Physikalisch richtig und doch phänomenal übertrieben schilderte Edgar Allan Poe
bereits 1841 die Abdrift schnöder Holzboote und Fässer in den
Gezeitenstrom zwischen den Lofoteninseln. Aber genau so wie der Held fährt auch die
Seele zum Grund. Sie klammert sich an ein Holzfass und hofft nicht zu
ertrinken. Die grimmigen Seeleute, die, taub und blind ob der Gefahr,
schweigend ihre Arbeit verrichten, sind, was ihr von den Menschen
zufällt. Mit ihnen zu sprechen ist Verzweiflung. Und dann ist da noch
das Haus Usher, ein marodes Schloss auf sumpfigem Grunde, bewohnt von
kranken und geisteskranken Adeligen. Ein Hort zwielichtiger
Erscheinungen und Geräusche, der mit dem ihm innewohnenden Sterben noch
vor Anbruch des Tages versinkt, allein der Gast kann fliehen. Das sind
die inneren Landschaften, wer nur Gast ist, wer weglaufen kann, der
berichte. "Nur eine Schauermär, Schauermär..." "Nein, es ist alles
wahr!"
Einen unbefangenen Augenblick lang könntest du eine andere Welt
entdecken, ganz ohne zu träumen, aber ins Träumen geraten. Während du im
Internet bist, sitzt du in Wahrheit zwischen zwei Spiegeln. Jeden Tag,
den du die Aussenwelt vergisst, rutschst du eine Reflektion weiter in
den Hintergrund, immerfort, bis es dich irgendwann nicht mehr gibt. Und
um so weiter du in den Hintergrund gerätst, desto mehr wehrst du dich,
wirst noch zappeliger und ausgefallener, um aufzufallen und deine
anderen Spiegelungen klatschen vielleicht ab und an Beifall.
Poe schrieb 1842 die Kurzgeschichte "Das ovale Portrait" in
der eine junge Frau, während sie von ihrem Gatten detailversunken in ein
Bild gemalt wird, langsam stirbt. Er hat damals nichts vom Internet
gewusst, wohl aber etwas von Obsession und Sucht. Willkommen zwischen
den Spiegeln.
Samstag, 20. Juli 2024
Die Lehren des E. A. Poe
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