Dienstag, 8. April 2025

Das Mädchen ohne Hände Teil 4 (Grimm)

Weit entfernt, auf einer Insel,
stand ein Grabmal an der See.
Efeu wuchs in jedem Winkel,
Mauern ragten aus dem Schnee.
"Wo die Wälder düster rauschen
und das Meer die Boote wiegt,
warten wir verwest und lauschen,
wie die Welt vorüberzieht.
Wir sind vom edlen Feengeschlecht,
doch liegen wir im Staube nieder,
bis bei großem Widerrecht
die alte Pracht erhebt sich wieder."

So sang der Wind und trug die Dame
langsam hin zum Boden dann,
die nun die Inansichtnahme,
der Versammelten begann.
Nymphen, Sylphen, Salamander,
Irrlichter und Wassermänner,
standen schimpfend beieinander
und man kam auf einen Nenner.

"Dem Erdenreich, in großen Nöten,
ihres Hauptes bös' beraubt,
sind zur Seite wir getreten.
Doch die Frage sei erlaubt:
Wo ist eure Anteilnahme,
wo ist euer Kontingent?"
"Ihr habt Recht.", sprach da die Dame
und hat ihren Stab geschwenkt.

Im Abendrot, getränkt in Flammen,
kamen Gnome, Faune, Trolle,
und Zentauren bald zusammen.
"Wenn ich Euch Respekt auch zolle,"
sprach der Herr der Seen und Meere,
als er aus den Reihen trat,
"aber selbst wenn alle Heere
man am Platz versammelt hat,
ist die Frage, welchen Gegner
man damit zu fällen denkt,
ob man mit Gewalt, verwegner,
oder List und Tücke kämpft."

"Laßt die Lage uns beraten."
schlug der Feuerkönig vor,
"Ungelegte Eier braten,
das ruft Hunger nur hervor."
So ließen sie sich auf der Lichtung
vor dem Königsgrabmal nieder
und sie schauten in die Richtung
des Geschehens dort hinüber.

Es saßen vor der Grabeshalle
zwei Figuren, schwarz und weiß.
Die Dame rief "Ach, sind das alle?"
Die Herren zischten “Seid doch leis!”
“Sie sind nur zwei, jedoch sie spielen
Töne, die immens betören.
Sieh die Krieger, die dort fielen,
schlafen, ohne aufzuhören.”

Von drüben kam nun leise, klagend,
eine Flötenmelodie,
Süßes Fordern mit sich tragend,
ihr zu folgen bis ans Ziel.
Ja und dann rannte sie querfeldein,
sprang über Stock und Stein
und dabei sah sie nicht mal,
wer auf dem Boden schlief,
oder wer nach ihr rief.
Das war ihr völlig egal.

“Ach, da bist du ja, mein Liebes!”
sprach der Engel hocherfreut.
"Nur der erste Teil des Spieles,
und ich hab ihn schon bereut."
grummelte der Teufel neidisch,
und rief: "Doppelt oder nichts!
Prüfen wir, ganz unparteiisch
ob sie hält, was sie verspricht!“

Die Dame sprach: „Du bist der Teufel,
der mir meine Hände nahm.“
„Ja, da stimmt, ganz ohne Zweifel,
und auch deinen Ehemann.“
"Nur den halben wirst du haben."
fing der Engel an zu lachen
"Die andre Hälfte liegt begraben,
wo die Feengeister wachen.

Diese Gruft wird streng behütet,
und du hast den Zugang nicht.
Die Gelegenheit gebietet,
da du einverstanden bist,
dass wir eine Wette schließen,
aufs Neue, ob die Königin,
wirklich steiget in die Tiefen,
um zu bergen, was darin.“

„Er ist bei Euch? Das will ich sehen,
als Beweis, dass Ihr nicht lügt.“
„Schau, du Herrscherin der Feen,
was in meinen Händen liegt!"
Der Teufel hielt in seinen Pranken
einen dunkelroten Stein.
Die Dame sagte, in Gedanken,
"Das kann nicht mein Gatte sein."

Der Kristall fing auf ihr Reden
an zu leuchten und zu pochen
und sie schluckte, fragte bebend:
„Teufel, was hast du verbrochen?“
„Das ist aber ungerecht!
Lass uns bei der Sache bleiben.
Machen wir ein Tauschgeschäft
mit dem Engel hier als Zeugen.
Dieses ist ein Herz, ein halbes,
und gehst du durch diese Tür
und bringst mir das andre halbe,
geb ich dir etwas dafür."

„Ich will meinen Ehemann.“
„Den kann ich dir gerne geben.
Ich will euer Söhnlein dann,
als ein Leben für ein Leben.“
Die Königin ging darauf ein,
sagte: „Alles wird sich fügen.“
und der Engel kam herbei,
mahnte: „Kind, lass dich nicht trügen!

Ich sag dir, du kommst nicht mehr
aus der Hexengruft heraus.“
Der Teufel sprach: „Was ist so schwer?
Das ist nur ein Knochenhaus.
Ich glaub schon, dass sie es schafft,
Eure werte Arroganz.
Also sei es abgemacht!
Schluss jetzt mit dem Firlefanz.“

Die Tore gingen schleifend auf,
als sie an die Pforte schlug
und es kam ein schwacher Hauch,
der … mit sich trug.
Die Dame schritt beherzt ins Dunkle
auf breiten, ausgehaunen Stufen.

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