
Die unterschiedlichen Gründe für eine Migration – von der Suche nach Wohlstand bis hin zur Zwangsvertreibung infolge bewaffneter Konflikte – können bei Migranten unterschiedliche psychologische Reaktionen auf die Unsicherheit und die Herausforderungen der Integration im Gastland hervorrufen. Diese psychischen Störungen, wie etwa Stress, Angst und Depression, können in ihrer Intensität von akut bis chronisch variieren. Es ist von entscheidender Bedeutung, multidisziplinäre Strategien zu entwickeln, die die Unterstützung, Rehabilitation und Integration dieser Gruppen in den Aufnahmeländern erleichtern.
Entwicklung
Migration ist ein sehr komplizierter Prozess, der sich auf die psychische Gesundheit auswirkt, insbesondere bei gefährdeten Gruppen wie Kindern, Jugendlichen, Frauen und in jüngster Zeit auch auf Flüchtlinge, Binnenvertriebene und Vertriebene (Zwangsmigration) aller Altersgruppen. Dabei handelt es sich oft um alleinstehende Männer und Kinder und Jugendliche und in geringerem Maße um Familien, die aus Eltern und Kindern bestehen. Das Ausmaß der negativen psychologischen Auswirkungen wird von den negativen Bedingungen vor der Migration abhängen (Gewalt, Trauma und Verlust) und Postmigration (Diskriminierung, Akkulturation und Mangel an sozialer Unterstützung).
Darüber hinaus muss zwischen verschiedenen Arten der Vertreibung unterschieden werden: Binnenmigration (innerhalb desselben Landes) und internationale Migration (Bewegung außerhalb der Landesgrenzen). Die Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes sind unterschiedlich und haben unterschiedliche Implikationen:
· Flüchtling Person, die aus Angst vor Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Nationalität oder Religion aus ihrem Land flieht
· Binnenvertriebene Personen, die von zu Hause geflohen sind, ohne jedoch internationale Grenzen überschritten zu haben.
· Externe Vertriebene und Zwangsmigranten Personen, die ihr Land auf der Suche nach Zuflucht verlassen hat
· Ein-/Auswanderer Jede Person, die aus verschiedenen Gründen, die nicht unbedingt eine unmittelbare Bedrohung durch Verfolgung und Tod beinhalten, ihren üblichen Wohnort verlässt
Studien heben Probleme und Störungen hervor wie:
· Stress posttraumatisch
· Stress chronisch aufgrund der schwierigen Bedingungen im Migrationsprozess
· Angst verbunden mit dem Kampf um Migrationserfolg oder der Angst vor Diskriminierung
· Depression mit Symptomen wie schwerer Traurigkeit, verbunden geringem Selbstwertgefühl im Zusammenhang mit dem Scheitern des persönlichen Migrationsprojekts
· Migrationstrauer (umgangssprachlich: Heimweh) entsteht durch den Verlust von Familie, Kultur, sozialem Status und Sicherheit, der je nach den Umständen des Migranten und der Umgebung des Aufnahmelandes einfach, kompliziert oder extrem sein kann.
Die Veränderung der psychischen Gesundheit ist je nach Alter unterschiedlich und unterschiedlich ausgeprägt:
· Kinder und Jugendliche Sie neigen eher dazu, psychische Probleme und Störungen zu entwickeln, vor allem Depressionen, soziale Ängste und Suchterkrankungen, insbesondere wenn sie alleine migrieren.
· Frauen Sie weisen meist psychiatrische Symptome und posttraumatische Belastungsstörungen aufgrund von körperlicher und sexueller Gewalt auf, sei es durch ihre Partner, die Gemeinschaft oder Menschen außerhalb ihres Umfelds. Stress entsteht durch die Betreuung ihrer Kinder unter Risikobedingungen
· Männer Sie haben häufig Probleme mit illegalem Aufenthalt und sozialer Ausgrenzung.
Studien, die dieses multifaktorielle Problem erklären, werden überwiegend in Ländern mit hohem Einkommen durchgeführt. Besonders hervorzuheben sind hier die USA und Kanada, gefolgt von Australien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Dies sind traditionell die reichen Länder, die die meisten Migranten aufnehmen: In den letzten Jahren haben sie ihre Einwanderungs- und Asylpolitik verschärft. Der Grund dafür ist Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die durch die Medien und digitalen sozialen Netzwerke noch verstärkt werden. Diese Einflüsse können auf Faktoren wie Alter, Bildungsniveau, Geschlecht und Religion zurückzuführen sein. Auf diese Weise haben sich Länder wie Mexiko, die Türkei, Griechenland und Italien in die Liste der Länder mit der höchsten Zahl an Menschenmobilität eingereiht, da sie mit ihren Nachbarn bei der Kontrolle der irregulären Migration zusammenarbeiten, um die Ankunft von Flüchtlingen und Einwanderern zu verhindern und einzudämmen, indem sie die Grenzen militarisieren. Diese militärischen Maßnahmen sind bei der Bewältigung der Integration letztlich kontraproduktiv.
Studien in Kanada und den USA geben an, dass es mehr männliche (51,9 %) als weibliche (48,1 %) Migranten gibt. Sie gehen davon aus, dass es zwei Arten von Migration gibt: gesunde Migration und krankmachende Migration. Der erste Punkt spielt auf die Tatsache an, dass Migranten ein geringeres Risiko für psychische Störungen haben, was möglicherweise mit ihrem höheren Bildungsniveau und ihrer psychischen Gesundheit vor der Migration zusammenhängt. Dies kann sich jedoch aufgrund externer Faktoren ändern, mit denen sie während des Migrationsprozesses konfrontiert werden, wie etwa Rassismus, Akkulturation, Ausbeutung, Diskriminierung und Gewalt, die wiederum ihre psychische Gesundheit beeinträchtigen können. Andererseits zeigen Studien in Europa, Asien und Australien, dass Migranten häufiger psychische Probleme haben, insbesondere wenn sie aus Entwicklungsländern oder aus Ländern mit erheblichen kulturellen Unterschieden kommen. Schließlich ist auch in Israel und China bei Migranten eine höhere Prävalenz psychischer Störungen zu beobachten als bei der einheimischen Bevölkerung. Im Jahr 2022 nahmen Europa und Asien die Mehrheit der internationalen Migranten auf (61 % der Gesamtzahl).
Andererseits wurde hervorgehoben, dass soziale Unterstützung dazu beiträgt, die negativen Aspekte des Migrationsprozesses abzumildern. Soziale Interaktionen, die Unterstützung bieten und die Integration erleichtern, mildern die Auswirkungen wahrgenommener Probleme und verringern das Ausmaß von Depressionen und Ängsten, insbesondere bei Menschen mit mittelschweren oder schweren Symptomen. Andererseits führen der Mangel an Unterstützung und die Wahrnehmung schwerwiegender Schwierigkeiten in Bereichen wie Arbeit, Wohnen, Behördengängen und sozialen Beziehungen häufiger zu psychischen Problemen und Störungen.
Schlussfolgerungen
Angesichts der Komplexität der Migration ist es wichtig, dieses Phänomen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und seine besonderen Merkmale zu berücksichtigen, insbesondere bei gefährdeten Gruppen, die stärker zu psychischen Problemen und Störungen neigen. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, den Kontext und die Besonderheiten des Migrationsprozesses zu berücksichtigen, den jede Person auf ihrem Weg zur Integration im Aufnahmeland erlebt hat. Jede Gruppe und jeder Einzelne hat spezifische Migrationsursachen und -probleme. Daher ist es wichtig, soziodemografische, psychologische und kulturelle Aspekte, die Herkunftsregion, gelebte Erfahrungen und den Akkulturationsprozess zu berücksichtigen. Dieser umfassende Ansatz würde es Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen ermöglichen, die psychische Gesundheitsversorgung von Migranten und der Bevölkerung insgesamt zu verbessern.
Um dies zu erreichen, ist es von entscheidender Bedeutung, die Gesellschaft im Allgemeinen und insbesondere Beamte und Arbeitnehmer in Bereichen wie Sozialdiensten, Gesundheit, Bildung und Justiz für Zwangsvertreibung, Flucht und Migration und deren Ursachen zu sensibilisieren, da sie bei der wirksamen Integration von Migranten in ihre neue Umgebung entscheidende Akteure sind. Darüber hinaus muss die Migrationspolitik neu definiert und unterstützter, empathischer und wirksamer gestaltet werden. Es müssen geeignete Erkennungs- und Präventionsstrategien entwickelt werden, die auf die besonderen Bedürfnisse von Migranten eingehen und ihr psychisches Wohlbefinden fördern. Hierzu gehört die Bekämpfung sozialer Ausgrenzung und Ungleichheit durch entsprechende soziale Unterstützung.
Bibliografie
· Clemente Díaz Miguel, Reig-Botella Adela, Sangiao Bastida Inmaculada. (2018). MIGRACIÓN Y SÍNDROME DE ULISES: SER NADIE EN TIERRA DE NADIE. BARATARIA. Revista Castellano-Manchega de Ciencias Sociales. Nº 24, pp. 27-43
· D. Alarcón Renato, Gurpegui Manuel, Gutiérrez-Rojas Luis, Jurado Dolores, Martínez-Ortega José M., Mendieta-Marichal Yaiza. (2017). Factores asociados a malestar psicológico o trastornos mentales comunes en poblaciones migrantes a lo largo del mundo. Revista de Psiquiatría y salud Mental, Volumen 10, Issue 1. Volumen 10, Issue 1, January–March 2017, Pages 45-58.
· García Ramírez Manuel, Martínez García Manuel Francisco, Maya Jariego Isidro (2001). El efecto amortiguador del apoyo social sobre la depression en un colectivo de inmigrantes. Psicothema. Vol. 13, nº 4, pp. 605-610.
· Vilar Peyrí Eugenia, Eibenschutz Hartman Catalina,. ( 2007, 11 de octubre). Migración y salud mental: Un problema emergente de salud pública. Rev. Gerenc. Polit. Salud vol.6 no.13 Bogotá July/Dec. 2007
· Informe sobre las Migraciones en el Mundo 2024. (2024). Organización Internacional para las Migraciones OIM, ONU Migración.
Migration und die psychische Gesundheit von Migranten (von Angelica)
„… du fragst mich, Zyklop, wie mein Name ist… Ich werde es dir sagen, mein Name ist Niemand, und Niemand nennen mich alle…“ Odyssee, Gesang IX
Einleitung
Migration ist ein Phänomen, das
oft zur Entmenschlichung neigt, da es aus demografischen und
sozioökonomischen Perspektiven betrachtet wird, anstatt den Migranten in
den Mittelpunkt zu stellen, der die Hauptfigur dieser komplexen
Realität ist. Der Migrationsprozess ist per se stresserzeugend, daher
ist es entscheidend, den Fokus auf die Menschen und die Stressfaktoren
zu legen, die ihre psychische Gesundheit beeinträchtigen können. Die
Migrationstrauer verdeutlicht die Anzeichen, die Menschen während der
Anpassung an ihre neue Umgebung zeigen können.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Migrationstrauer eine Reihe von Symptomen aufweist, die mit Depressionen verwechselt werden könnten und fälschlicherweise als solche behandelt werden. Wer Symptome der Migrationstrauer zeigt, leidet nicht an einer klinischen Depression, sondern durchläuft einen natürlichen Prozess der Gewöhnung an die neue Umgebung, der, wenn er falsch gehandhabt wird, verschiedene Syndrome oder Pathologien auslösen könnte. Dieser Text wird die Ursachen und Symptome dieses psychischen Problems erläutern und die wichtigsten Unterschiede zwischen klinischer Depression und Migrationstrauer aufzeigen, um die Unterscheidung und ein besseres Verständnis dieses psychischen Gesundheitsproblems zu erleichtern.
Entwicklung
Migration ist ein
wesentlicher Teil der Menschheitsgeschichte, angetrieben durch den
Wunsch nach einer besseren Lebensqualität. Seit dem ersten Jahrzehnt des
21. Jahrhunderts ist ein deutlicher Anstieg der Migrationsbewegungen zu
beobachten, der durch globale Konflikte verstärkt wurde, die die
menschliche Mobilität erhöht haben. Die geschätzte Gesamtzahl von 281
Millionen Menschen, die im Jahr 2020 in einem anderen Land als ihrem
Geburtsland lebten, ist um 128 Millionen höher als im Jahr 1990 und mehr
als dreimal so hoch wie im Jahr 1970. (Weltmigrationsbericht 2024.
2024). Daher ist die Motivation groß, über dieses aktuelle Thema zu
sprechen.
Die Migrationstrauer
Migration
bedeutet, sich verschiedenen Herausforderungen und Veränderungen zu
stellen, die bei den Betroffenen Stress auslösen können. Die
Migrationstrauer, auch bekannt als „Trauer um den kulturellen Verlust“,
ist ein Prozess, der die Transformation der Identität von Einwanderern
und die emotionale Anpassung an die mit der Migration verbundenen
Verluste beinhaltet. Dies geschieht, wenn Menschen ihren Heimatort
verlassen, um an einen anderen Ort zu ziehen, und ihre Identität in
einer neuen Umgebung neu strukturieren müssen. Durch diese Trauer können
Menschen eine neue, reichere Identität entwickeln; einige Einwanderer
spiegeln diese Bereicherung in ihrer Reife und Weltsicht wider. Die
Anzeichen der Migrationstrauer können in Intensität und Art variieren,
abhängig von Faktoren wie dem Bewältigungsstil und den sozialen
Umständen. Sie lassen sich unterteilen in:
Partielle Trauer. Im Gegensatz zur totalen Trauer (um den Tod) verschwindet bei der Migration das „Objekt“ der Trauer (das Heimatland) nicht, sondern es gibt eine Trennung, und die Möglichkeit, den Kontakt aufrechtzuerhalten, besteht.
Wiederkehrende Trauer. Der kontinuierliche Kontakt mit dem Heimatland, erleichtert durch die Globalisierung und digitale Medien (Internet, soziale Netzwerke), belebt die Bindungen wieder und macht die Trauer wiederkehrend.
Multiple Trauer. Es ist der gleichzeitige Verlust verschiedener bedeutender Aspekte. Es werden sieben Arten von Trauer identifiziert:
Familie und geliebte Menschen: Die Trennung von der Familie und den engsten Bezugspersonen.
Sprache: Der Verlust der Muttersprache und die Anstrengung, eine neue Sprache zu lernen.
Kultur: Die Anpassung an neue Werte, Bräuche und Weltanschauungen.
Heimat: Die Sehnsucht nach der Landschaft, dem Klima und der natürlichen Umgebung.
Sozialer Status: Der Verlust der sozialen Stellung, der Arbeit und der Möglichkeiten.
Kontakt mit der Bezugsgruppe: Diskriminierung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Physische Risiken: Die mit der Migration verbundenen Gefahren wie Unfälle, Gewalt oder Krankheiten sowie die Lebensbedingungen im Aufnahmeland.
Zur Migrationstrauer können Faktoren hinzukommen, die die Integration und Anpassung an das Aufnahmeland erschweren, wie Arbeitslosigkeit, Stigmatisierung, Menschenrechtsverletzungen, Rassismus und andere. Somit kann diese Trauer in drei Intensitätsstufen unterteilt werden:
Einfach: Die Anpassung verläuft ohne größere Probleme, wobei die Person über eine angemessene Fähigkeit verfügt, ihre Emotionen effektiv zu bewältigen und zu kontrollieren.
Kompliziert: Wenn es einige Schwierigkeiten bei der Anpassung gibt. In diesen Fällen wird die Trauer dennoch verarbeitet, überwunden, und die Person geht weiter.
Extrem: Wenn sich das Syndrom des Odysseus entwickelt. In diesem Fall lebt der Migrant in einem Zustand extremen Stresses, einer extremen Trauer, die nicht verarbeitet werden kann, was die Vorteile der Migration zunichtemacht und zu einer permanenten Krise führt, die das Risiko erhöht, eine Störung zu entwickeln.
Emotionsregulation
Die
Emotionsregulation ist ein wesentlicher Bestandteil der Fähigkeit,
Emotionen effektiv zu bewältigen und zu kontrollieren, was beeinflusst,
wie die Migrationstrauer verarbeitet wird und ob psychologische Symptome
wie Depressionen, Angstzustände und somatische Symptome auftreten. Sie
wirkt als Schutzfaktor, der hilft, die mit der Migrationstrauer
verbundene Symptomatik zu verhindern oder zu mildern.
Depression
Andererseits
ist Depression ein komplexes Phänomen, das die Menschheit im Laufe der
Jahre begleitet hat. Es ist eine vorübergehende oder dauerhafte
Stimmungsstörung, die Gedanken, Verhalten und die Fähigkeit
beeinträchtigt, im täglichen Leben zu funktionieren. Es handelt sich
nicht um eine einfache Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit für kurze
Zeit, sondern um einen anhaltenden Zustand, der das Leben der Person
erheblich beeinträchtigen kann.
Es gibt drei verschiedene Ebenen:
Symptom: Isoliert oder in Begleitung anderer, ohne direkten Zusammenhang.
Syndrom: Basierend auf Traurigkeit, wobei die Symptome miteinander verbunden sind.
Störung: Wenn bestimmte charakteristische und nachweisbare Symptome auftreten.
Depressionen entstehen durch verschiedene Ursachen, wie Ereignisse des täglichen Lebens (Verluste oder die Unfähigkeit, mit ihnen umzugehen), chemische Veränderungen im Gehirn, Nebenwirkungen von Medikamenten, verschiedene körperliche Störungen, genetische und evolutionäre Faktoren.
Im Folgenden ein Vergleich der charakteristischen Symptome zwischen Migrationstrauer und Depression:
Symptome
Depression: Die Symptome sind anhaltend.
Tiefe Traurigkeit, Verlust von Interessen, Schlafstörungen.
Beeinträchtigt ständig die Stimmung und die täglichen Aktivitäten, z.B. die Arbeitsfähigkeit, die Aufrechterhaltung von Beziehungen.
Kann Gefühle von Leere und tiefer Verzweiflung einschließen, unabhängig von einem bestimmten Ereignis.
Erfordert in der Regel eine professionelle therapeutische Behandlung und in einigen Fällen Medikamente.
Gedanken der Wertlosigkeit und Schuld.
Müdigkeit und Hoffnungslosigkeit.
Suizidgedanken.
Ohne therapeutische Behandlung kann sich die Depression verschlimmern und chronisch werden, was die psychische Gesundheit beeinträchtigt.
Migrationstrauer: Die Symptome können vorübergehend auftreten und variieren in der Intensität.
Traurigkeit, Nostalgie, Sehnsucht nach dem Heimatland.
Kann die Stimmung und Emotionen beeinflussen, beeinträchtigt jedoch in der Regel nicht die Fähigkeit, tägliche Aktivitäten auszuführen.
Kann mit der Hoffnung auf Anpassung an die neue Umgebung koexistieren.
Je nach Intensität der Symptome kann sie mit oder ohne Therapie verlaufen, die Besserung erfolgt durch emotionale Unterstützung und angemessene kulturelle Integration.
Tendiert dazu, sich zu verbessern, wenn sich die Person an die neue Umgebung anpasst. Kann jedoch zu einem Odysseus-Syndrom oder sogar zu einer Depression führen, wenn sie nicht angemessen bewältigt wird.
Schlussfolgerungen
Obwohl
die Migrationstrauer Merkmale mit der Depression teilt, unterscheidet
sie sich in Intensität, Häufigkeit, Zeitlichkeit und Motivation. Diese
Unterschiede zu erkennen, ist entscheidend für die psychologische
Begleitung des Migranten, weshalb eine genaue Diagnose unerlässlich ist.
Migration ist ein dynamisches Gleichgewicht, in dem sowohl positive als auch negative Aspekte überwiegen. Die Migrationstrauer ist ein Anpassungsmechanismus an die neue Umgebung, ein temporäres psychisches Gesundheitsproblem und keine Krankheit. Eine falsche Handhabung kann jedoch zu schwerwiegenden Pathologien führen. Darüber hinaus sehen sich Migranten mit multiplen Stressfaktoren konfrontiert, wie Arbeitslosigkeit, Stigmatisierung, Gewalt und Diskriminierung.
Dass die Migrationstrauer partiell ist, macht sie nicht einfach. Sie betrifft sowohl die Einheimischen als auch diejenigen, die im Heimatland bleiben.
Eine Schlüsselvariable bei der Anpassung ist die Emotionsregulation, die beeinflusst, wie Verluste verarbeitet und die Herausforderungen der neuen Umgebung bewältigt werden. Die Verbesserung dieser Fähigkeit ist entscheidend, um psychische Gesundheitsprobleme in dieser Population zu verhindern.
Bibliografie:
https://www.mayoclinic.org/es/diseases-conditions/depression/expert-answers/clinical-depression/faq-20057770
https://revintsociologia.revistas.csic.es/index.php/revintsociologia/article/view/328
https://www.who.int/es/news-room/fact-sheets/detail/depression
https://scielo.isciii.es/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S1137-66272006000200006
http://www.scielo.org.co/scielo.php?pid=S1657-92672017000400151&script=sci_arttext
https://psicovalero.wordpress.com/2018/03/08/depresion-depression-mdd-trastorno-depresivo-mayor/
https://portal.guiasalud.es/gpc/?_sfm_wpcf-estado=1
https://www.redalyc.org/pdf/6844/684475933006.pdf
https://www.temasdepsicoanalisis.org/wp-content/uploads/2011/12/ACHOTEGUI-PDF1.pdf
https://www.fundacioorienta.com/wp-content/uploads/2019/02/Achotegui-Joseba-11.pdf
https://www.tanatologia-amtac.com/descargas/tesinas/136%20Duelo%20migratorio.pdf
https://repositorio.comillas.edu/xmlui/bitstream/handle/11531/32145/TFM001044.pdf?sequence=1&isAllowed=y
Donnerstag, 1. August 2024
Albtraum#1 / Albtraum #2 / Albtraum #3
Auf dem Brett serviert,
blass und frisch seziert,
Eiskalte Gefühle.
Und die Reste in die Spüle.
Ich hab nachts beim Regen,
lange wach gelegen,
in die Finsternis geschaut.
Mir war kalt in meiner Haut.
Dann lief ich im Traum
durch einen dunklen Raum
auf der Suche nach dem Licht
oder einer Tür.
Doch es gab dafür
nur mein Ich ohne Gesicht.
......
Ich fahr in einem Auto,
der Mörder sitzt bei mir.
Hinter uns die Polizei,
etwa nachts um vier.
In Säcken auf der Rücksitzbank,
da liegen Frau und Kind
Der Mörder hält den Colt solang
wir in Bewegung sind.
Dann halten wir und ich sag stur
„Die Polizei kommt gleich.“
Er sagt: „Ich werf den Ballast nur
dort hinten in den Teich.“
Im See, da ist das Wasser klar
und beide sinken schnell
ich stehe ganz verzweifelt da
und langsam wird es hell.
Die Polizisten sind zwei Frauen,
und eine springt ins Nass.
Die andere macht mich los vom Baum
und setzt mich dann ins Gras.
Die Kollegin kommt zurück:
„Die Frau hat’s überwunden.
Mit dem Kind hatt ich kein Glück.
Das hab ich nicht gefunden.“
…..
Ich geh an einem Haus vorbei
auf einem weißen Weg.
oder ist es doch ein Schloss,
und denk mir nichts dabei,
als mich ein grauer Mann
begrüßt, der keine Schatten wirft,
und mich danach sogleich umarmt
und mich am Halse würgt.
Die Luft wird knapp, der Rücken krampft
und davon werd ich wach
und eine Stimme sagt mir sanft,
„Du weißt, wer das gemacht!“
„Ich weiß es wohl und weil ich’s weiß,
kommt er gewiss nicht wieder!“
sage ich und bete leis
und leg mich nochmals nieder.
Sonntag, 21. Juli 2024
Zwei-Seiten-Torheit
Da
lese ich die zwei Seiten der Geschichte und denke mir hmm, hmm. Gibt es
ein Falsch und ein Richtig? Hmmm, hmm und dann nicke und lächle ich. Wie doch alles
ineinandergreift. Papier und Fleisch und Eisen und Stein und Holz (beispielhaft).
Liebe böse Freunde, ihr grausamen Kinder! Man kann hinsehen und lächeln,
dabei kurz aufstossen oder wegsehen aus dem Fenster, auf die alten
Leute mit ihren Hunden. Ich lasse täglich bestimmt mehrere Menschen
verhungern, irgendwo, bestimmt denn ich zahle keine Spenden. Aber ich kümmere mich auch um jemanden
(bin also nicht wirklich böse). Ich weiss Bescheid. Bescheid wissen kann
aber jeder. Weiss auch jeder. Ich würde sogar gern glauben, wenn das
nicht so lächerlich schiene. I want to believe. Ich bin auch
gebildet, ja, was machen mit der Bildung? Bildung macht doch
schwindelig. Schwindelig vor Ohnmacht. So kurz zum greifen nah ist
(siehe Nichtabbildung Seifenblase). So klar, so kurz davor. Nur ankommen
geht nicht (leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass). Ich werde immer
schneller, ja produktiv, wenn ichs bedenke (und wehe jemand sagt was
anderes). "Platz" (siehe Nichtabbildung Seifenblase). Koffeinträume das
alles, rhytmisches Pochen der Schläfen, Zucken der Finger. Zerrinnt in
Zahlenkolonnen. Ist nicht vergleichbar, nur ähnlich. Papierausscheidung.
Ich sollte Papier essen und mein Essen verschenken. Gib meinem Leben
einen Sinn, sage ich. Die weisse Masse sucht in der grauen Masse, dann
zuckt (siehe Nichtabbildung Abbildung) und sagt:
'Das wars Solo, man
kann doch nicht ewig warten, es kommt da nichts mehr. Nur du gehst. Das
sagen wir dir. Du sitzt in einem Treibhaus.'
'Das weiss ich doch,' antworte ich, 'die alten Leute draussen haben Pelze und die Hunde auch, das seh ich doch.'
'Dann geh doch raus!'
'Woraus?', frage ich.
'Kauf dir einen Hund.'
'Ach, das ist es?'
'JA. Der Hund führt dich.'
Fraktale Dekonstruktion
Heute geht es weiter in den Kaninchenbau, oh Freunde. Menschliche Gedanken an sich sind fraktaler Natur. Sie sind selbstähnlich, unendlich und man jagt ihnen hinterher bis hin zur Vergrösserung der Vergrösserung der Vergrösserung (einer Kopie einer Kopie). Wer je Fraktalprogramme benutzt hat, weiss, was ich meine. Der Verstand kennt keine Atome, ist nicht auf die Abzählbarkeit der physischen Welt angewiesen (schliesslich konnte er ja nichts davon wissen). Ist man gefangen im Fraktal, nützt es nichts, "auf der Schulter von Giganten" zu stehen, Grösse spielt da eine relative Rolle. Aber man muss den Mut haben, stehen zu bleiben und hinabzuschauen, ja schwieriger noch hinauf, denn jede Ebene ist recht und gut, wenn man erkennen will, dass man in keine Richtung entrinnen kann, solange man sich nach den Gesetzen des irren Gartens bewegt. Und wie kommt man aus einem Irrgarten heraus? Richtig, man muss Löcher durch die Hecken schneiden. Ein Fraktal hat eine gebrochene Dimension, ist etwas knäuel-, schwamm- oder ornamentartiges. Es versucht, eine bestimmte Fläche oder Raum auszufüllen. Dieser Raum kann, Ebene für Ebene, grobschlächtig mit Pfählen abgesteckt werden. So machen es die formalistischen Optimisten. Und so macht es die atomare "Realität". Ob in dieser Approximation Wahrheit liegt, ist irrelevant, denn die Wahrheit ist möglicherweise genau jener seltsame Attraktor, dem es zu entkommen gilt. Mit diesen Pfählen nun haben sie Koordinaten und Abstände und können schauen, wie gross ihr Gigant wirklich ist.
Samstag, 20. Juli 2024
Weckruf eines Erstarrten (Rico's Edit)
Folgend eine Umdichtung bzw. eine Variation des gleichnamigen Gedichtes von Volker Grieß aus seinem Buch "Gezeiten der Wandlung: Gedichte für Menschen auf Wegen der Initiation". Er möge mir den Eingriff verzeihen. Wenn ihr auf das das Original gespannt seit, könnt ihr dem Link folgen und sein Buch erwerben. Es lohnt sich! Dem Stoiker sei auch das Gedicht "Die heitere Schildkröte" empfohlen. Ihr findet es in diesem Gedichtband auf Seite 28. Aber nun zum "Weckruf":
Wir, die aus den Wochenkrippen
zu Walen wuchsen, die nicht schwimmen:
Sind wir bereit, die scharfen Klippen,
des Schmerzes bis zur See zu klimmen?
Es schimmerte des Meeres Busen
von weit her, als wir schwach und klein.
Als könnte nicht auf unser Rufen
das Leben und das Werden sein.
Wir sind, wenn Liebe sich entfaltet,
wie eingefror'n im stillem Schrei.
Die Schönheit öffnet sich, uns spaltet
es im Innern tief entzwei.
Bleib jetzt Bruder, bleib jetzt Schwester!
Komm sei mutig, lass dich ein!
Welch ein Wunder wäre es,
im Wasser und ein Wal zu sein.
Mittwoch, 10. Juli 2024
You're safe until the fire starts
(Diesen Text habe ich aus meinem alten Blog "Froschtümpel" übernommen, Foto und Titel stammen von dieser Quelle.)
Szenerie Eins: Wieder sitze ich in einem Käfig, der ist in einem grossen, leeren
Saal, Geräusche und bunter Nebel fliehen von irgendwo. Dann setzt sich
eine Raucherin vor mich und erschüttert mich mit ihrem
Nikotin-Nihilismus. Gar nichts sei als man selbst, und das könne man
alles ändern. Es gäbe das Feste ERST nach der Beule. Sie gibt mir ihre
Zigarette für das Schloss. Es gäbe auch keinen Nutzen, keinen Sinn, nur
Emotionen. Tu was du willst. Weg mit mir, mit dir, keine Bilder mehr
jetzt. Sei ein wildes Tier. Der Käfig brennt.
Szenerie Zwei: Ich hab es geschafft, die Feder ist überspannt und gebrochen. Nutzlos
klimpert sie im Abwärtsgang. Auf schiefer Ebene fahre ich hinab mit
schwerer Fuhre. Der Motor bremst und läuft heiss. Metallischer Geruch
drückt die Brust. Funken blitzen, die Hülle zerfällt, die Räder
springen, hulahopp, hopp, hopp. Alte Tonbänder spielen, eine Puppe weint
im Rauch. Ich bin wach, hellwach, das Wasser ist kalt, die Optik
kristallklar, Wale singen mir ein Schlaflied. Doch ich kann nicht
schlafen, ich muss noch weit gehen. Mit einer Fussfessel, an der Kette,
an der Kugel.
Szenerie Drei: An einem Bootssteg am Fluss halte ich an, knie
nieder und tauche einen Finger in den Strom. Das Wasser weicht meinem
Finger, umfliesst ihn. Die Trennung ist schmerzlich, ich werde traurig.
Warum berührt das Wasser mein Innerstes nicht? Gedanken wandern... Weil
keine Öffnung dem Element Einlass gewährt? Von dieser Idee freudeerfüllt
schöpfe ich beide Hände voll und will schon trinken. Plötzliches Grauen
erfüllt mich. Was, wenn Gift darinnen wäre?
Szenerie Vier: Eine weisse Ebene. Ich fühle mich einsam. Ich sehne mich nach meinem Käfig, während sich unter
mir schon alles in Falten zieht. Das ist die Ziehharmonika des Lebens
(mal ist es lang, mal ist es kurz). Eine laute Melodie. Auf einer
wuchtigen Bassnote fliege ich davon.
Freitag, 7. Juni 2024
Die Handlung, die Wandlung
Die trotzige Behauptung: das Handeln offenbare den Charakter. Was ist
nun ein Charakter? Ist es ein Unterschied, ob man liebevoll zubereitete
Moral, die man dankenswerterweise kindgerecht aufgegessen hat, in sich
fühlt oder sich Moral als Erwachsener aneignen muss? Die Moral als
Muttersprache. Das Moralgebäude ist mit vielfachen logischen
Fallstricken bespannt.
Vom "Das macht man eben so." bis zum "Deshalb
macht man das so." ist es beim Lernen der Syntax ein Weg. Dazwischen
kommt "Ist das wirklich gut für den anderen und für mich? Warum? Warum
tut es dann weh? Wieso darf ich nicht verdrängen? Werde ich manipuliert?
Ist Manipulation schlecht?" Beim nüchternen und schonungslosen
Durchdenken prallt man grauenhafterweise gegen unangenehmen Egoismus,
Feigheit und auch schwarze Monster, die vorgeben, die Realität zu sein.
Das heisst auf der einen Seite sind sie hübsch, nur auf der anderen
schwarz und hässlich (wer hat das gesagt?) "Hoppla, Herr Monster!",
entschuldigt man sich und verbeugt sich linkisch und zieht den steifen
Zylinder gerade so, als solle etwas hineingeworfen werden. Besser, sie
alle zu entlassen, die inneren Klassenkameraden? Ja, denn sie sind
verdorben, edle Schimmel sind sie. Sie hinterlassen Leere.
Das fordert
Mut vor sich selbst und ist so seltsam, dass man sich wiederum fragt:
Warum? Wieso darf ich nicht Krüppel bleiben? Oder bin ich heil und werde
zum Krüppel? Wo ist die Wahrheit? Wird mir mein Ich genommen oder wird
mein Ich? Ist am anderen Ende des Ichs das Du, das Wir oder wieder nur
ein Ich und welches? Gebe ich mir etwa selbst die Hand?
Aber ja doch,
ich bin ja alle. Halt, ich darf nicht alle sein. Der Imperativ hat es
mir verboten. Der innere. Da ist noch ein anderer. Die beiden kämpfen,
ich bin das Schlachtfeld. Halt nochmals. Klingt das nicht passiv? Nein,
denn ich lasse kämpfen. Ich habe sie beide bezahlt. Bald bin ich alle.
Bald bin ich wie alle anderen. Die Synapsen werden mir aus den Ohren
herauswachsen wie Tentakel und mich mit allen Wesen verbinden. Ich werde
unsere Fehler verstehen.
Donnerstag, 14. Oktober 2021
Gestaltung des Geistes
Was für ein schöner Titel. Aber bauen wir jetzt auf dem Vorangegangenem auf. Wir definieren den Geist als die Gesamtmenge aller Vernünfte einer Person. Der Verstand wiederum war ja schon als Summe derjenigen Hirnfunktionen, die den Input auswerten und mit den ausgebildeten Vernünften verwerten, festgelegt. Der Verstand benutzt also den Geist und der Geist beeinflusst den Verstand. Es ist also von äußerster Wichtigkeit, dass wir den Geist richtig gestalten. Dann kann ihn der Verstand so benutzen, dass er mit seiner Umwelt vorteilhaft interagiert.
Für die Gestaltung hatten wir vier Wege ausgemacht, Addition, Subtraktion, Überlagerung und Transformation, wobei die Überlagerung durchaus Schnittmengen mit Addition und Transformation aufweist. Addition und Subtraktion können wir schnell abhaken, sie stellen Wissenszuwachs und Vergessen dar. Das gesammelte Wissen sollte miteinander harmonieren, sich ergänzen, aufeinander aufbauen, das Oberstübchen also geschmackvoll möbliert werden. Spielzeuge sollten auch nicht fehlen. Es gibt Leute, die sehr viel Spaß an ihrem Wissen haben, etwa Musiker und Künstler allgemein, Mathematiker oder Humoristen.
Transformation, also die Verzerrung des Geistes kann man wohl durch Drogen oder Askese erreichen, aber auch durch starke negative oder positive Erlebnisse. Oft funktioniert danach der Verstand nicht mehr so richtig, weil die Werkzeuge des Geistes nicht mehr das richtige Ergebnis liefern. Wichtige Verzerrungen alltäglicher Art sind positive oder negative Glaubenssätze, wie unten noch beschrieben. Diese haben einen starken Einfluss auf den Verstand.
Am interessantesten ist tatsächlich die Überlagerung. Man kann Geister mit ihren Vernünften aufeinander abbilden, vergleichen und sogar angleichen (Vorbild). Nach dem Vergleich kann man aber eventuell auch missliebiges erkennen. Besonders interessant ist es sicher, Geister mit völlig verschiedenen Vernünften abzugleichen oder anzugleichen, wie es etwa manche Schauspieler tun.
Die Brille des Geistes, durch die der Verstand die Umwelt selektiv wahrnimmt, ist eine weitere Form der Überlagerung. Und auch sie gestaltet durch Rückkopplung den Geist.
Der erste Schritt zur Geistesgestaltung ist die Inventur des Geistes oder im Spielejargon: des Charakters. Wer hat dir welche Fähigkeiten (Vernünfte) gegeben? Die ganze Familie wird abgegrast, die Freunde, die Lehrer, die Vorgesetzten, die Bekannten und ihre Hinterlassenschaften in deinem Gehirn.
Dann kann man das schädliche Zeug aussortieren. Am schwierigsten ist dies bei tief verankerten Kindheitserfahrungen. Dort muss man mit elterlichen Strategien arbeiten, die mit kindlichen Grundbedürfnissen konkurrierten und so kindliche Vernünfte erzeugten. Bei Kindern heißen die fundamentalen (Ordnungs-) Wahrnehmungen Glaubenssätze. Aus Ihnen entstehen die ersten Vernünfte, die zur Verstärkung, Abschwächung oder Umkehrung des Glaubenssatzes dienen sollen.
Wen das näher interessiert, der kann Stefanie Stahls „Das Kind in dir muss Heimat finden“ lesen. Glaubenssätze formen durch ihre resultierenden Vernünfte den ersten und meist unbewussten Geist eines jeden Menschen und dieser kann auch schon in einem Mindset kanonisiert sein, wenn die Glaubenssätze in eine Richtung deuten. Man kann diesen kindlichen Geist gern in mehrere Entitäten unterteilen, etwa Schattenkind und Sonnenkind.
Ist man den Kinderjahren entwachsen, kann man seinen Charakter entweder nach Vorbildern oder frei weiterentwickeln. Was kann ich gut, was macht mir Spaß, was passt noch dazu? Was ist cool? Dabei gibt es auch einige Fähigkeiten, die man ablehnen sollte, auch wenn man Talent dafür hat, zum Beispiel kriminelle oder selbstzerstörerische Fähigkeiten wie Schlösser knacken und Trinkfestigkeit.
Ganz wichtig für die Gestaltung ist die sogenannte kognitive Dissonanz, also die Differenz zwischen Wunsch und Realität (die Randbedingungen), die Differenz zwischen eigenen Wünschen und den Wünschen anderer (ebenfalls Randbedingungen). Das eigene Ego entspricht vielleicht nicht dem was man als Realität wahrnimmt oder es entspricht nicht den Wünschen der Gesellschaft oder des Partners. Kognitive Dissonanz ist immer die Gelegenheit etwas loszulassen, etwas dazuzugewinnen oder aber auch etwas zu zerstören.
Die mächtigsten Worte bei der Gestaltung des Geistes sind übrigens nicht: "Ich denke (so), also bin ich (so)!", sondern "Ich bin (so), also handle ich (so)!". Ausgehend von einem Wunsch muss man entsprechend tätig werden, um den Wunsch zu erreichen. Wunschdenken ist nicht magnetisch, sondern ein fundamentaler Ausgangs- und Ausrichtungspunkt der Selbstdefinition und des folgerichtigen Handelns. Dabei muss man meistens den Weg von Anfang her gehen und kann nur selten irgendwo in die Mitte reinspringen.
Will man zum Beispiel mit dem Rauchen aufhören, lautet der Satz "Ich bin Nichtraucher, also rauche ich nicht."
Bei der Behandlung von Depressionen ist ja ein zentraler Satz, "Meine Gedanken sind nicht ich". Dem möchte ich widersprechen. Sie sind Ich, aber mittels kognitiver Dissonanz kann man sie als fremd erklären und damit verabschieden. Ebenfalls widersprechen möchte ich der Meinung, dass man negative Zwangsgedanken nicht unterdrücken soll. Das kann aber ein sehr probates Mittel (emotional thought stopping), mit dem diese Gedanken nicht etwa priorisiert, sondern ganz im Gegenteil herabgewertet werden, bis sie manchmal verschwinden. Vielleicht ist es wichtig, dabei zu unterscheiden zwischen Problemen, die gelöst werden müssen und solchen, die gar keine Lösung (mehr) haben.
Eine literarische Verarbeitung des Themas findet man bei Dan Sugralinovs "Next Level"- Trilogie.
Mittwoch, 4. August 2021
Vom Vorteil, verrückt zu werden
Es gibt keine Gebrauchsanweisung für diesen Text. Betrachtet
man das Leben nüchtern und normal, gibt es eigentlich, nachdem man
in die vertragsverpflichtete Generation über 30 eingetreten ist, keinen
vernünftigen Grund mehr, ein Ego zu besitzen. Behält man es, wird es
doch zerrieben zwischen Partner, Kind und Job. Vielleicht auf dem Abort
kann man es ab und zu benutzen. Oder man lässt es ganz, ganz
einfach los und ist eben für die anderen da, als Zahnrad, als
Sandwich, als Sorgenonkel. Das ist die eine Art, davonzukommen.
Vielen gelingt das problemlos. Die, die ihr Ego mögen und festhalten,
werden Egomanen, Zyniker, Trinker, depressiv oder aber verrückt. Am besten,
man wird verrückt. Ganz im positiven Sinne! In diesem Falle ist der
Weg wirklich mal das Ziel, an das auch viele andere Wege führen,
manche sogar in die Irre. Verrückte Menschen werden für ihre
Unberechenbarkeit geschätzt, jaja. Sie sind nie allein, denn sie haben
einen ganzen Zoo im Kopf. Es gibt keine Langeweile mehr. Sie
gelten als kreativ, hüstel, usw. Ist natürlich ein schmaler Grat. Also
wie wird man verrückt: Erstmal stellen Sie sich selbst in Frage, dass
sowieso. Damit beginnt dann eine ganz große Scheiße.
Wenn sie die geistig überleben, fangen Sie an, ihre Welt frei zu gestalten, in
Gedanken. Und zwar ganz frei. Stellen Sie sich vor, wie klein der
Unterschied ist zwischen dazwischen und inzwischen. Na bitte.
Lachen Sie dann mindestens einmal pro Tag laut und hysterisch
wie ein verrückter Wissenschaftler eben. Lesen Sie vor allem
populärwissenschaftliche Bücher über Quantentheorie, daneben
deutsche Philosophen, Ufo-Esoterik und Schlumpfcomics.
Dann können sie auch schon damit anfangen, Unsinn zu machen und auch
andere dazu anzustiften. Erzählen Sie etwa allen, dass Schaden klug
macht und wie sie sich so schon einen sagenhaften IQ erarbeitet
haben. Dekorieren sie Essen und Essensreste ganz nach Gutdünken
zu Konzeptkunst und verlangen sie vom Ober Geld dafür (Sie können
wahlweise auch an rituellen Essenschlachten teilnehmen wie die mit
den Tomaten). Dann malen sie surrealistische Bilder, schreiben
unsinnige Gedichte und legen sich einen oder zwei unsichtbare
Freunde zu.
Benutzen sie auch ihre Mitmenschen als Schauspieler
oder Dekoration in ihrem freien Theaterstück. Stellen Sie sich dann
vor, dieses Theaterstück wäre keins, sondern ihr Leben sei so.
Herzlichen Glückwunsch. Sie sind frei und haben ihr Ego behalten.
Und niemand will es mehr von Ihnen haben, stattdessen wird man
anstehen, um seine Früchte zu haben, wenn Sie es gut anstellen.
Dienstag, 21. April 2020
Was ist eigentlich Vernunft ?
Beim Schauen der Diskussion
zwischen Herrn Friedman und Herrn Grün schien es mir, als stünde eine
logische Definition des Begriffes "Vernunft" im Raum, aber 45 Minuten
sind eben zu kurz für sowas. Hier also nun mein Senf dazu, der sich
ziemlich nah an Immanuel Kant orientiert.
Meiner Meinung nach ist ja Gott ein Axiom, zu dessen Verehrung die
Regeln der Religion Stück für Stück postuliert und mit moralischen
Logiken verknüpft wurden. Kant meinte übrigens, Gott wäre ein Postulat der moralischen und sittlichen Vernunft. Was ist nun aber Vernunft?
Vernunft ist ein Konstrukt aus Wunsch oder Wille (Axiom), Regel
(Postulat) und Begründung (Logik) in Einzahl oder Mehrzahl. Aus einem
vielleicht sogar emotionalen Wunsch heraus werden Regeln postuliert,
die dafür sorgen, dass der Wunsch respektiert und erfüllt wird. Diese
Regeln werden mit rationaler oder irrationaler Begründungslogik
verknüpft, meist sogar mit einer Mischung aus beiden. Diese Logiken
können auf individuellen oder kollektiven Erfahrungen beruhen (Wetter),
aber auch erfunden sein.
Wie
im oben genannten Gespräch schon anklang, gibt es eine individuell
praktikable Vernunft, die auf Eigennutz fußt und eine kollektive
Vernunft, in der die Standpunkte Vieler gemittelt oder normiert sind.
Eine weitere Kategorisierung der Vernunft könnte in geistiger und
materieller Vernunft bestehen.
Eine kollektive Vernunft wäre zum Beispiel das juristische Gesetzeswerk,
die Religion, aber auch die Moral (Sittlichkeit), handwerkliche
Verfahren, Demokratie oder Stilformen und Spiele aller Art. Eine
individuelle Vernunft wäre zum Beispiel eine Berufswahl (Berufung),
Partnerwahl, ja Auswahlprozesse jeglicher Art, aber auch Selbstbilder,
Ideale und Rituale.
Natürlich können individuelle und kollektive Vernünfte kollidieren, ja
verschiedene Vernünfte an sich kollidieren oft. Dann muss sprachlich
oder auch körperlich argumentiert werden, überzeugt oder verführt. Die
Regeln werden dadurch neu ausgehandelt, die Vernünfte adaptiert. Die
Vernunft ist also auch der Evolution unterworfen.
Im Gegensatz zum Verstand, der eine Gehirnfunktion ist, ist die Vernunft
ein Prozess des Verstandes, der emotionale und rationale Sachverhalte
in Einklang (Ordnung) bringt und dafür sorgt, dass materielle und
geistige Dinge eine bestimmte angestrebte Ordnung einnehmen. Damit ist
eine Vernunft ein Ordnungsprozess. Vernünfte sind im Gedächtnis
gespeichert.