Die Drusen sind dem Fachmann auch als Geoden bekannt. Es sind kleine harte Burschen mit einer Menge Kristalle im Bauch, was sie für den Menschen interessant macht und weswegen er sie gerne aufschlitzt, um die Innereien makaber in Schaufenstern und Vitrinen zu drapieren. Das Äussere hingegen ist unscheinbar ockern bis dünklich, wie bei den Vögeln ja auch die Gefiederfarben variieren.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Wuchshöhe. Hier kennt man die Zwergendrusen, die Normdrusen und die Minorität der Riesendrusen. Diese sind so gewaltig, dass einige Exemplare (sogenannte Jonasdrusen) gar von innen begehbar sein sollen. Ein drittes Merkmal sind die Innereien: Kalk, Braunspat, Quarz, Amethyst oder Zeolith. Die besonderen Amethystdrusen sind Schalenbewohner, gehüllt in nichts weniger als edlem Achat.
Will man die Drusen aufspüren, muss fachmännisches Wissen dem Hirnträger bleuig sein. Denn die Druse lebt unter Tage und nicht jeder, der einfach mit einem Spaten etwa blindlings ins Feld sticht, ist dem Feldspat mirnichtsunddirauchnichts fündig. Denn den Gängen des Erzes muss man kundig sein, wo sich die Drusen drängen und deren Nahrung das Erz ist. Und hier rät es sich, einen graubärtigen Gangführer zu bemühen, der mit Erfahrung die Erzrute zu zucken weis oder etwa ein abgerichtetes Drusenpferd, welches den Boden beschnüffelt, als treuen Begleiter zu küren.
Der junge Drusenjünger wandele, so unbesattelt, zuerst ein mal nach Drusethal, das einstige Mekka der Drusen. Dort kamen sie, in religiöser Verzückung, zu tausenden leichtsinnig an die Erdoberfläche (der Fachmann nennt das Hervorbrechen) und fielen dem energischen Steineklopfer leicht in die Hand. Viel zu spät geriet dieses Gebiet nun in Naturschutz, bevor der illegalen Drusenmafia das Handwerk gelegt werden konnte, wurden zu viele Exemplare für schnöden Mammon dem Boden entrissen, so dass die Drusen scheu wurden und das Gebiet bald mieden. Heute informieren eine Gedächtnisstätte und ein internationales Bildungszentrum über die damaligen Greueltaten und allgemeine Drusenkunde. Der Drusenjünger übe sich also in Geduld und Nachsicht. Entnimmt er dem natürlichen Lebensraum der Drusen zu viele solche, ist zum Beispiel ihre Vermehrung stark gefährdet, wie man dem folgenden Abschnitt entnehmen kann.
Die Fortbewegung der Drusen im Erdreich so wie im Felsgestein ist mühselig. Jeder Zentimeter dauert Jahre, das einfache Vor-die-Tür-gehen-und-Rauchen Jahrhunderte. Dabei hat die gemeine Druse selbst keine sichtbaren Fortbewegungsorgane, sondern segelt geschickt im tektonischen Aufwind. Deshalb ist auch die Populationentwicklung eine Sache von Zeitaltern. Doch der Drusenjäger muss noch keine tausend Jahre auf den nächsten Fang warten, denn glücklicherweise gab es dereinst eine feurige Zeit, als der Unterweltgott Pluto unseren Wandelstern enthusiastisch walkte und planschte und Fontänen schmiss und in die Badelava flatulierte. Aus diesen Blubberblasen, so erzählen sich die Drusen gerne bei Hundert-Jahres-Teegesellschaften, sind die ersten Drusen entstanden, um sich ihrer göttlichen Herkunft zu versichern. Aber naturlement ist das Kokolorus. Die Drusen pflanzen sich wie alle Lebewesen fort. Bei der Befruchtung wird ein kleiner Impfkristall in den Leib der Druse vom männlichen Exemplar in Sinnenfreude eingeschleust. Der wächst da im Kristallwasser der Mutter. Lange (genaue Zeitangaben leider nicht erhältlich). Irgendwann ist das Kind der Mutter gleich gross und es entsteht der Keimdrusen-Komplex, der sich teilt. Damit endet die Fortpflanzung und neues Liebesspiel kann beginnen.
Nicht alles ist nun falsch an den Sagen der Drusen. In den prähistorischen Zeiten der Heissweicherde war das Leben der Drusen viel zackiger, ja ein Fest. Sie konnten sich flugs herumflutschen und ihr Lebensrythmus war fast menschenähnlich. Aus dieser Zeit stammt noch fast sämtlich die heutige Gesamtpopulation, denn Drusen sind, so sie nicht zersägt werden, unsterblich. Das ist ein Geheimnis, welches es ihnen zu entreissen gilt, kommende Forschergenerationen werden dies unmissverständlich zeigen. Vielleicht findet auch der Mensch ein zufrieden Leben im Gestein: Die neue Langsamkeit? Deswegen noch ein letzter Appell: Schneiden sie keine gefundene Druse auf. Vergraben sie sie nach Klassifizierung und Beringung wieder in freier Wildbahn.
Mittwoch, 9. April 2025
Die Drusen (Geologische Satire)
Montag, 8. Juli 2024
Herr Blattschuss folgt seinen Trieben
Der
Herr Blattschuss wacht morgens auf und ist schon mürrisch drauf. Das
ist sonst nicht so, aber heute. Er weiß heute ist der Tag, an dem er
seinen eingetretenen literarischen Pfad verlassen muss. Sein Doktor hat
ihm das ans Herz gelegt, denn dem Herrn Blattschuss steht eine
Verblödung ins Haus. Herr B. ist süchtig nach Arztromanen. Die
verschlingt er zum Frühstück, Mittagessen und Abendbrot.
"Der Körper liest mit, Herr B." hat der Arzt gesagt. "Sie müssen ihren literarischen Pfad verlassen und auch mal was Gesundes lesen. Gedichtbände zum Beispiel, ja und Erstausgaben erfolgloser Schriftsteller. Die ersten werden die letzten sein, kleiner Scherz, haha, auch Antiquarisches, das ist sehr gehaltvoll, jaja. Schriftsteller war damals noch eine Berufung und kein Beruf, hören sie, Herr B.! Die armen Teufel sind dutzendweise für ihre Ideale in die Kiste gesprungen. Solche ballasthaltige Kost brauchen sie. Nicht den aalglatten Konfekt von Schwester Brunhilde und ihrem ähh, Doktor."
So denkt Herr B. an den letzten Termin und merkt nicht mal, dass er beim Ankleiden die Mütze falsch herum aufsetzt. Draussen regnet es, bald wird es auch schneien. Sorgenvolle Gedanken schieben sich, dicken Raupen gleich, durch seine Morgenwelt. Die muss er loswerden, also dackelt er noch mal in die Praxis, mit verdrehter Mütze und verdrehten Gefühlen.
"Neues
ist gefährlich" händeringt Herr B. "Ich habe von spontanen
Geisteszuständen gehört. Manche Leute sollen danach herumgelaufen sein
und von Niveau geredet haben. Genie und Wahnsinn sollen dicht
beieinander liegen, ja auf offener Straße miteinander schmusen, Herr
Dokter. Einer soll gesagt haben, verkehrt herum gelesen mache das Buch
erst Sinn! Er las ein Telefonbuch Herr Dokter. So was macht mir Angst.
Soll ich nicht lieber auf Liebesromane umsteigen? Die regen bestimmt an,
ja?"
"Nein, Herr B., das sind Gerüchte, nur so leer gedroschenes
Stroh. Leben sie die Vielfalt. Auf einen Hesse können sie schon mal ein
lustiges Taschenbuch folgen lassen."
„Da fällt mir aber ein Stein
aus der Niere, Herr Dokter, Sie machen mir richtiggehend Lust auf die
Avantgarde.“ Gesagt getan. Herr B. schlägt sich wohlfeil ins wilde
Gebüsch, dass die Federfuchser da so struppig wuchernd in die platte
Landschaft kippen. Nachdem er die ausgetretenen Straßen des Mainstreams
hindurchgehüpft ist und nur verächtlich gelacht hat über all die müden
Socken, die Dünnbrettbohrer, die immer nur den Weg des geringsten
Widerstandes gehen und nicht weitergehen wollen, stehenbleiben bei eilig
zusammengenagelten Mythenfetzen und staunend den immer wieder selben
Sensationen nachgeifern, weil sie das Langzeitgedächtnis schon lange für
ein Mitspracherecht unter ihresgleichen eingetauscht haben.
Was für ein
plumper, rückratloser Bückling er gewesen war. Er hat die schönen
einsamen Früchte nicht gesehen, die abseits des Weges unter schweren
Dornen reifen! Doch jetzt kämpft er sich vorwärts. Schon bald hat ihn
kein Mensch mehr gesehen. Er schmaust Festmähler jenseits aller
Vorstellung. Er hat sich ein Haus errichtet mit einem Fundament aus
Folianten noch aus dem Zechstein und Dachschindeln aus Anthologien. Eine
Tür ganz aus Grimoires mit Bannsprüchen gegen Heyne, Bastei und Co. Er
hält sich sogar eine kleine bissige Streitschrift in einem Zwinger aus
Lehrbüchern.
Doch ach, es sollte ihm nicht gut ergehen. Schon bald fängt
Herr B. an, zu interpretieren, mit sich selbst zu hadern, zu
reflektieren und zu sinnieren und zu philosophieren und der ganze
Zirkus. Nach einem russischen Revolutionswälzer ist Herrn B. vier Wochen
schlecht. James Joyce bringt ihn schließlich auf die Intensivstation.
"Abwechslung, Mann! Um Gottes willen!", stirnrunzelt der Arzt. Herr B. blickt ihn gequält an. Er kann nicht mehr anders, nie mehr will er zurück gehen in diese schalen Niederungen des immer wieder kehrenden Dummseins. "Wer einmal aus dem Blechnapf fraß, haarrrgh!", ächzt er und schießt sich mit einem Traktat über "Irrationale Logik" ins Nirwana. Später dann hat man ihn ganz locker auf Telefonbücher umstellen können.
Donnerstag, 4. Juli 2024
Gehirnfernsehen
1.
Ich drücke gerade noch ein paar Knöpfe: Wasmachtdaswasmachtdaswasmachtdas? Irgendwie fühle ich mich nun anders. Wer bin ich, wo bin ich? Warum habe ich Hunger auf Regenwürmer?
"Tut mir leid, an sich selber dürfen Sie nicht rum spielen..." Eine Hand legt sich schwer auf meine Schulter. Das Gesicht dazu kann ich nicht sehen, es liegt im Dunkeln, verdammt, was... "Sooo, das Backup drauf gespielt..., alles klar?" Zzzippp. Muss wohl eingenickt sein. "Ach ja, klar, Herr Doktor, ich hab hier schon mal auf sie gewartet." "Kein Thema, also dass hier sind Sie..."
2.
Seit ich von meinem Arzt so Glückspillen bekommen habe, berührt mich der Libanonkrieg im Fernsehkasten gar nicht mehr so. Erst sehe ich einen Fahrradfahrer, den eine Katjuscha vom selbigen geholt hat, nur die Füsse sind noch übrig. „Sauberer Schuss“, denke ich. Dann ein Schiff mit Flüchtlingen, dass nach Zypern fährt „Da wollte ich auch schon immer mal hin, toll.“
Ich nicke kurz ein. Bob Geldorf weckt mich und sagt mir, dass im Sudan auch diese Nacht wieder tausende Kinder auf der Flucht sind und wünscht mir einen geruhsamen Schlaf.
So ein netter Mensch. Ich lächle still in mich hinein. Die Nacht ist dann wirklich ausgezeichnet.
“And I find it kind of funny
I find it kind of sad
The dreams in which I'm dying
are the best I`ve ever had”
Ich wache auf. Erst ein wenig Müsli, dann die gute Tablette. "Reis and Schein!", wie der Engländer sagt. Mir wird kurz schlecht, dann kalt und heiß und dann geht es wieder. Dann pumpe ich das Fahrrad auf und radle los. Mir wird gar nicht bewusst, wie sich die Landschaft verändert. Lauter ocker Steine, auch Dreck und noch mehr Steine um mich rum. Verdammt heiss auch, Steinofen! Endlich ein paar Gebäude, seltsam, keiner da. Doch, Ziegen. „Mäh!“ grüße ich. Die schlackern mit den Ohren und kauen echt unbeeindruckt. Ein schrilles Pfeiffen schreckt mich auf, dann fliegt etwas großes Dunkles auf mich zu und es wird Nacht.
„Die Apfel- und die Birnbäume erblühten,
Nebelschwaden lagen über dem Fluss,
da ging Katjuscha hinaus aufs Ufer,
auf das hohe, steile Ufer.“
Noch ein Erwachen. Vor mir liegt ein Sack, der mir erzählt er käme von Care und enthielte Weizenmehl. Sauber. Mehlbomben auf Zivilisten.
Das Säcke reden können, ist mir seit längerem bekannt, sollte aber allgemein verboten werden.
Ich sehe einen Mann mit blauen Helm auf mich zulaufen. „Tut mir leid, ist mir aus der Hand gerutscht“ „Ein Mehlsack?“ „Scheiße, nein, Mörtel!“, lacht er. Alles verändert sich wieder.
Ich liege neben einem Baugerüst in der Witzlebenstrasse. Naja.
3.
Ich bin krank. Ich habe eine Missverständnislücke. Aber was fase ich da. Ich denke, jeder macht was aus dem andern. Der Ton rutscht langsam herunter, er ist zu dünn, zwei Finger breit. Die Welt als Hörbuch. Alles klimpert so schnell vorbei wie ein Postkartenständer, aber viel zu schnell und ich soll mir was raussuchen. Aber ich will nicht wirklich die Hand da rein stecken.
Das tut bestimmt weh. Ach ich hab's, ich nehm den Fuß! Wah, was für ein Schlamassel. Jetzt regnet es Ansichten.
Ich nehm nun keine Pillen mehr vom Arzt, die machen mich duhn. Die stapeln sich jetzt im Schrank immer höher, ja sie quellen schon heraus und liegen im Zimmer wie Sand. Manchmal bin ich Dagobert und tauche hinein. Schaumkronen chemischer Freude rasseln über den Balkon.
Von den Siechellen habe ich einen Eimer gestellt, einen rot emaillierten. Zum Sonne einfangen, für die Brille und für die Frösche aus dem Schwimmpool, das Blau kommt vom Curacao, wie man weiss. Goldbrassen setzen auch Segel. Sie schauen sich die Kacheln von unten an und ich fang Fang locker vom 5 Meterkickboard aus, rollend. Easy! Und dann dreht sich das alles um 360°? Ach Sonnenwende. Leise geht der Mond zu Grunde. Das kommt vom Gold! Morgens nicht in den Mund nehmen! Was dann? Regenwürmer?
4.
Den Hunger auf Regenwürmer verspüre ich immer noch ab und an.
Montag, 4. Januar 2010
Der kleine Bauchtrick
Ist egal, was ihr esst. Nur weniger. Ihr werdet schon sehen, wenn ihr einmal angefangen habt, läuft das von selber, man kann sogar richtig süchtig werden. Also auch hier bitte aufpassen.
Und der zweite Trick ist: Bewegung. Ein zweiter Applaus bitte. Auch bei den Naturvölkern abgeschaut natürlich. Schamanengeheimnis. Bewegung macht schlank, wichtig ist aber, mit den eigenen Füssen oder Händen. Ach ihr dachtet mit dem Auto, was? Nein, oder ok, ja, aber nichts zum Essen mitnehmen!
Aber Gehen zum Beispiel ist das Beste. Aka walken. Mit den eigenen Füssen. Das tun nur Pfadfinder? Wenn ihr euch da mal nicht irrt. Gehen ist wieder Luxus. Zum Beispiel zum Supermarkt oder zum Arbeitsplatz. Eine Stunde jeden Tag. Bizarr oder?
Apropos Bewegung. Beim Fernsehen hat man ja mit den Händen oft nichts zu tun. Dann ißt man. Das auf keinen Fall machen! Zum Fernsehen besser altbewährt stricken, die Männer können ja Eisen flechten oder Kronenkorken verbiegen.