Mittwoch, 4. August 2021

Vom Vorteil, verrückt zu werden

Es gibt keine Gebrauchsanweisung für diesen Text. Betrachtet
man das Leben nüchtern und normal, gibt es eigentlich, nachdem man
in die vertragsverpflichtete Generation über 30 eingetreten ist, keinen
vernünftigen Grund mehr, ein Ego zu besitzen. Behält man es, wird es
doch zerrieben zwischen Partner, Kind und Job. Vielleicht auf dem Abort
kann man es ab und zu benutzen. Oder man lässt es ganz, ganz
einfach los und ist eben für die anderen da, als Zahnrad, als
Sandwich, als Sorgenonkel. Das ist die eine Art, davonzukommen.

Vielen gelingt das problemlos. Die, die ihr Ego mögen und festhalten,
werden Egomanen, Zyniker, Trinker, depressiv oder aber verrückt. Am besten,
man wird verrückt. Ganz im positiven Sinne! In diesem Falle ist der
Weg wirklich mal das Ziel, an das auch viele andere Wege führen,
manche sogar in die Irre. Verrückte Menschen werden für ihre
Unberechenbarkeit geschätzt, jaja. Sie sind nie allein, denn sie haben
einen ganzen Zoo im Kopf. Es gibt keine Langeweile mehr. Sie
gelten als kreativ, hüstel, usw. Ist natürlich ein schmaler Grat. Also
wie wird man verrückt: Erstmal stellen Sie sich selbst in Frage, dass
sowieso. Damit beginnt dann eine ganz große Scheiße. 

Wenn sie die geistig überleben, fangen Sie an, ihre Welt frei zu gestalten, in
Gedanken. Und zwar ganz frei. Stellen Sie sich vor, wie klein der
Unterschied ist zwischen dazwischen und inzwischen. Na bitte.
Lachen Sie dann mindestens einmal pro Tag laut und hysterisch
wie ein verrückter Wissenschaftler eben. Lesen Sie vor allem
populärwissenschaftliche Bücher über Quantentheorie, daneben
deutsche Philosophen, Ufo-Esoterik und Schlumpfcomics. 

Dann können sie auch schon damit anfangen, Unsinn zu machen und auch
andere dazu anzustiften. Erzählen Sie etwa allen, dass Schaden klug
macht und wie sie sich so schon einen sagenhaften IQ erarbeitet
haben. Dekorieren sie Essen und Essensreste ganz nach Gutdünken
zu Konzeptkunst und verlangen sie vom Ober Geld dafür (Sie können
wahlweise auch an rituellen Essenschlachten teilnehmen wie die mit
den Tomaten). Dann malen sie surrealistische Bilder, schreiben
unsinnige Gedichte und legen sich einen oder zwei unsichtbare
Freunde zu. 

Benutzen sie auch ihre Mitmenschen als Schauspieler
oder Dekoration in ihrem freien Theaterstück. Stellen Sie sich dann
vor, dieses Theaterstück wäre keins, sondern ihr Leben sei so.
Herzlichen Glückwunsch. Sie sind frei und haben ihr Ego behalten.
Und niemand will es mehr von Ihnen haben, stattdessen wird man
anstehen, um seine Früchte zu haben, wenn Sie es gut anstellen.

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