Mittwoch, 26. Dezember 2007

Praktische Weihnachten

Würde man unsere Familie einzeln befragen, würde jeder von uns beteuern, den anderen nicht zu kennen. Und das stimmt. Also wissen wir auch nicht, was wir uns zu Weihnachten schenken sollen und deswegen machen Anfang Dezember ominöse Anrufe die Runde: "Was wünschst du dir zu Weihnachten?" "Wer ist da?" "Dein Bruder." "Ah, ach so, hast jetzt eine neuer Nummer, was?" "Ja. Also was?" "Ich weiss nicht." "Wenn du es nicht weisst, bekommst du auch nichts" (Hier lege ich die nötige Dringlichkeit in die Stimme) "Ach, so, ja dann eine elektrische Zahnbürste." "Ist gemacht. Sonst alles in Ordnung?" "Ja, wir sehen uns ja dann". Und dann gibt es so praktische Dinge und jeder weiss was er bekommt. Die Bescherung verläuft entsprechend friedlich und zügig: "Ja, danke." Dann wird das traditionelle Räucherkerzchen angezündet. Wenn es noch unproblematischer vor sich gehen soll, dann wird es so gemacht: Jeder bestellt sein eigenes Geschenk (schon verpackt mit Gruss). Die Geschenke werden dann bei meinen Eltern bis Weihnachten gestapelt. Sauber. Ihnen mag das kalt und herzlos vorkommen. Dabei ist das die reine Barmherzigkeit, denn von uns kann keiner gut lügen. Deswegen haben wir uns früher bei unliebsamen Geschenken oft stundenlang traurig angeschaut. Wer will das schon verantworten?

Dieses Jahr hatten meine eine Schwester und ich Fotoapparate dabei . Mir ist aufgefallen, das ich keine Fotos von meiner Familie habe, die nicht noch schwarzweiss sind. Nun entstanden also Fotos auf freier Wildbahn. Schnell, bevor es entflieht!

Am 25.ten hat meine Mutter Geburtstag. An sich gar nicht so schlecht: Alles in einem Aufwasch. Ich hole dann also am 24ten früh Blumen. Und da bin ich nicht der einzige. Die Verkäuferin fragt mich: "Gestaffelt?" "Häch?" "Gestaffelt oder alle gleich lang?" "Häh? Äh ja." "Na also, was für Farben?" "Schön bunt. Lila, rot, gelb, weiss..." "Lila und gelb gehn nicht zusammen. Gelb und weiss gehen zu sammen." "Ja, dann bitte das." Zufrieden knurrend ob der Lektion bündelt sie die Pollenstände.
Zu Hause angekommen gibt es dann Mittagessen, dem die eine Schwester samt Schwager beiwohnt. Der Schwager ist bei der Postmodern. Dann gehen sie. Das machen sie richtig, denn nun kommen die Verwandten, die Tante und die Oma, zwei Quasselstrippen am Bande. Niemand anderes brauch reden. Nur wenn ich gefragt werde, ob ich denn immer noch promoviere, nicke ich kurz. Dann regt sich die Tante über die inkomptenten und langsamen deutschen Behörden auf. Ich mag die deutschen Behörden, ohne sie hätte meine Tante kein Thema. Ist der Kuchen gegessen und die biblische Plage verschwunden, wird es gemütlich. Wir schauen fernsehn, bis uns schwindlig wird. Das können wir alle am besten, das liegt in der Familie. Dann noch kurz Kartoffelsalat und das "Hasentöter"-Bier und jippiejeh, dann hab ich familienfrei, bis im Februar der Vater Geburtstag hat.

Eins

Mein zweiter Blog, mein zweites Tagebuch (macht drei, nicht verwirrt sein). Das erste Tagebuch enthielt nur wüste Beschimpfungen an die unkompetente Umwelt und war daher auch sehr unterhaltsam. Also für mich. Deshalb hiess es auch "Grapes of Wrath". Nicht das ich jetzt das Buch gelesen hätte. Mein anderer Blog ist nur für literarische Einfälle gedacht. Dort also bitte verstärkt hinklicken und lesen und erstaunte Kommentare hinterlassen, denn ich bin eine zarte Künstlerseele, die Zuspruch braucht.

Nun meinte N. kurz vor Weihnachten, ein Tagebuch würde mir gut tun. Ich würde die grossen Zusammenhänge meines Lebens begreifen. Da sitze ich also hier am zweiten Weihnachtsfeiertag auf Arbeit und blogge. Weil Der Internetstöpsler noch nicht in mein neues Heim vorgedrungen ist. Wenn es kalt ist, bleibt der gemeine Internetstöpsler gern in seiner Höhle. Ich arbeite im "Moritz-Matt-Institut" (Name geändert). Wir haben da ein sehr internationales Mitarbeiterdings. Also sitzt auch jetzt hier hinter mir eine Chinesin und tippt an ihre Verwandten. Das macht sie die ganzen Feiertage, weil (will ich nicht wissen). Was schreibt sie?
"Leute, da ist wieder mein deutscher Arbeitskollege. Was macht der am zweiten Weihnachtsfeiertag hier? Keine Familie, keine Freunde?" Nein, kein Internet zu Hause.

Hauptsächlich werde ich hier versuchen, meine Depressionen zu kurieren. Dafür habe ich mir ein Buch gekauft: "Feeling Good Workbook". Das ist ein Buch zur Verhaltenstherapie, das mir sagt, das die Dinge gar nicht so schlimm sind, wie sie sind, sondern ich das nur so sehe. Ich soll mich also fortlaufend selbst kontrollieren, ob ich so Gedanken wie "Immer ich!" oder "Das Leben ist öde" habe. Weil das ja nicht so ist. Das sind gestörte Gedanken.

Die Weihnachtsfeier hier im Institut verlief so: Mehrere Minuten redeten Menschen. Mehrere Sekunden gab es Schauvorführungen. Mehrere Stunden wurde die Technik auf und abgebaut. Unter zu Hilfe ! -nahme eines elefantösen Schiebewagens, dem man, ängstlich an die Wand gedrückt, ausweichen musste. Das Buffet wurde nicht eröffnet. Die Leute aßen bereits die Tannenzapfen von der Dekoration. Dann kam ein Sketch über Currywrst. Da musste ich weg. Zu den Puhdys. Die sangen "Wenn Träume sterben, dann wird es kalt." Wofür Heizungen nicht alles gut sein können. Und dann noch von einem Engel aus Eis, der "aufgewacht" wäre. Da ich gestörte Gedanken , habe, verstand ich nur "aufgebahrt" und applaudierte leidenschaftlich.
Ach ja.