Mittwoch, 8. Juni 2011
"Was sind eigentlich Quasikristalle?"
Eine kurze Antwort von mir auf eine Emailanfrage zu meiner Diss., weil ja vielleicht auch allgemein interressant oder auch nicht:
Tja, ein Quasikristall ist erstmal eine intermetallische Verbindung. Das Besondere am Quasikristall ist seine Struktur. In ihr gibt es keine einzelne Elementarzelle, die eine dreidimensionale periodische Fernordnung erzeugt. Statt dessen benötigt man mindestens 2 kleinste Baueinheiten (Elementarzelle kann man das nicht mehr nennen, man redet von 2D- oder 3D-Kacheln). Diese Kacheln kann man zu beliebig grossen Ausschnitten aus dem Gitter zusammensetzen. Um Aperiodizität zu erzeugen, benötigt man Anlegeregeln, die man sich so wie die Nasen eines Puzzles vorstellen kann, die ineinandergreifen.
Mit Ausschnitt aus dem Gitter ist nicht direkt die atomare Anordnung gemeint ist, sondern ein diese Anordnung beschreibendes Vieleck oder Polyeder (eben die Kachel oder die Elementarzelle als kleinster Ausschnitt) und Aufbauten aus ihnen. Das besondere an der Quasikristallstruktur ist, dass man jeden dieser Ausschnitte, egal welcher Grösse, ganz wie bei periodischen Gittern irgendwo anders im Gitter wiederfinden kann, nur eben nicht über Translation.
Ein weiteres Merkmal ist, dass sich kleine und grosse Ausschnitte aus dem Gitter von der Form her ähneln (Selbstähnlichkeit bei Vergrösserung (Inflation)), auch ganz wie bei periodischen Gittern aber kombiniert nun eben mit verbotener Drehsymmetrie (bis jetzt: 5, 8, 10, 12 ) und unregelmässigen Rändern. Mit Vergrösserung ist hier der Aufbau von grossen Einheiten aus kleineren gemeint.
Die Vergrösserung von Elementarzellen mit erlaubter Drehsymmetrie (1,2,3,4,6) erzeugt nur reguläre geometrische Flächen/Körper mit periodischem Aufbau und das Verhältnis der Abmessungen der kleinen und grossen Teile ist ganzzahlig. Mit verbotener Drehsymmetrie ist das Verhältnis bei den Quasikristallen gebrochen. Das ist so, weil das Gitter statt durch Translation nun durch Inflation vergrössert wird. Bei der Inflation werden die Kacheln nach den Anlegeregeln angelegt.
Bei 8, 10 und 12-zähliger Drehsymmetrie sind die Quasikristalle nur in 2 Dimensionen quasiperiodisch, eine ist periodisch. Bei 5 zähliger Symmetrie ist das Gitter in allen 3 Dimensionen quasiperiodisch. Eine Struktur ist ein Gitter und die Anordnung der Atome darin (nennt man auch Basis). Quasikristalline Strukturen kann man rein mathematisch (!) als Schnitte von höherdimensionalen (z.B. 6D) periodischen Strukturen begreifen. Deswegen kann man auch so etwas wie eine Strukturlösung machen. Es gibt auch noch aperiodische Kristalle, die aber keine verbotene Drehsymmetrie besitzen. Bei denen sind z.B. zwei ähnliche Strukturen ineinander gewachsen. Die Form von ikosaedrischen Quasikristallen mit 5-zähliger Symmetrie ist oft ein Pentagondodekaeder, siehe selbstgeschossenes Foto oben.
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