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Samstag, 1. Juni 2024

Hegel und Marx - die aristotelische Synthese

Michael Conradt stellte in seiner youtube-Reihe die Behauptung auf, die Hegelsche Dialektik, die Dialektik des Geistes sei die Antithese zur Marxschen Dialektik, der Dialektik der Materie. Danach stellte er die Frage nach der Synthese beider Dialektiken. Hegel greift natürlich weit zurück auf Platon, der postulierte, die Wirklichkeit sei ein Abbild einer realeren (göttlichen) Geisteswelt. Marx stellte die Sache anders dar und meinte, die Materie bestimme den Geist. Auch Marx können wir einen berühmten Griechen voranstellen, nämlich Demokrit, der als erster die Welt aus Atomen aufgebaut sah. Was ist nun die Synthese von Hegel und Marx?

Diese braucht gar nicht neu erfunden werden, sie ist nämlich schon lange vorhanden: es ist die wissenschaftliche Methode der Induktion und Deduktion. Auch diese hat ihren Ursprung in der platonischen Ideenlehre und wird seitdem weiterentwickelt. Dabei meine ich nicht die Benutzung von Modellen und Plänen an sich, die sicher noch weiter zurückgeht, sondern die Erkenntnis Platons, dass göttliches Modell und menschliche Erfahrung gegensätzlich sind und seine Argumentation, Geometrie sei ein göttliches Ideal. Sein Schüler Aristoteles führte dann die Induktion, die Abstraktion von Naturphänomenen, ein. Die Abstraktion ist dann schon die diesmal ganz menschliche Modellbildung, Idealisierung. Die Anwendung des Modells auf die materielle Wirklichkeit ist schliesslich die Deduktion. Induktion und Deduktion sind die Vermittler zwischen geistigem Ideal und materieller Wirklichkeit und Aristoteles schliesslich der Gewinner des Conradtschen Preisausschreibens. Mit der wissenschaftlichen Methode gewinnen wir aus materiellen Tatsachen geistige Idealvorstellungen (Modelle) und mit diesen Vorstellungen beeinflussen wir wiederum die Materie.


These und Antithese lassen sich ideell einerseits als unterschiedliche Mengen und die Synthese als Schnittmenge darstellen. Andererseits können These und Antithese auch polare Punkte einer geordneten, quantifizierbaren Menge sein (z.B. schwarz und weiss in der Graustufenmenge). Falls beides nicht gelingt, können beide immer noch durch eine qualitative Übermenge eingeschlossen werden. Es geht also immer um eine Erweiterung des gedanklichen Blickfelds. Materiell gelingt die Synthese durch Umverteilung von Materie, also Taten. Die Synthese beider Thesen gelingt durch Feedback, also deutsch Rückkoppelung. Tat-Erkenntnis-Tat-Erkenntnis.... Das Ergebnis von Rückkoppelung ist Weiterentwicklung.

Bonusmaterialspinnerei:

Bisher habe ich die Dialektik als Methode behandelt. Bleibt noch die Dialektik als Weltbild, ein leicht esoterisches Unterfangen. Holen wir nun noch weiter aus und meinen, der Geist sei eine spezielle Dynamik und Verteilung der Materie. In diesem Sinne hätte Marx dann Recht, die Materie bestimmt den Geist, ja sie IST der Geist. Andererseits besteht Materie hauptsächlich aus physikalischen Kraftfeldern. Damit sind wir schon bei Einstein. Energie ist die Synthese von allem. Energetische Dialektik ist en vogue. Eine Dialektik nicht über Mengen oder Materieverteilung, sondern über Energieverteilungen, gleich mit Anschluß an die Informationstheorie. Und hoppla, wie schön sich der Kreis schließt. Betrachtet man Information als Geist, ist man schon wieder bei Hegel. Genauer betrachtet stehen sich heute also nicht mehr Marx und Hegel gegenüber, sondern klassische Physik und die Informationstheorie.

Hier nun noch eine kurze These über die Frage, ob Zeit und Raum gequantelt sind. Das ist eine Frage, mit der sich unter anderem die Theorien der Quantengravitation beschäftigen.  Zeit und Raum sind eigentlich reine Messgrößen, die in ihrem Fall den Geschwindigkeitsanteil von Energie beschreiben. Die kleinste Energieeinheit ist der Planck-Quant. Dazu existieren auch eine Planck-Zeit und eine Planck-Länge. Weiter können wir Energie, Zeit und Raum nicht auflösen, dies ist das kleinste mögliche Beobachtungsraster. Da Zeit und Raum also menschliche Hilfsmittel sind, um die physikalische Wirklichkeit zu erfassen und beide auf der Energie basieren, sind sie dadurch möglicherweise gequantelt. Es wäre also nicht die Brille kariert, mit der wir Raum und Zeit betrachten, Raum und Zeit wären die karierte Brille, mit der wir die Energie betrachten.

Wir haben da für die kinetische Energie =1/2 x Masse x (Raum / Zeit)^2

Änlich gilt für die Wärmeenergie = Masse x Wärmekapazität x Temperaturunterschied

Trotzdem existieren Ausdehnung, Zeit und Masse natürlich auch ohne dass sie gemessen werden und sind intuitiv erfassbar. Energie hingegen ist ein abstraktes vereinheitlichtes menschliches Konstrukt. In „Was ist eigentlich Vernunft“ benannte ich die Eigenschaften von Objekten als die einzige natürliche Größe und alles darauf Aufbauende abstrakt. Aber hier sind wir in einem Dilemma, denn man kann nicht beweisen, dass es kleinere Messeinheiten gibt ohne dass man sie messen kann. Und da wären wir wieder. Alles was über kleinste und größte Messgrenzen hinausgeht, kann zwar gedacht, aber nicht erfasst werden. Naturwissenschaften sind kariert. Geisteswissenschaften sind kontinuierlich.


(Bild: Wikipedia)

Dienstag, 18. Januar 2022

Excel Model for oxidation of impurities in copper melts and Slag Viscosity Calculator

Excel Model for oxidation of impurities in copper melts. Simulates TBRC furnace.

Slag Viscosity Calculator for silicate slags for Urbain, Zhang and Utigard Models.

For questions feel free to contact me.

Montag, 29. November 2021

Parallelwelten und Alternativwelten

Parallelwelten bedeuten unterschiedliche gelebte Rollen mit unterschiedlichen Realitätswahrnehmungen oder aufgeschobene Entscheidungen. Man ist zum Beispiel gleichzeitig Kind und Elternteil, hat einen Zweitjob, etc. Das existiert für jeden Menschen und bedeutet eine erlaubte Sequenzierung der Zeit (gefühlte Parallelisierung).

Alternativwelten resultieren aus getroffenen Entscheidungen und abgelegten bzw. abgelehnten Rollen oder auch zurückliegenden Naturereignissen und geschichtlichen Wendepunkten. So könnte durch ständige Bifurkation oder Gabelung der Ereignisse in verschiedene Alternativen das sogenannte Multiversum entstehen. Diese Art Parallelisierung „was-wäre-gewesen-wenn“ funktioniert aber nicht, denn sie bedeutet eine Vervielfältigung der Materie ohne Energiebereitstellung und verletzt damit den Energieerhaltungssatz. Ein Universum kann sich nicht durch Zellteilung vermehren.

Selbst wenn die Materie statt dessen sequenziert würde, also in rascher Folge zeitlich-räumlich verschoben um Gleichzeitigkeit zu simulieren, würde das örtliche überlichtschnelle Bewegungen ermöglichen, was wir real nicht erleben. Sequenzierung oder sogar auch Parallelisierung virtueller Materie kann allerdings stattfinden, denn in der virtuellen Realität existiert so etwas wie Speicherplatz und Sicherheitskopien und für diese wird extra elektrische Energie bereitgestellt.

Alternativwelten sind also eine rein menschliche Erfindung und sind dem "Leben nach dem Tod" ähnlich. Sie sind, wie Götter und Superhelden, ein geistiges Axiom, dem in der Realwelt nichts entspricht ausser ihrem elektromagnetischen Geister-Abbild, ein Produkt irrationaler Logik. Es besteht kein physikalisches Indiz, sondern nur ein starker menschlicher Wunsch, Fehler rückgängig zu machen.

Eine Sequenzierung der Materie würde erst durch Zeitreisen ermöglicht. Dann könnte man zwischen Zeitlinien hin- und herspringen. Lasst uns hoffen, dass so etwas nie erfunden wird.

Literarische Ansätze der Überlagerung von Informationstechniken geistiger und maschineller Natur mit der physikalischen Realität findet man in Jack Finneys "Das andere Ufer der Zeit", Blake Crouchs "Gestohlene Erinnerung" und Michael Atamanovs "Die Unterwerfung der Wirklichkeit". Die wunschbasierte Veränderung der Wirklichkeit durch geistige oder informationstechnologische Steuerung wird dort am offensichtlichsten dargestellt. Altbekannte Beispiele für wunschbasierte Pseudowissenschaft sind der Stein der Weisen und das Perpetuum Mobile.

Als nächstes noch die Binsenweisheit, dass  die Zukunft einer Alternativwelt sehr ähnlich ist, denn auch sie wird geistig projeziert, wenn auch nicht nachträglich. Im Gegensatz zur Alternativwelt kann man sie aber wirklich beeinflussen, solange, bis sie Gegenwart wird.

Nun noch schnell die Variante, dass das gesamte Multiversum in allen seinen verschiedenen Konfigurationen nicht entsteht, sondern schon existiert, inklusive aller verschiedener Entscheidungswege identischer Individuen. Das ist grundsätzlich nicht unmöglich, aber extrem unwahrscheinlich. Schon auf unserem einen Planeten existieren identische Individuen nur als eineiige Zwillinge. 

Dass gar auf einem anderen Planeten in einem anderen Universum ein identisches Individuum vor der gleichen Entscheidung steht wie auf der Erde hier ist so unwahrscheinlich, dass sogar die Unendlichkeit bei der Frage rot anlaufen würde, ob sie das möglich machen kann.Tatsächlich stehen aber auf unserem Planeten recht viele ähnliche Individuen vor ähnlichen Entscheidungen. Anstatt sich in einem anderen Universum auf einer Suche nach Antworten zu begeben, kann man also vor seiner eigenen Haustür anfangen. 

Bleiben wir nun bei der biologischen Analogie von Multiversen und Zellverbänden. Wären Universen tatsächlich dicht gepackt wie Zellen in Lebewesen oder Atome in Festkörpern, könnte sich unser eigenes Universum nicht (mit tatsächlich teilweise Überlichtgeschwindigkeit durch Raumausdehnung) ausdehnen, ohne andere Universen zu komprimieren oder mit ihnen zu kollidieren. Atome im Gas hingegen können sich frei bewegen und diese Analogie wäre auch sinnvoller. Das Multiversum würde dann aus diskreten Materiewolken bestehen, die sich einen Raum teilen. Es gibt ja auch die Branwelttheorie, nachdem Universen mehrdimensional gestapelt sind, so dass sie sich aus dem Weg gehen können. Warten wir hier am besten auf die Beweise dieser amüsanten Geschichte. Höhere Dimensionen dienen meist rein mathematischen Zwecken, der reale Raum bleibt 3-dimensional. Mehrdimensional geordnete Darstellungen können in der 3D-Realität recht unordentlich aussehen. Wie auch immer, wenn unser Universum sich mit einem anderen trifft, werden wir es daran merken, dass Galaxien plötzlich in die falsche Richtung fliegen.

Der höherdimensionale Raum hat viele Autoren zu der Idee des Hyperraums bewogen, in dem es sich mit Überlichtgeschwindigkeit reisen lässt, denn Projektionen des höherdimensionalen Hyperraums ließen sich ja so zurechtdrehen (oder verzerren oder "falten"), dass der Abstand zwischen 2 Punkten im niederdimensionalen Raum kürzer wird.

Auch mit der Zeit wird gern geometrisch herumgespielt, etwa könnte die Zeit die Form einer Helix haben, wie in Matthew Reillys Roman "The secret runners of New York". Und dann, wenn die Helix verbogen wird, überlappen Vergangenheit und Zukunft miteinander. Blöd nur, dass die Zeit überhaupt keiner Geometrie gehorcht, denn sie ist durch sich bewegende Materie oder Energie definiert sowie durch die Vermehrung der Unordnung (Entropie). Und hierher passt genau der Spruch, die Zeit sei eine Illusion. Was wir als Zeit messen, ist verkodiert in den Bewegungen unzähliger Atome und Objekte. Weder kann man den gesamten Kode für eine beliebige Vergangenheit berechnen, noch für eine beliebige Zukunft. Und selbst wenn man diese ungeheuer komplexe Konfiguration berechnen könnte, wer bringt all die Objekte dann zum gewünschten Ort? Die Relativität lässt es immerhin zu, dass Objekte unterschiedlich schnell altern, wenn sie sich unterschiedlich schnell bewegen. Dadurch lässt sich der Fluss der Zeit relativ zueinander und das Altern sehr lokal auf die sich schneller bewegenden Objekte beschränkt verändern. Das wären ungefähr "Reisen in die Zukunft", aber ohne Rückfahrkarte und deshalb ohne Einfluss auf die Vergangenheit.

Eine andere bekannte Idee ist das holographische Universum. Bedeutet das nun, das unser Universum auf irgendeiner kosmischen Glasplatte gespeichert ist? Nein, keinesfalls, diese Idee spricht statt dessen wiederum über unser Universum als eine Projektion aus dem höherdimensionalen Raum, also über eine mathematische Methode, das 3D Universum einfacher zu erklären. Natürlich wäre es dem menschlichen Ego sehr zuträglich, das Universum als Information zu verstehen, die manipuliert werden kann und gleichzeitig einen Schöpfer der Information zu vermuten. Ein bisschen ähnlich verrückt ist der Gedanke von Portaltransportation oder Beamen, also das Versenden von Dingen oder Lebewesen als Information. Selbst wenn wir irgendwann in der Lage wären, andere organische Materie zu drucken als Polymere, auf atomarem Level, aufgrund der Kleinheit von Atomen würde dieser Druckprozess Jahre dauern, abgesehen von der Schwierigkeit, Flüssigkeiten dreidimensional zu drucken.

Zum Universum als eventuell manipulierbares Informationspaket (Informationstheorie) passt auch der Ansatz, daß Gott bei der Erschaffung des Universum mehrere tausend Naturkonstanten gerade so hingefummelt hat, daß ein menschenfreundliches Konstrukt dabei herauskam. Richtig ist es aber genau anders herum. Der Mensch hat die Naturkonstanten erst nach seinem Auftreten durch Beobachtung seiner Umgebung definiert. Das gilt ganz besonders für nicht direkt messbare Konstanten. Eine interessante Sammlung pseudowissenschaftlichen Unsinns dazu ist Koji Suzukis "Der Graben".

Und zu guter Letzt die Analogie zur Quantentheorie. Ja bei kleinsten Teilchen treten skurrile Phänomene auf, wie die Kommunikation zwischen weit voneinader entfernten Teilchen und die Wegeunsicherheit bei der Bewegung (mehrere Wege sind gleich wahrscheinlich). Diese Phänomene lassen sich aber nicht in der makroskopischen Welt beobachten. Die Übertragung von Quantenphänomenen auf die makroskopische Realität a la Schrödingers Katze dient nur der Veranschaulichung und hat sonst gar keine Bedeutung.

Fazit: Die Mathematik ist eine Geisteswissenschaft und keine Naturwissenschaft. Mathematische Modelle müssen also nicht unbedingt eine physikalische Bedeutung haben, selbst wenn sie die physikalische Wirklichkeit berechnen helfen. 

Ein Beispiel: physikalische oder chemische Daten lassen sich durch mathematische Funktionen korrelieren. Diese Funktionen dienen als Hilfslinien, um fehlende Datenpunkte zu überbrücken. Das bedeutet aber nicht, dass die Tendenz der Daten zwingend durch den Funktionstyp (zum Beispiel exponentielles Wachstum) beschrieben wird, denn oft kann man mehrere Funktionstypen durch eine Datenwolke legen, die die Daten annähernd gleich gut beschreiben.

Auch mehrdimensionales Rechnen ist in mehreren Wissenschaften notwendig, zum Beispiel bei chemischen Verbindungen aus mehr als 3 Stoffen oder Elementen, bei Materialeigenschaften oder ungeordneten Kristallen. Das ermöglicht eine Berechnung, eine räumliche physikalische Bedeutung hat es nicht.


 

 


 

Mittwoch, 13. Oktober 2021

Quasikristalle 2

Das Nachfolgende ist das Manuskript eines Artikels, der später leider nur in stark verkürzter Form gedruckt wurde:

Bis zur Entdeckung von Shechtmanit, einem ikosaedrischen Quasikristall im Jahr 1982 durch Daniel Shechtman ist feste Materie in kristalline und glasartige Stoffe unterteilt worden. Quasikristalle sind ein neuer Ordnungszustand kondensierter Materie mit aperiodischen, langreichweitig geordneten Strukturen. Ihre Beugungsmuster zeigen scharfe Bragg-Reflexe und nicht-kristallographische Symmetrien. Neben der ikosaedrischen Symmetrie wurden oktagonale, dekagonale und dodekagonale Symmetrien beobachtet. Quasikristalle sind im Wesentlichen Verbindungen, die  zur  Klasse der komplexen intermetallischen Verbindungen gehören. Die Entdeckung von Dan Shechtman führte  zu  einem  Paradigmenwechsel in der Festkörperforschung.  Dafür wurde er 2011 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Was ist ein Quasikristall? Im April1982 machte Dan Shechtman vom Technion Institut in Israel während eines Forschungsaufenthalts am U.S. National Bureau of Standards  -  jetzt das National Institute of Standards and Technology, Gaithersburg, MD, USA - eine Beobachtung, die ein Axiom in Frage stellte, das Generationen Studierender gelernt hatten: Ikosaedrische Symmetrie ist unvereinbar mit der translationsperiodischen Struktur von Kristallen. Die Frage ,,Was ist kristalline Materie?" musste daraufhin neu gestellt werden und führte zu einem Paradigmenwechsel  in  der Festkörperforschung. Dafür wurde Shechtman mit den Nobelpreis für Chernie geehrt  [1]. Was war geschehen? Das  Elektronenbeugungsmuster einer chemischen Verbindung nahe der Zusammensetzung Al6Mn zeigte ein Punktmuster mit scharfen Spots und der Symmetrie des Ikosaeders [2]. Ein Elektronenbeugungsmuster entsteht, wenn ein Elektronenstrahl geeigneter Wellenlänge Materie durchstrahlt. Durch Wechselwirkung mit der Materie werden die Elektronen gestreut und es bildet sich durch Interferenz ein Beugungsmuster aus Spots auf einem Detektor.

Das Ikosaeder ist ein Platonischer Körper aus zwanzig gleichseitigen Dreiecken, mit dreißig Kanten und zwölf Ecken und 2-,  3-  und  5-zähligen Drehachsen. Drehungen um diese Drehachsen mit jeweils 360°/n  =  180°, 120°, und 72° sowie ganzzahligen Vielfachen davon sind Symmetrieoperationen des Ikosaeders, d.h. er wird wieder auf sich selbst abgebildet. Insgesamt besitzt das Ikosaeder fünfzehn 2-, zehn 3- und sechs 5-zählige Drehachsen, ein Inversionszentrum und zahlreiche Spiegelebenen. Die Lage dieser Symmetrieelemente relativ zueinander lässt sich mit Hilfe einer stereographischen Projektion darstellen. Ein Vergleich lässt erkennen, dass die Drehachsen der Beugungsmuster von Al6Mn  angeordnet sind wie die Drehachsen  im  Ikosaeder.  Al6Mn ist also eine ikosaedrische Verbindung. Wegen der  Symmetrie des Streuprozesses beobacht man  im  Beugungsmuster nicht 5-zählige sondern 10-zählige Symmetrie.

Die gesamte Streuintensität ist in scharfen Bragg-Reflexen, so heissen die Spots, konzentriert. Beobachtet man Bragg-Reflexe im Beugungsexperiment, dann muss das Material langreichweitig geordnet sein. Kristallstrukturen lassen sich als eine periodische Anordnung von Elementarzellen beschreiben. Sie sind daher langreichweitig geordnet und  ihre  Beugungsmuster, zeigen stets Bragg-Reflexe. Ein Muster aus Azulejo-Kacheln ist ein Beispiel einer zweidimensionalen, periodischen Anordnung, wenn  man  sich das Muster unendlich fortgesetzt denkt. Es ist translationsymrnetrisch bzw. translationsperiodisch, d.h. es gibt unendlich viele Symmetrieoperationen in Form von Bewegungen in der Ebene mit denen die Parkettierung aus Azulejo-Kacheln durch Verschiebung ohne Drehungen auf sich selbst abgebildet wird. Jede Kachel ist eine dekorierte Elernentarzelle. Diese sind translationsperiodisch angeordnet und bedecken die Ebene lückenlos und ohne Überlappung. Neben der Translationssymmetrie gibt es hier unendlich viele 2- und 4-zählige Drehachsen.

 Die klassische Kristallographie lehrt, dass nur n  =  1-, 2-, 3-, 4- oder 6-zählige Drehachsen als Symmetrieelemente eines Kristalls erlaubt sind. Somit können nur Drehungen  um  360°/n  =  0°, 180°, 120°, 90° und 60° sowie ganzzahlige Vielfache davon Symmetrieoperationen sein. Fünfzählige Drehachsen und Drehachsen mit n größer als 6 sind verboten, d. h. sie sind nicht-kristallographisch.  Im  zweidimensionalen Fall lässt sich dies einfach am  Beispiel von Parkettierungen des Fußbodens veranschaulichen. Mathematisch gesehen ist eine Parkettierung eine lückenlose Bedeckung der Ebene mit Kacheln ohne Überlappung. Parkettierungen aus nur einer Kachelsorte sind  nun  Beispiel mit Rechtecken (n  =  2), Dreiecken (n  =  3), Quadraten (n  =  4) oder Sechsecken  (n  =  6)  möglich. Fünfecke (n  =  5) können die Ebene nicht parkettieren, da stets Lücken zwischen den Fünfecken bleiben. Ein Beispiel ist die Abwicklung der Flächen eines Pentagon-Dodekaeders. Die Symmetrie des Ikosaeders ist auf Grund seiner 5-zähligen Drehachsen nicht-kristallographisch, d.h. der dreidimensionale Raum lässt sich mit Ikosaedern nicht parkettieren.

Bis zur Entdeckung von Shechtman wurde feste Materie in Kristalle und Gläser unterteilt. Die Kristalle sind nah- und ferngeordnet, während die Gläser nur Nahordnung aufweisen. Das neue Material konnte auf Grund seiner  nicht-kristallographischen  Symmetrie kein Kristall sein, aber wegen der beobachteten Fernordnung auch kein Glas. War es ein bisher unbekannter Zustand kondensierter Materie? Erst zwei Jahre später, im Oktober 1984,  gelang es Dan Shechtman mit Unterstützung von  Ian Blech, John  Cahn  und Denis Gratias seine Beobachtung in der Zeitschrift Physical Review Letters mit dem Titel ,,Metallic Phase with Long-Range Orientational Order and No Translational Symmetry" [2] zu veröffentlichen. Zuvor waren Manuskripte im Journal of Applied Physics abgelehnt bzw. in der Zeitschrift Metallurgical Transactions verzogert worden. Dies zeigt den starken Widerstand eines Teils der Wissenschaftler, die nicht akzeptieren wollten, dass die Natur gegen ein ,,Naturgesetz" verstößt. Ein namhafter Vertreter dieser Gruppe war der Doppel-Nobelpreitrager Linus Pauling. Auf Grund seiner jahrzehntelangen Erfahrungen als Strukturcherniker und als Experte  für  komplexe intermetallische Verbindungen hatte sein Wort unter Wissenschaftlern besonderes Gewicht. Komplexe intermetallische Verbindungen sind Verbindungen mit komplexen Kristallstrukturen, d. h. mit  hunderten oder tausenden Atomen pro Elementarzelle. Shechtmanit  -  so wurde die neue Verbindung aus  Al und  Mn genannt - gehört nach dem heutigen Stand der Forschung auch zu  dieser Familie. Ihre Elementarzelle erwies sich als unendlich groß! Pauling [3] erklärte die beobachtete ikosaedrische  Symmetrie des Beugungsmusters als Ergebnis einer Vielfachverzwilligung kubischer Kristalle. Dazu musste er eine kubische Kristallstruktur aus Al und Mn mehr als tausend Atomen pro Elementarzellwürfel postulieren. Fünffachzwillinge kennt man von einfachen Kristallstrukturen mit wenigen Atomen pro Elementarzelle,  zum  Beispiel von Gold oder Silber. Sie bilden sich als zyklische Kontaktzwillinge aus Tetraeder-Subeinheiten. Da Shechtmanit eine metastabile Verbindung ist, die  nur  erhalten werden kann, indem Al-Mn Schmelzen extrem schnell abgekühlt werden, ist die Probenqualität meist schlecht, d. h. kleine Bereiche der Substanz können  in Homogenität und Ordnungsgrad schwanken. Auch sind nur kleine Korngrößen von wenigen Mikrometern Durchmesser zu erhalten. Die Charakterisierung des Materials war damit schwierig und  im Wesentlichen auf elektronenoptische Methoden und die Pulverdiffraktometrie beschränkt.

Die Beobachtung von Shechtman am Shechtmanit konnte jedoch nach 1984 von vielen Wissenschaftlern aus aller Welt reproduziert werden. Seitdem sind viele weitere Verbindungen  in Systernen [4] wie AI-Cu-Li, Al-Mn-Si, Al-Co-Ni, Al-Mn-Pd, Al-Cu-Fe, Cd-Yb, Ho-Mg-Zn, Ag-In-Yb  mit Beugungsmustern  nicht-kristallographischer  Symmetrie entdeckt worden. Neben ikosaedrischer kennt man heute Verbindungen mit oktagonaler, dekagonaler oder dodekagonaler Symmetrie,  d. h. 8-, 10- oder 12-zähligen Drehachsen. Mehr als hundert thermodynamisch stabile Quasikristalle sind bisher bekannt. Sie können einphasig und in Form großer Individuen mit nahezu perfekter langreichweitiger Ordnung herstellt werden. Eine stabile ikosaedrische Verbindung ist zum Beispiel Ho8,7Mg34,6Zn56,8 [5]. Eine Vielzahl moderner Methoden der Strukturanalyse belegt das Phänomen nicht-kristallographischer Symmetrie hoch geordneter Verbindungen. Pauling irrte sich!

Die bekannten Quasikristalle zeigen Eigenschafien, wie man sie von komplexen intermetallischen Verbindungen erwartet. An einigen Quasikristallen hat man geringe elektrische und thermische Leitfähigkeiten gemessen sowie niedrige Oberflächenenergien - ungewöhnlich für  einen Stoff aus metallischen Komponenten. Bisher gibt es aber nur Nischenanwendungen wie Bratpfannenbeschichtungen und Anwendung in medizinischen Stählen. Bis 2009 waren alle Quasikristalle synthetische Materialien aus dem Labor. Nach einer jahrelangen systematischen Suche  [6] gelang es Bindi, Steinhardt, Yao und Lu einen ikosaedrischen Quasikristall der Zusammensetzung Al63Cu24Fe13 in einem Mineralagglomerat aus der Chukhotka-Region in Sibirien zu finden. Obwohl Al-basierende Intermetalle  zur  Bildung eine reduzierende Atmosphäre benötigen, stützen die in Vergesellschaftung aufgefunden Minerale den natürlichen Ursprung der Probe. ,,Ikosaedrit" Al63Cu24Fe13 wäre damit das erste quasikristalline Mineral. Bereits wenige Monate nach der Veröffentlichung von Shechtman wurde von Steinhardt und Levine [7] ein Konzept zur Erklärung  nicht-kristallographischer  Syrnmetrien langreichweitig geordneter Materialien veröffentlicht. Als Bezeichnung  für  die neue Stoffklasse schlugen sie ,,Quasikristalle" vor. Wie war es  möglich in so kurzer Zeit nach  der  Entdeckung eine  Theorie der Quasikristalle zu entwickeln? Warum verstoßen Quasikristalle nicht gegen kristallographische ,,Naturgesetze"?

Die Kristallographie in ihrer modernen Form ist die experimentelle Wissenschaft der Bestimmung der Anordnung der Atome in Festkörpern und allen damit verwandten Aspekten.  In ihren  Anfängen  ist sie entstanden als beschreibende Wissenschaft der Morphologie von Mineralen. Die Gesetzmäßigkeiten wurden zuerst im  Gesetz der Winkelkonstanz (Nicolaus Steno, 1669 am Beispiel des Bergkristalls und Jean Baptiste Rome de l'Isle in allgemeiner Form) ausgedrückt. Auf Grund  der Vermutung von Abbe Rene-Just Haüy um 1784, dass das wesentliche Merkmal der Kristalle ihre Translationsperiodizitäit ist und somit eine langreichweitige Ordnung induziert, konnte Auguste Bravais 1849 zeigen, dass jedem Kristall ein Punktgitter zugeordnet werden  kann und dass diese mit Hilfe der 14 Bravais-Gittertypen klassifiziert werden können. Die mathematische Untersuchung möglicher Symmetrien translationsperiodischer Strukturen wurde unabhängig voneinander durch Schoenflies und Fedorov durchgeführt. Alle Kristalle lassen sich einer von 230 Raumgruppentypen zuordnen. Entsprechend wurde die Kristallographie für den 1-, 2- und 4-dimensionalen Raum entwickelt. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich die Kristallographie von einer Morphologielehre zu einer Symmetrielehre entwickelt.  In  den International Tables of Crystallography A findet man die Definition eines ,,klassischen" Kristalls: Ein Objekt im n-dimensionalen Punktraum. Es heißt ein n-dimensionales Muster oder kurz Kristall, wenn es unter den Symmetrieoperationen 1) n Translationen gibt, deren Translationsvektoren tl, ....  ,tn  linear unabhängig sind und 2) alle Translationsvektoren außer dem Nullvektor 0d größer als 0 lang sind.

Der Beweis der Hypothese von Haüy, daß Kristalle ferngeordnet sind, wurde 1912  mit Hilfe eines Röntgenbeugungsexperimentes am ZnS durch Friedrich, Knipping und von Laue erstmals geführt. Kurze Zeit spater gelangen Vater und Sohn Bragg erste Strukturaufklärungen und somit auch der Beweis der Translationsperiodizität der untersuchten Substanzen. Seitdem wurden zahllose Kristallstrukturen experimentell bestimmt. Auf Grund dieser Erfolgsgeschichte wurde die Eigenschaft ,,langreichweitige Ordnung" und Translationsperiodizität  synonym verwendet. Dies ist im strengen Sinne nicht erlaubt. Translationsperiodizität erzeugt langreichweitige Ordnung, aber nicht jedes langreichweitig geordnete Muster ist translationsperiodisch. Glücklicherweise gibt es eine Messvorschrift, um Ordnung zu messen. Dies ist die schon erwähnte Beugung. Neben Elektronen können dann auch Photonen oder Neutronen geeigneter Wellenlänge genutzt werden. Durch eine Fouriertransformation (eine mathematische Transformation und damit ein Mausklick am Computer) überführt man die Messergebnisse der Beugung, die im sogenannten reziproken Raum beschrieben werden, in den physikalischen Raum. Man erhält aus der Intensitätsverteilung des Beugungsmusters eine Funktion (Pattersonfunktion), die die Korrelation zwischen den Atomen im Material beschreibt. Hohe Korrelation zwischen weit entfernten Atomen führt zu punktförmigen Beugungsmustern. Unordnung zerstört die Korrelation und damit die Fähigkeit, die Lage von weit entfernten Atomen aus der Information von nahe liegenden Atomen  zu  berechnen.

Neben der Periodizität gibt es andere Möglichkeiten, langreichweitig geordnete Strukturen zu erzeugen. Dazu gehören auch sogenannte quasiperiodische Anordnungen. In mathematischer Form ist dies seit 1947 durch die Arbeiten über fastperiodische und quasiperiodische Funktionen von Harald Bohr [8], dem Sohn von Niels Bohr, bekannt. Damit wird verständlich, warum Levine und Steinhardt so schnell eine Theorie entwickeln konnten und als Name ,,Quasikristall" vorgeschlagen haben. Sie standen auf den Schultern der Mathematiker! Der Begriff Quasikristall ist eine Abkürzung  für quasiperiodische Kristalle. Daraufhin wurde Anfang der 90-iger Jahre vorgeschlagen, die Definition eines Kristalls [9] zu ändern: Ein Festkörper ist nun ein Kristall,wenn er ein ,,im  Wesentlichen diskretes" Beugungsmuster aufweist. Nach dieser Definition sind Quasikristalle Kristalle! Die klassischen Kristalle sind die periodischen Kristalle. Ihre Beugungsmuster sind (wahrhaft) diskret. Leider ist laut der mathematischen Definition von Bohr die Periodizitat ein Spezialfall der Quasiperiodizität. Periodische Kristalle sind demnach auch quasiperiodisch. Man nennt daher alle Kristalle, die nicht-periodisch sind aperiodisch, um sie von den periodischen zu unterscheiden. Quasikristalle nennt man die aperiodischen Kristalle mit nicht-kristallographischer  Punktgruppensymmetrie. Aperiodische Kristalle mit kristallographischer Punktgruppensymmetrie sind schon vor den Quasikristallen entdeckt worden. Es sind die inkommensurabel modulierten Strukturen und sogenannte Komposit-Strukturen [l0], die aus Teilsstrukturen bestehen, welche zueinander inkommensurabel sind. Die Abweichungen von der Periodizität lassen hier als systematische Störung eines periodischen Kristalls beschreiben. Diese Störung zeigt sich  im  Beugungsmuster  in  Form von Satellitenreflexen  um  die Bragg-Reflexe einer periodischen Basisstruktur. Der Zusatz ,,wesentlich" in  der neuen Definition musste aufgenommen werden, da sich im Beugungsmuster der Quasikristalle mit steigender Intensität des Primärstrahls immer neue Reflexe zeigen. Diese neuen Reflexe liegen zwischen den ursprünglichen Reflexen. Im mathematischen Limit ist das Beugungsmuster dann "dicht" belegt. Im  Experiment bleibt das Beugungsmuster der Quasikristalle aber (im Wesentlichen) immer diskret, da die Primärstrahlintensität nicht unendlich gesteigert werden kann. Diese Definition eines Kristalls über eine Messvorschrift ist kritisiert worden. Man empfindet sie als mathematisch nicht sauber und einige stören sich auch daran, dass ein Kristall nun über den reziproken Raum und nicht mehr im Realraum definiert ist. Im wissenschaftlichen Alltag meint man periodische Kristalle, wenn man von den Kristallen spricht.

Levine und Steinhardt  [7]  entdeckten, dass sogenannte Penrose-Parkettierungen zur Beschreibung der Struktur von Quasikristallen dienen können. Penrose-Parkettierungen sind nach ihrem  Entdecker Sir Roger Penrose [11] benannt. Er konstruierte 1973 die Rautenparkettierung P3, sowie zwei weitere mögliche Parkettierungen (P1, P2).

Seine Fragestellung war, Parkettierungen der Ebene mit möglichst wenig Kachelsorten zu finden, die beim Aneinanderfügen nur nicht-periodische Muster erlauben. Ein solcher Satz Kachelsorten heißt dann aperiodisch. Das ist eine knifflige Aufgabe. Der erste aperiodische Satz Kacheln hatte mehr als 20000 Kachelsorten! Später gelang es, einen aperiodischen Satz mit 6 Kachelsorten zu finden. Schließlich konnte Penrose mit P2 und P3 die Zahl auf 2 reduzieren. Die Penrose-Parkettierung P3 ist nicht-periodisch und aus zwei unterschiedlichen Kachelsorten aufgebaut. Die blaue Raute besitzt Winkel von  72° und 108° und die gelbe Raute Winkel von 36° und 144°. Aus den beiden Rauten lassen sich in einfacher Art und Weise periodische Muster konstruieren. Sie werden erst aperiodisch, wenn sie mit Markierungen, sogenannten ,,Matching-Rules", versehen werden. Jede Parkettierung aus diesen markierten Rauten (Pfeile und Doppelpfeile) ist nicht-periodisch. Sie erlauben 8 unterschiedliche Eckkonfigurationen.

Die Markierungen werden auf den nicht-periodischen Parkettierungen meist nicht gezeigt. Man kann sich die Penrose-Parkettierung auch als ein ,,Quasigitter vorstellen, das im Quasikristall mit Atomen dekoriert ist. Eine Dekoration der beiden ,,Elementarzellen" mit Atomen kann zu Matching-Rules führen, die die Bildung einer periodischen Struktur verhindern. Aus den mit Matching-Rules versehenen Rauten lassen sich aber unendlich viele unterschiedliche nicht-periodische Rautenparkettierungen erzeugen, d. h. sie lassen sich nicht durch Verschiebungen oder Drehungen ineinander überführen. Sie sind trotzdem in einem gewissen ,,endlichen" Sinn alle äquivalent zueinander. Jeder Ausschnitt unabhängig von seiner Grösse,  z. B. ein Stern aus fünf blauen Rauten, lässt sich in jeder äquivalenten Parkettierung und auch in der Parkettierung selbst unendlich oft wiederfinden. Alle unterschiedlichen Penrose-Parkettierungen P3 sind zueinander lokal ähnlich. Sie werden deshalb zu einer ,,Lokalen Isomorphismusklasse" zusammengefasst. Jede Parkettierung der Klasse besitzt das gleiche Beugungsmuster. Auch periodische Muster besitzen die Eigenschaft der lokalen Ähnlichkeit. Alan Mackay [12] hat vor der Entdeckung der Quasikristalle die Beugungseigenschaften der Penrose-Parkettierung untersucht. Die Rautenparkettierung P3 erzeugt ein punktförmiges Beugungsmuster 10-zähiger Symmetrie. Sie ist daher im Sinne der Definition eines Kristalls quasiperiodisch, aperiodisch und quasikristallin. Die dekagonale Symmetrie des Beugungsmusters resultiert daraus, dass die Kanten der Rautenparkettierung P3 alle parallel zu Vektoren sind, die in die Ecken eines Dekagons zeigen. Mit Hilfe eines optischen Experiments lässt sich die ,,Quasikristallinität" leicht zeigen. Man kopiert dazu eine Penrose-Parkettierung auf eine Transparentfolie und durchstrahlt diese mit dem Licht eines Lasers. Die Kantenlänge der Rauten muss so lange verkleinert werden, bis an der Wand in mehreren Metern Entfernung das Beugungsmuster sichtbar wird [12]. Das Beugungsmuster entlang 2-, 3- und 5-zähliger Drehachsen wurde von Levine und Steinhard [7] für  das Analogon einer dreidimensionalen Penrose Parkettierung berechnet. Es zeigt sich eine erstaunliche Ähnlichkeit zwischen Model und Experiment, obwohl im Model nur die Punkte des dieses Quasigitters mit Atomen dekoriert wurden und damit eine viel zu geringe Dichte aufweist. Die Ähnlichkeit von berechneten und beobachteten Beugungsmustern deutet darauf hin, dass die Struktur von Shechtmanit in Näherung beschrieben werden kann als Dekoration eines Teils der Quasigitterpunkte mit großen, nahezu kugeligen Baueinheiten ikosaedrischer Symmetrie [13]. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte Mackay-Cluster gezeigt. Man findet ihn in den Kristallstrukturen von intermetallischen Verbindungen, die mit ikosaedrischen Al6Mn chemisch verwandt sind. Die Zwiebelschalen-Struktur des ikosaedrischen Mackay-Cluster aus besteht aus 55 Atomen. Ein Manganatom ist von 12 Al-Atomen auf den Eckpunkten eines Ikosaeders, 30 Al-Atomen auf den Eckpunkten eines Ikosidodekaeders und 12 Mn-Atomen auf den Eckpunkten eines großen Ikosaeders umgeben.

Peter Lu und Paul Steinhardt [14] entdeckten 2007 am Darb-i Imam Schrein in Isfahan, Iran, ein 5-zähliges komplexes Kachelornament aus sogenannten Girih-Kacheln. Dieses in seiner Komplexität beeindruckende Beispiel islamischer dekorativer Kunst stammt aus dem Jahr 1453. Eine Analyse des Musters zeigt, dass es nahezu perfekt nicht-periodisch ist. Dazu projizierten Lu und Steinhardt das Kachelmuster des Schreins auf das dekagonale Muster der Penrose- Parkettierung P2 (Drachen und Pfeile).

Von 3700 Kacheln erwiesen sich nur 11 Kacheln als ,,defekt", d. h. sie liegen nicht nach den Regeln der aperiodischen Anordnung. Da es unmöglich erscheint, solche komplexen Muster mit dieser Präzision allein mit Zirkel und Lineal und Matching-Rules zu konstruieren, muss man davon ausgehen, dass die islamischen Künstler in der Lage waren, eine Mathematik zu verwenden, die erst 500 Jahre später ausgearbeitet wurde. Dazu werden Kacheln in kleinere Kacheln zerlegt, die selbstähnlich zu den Ausgangskacheln sind. Man erhält dann einen Ausschnitt der Parkettierung mit kleineren Kacheln. Im folgenden Schritt werden diese durch Skalierung mit einem gemeinsamen Faktor wieder auf die ursprüngliche Größe gebracht. Der Prozess wird iterativ fortgesetzt, bis eine beliebig große Fläche parkettiert ist. Ein solcher Prozess erzeugt Selbstähnlichkeit und lässt sich mit einer Substitutionsregel beschreiben. Dies soll an einem Beispiel erläutert werden, das etwas einfacher ist als die Penrose-Parkettierung. Legt man auf den Overheadprojektor zwei Penrose-Parkettierungen auf Transparentfolien übereinander und verschiebt diese ein wenig zueinander, dann zeigt sich ein Moire-Muster aus parallelen Linien [7]. Diese können als Netzebenenschar gedeutet werden. Die Abstände zwischen den Netzebenen sind nicht wie im periodischen Kristall äquidistant, sondern entsprechen der Abfolge der sogenannten aperiodischen Fibonacci-Reihe. Der Abstand zwischen zwei Linien ist entweder kurz (S) oder lang (L). Das Streckenverhältnis L/S ist die irrationale Zahl tau =  (1+(5^0,5))/2 = 1,618. Das ist der Goldene Schnitt, den man als Verhältnis von Diagonale zur Kante im regulären Fünfeck findet. Die Fibonacci-Reihe taucht in der Natur überall auf. Beispielsweise findet man sie in der Anordnung von Blättern und Samenkernen. Die Fibonacci-Reihe wurde erstmals durch Leonardo von Pisa, genannt Fibonacci, eingeführt. Dazu analysierte er die Kaninchenpopulation von Paaren von Babys (S) und Erwachsenen (L). Die Population wächst sehr schnell, da es nur einen Monat für jedes Baby-Paar dauert, erwachsen zu werden (S  zu  L) und  für  jedes Erwachsenenpaar, ein neues Babypaar zu werfen  (L zu L + S). Dies lässt sich insgesamt als Substitutionsregel ausdrücken: S zu L und L zu LS. Wenn S und L durch eine kurze (S) bzw. lange Strecke (L) dargestellt werden, beträgt das Streckenverhältnis L/S = tau, wie in der Penrose-Parkettierung. Bei einer Iteration der Fibonacci-Sequenz wird iterativ in immer kleiner werdende Segmente entsprechend der Substitutionsregel zerlegt und dann die Liniensegmente auf die ursprüngliche Länge zurückskaliert. Nach unendlich vielen Iterationsschritten erhält man ein eindimensionales, aperiodisches Quasigitter mit zwei Elementarzellen. Ein eindimensionaler Fibonacci-Quasikristall mit Manganatomen auf den Quasigitterpunktenzeigt ein diskretes Beugungsmuster.

Alle Bragg-Reflexe des eindimensionalen Quasikristalls können mit Hilfe von ganzen Zahlen indiziert werden. Die Anzahl der Bragg-Indizes, die notwendig sind um ein Beugungsmuster zu indizieren, hat den Rang R. Im Fall der Quasikristalle ist der Rang R stets größer als die Dimensionalität D des Raumes, während für periodische Strukturen R = D gilt. Die Substitutionsmethode eignet sich zur Erzeugung von aperiodischen Parkettierungen, nicht aber für eine systematische Strukturanalyse von Quasikristallen. Darum wurden nach der Entdeckung von Shechtman die konventionellen Methoden der Strukturanalyse höherdimensional erweitert. Es handelt sich hier nicht um Chemie oder Physik im höherdimensionalen Raum, sondern lediglich  um eine bequeme Art und Weise, aperiodische Strukturen mathematisch zu beschreiben. Darum wird der Quasikristall in eine höherdimensionale periodische Struktur eingebettet, deren Dimensionalität dem Rang des Quasikristalls entspricht.

Man denke sich den 1D-Fibonacci-Quasikristall in eine zweidimensionale periodische Struktur eingebettet, die sich über ein quadratisches Gitter beschreiben lässt, welches mit Liniensegmenten dekoriert ist. Diese heißen Besetzungsbereiche und sind senkrecht zum Fibonacci-Quasikristall ausgerichtet. Der physikalische Raum mit dem Fibonacci-Quasikristall schneidet die periodische Struktur mit einer irrationalen Steigung, die dem goldenen Schnitt entspricht. Die Schnittpunkte der  Liniensegmente mit dem physikalischen Raum erzeugen die Quasigitterpunkte. Ordnet man jedem Liniensegment eine Atomsorte zu, entsteht der Quasikristall. Die periodische Beschreibung im höherdimensionalen Raum ermöglicht die Strukturlösung und -verfeinerung der Atompositionen in ähnlicher Art und Weise, wie dies für periodische Kristalle geschieht. Wesentliche Aufgaben der Strukturanalyse sind: 1) Bestimmung der periodischen Elementarzelle und der  Symmetrie  im  höherdimensionalen Raurn, 2) Bestimmung des Ortes und der geometrischen Gestalt der Besetzungsbereiche und 3) Zuordnung der Atomsorten in den Besetzungsbereichen. Für einen ikosaedrischen Quasikristall ist die Elementarzelle ein 6D-Hyperkubus und die Besetzungsbereiche sind 3D-Polyeder. Für eine 3D-Penrose Parkettierung, ein einfaches Modell für einen ikosaedrischen Quasikristall, ist der Besetzungsbereich ein Rhombendreissigflächner. Beispiele für höherdimensionale Beschreibungen von polygonalen und ikosaedrischen Quasikristallen sind in [4] zu finden. Lange arbeiteten Werkstoffwissenschaftler, Physiker und Chemiker voneinander isoliert im Bereich metallischer Materialien. Die Komplexität dieser Verbindungen erforderte es, das Wesen der Quasikristalle gemeinsam zu  erforschen. Dan Shechtmans Entdeckung hat so das Fundament gelegt, in den kommenden Jahrzehnten die Klasse der metallischen Materialien besser zu verstehen.

[1] ,,The Nobel Prize in Chemistry":
http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/laureates/2011/
[2] D. Shechtman, LBlech, D. Gratias, J. Cahn, Physical Review Letters 53 (1984) 195 1.
[3] L. Pauling, Nature 317(1985) 512.
[4] W. Steurer, S. Deloudi, "Crystallography  of  Quasicrystals", Springer, Berlin 2009.
[5] AMES lab.,  US  Department of Energy, http://cmp.physics.iastate.edu/canfield/photos.html
[6] L.  Bindi, P. J. Steinhardt,  N. Yao, P. J. Lu, American Mineralogist 96 (2011) 928.
[7] D. Levine, P.  J. Steinhardt, Physical Review Letters 53 (1984) 2477.
[8] H. Bohr, "Fastperiodische Funktionen", Springer, Berlin 1932.
[9] IUCR, Acta Crystallographica A48 (1992) 922.
[10] P. M. de Wolf, Acta Crytallographica A30 (1974) 777.
[11] R.  Penrose, Bulletin of The Institute of Mathematics and its Applications  10 (1974) 266.
[12] A. L. Mackay, Physica, 114A (1982) 609.
[13] P. J.  Steinhardt,  D.  P.  DiVincenzo, "Quasicrystals: The State of the Art, World Scientific, Singapore 1991.
[14] P. J. Lu, P. J. Steinhardt, Science 315 (2007) 1106; Supporting Online  Material.

Mittwoch, 22. April 2020

Der Kampf des Immunsystems mit dem Corona-Virus

In diesem Post möchte ich einen spanischen Zeitungsartikel über die Immunreaktion auf das  Coronavirus übersetzen. Er ist im Original in El Pais erschienen. Unterlegt habe ich den Artikel mit Bildern von "Cells at Work", ein Anime über den menschlichen Körper.

"Die Zeit spielt zugunsten des neuen Coronavirus. Ein einzelnes SARS-CoV-2-Viruspartikel kann in nur 24 Stunden bis zu 100.000 Kopien von sich selbst erstellen, indem es menschliche Zellen als Zombie-Brüter benutzt. 


Stattdessen dauert es 15 bis 21 Tage, bis das Immunsystem vollständig auf das Virus reagiert. Das menschliche Immunsystem ist jedoch eine der raffiniertesten biologischen Maschinen, die es gibt. Es besteht aus zig Milliarden Zellen, die hoch spezialisiert sind, um Krankheitserreger zu lokalisieren und zu zerstören. Deshalb gewinnen unsere Abwehrkräfte in den meisten Fällen den Kampf gegen das Coronavirus. So machen sie es.

1. Verteidigungslinie:

Fast unmittelbar nachdem das erste Viruspartikel in eine Zelle eingedrungen ist, kommen die ersten Mitglieder des Immunsystems in die Arena: Makrophagen. Dies sind keim- und trümmerfressende Zellen, die in fast jedem Gewebe des Körpers vorhanden sind. In diesen ersten Momenten der Infektion kommt auch noch eine andere Art von Immunzellen ins Spiel, die nie aufhören zu beobachten: die NK (natural killer) Killerzellen.

Die Makrophagen finden das Virus und verschlingen es. Die Lysosomen, spezielle Organellen in den Makrophagen, die fremdes Material abbauen, zerstören das Virus. Der Abfall (Fragmente von Virusprotein und RNA) dient als Vorlage (Antigene), damit andere Zell-Spezialeinheiten wissen, wie man das Virus erkennt und abtötet.



Wenn die Infektion nicht schwerwiegend ist, reichen die Makrophagen, um das Virus zu beseitigen. Dies ist wahrscheinlich das, was den meisten Menschen passiert. Deshalb verursacht das Coronavirus in 80% der Fälle keine oder nur leichte Symptome.

Wenn die Makrophagen den Eindringling jedoch nicht besiegen können, schlagen sie Alarm damit Verstärkung kommt. Sie tun dies, indem sie Zytokine produzieren. Das sind Proteine, die Entzündungen kontrollieren und hervorrufen. Erste Symptome: Husten, Fieber, Unwohlsein. Zytokine (speziell Interleukin-6 oder IL6) erzeugen nicht nur lokale Entzündungen. Diese Moleküle wandern durch das Blut zu anderen Organen: dem Gehirn, der Leber und dem Knochenmark.

Im Hypothalamus des Gehirns beeinflussen sie das thermoregulatorische System der Körper-temperatur, das Fieber erzeugt. Diese Grundfunktion löst einen allgemeinen Großalarm aus.
In der Leber regen sie die Produktion von reaktivem Protein C an. Das Protein ist dafür verantwortlich, infizierte Zellen zu finden und den Prozess zur Zerstörung oder Selbstzerstörung (Apoptose) zu starten. Die Leber erhöht auch das Level von Ferritin, in dem das Eisen unseres Körpers gespeichert ist.
Das Knochenmark wiederum produziert, aktiviert von den Zytokinen, mehr Makrophagen, die nun noch mehr Zytokine herstellen. Ein Teufelskreis, der zum Kollaps führt.

Die beiden sogenannten Marker Protein C und Ferritin werden zusammen mit anderen Markern verwendet, um von Ärzten vorherzusagen, bei welchen Patienten schwerwiegende Komplikationen auftreten werden, da sie bei Patienten mit schlechterer Prognose viel höher sind. Viele der Todesfälle durch Covid-19 besonders auch bei jungen Menschen sind auf einen "Zytokinsturm" zurückzuführen, eine Überladung mit entzündlichen Proteinen, die schließlich das Immunsystem zusammenbrechen lässt. 

Das kann passieren, wenn Makrophagen die Infektion nicht selbst beheben können. Die von Makrophagen ausgestoßenen Zytokine verstärken die Herstellung neuer Makrophagen und diese produzieren weitere entzündliche Zytokine, was dazu führen kann, dass das Immunsystem erschöpft zusammenbricht. 

Der andere Akteur in der ersten Reaktionslinie des Körpers ist die NK-Killerzelle, deren Aufgabe es ist, infizierte Zellen zu lokalisieren und zu zerstören. NK-Killer-Zellen wandern durch den Körper und überprüfen, ob alle Zellen gesund sind. Alle gesunden Zellen sind mit Proteinen bedeckt, die als Passierschein für die Killerzellen dienen. Wenn die Zelle vom Virus infiziert ist, verliert sie diese Proteine. NK-Zellen erkennen das und zerstören die infizierte Zelle.




2. Verteidigungslinie:
  
Dendritische Zellen sind das Bindeglied zwischen der ersten und der zweiten Verteidigungslinie. Sie verschlingen auch Teile des Virus und transportieren diese durch das Lymphsystem zu den Knoten, die wie Kasernen sind, in denen die übrigen Mitglieder des Immunsystems warten. 


Die dendritischen Zellen präsentieren das Virus den Helfer-T-Lymphozyten. 



Die T-Helferzellen erzeugen nun Zytokine, die die T- und die B-Lymphozyten aktivieren. Sie lassen zytotoxische T-Lymphozyten (T-Killerzellen) frei, die in der Lage sind, durch den Blutkreislauf zu wandern. Wenn sie die Infektionsstelle erreichen, zerstören sie die infizierten Zellen. 



Die B-Lymphozyten konfrontieren das Virus oder Antigen direkt. Es gibt Millionen Varianten von B-Lymphozyten. Jede hat eine bestimmte Art von Antikörper, die wie ein Schlüssel ist.



Wenn ein B-Lymphozyt seinen Schlüssel perfekt in das Virusschloss stecken kann (ein Protein in seiner äußeren Hülle) beginnt er damit, Tausende von Kopien von sich selbst zu erstellen. Diese Lymphozyten werden dann in Plasmazellen umgewandelt, die durch das Blut zu allen Geweben wandern. In den Geweben startet das B-Lymphozyt Antikörper gegen auffindbaren Viruspartikel.
Diese Antikörper heissen Immunoglobulin M (IGM) und Immunoglobulin G (IGG).

IGM-Antikörper sind die erste Angriffswelle der Antikörper. Sie sind 9 bis 12 Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome nachweisbar. Sie sind Moleküle mit 10 Armen, mit denen sie sich eventuell an eines der Virusproteine ​​binden, es blockieren und andere Organismen wie Makrophagen zur Zerstörung des Virus auffordern.


IGG-Antikörper, die zweite Welle, sind nach 14 bis 21 Tagen nachweisbar. Sie haben nur zwei Arme, sind aber viel besser dafür geeignet, sich an das Virus zu binden, es zu blockieren und andere Immunzellen zu Hilfe zu rufen. Zusätzlich helfen diese Antikörper den Killer-Zellen, sich an die infizierte Zelle zu binden und diese zu zerstören. 

Wenn alles gut geht, erholt sich die Person und wird gesund, behält jedoch ein Immungedächtnis und Antikörper. Manchmal erzeugt dieser ganze Prozess aber wie gesagt einen "Zytokinsturm", der den Körper mit entzündlichen Proteinen überlastet. Diese lassen schließlich das Immunsystem zusammenbrechen und führen zum Tod des Patienten. 

Das Immunsystem altert auch, wodurch ältere Menschen häufiger an Komplikationen leiden oder an Covid-19 sterben. Eine der wichtigsten unbeantworteten Fragen bei dieser Pandemie ist, wie lange die erworbene Immunität nach einer Infektion anhält. Bisher wurde beobachtet, dass es bis mindestens 39 Tage nach Auftreten der ersten Symptome Antikörper gibt. Derzeit laufen Studien, um festzustellen, ob diese Wirkstoffe länger vorhanden sind und ob sie das Virus Monate nach der ersten Infektion noch neutralisieren können. Ähnliches passiert mit Lymphozyten. Die vollständige Immunantwort beinhaltet die Produktion von Gedächtnislymphozyten, die die Infektion nach langer Zeit wieder erkennen und eine Immunantwort neu starten können, die das Virus in sehr kurzer Zeit abtötet. Derzeit gibt es in Spanien und anderen Ländern Studien zur mittelfristigen Menge und Wirksamkeit von Lymphozyten. In diesem Sinne wurde beobachtet, dass einige Patienten eine korrekte angeborene Immunabwehr aufweisen, ihre Lymphozyten jedoch stark geschwächt sind, was zu schwerwiegenden Komplikationen und sogar zum Tod führen kann. Eingehende Untersuchungen von Antikörpern und Immunzellen sind entscheidend für die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs. Wenn die Immunantwort unvollständig oder kurzlebig wäre, wäre es schwieriger, im Laufe der Zeit eine wirksame Immunisierung zu entwickeln, was zur Beendigung dieser Pandemie wesentlich ist."




Dienstag, 21. April 2020

Was ist eigentlich Vernunft ?

Beim Schauen der Diskussion zwischen Herrn Friedman und Herrn Grün schien es mir, als stünde eine logische Definition des Begriffes "Vernunft" im Raum, aber 45 Minuten sind eben zu kurz für sowas. Hier also nun mein Senf dazu, der sich ziemlich nah an Immanuel Kant orientiert.

Meiner Meinung nach ist ja Gott ein Axiom, zu dessen Verehrung die Regeln der Religion Stück für Stück postuliert und mit moralischen Logiken verknüpft wurden. Kant meinte übrigens, Gott wäre ein Postulat der moralischen und sittlichen Vernunft. Was ist nun aber Vernunft?

Vernunft ist ein Konstrukt aus Wunsch oder Wille (Axiom), Regel (Postulat) und Begründung (Logik) in Einzahl oder Mehrzahl. Aus einem vielleicht sogar emotionalen Wunsch heraus werden Regeln postuliert, die dafür sorgen, dass der Wunsch respektiert und erfüllt wird. Diese Regeln werden mit rationaler oder irrationaler Begründungslogik verknüpft, meist sogar mit einer Mischung aus beiden. Diese Logiken können auf individuellen oder kollektiven Erfahrungen beruhen (Wetter), aber auch erfunden sein.

Wie im oben genannten Gespräch schon anklang, gibt es eine individuell praktikable Vernunft, die auf Eigennutz fußt und eine kollektive Vernunft, in der die Standpunkte Vieler gemittelt oder normiert sind. Eine weitere Kategorisierung der Vernunft könnte in geistiger und materieller Vernunft bestehen.

Eine kollektive Vernunft wäre zum Beispiel das juristische Gesetzeswerk, die Religion, aber auch die Moral (Sittlichkeit), handwerkliche Verfahren, Demokratie oder Stilformen und Spiele aller Art. Eine individuelle Vernunft wäre zum Beispiel eine Berufswahl (Berufung), Partnerwahl, ja Auswahlprozesse jeglicher Art, aber auch Selbstbilder, Ideale und Rituale.

Natürlich können individuelle und kollektive Vernünfte kollidieren, ja verschiedene Vernünfte an sich kollidieren oft. Dann muss sprachlich oder auch körperlich argumentiert werden, überzeugt oder verführt. Die Regeln werden dadurch neu ausgehandelt, die Vernünfte adaptiert. Die Vernunft ist also auch der Evolution unterworfen.

Im Gegensatz zum Verstand, der eine Gehirnfunktion ist, ist die Vernunft ein Prozess des Verstandes, der emotionale und rationale Sachverhalte in Einklang (Ordnung) bringt und dafür sorgt, dass materielle und geistige Dinge eine bestimmte angestrebte Ordnung einnehmen. Damit ist eine Vernunft ein Ordnungsprozess. Vernünfte sind im Gedächtnis gespeichert.

Ähnlich schwammig wie der Begriff "Vernunft" erscheint der Begriff "Welt". Aber so wie die Vernunft ein Ordnungsprozess des Verstandes ist, ist die Welt ein Wahrnehmungsprozess der Ordnung. Indem der Verstand eine Vernunft wahrnimmt, erkennt er eine Welt. Um den Kreis nun zu schließen, ist auch das Axiom, der Wunsch nach einer bestimmten Ordnung, die Wahrnehmung einer zukünftigen Ordnung, eine zukünftige Welt. Am schönsten zeigt sich die Verwandtschaft von Welt und Vernunft im Wort Weltbild. Ein Weltbild ist eine kanonisierte Vernunft, ein Ordnungsprozess. Da Ordnungsprozesse auch als Ordnung wahrgenommen werden können, ist die Wahrnehmung eines Weltbildes eine Welt.

Auch mit dem Wort "Sinn" (der Sinn des Ganzen etc.) können wir gleich hier aufräumen, er ist nämlich synonym mit dem Wort Vernunft.

Nun könnte es einem die Idee kommen, dass auch Welt und Vernunft dasselbe seien, schließlich ist die Wahrnehmung von Ordnung mit dem Schaffen von Ordnung im Verstand innig verknüpft. So innig, dass man dieser Einheit einen neuen Namen geben sollte. John Locke hat es "Reflexion" genannt. 

Dass Welt und Vernunft so nahe beieinander liegen, hat den Menschen zum Irrtum verleitet, hinter der natürlichen Ordnung läge eine außermenschliche Vernunft. Natürliche Dinge haben ihre Eigenschaften, die ihr Verhalten bestimmen. Die Ordnung der Eigenschaften und des Verhaltens ist natürlich, die Erkenntnis derselben aber menschlich und die begründende Logik dazu erst recht. Die Natur ist also geordnet durch ihre Eigenschaften, aber nicht vernünftig. Die Welt als vom Mensch wahrgenommen Ordnung trägt hingegen bereits den Stempel der menschlichen Erkenntnis, die begründende Logik den der menschlichen Vernunft. Mathematik ist die menschliche Sprache, die Natur zu verstehen, nicht die "Sprache der Natur". Da sie sich aus der Abzählbarkeit der Natur ableitet ist sie der Natur ähnlich, geht aber durch Abstraktion über sie hinaus.

Dass die Welt eines Menschen beeinflusst ist von seinen Vernünften hat noch eine andere interessante Implikation. Der Mensch ist durch seinen kindlichen Lernprozess mit einem Inventar an Vernünften ausgestattet. Ein Gutteil dieser Vernünfte kommen von außerhalb, von anderen Menschen. Wächst der Mensch heran, treten die Vernünfte in einen inneren Konflikt. Dadurch kommt es zu einem teils emotionalen, teils rationalen Aufräumen des Vernunftinventars, welches man als Erwachsenwerden bezeichnet. Im Idealfall wird dadurch eine Metavernunft erreicht, eine Innere Ordnung der Vernünfte, eine Art Kanon oder auch Kodex, eine Geisteshaltung (Mindset, Weltbild). In der Metavernunft spiegelt sich auch die vernetzte Natur der Vernünfte wieder, ihre Verknüpfungen untereinander und dass eine Vernunft Folgevernünfte erzeugt.

Die Metavernunft findet man schließlich auch in Regelwerken wie Gesetzestexten. Verfassungen zum Beispiel fungieren als Metavernunft eines Staates, ihnen ordnen sich andere Vernünfte, Regeln, Gesetze, Aktionen und Verlautbarungen unter. 

Die schlechtesten, aber auch die besten Leistungen des Menschen entstehen durch Fehler: das Verknüpfen von Regeln durch irrationale Begründungslogik, interne Welten und Vernünfte mit externen zu verschmelzen und die erwähnte Verwechslung von Natur mit Welt und Vernunft sind Beispiele.

Treue Begleiter von Vernünften sind Gefühle. Jede Vernunft ist von Gefühlen umhüllt, jede Welt von Gefühlen gefärbt. Das Gefühl ist quasi die Eierschale der Vernunft, es ist eine der sogenannten Randbedingungen. Deswegen sind Kompromisse und Überzeugen so schwierig.

Präzisieren wir nun noch das Wort Logik. Sowohl Schritt zwei, die Regel als auch Schritt drei, die Begründung, enthalten eigentlich Logik, der eine eine strategische „wenn-dann“ Logik, der andere eine erklärende „deshalb“ Logik. Beide Logiken sind korrumpierbar, also anfällig für irrationale Logik. Überprüft man eine Vernunft, kann man sie auf Konsistenz (Wunsch, Regel und Begründung bauen aufeinander auf und ergeben keine Widersprüche), aber auch auf Transparenz (die Begründung verdeckt oder erklärt den Wunsch) und Rationalität (die Vernunft ist naturwissenschaftlich verankert) testen. Platon nannte diese Überprüfung in seinem Buch "Der Staat" Gerechtigkeit. Auch das Wort Idee muss noch konkretisiert werden. Idee bedeutet grundsätzlich Wahrnehmung. Alle drei Teile der Vernunft sind Ideen, wie auch die Welt eine Idee ist.
 
Das erarbeitete Vernunftmodell hat nun ganz praktischen Nutzen. Die Eigenschaften, Neigungen und Herangehensweisen von Persönlichkeitstypen steuert sich nämlich ursprünglich aus grundlegenden Wünschen wie Sicherheit, Bequemlichkeit, Sozialkontakt/-distanz, Geltung, Macht, Freiheit, Gestaltung, Empathie, Ordnung, Neugier, Belohnung, körperliche und geistige Betätigung. Verkäufer zum Beispiel kennen die Wünsche ihrer Kunden. Wünsche konkurrieren miteinander und können sich sogar neutralisieren. Kooperation und Verstärkung gibt es aber auch.
 
Einer der interessantesten Wünsche, welcher das neoliberale Zeitalter prägt, ist Geltung (sozialer Status). Geltung bevorzugt Extroversion, Intuition und Urteilen. Geltung stärkt aber auch die Neigung zum Lügen und Imitieren und damit zu irrationaler Logik, mit der die Begründung von Regeln und Handlungen erfolgt. Geltung konkurriert mit Empathie, Sicherheit und Bequemlichkeit und wird verstärkt durch Neugier, Macht und Gestaltung. Weitere Wünsche, die mit irrationaler Logik verknüpft sind, sind Sicherheit, Gestaltung, Sozialkontakt und Macht. Mit diesen fünf hat man schon das ganze Drama der Propaganda und Fake News im Blick.

Die Konkurrenz und Kooperation der grundlegenden Wünsche macht das Vernunftsmodell auch geeignet für die Persönlichkeitsgestaltung von künstlichen Intelligenzen. Grundwünschen können hier Werte zugewiesen werden, aus diesen Werten ergeben sich Differenzen (Debuffs) konkurrierender Wünsche und Additionen (Buffs) unterstützender Wünsche, aus diesen Settings können dann die Regelwerke für das Handeln des Charakters erstellt werden, die Begründungen für diese sowie die inneren Konflikte.

Wie beim Aufstellen von mathematischen Modellen können Randbedingungen aufgestellt werden, welche die Wunscherfüllung beeinflussen und die bei der Regelaufstellung beachtet werden müssen. Randbedingungen können zum Beispiel Klima, Gesetze, Ressourcen etc. sein. Wunscherfüllung kann scheitern, wenn der Wunsch oder die Regeln zum Beispiel illegal sind. Will man gegen die Randbedingungen spielen, werden oft irrationale Logiken benutzt, es wird also betrogen. Alternativ können die lokalen Randbedingungen außer Kraft gesetzt werden. Manchmal müssen die Randbedingungen auch erst ermittelt werden. Ideal ist der Pfad des geringsten Widerstandes durch die Randbedingungen. Zu den Randbedingungen gehören auch Körperfunktionen und Geistesfunktionen wie Gefühle und Gedächtnis. 

Unklar definierte Wünsche sind eines der größten Menschheitsprobleme überhaupt, etwa wenn man nach Glück oder Zufriedenheit strebt. Was aber bedeutet das genau? Deshalb können sowohl Wünsche als auch Regeln geplant und entwickelt werden. Zur Regelfindung kann Induktion und Deduktion benutzt werden, also Trial-and-Error oder es wird auf Erfahrungen zurückgegriffen, aus denen Regeln abgeleitet werden können. Zur Erfüllung eines Wunsches ist es hilfreich, wenn einander unterstützende Vernünfte einen Kanon ergeben.

Kognitive Dissonanz kann auftreten, wenn man einem Wunsch gefolgt ist, der sich als Fehler erwiesen hat. Eventuell war der Wunsch gar kein eigener, sondern ein gesellschaftlich oder familiär eingepflanzter. Sie kann auch auftreten, wenn irrationale Logik zum Selbstbetrug verwendet wurde.

Mit jeder Vernunft treten Unterwünsche in Erscheinung, die der Absicherung sowie der Konservierung des Wunsches, der Regeln, der Begründungen und der geschaffenen Strukturen dienen. Daraus ergibt sich Logistik (Beschaffung), Progress- und Prozessmanagement (Kontrolle), Sanierung, Restaurierung, Tradition und Geschichtsschreibung (Dokumentation). 

Hier nun können wir die Vernunft endlich zirkularisieren. Regeln, Begründungen und Kontrolle (Wahrnehmung) sind alles Strategien, die bei der Erfüllung des Wunsches helfen können. Es geht am Ende also nur von Wunsch über Strategie wiederum zu Wunsch.
 
Betreiben wir nun ein wenig Horkheimer-Adorno. Der Wunsch nach Wiederholung des Wunsches erzeugt einen Prozess. Dies stellt den Machtanspruch über die Randbedingungen dar. Der Wunsch nach Optimierung des Prozesses manifestiert diesen Anspruch noch mehr, geht es weiter bis zu Vereinheitlichung und Standardisierung des Prozesses, kommt noch die Deutungsmacht dazu. Der Wunsch nach Dokumentation bedeutet Machtanspruch über die Zeit. Der Wunsch nach Vorteilsnahme durch den Prozess bedeutet Machtanspruch über andere Individuen (geistiger Besitz, Patent- und Urheberrecht). Der Wunsch zum destruktiven Missbrauch des Prozesses dient oft der Machtergreifung, dem Machterhalt oder der Vergeltung. Durch den Missbrauch oder negative reale Folgen wird der Prozess negativ emotionalisiert und ggf. entwertet und zerstört (siehe Atomenergie).
So können Prozesse auch taktisch behindert werden, indem sie irrational negativ emotionalisiert werden (siehe Windenergie). Fügen wir hier noch den Begriff der positiven Revolution durch Etablierung, Optimierung und Vereinheitlichung von Prozessen und den der negativen Revolution durch Zerstörung und Entwertung von Prozessen hinzu. 
 
Jeder Machtanspruch unterliegt der Möglichkeit des Missbrauchs. Positive Revolution kann auch negative Revolution zur Folge haben. Der individuelle Prozess selbst entspricht nicht der Vernunft, sondern seine Abstraktion bzw. das Wissen darüber.
Adorno setzt Vernunft und Aufklärung gleich als Erfassung von Unbekanntem in Mengen und deren Beziehungen untereinander. Dies führt ihmzufolge zu einer starken Reduktion an Vielfalt in der Wahrnehmung und zu einer Entfremdung in der Wahrnehmung, da man sich nicht mehr aufs Gegenständliche konzentriert, sondern auf das Abstrakte. Außerdem sind alle Formeln, die aus den Mengen an natürlichen Phänomenen und ihren Relationen abgeleitet werden, korrumpierbar durch irrationale Logik, ob strategisch oder zufällig. Das bedeutet, dass rationale Vernünfte immer wieder neu erstritten werden müssen, ja regelmäßig wie von Unkraut befreit werden müssen.

Mit jeder Vernunft können aber auch Kopien entstehen (andere Personen entwickeln einen ähnlichen Wunsch) oder auch Veränderungswünsche. Da jeder Schritt einer Vernunft neue Vernünfte erzeugen kann, ist die entstehende Struktur wie bereits erwähnt netz- oder baumartig. Die Visualisierung einer Vernunft kann deshalb in einer Mindmap erfolgen. Das Gedächtnis bestimmt, wie entwickelt sich ein Wunsch präsentiert. Wünsche können wie Matrioschkas ineinander verschachtelt sein, man kann dann von einer Vision sprechen. Frei nach Schopenhauer ist die niederste Form des Wunsches der Wille, etwas, das wir heute Bedürfnis nennen würden. Wenn wir nun dieses Bedürfnis dem Wunsch noch voranstellen, haben wir eine Erklärung dafür, dass viele Menschen das eine wollen, sich aber etwas anderes wünschen oder gar nicht wissen, was sie wollen, wenn sie sich etwas wünschen.
 
Die höchste Form des Wunsches ist die Vorstellung (Achtung, nicht Wahrnehmung), die wir schon als Vision benannt haben. Zerstörerisch oder kriminell wird der Mensch, wenn er versucht, seinen Wunsch gegen ungünstige Randbedingungen durchzusetzen. Das kann durch Dummheit geschehen, wenn man die Randbedingungen nicht zu ermitteln imstande ist, aber auch durch kühle intellektuelle Berechnung. Der Kampf gegen die ungünstigen Randbedingungen ist aber auch der Stoff für Heldengeschichten und wissenschaftliche Durchbrüche. 

Ab wann nun ist ein Mensch vernunftbegabt? Wenn er in der Lage ist, zu begründen. Die Sprache ist also eine notwendige Voraussetzung. Kritische Vernunft bedeutet die Möglichkeit der Überprüfung oder Hinterfragung der Vernunft auf Transparenz, Konsistenz und Rationalität sowie der Abgleich mit und die Bildung der kollektiven Vernunft. 

In der der Mathematik ist die Vernunft aufgebaut aus Axiom, Regel-Postulat, Formulierung der Randbedingungen und der Beweis-Vermutung, welcher später noch der Beweis folgt. In der physikalischen Realität kann nichts bewiesen werden, es können nur Fakten überprüft werden. Vernunftsbegründungen können deswegen nicht nur rational, sondern auch strategisch sein.


Donnerstag, 1. August 2019

Mathematische Relationen in der Kreativität

Mathematische Grundoperationen finden sich auch im kreativen Arbeiten, der Ideenfindung und -ausarbeitung. Die einfachsten Operationen sind ja die Addition und die Subtraktion oder Zusammenfügen und Trennen. Die Addition ist auch das Zusammenfügen von Teilideen zu einem großen Ganzen und der Vergleich, die Gegenüberstellung, der Kontext, die Zuordnung, die Parallele. Die Multiplikation ist eine technische Variante der Addition, die angibt, wie oft eine Zahl mit sich selbst addiert werden soll. In der Kreativität entspricht das dem Sampling bzw. der Vervielfältigung, simultanen Vorgängen (Ebenen) sowie Flächigkeit und Räumlichkeit. Die Potenzierung ist eine weitere Entwicklung, die erklärt, wie oft eine Zahl mit sich selbst multipliziert werden soll, die Integration schließlich ist ein sequentielle Addition.

Bei der Subtraktion gibt es die Division, die Wurzel und die Differentiation. Die Division sagt wie eine Subtraktion so vor sich gehen soll, dass mehrere gleich große Teile entstehen. Die Wurzel ist die Umkehrung de Potenzierung und findet heraus, welche Zahlen wie oft mit einander multipliziert worden sind, um die Zahl, deren Wurzel ermittelt werden soll, zu erhalten. Die Differentiation ist wieder die sequentielle Substraktion. Wie man sich sicher schon vorstellen kann, hat die Addition und ihre Varianten eher einen aufbauenden, synthetischen, konstruktiven Charakter, der ja eher der Vorstellung von Kreativität entspricht. Ader auch die Subtraktion hat einen wichtigen Beitrag in der Analyse, dem Verstehen, der Abstraktion, der Vereinfachung, der Einteilung, der Unterteilung, im Takt und Rhythmus, der Planung, Schnittmustern oder Schnittfiguren, dem Schnitzen und der Bildhauerei.

Pfeffer und Schwung in das Ganze bringen nun Transformationen. Diese können geometrischer Natur sein und erzeugen flächige oder räumliche Muster und Strukturen wie zum Beispiel die Spiegelung, Drehung, Verschiebung und so weiter (Mandalas und ähnliches, aber auch Versmaß und Origami). Geometrie ist ja sowieso die bildliche Darstellung mathematischer Sachverhalte.
Es geht aber auch chaotisch, das Resultat sind selbstähnliche Bilder und Strukturen oder Fraktale wie etwa Batik- oder Klecksmuster.

Weiter geht es mit Funktionen. Funktionen sind nichts anderes als Herumprobieren, deswegen haben sie Variablen, die man ändern kann. Kreativität probiert natürlich auch ständig herum. Das sequentielle Abarbeiten von Aufgaben nennt man mathematisch Algorithmus, ansonsten schlicht Plan oder Prozess, also auch der künstlerische Prozess beim Entstehen eines Werkes oder der Wiedergabe eines Werkes. Laufen parallel mehrere Arbeitsschritte ab, sind kombinierte Funktionen am Werk, die einfachsten davon sind Reihen. Parallelisierung findet man aber eben auch im Film und Musikschaffen bei Ensembles und Orchestern sowie Firmen aller Art.

Ein weiteres Spielfeld ist die Vektormathematik, im Künstlerischen findet man sie wieder in der Projektion und der Verzerrung (z.B. Satirisch). So weit so gut.


Freitag, 28. November 2014

Ein LaTeX Master-File für die Dissertation oder Masterarbeit - A LaTeX master file template for your thesis

This is the LaTeX master file from my thesis. At least one year of online research went into it. Have fun using it as a template and save time! I used MiKTeX and TeXnicCenter.

Das ist das LaTeX Master-File meiner Doktorarbeit. Wenigstens ein Jahr Online-Recherche steckt darin. Habt Spaß und spart Zeit! Ich benutzte MiKTeX und TeXnicCenter.

Times New Roman Version

Helvetica Version

And this is what the result looks like. Und so sieht meine Arbeit damit aus (Times New Roman).

Donnerstag, 2. Oktober 2014

Douglas Adams' 6x9=42 solved


According to Douglas Adams, the answer to the ultimate question about the meaning of life, the universe and everything is simple: 42. And the ultimate question is: What is 6 multiplied by 9, which is definitely not 42 but 54. So how can six times nine equal forty-two? Before we can answer this we have to ask another question: Why is 6 afraid of 7? Because 7 ate 9! In my opinion, 6x9=42 if 789 (7 ate 9). The nine becomes an imaginary number. With the seven-nine as a complex number, the whole thing then could be expressed in this way: 6x(7+9i)=(42+54i). Its funny that the digit sum of 42 is 6, the digit sum of 54 is 9 and 42+54=96.

So far so good. Since writing is seldom a logical process, here are my best guesses for the autors personal motivations for the numbers: forty-two is the age of Chrono when the book "The Sirens of Titan" from Kurt Vonnegut ends. If you read the volume, you learn that Chrono is indeed the meaning of life, the universe and everything (to mankind). The word "Tralfamadore" means 541 in tralfamadorian also there. And six times nine is Mary-Anne, according to the old poem "A mortifying mistake".

To learn more about Deep Thought, I suggest you to read "When Harlie was one" from David Gerrold. Harlie is a computer with neuronal networks who thinks like a human but much faster and more complex. He wants to prove the existence of god. So he plans the GOD-machine, a bigger computer than himself. Not only has the first estimation of GOD the size of a planet (later it shrinks to a small town), its calculation times are also estimated to be ten thousands of years because of the long cables that transport the signals. In addition it is stated that very complex questions such as religion or the meaning of life can only be questioned right by a computer and the answer understood only by a computer aswell.

And now quickly how Magritte's pipe painting relates to 6x9=42. Both have two different states at the same time, like Schrödinger's cat. In Magritte's case, the pipe is not a pipe according to the statement, but at the same time it is a pipe according to the picture. Adam's equation is correct according to the statement and at the same time wrong according to the logic.


Nach Douglas Adams ist die ultimative Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens ganz einfach: 42. Und die ultimative Frage ist: Was ist 9 multipliziert mit 6, was definitiv nicht 42 ergibt, sondern 54. Also wie kann 6x9=42 sein? Ich denke, 6x9=42 if 789 (7 ate 9). Kleiner englischer Sprachwitz, in dem die Sieben die Neun isst. Damit wird die neun zu einer imaginären Zahl. Als komplexe Zahl könnte man das ganze dann so ausdrücken: 6x(7+9i)=(42+54i). Die Quersumme von 42 ist 6 und die Quersumme von 54 ist 9, witzigerweise. Und 42+54=96.

So weit so gut. Da Schreiben selten ein logischer, sondern meist ein assoziativer Prozess ist, sind hier meine besten Vermutungen für die Motivationen des Autors, gerade diese Ziffern zu benutzen: Zweiundvierzig ist das Alter von Chrono, wenn das Buch "Die Sirenen des Titan" von Kurt Vonnegut endet. Wenn man es liest lernt man, dass Chrono wirklich der Sinn des Lebens, des Universums und des ganzen Restes ist (für die Menschheit). Das Wort "Tralfamadore" in dem Buch bedeutet 541 in tralfamadorisch. Und sechs mal neun ist "Mary-Anne" nach dem alten Gedicht "A mortifying mistake".

Um mehr über Deep Thought zu lernen empfehle ich auch das Buch "Ich bin Harlie" von David Gerrold. Harlie ist ein Computer mit neuronalen Netzwerken, der wie ein Mensch denkt, nur viel schneller und komplexer. Er will die Existenz von Gott beweisen. Deswegen plant er die GOD-Maschine, ein größerer Computer als er selbst. Nicht nur ist die erste Schätzung der Größe von GOD die eines Planeten (später schrumpft sie auf eine Kleinstadt), ihre Berechnungszeiten betragen auch zehntausende von Jahren wegen der langen Kabel, die die Signale transportieren. Ausserdem wird postuliert, dass sehr komplexe Fragen wie nach Religion oder dem Sinn des Lebens nur von Computern richtig gestellt werden können und die Antworten auf diese Fragen nur von Computern verstanden.

Und nun noch schnell dazu, wie Magrittes Pfeifengemälde mit 6x9=42 zusammenhängt. Beide haben gleichzeitig zwei verschiedene Zustände, wie etwa Schrödingers Katze. Bei Magritte ist die Pfeife keine Pfeife der Aussage ("Das ist keine Pfeife") nach und gleichzeitig doch eine Pfeife dem Bild nach. Adams Gleichung ist richtig der Aussage nach und gleichzeitig falsch der Logik nach.


Montag, 6. Januar 2014

Eine DTA-Simulation in VBA für den Excel-Export von Pandat2012


Das hier ist ein kleines VBA-Programm, mit dem man das DTA-Signal aus dem Excel-Export der Verfestigungssimulation von Pandat2012 heraus generieren kann. Dabei wird entweder das Scheil- oder das Lever-Verfestigungszenario berücksichtigt. Zur Berechnung wird die Enthalpie Htot verwendet. Viel Spass damit und ich bin gerne offen für Tipps zur Verbesserung. Die mathematische Grundlage für dieses Script wurde veröffentlicht von:

This is a small VBA program, with which you can generate the  DTA-signal from the Excel output of the enthalpy Htot from the solidification simulation of Pandat2012. Pandat generates the data for the Scheil and Lever solidification scenario. Have fun with it and I would like to hear your opinions and hints. The mathematical basis for this script has been published by:

Boettinger, W. J., Kattner, U. R., Moon, K.-W. & Perepezko, J. H. Methods for
Phase Diagram Determinatiom, chap. DTA and Heat-Flux DSC Measurements of
Alloy Melting and Freezing, 151–221 (Elsevier BV, 2007).

See also their online-booklet and their Mathematica program. This macro is in fact just a VBA translation of it. Please read especially what they wrote about the time constants!

Now its easy to do: just get Pandat2012 Demo, take the thermodynamic Database file from NIMS or Calphad journal (look for "assessment" articles there) or the COST507 light metal alloy database, make a solidfication simulation within the desired temperature region with equal minimal and maximal time-steps and without liquidus boundary, generate a "table_output.xls", copy the macro in there et voilà! Remember also to match time-steps and heating rate (6K/min = 0.1K/s). You can change sample mass, crucible mass, the heat capacity of the crucible etc. in the macro to match your wishes.

Since the macro is somewhat long to post, you can download it now here.

UPDATE:

Unfortunately, the easy exact fixing of timesteps is not any more available in the new version Pandat2014. This makes the macro harder to use. But not all is lost. Now you have to work with the batchfile from Pandat2014. You have to create the bachfile for the solidification, fix the the timesteps in it with an editor and run the batchfile in Pandat. I will provide an example batch file soon.

Mittwoch, 8. Juni 2011

"Was sind eigentlich Quasikristalle?"


Eine kurze Antwort von mir auf eine Emailanfrage zu meiner Diss., weil ja vielleicht auch allgemein interressant oder auch nicht:

Tja, ein Quasikristall ist erstmal eine intermetallische Verbindung. Das Besondere am Quasikristall ist seine Struktur. In ihr gibt es keine einzelne Elementarzelle, die eine dreidimensionale periodische Fernordnung erzeugt. Statt dessen benötigt man mindestens 2 kleinste Baueinheiten (Elementarzelle kann man das nicht mehr nennen, man redet von 2D- oder 3D-Kacheln). Diese Kacheln kann man zu beliebig grossen Ausschnitten aus dem Gitter zusammensetzen. Um Aperiodizität zu erzeugen, benötigt man Anlegeregeln, die man sich so wie die Nasen eines Puzzles vorstellen kann, die ineinandergreifen.
Mit Ausschnitt aus dem Gitter ist nicht direkt die atomare Anordnung gemeint ist, sondern ein diese Anordnung beschreibendes Vieleck oder Polyeder (eben die Kachel oder die Elementarzelle als kleinster Ausschnitt) und Aufbauten aus ihnen. Das besondere an der Quasikristallstruktur ist, dass man jeden dieser Ausschnitte, egal welcher Grösse, ganz wie bei periodischen Gittern irgendwo anders im Gitter wiederfinden kann, nur eben nicht über Translation.
Ein weiteres Merkmal ist, dass sich kleine und grosse Ausschnitte aus dem Gitter von der Form her ähneln (Selbstähnlichkeit bei Vergrösserung (Inflation)), auch ganz wie bei periodischen Gittern aber kombiniert nun eben mit verbotener Drehsymmetrie (bis jetzt: 5, 8, 10, 12 ) und unregelmässigen Rändern. Mit Vergrösserung ist hier der Aufbau von grossen Einheiten aus kleineren gemeint.
Die Vergrösserung von Elementarzellen mit erlaubter Drehsymmetrie (1,2,3,4,6) erzeugt nur reguläre geometrische Flächen/Körper mit periodischem Aufbau und das Verhältnis der Abmessungen der kleinen und grossen Teile ist ganzzahlig. Mit verbotener Drehsymmetrie ist das Verhältnis bei den Quasikristallen gebrochen. Das ist so, weil das Gitter statt durch Translation nun durch Inflation vergrössert wird. Bei der Inflation werden die Kacheln nach den Anlegeregeln angelegt.

Bei 8, 10 und 12-zähliger Drehsymmetrie sind die Quasikristalle nur in 2 Dimensionen quasiperiodisch, eine ist periodisch. Bei 5 zähliger Symmetrie ist das Gitter in allen 3 Dimensionen quasiperiodisch. Eine Struktur ist ein Gitter und die Anordnung der Atome darin (nennt man auch Basis). Quasikristalline Strukturen kann man rein mathematisch (!) als Schnitte von höherdimensionalen (z.B. 6D) periodischen Strukturen begreifen. Deswegen kann man auch so etwas wie eine Strukturlösung machen. Es gibt auch noch aperiodische Kristalle, die aber keine verbotene Drehsymmetrie besitzen. Bei denen sind z.B. zwei ähnliche Strukturen ineinander gewachsen. Die Form von ikosaedrischen Quasikristallen mit 5-zähliger Symmetrie ist oft ein Pentagondodekaeder, siehe selbstgeschossenes Foto oben.