Mittwoch, 8. Mai 2024

Das Kroko und die Ventildrossel Teil 5

 

Doch zurück zur Kaptänskajüte. Nun, wir wollen nicht verheimlichen, dass der Käpt'n neben jeder Menge Gold auch noch einen Papagei namens Master Mine besaß. Das war ein schneeweißer Kakadu, der seinen Schopf lustig auf und nieder stellen konnte und auch sprechen, zum Beispiel: „Galeone in Sicht! Fertig machen zum entern! Gehauen und gestochen! Spießgesellen! Spitzbube! Bandit! Teufel, Teufel! Mistviech, halt den Schnabel!" und so weiter. „Wo hab ich denn deinen Käfig verramscht, Kamerad?" „Dein neuer Genosse braucht glaub ich, ein wenig gesiebte Luft fürs erste! Zackige Zähne und gerissene Äuglein! Sicher ist sicher, sonst beißt du mir im Schlaf eins, zwei die Nase ab, nicht war?" Der stählerne Haken bohrte sich unter Krokos Kinn „Ich hab dich gleich durchschaut" Und dann lachte der Schwarzbart, dass die Schärpe wackelte. Und fiel vornüber aufs Gesicht. Ein mächtiges Wummern erschütterte das Schiff.
Beim vornüber Fallen griff Schwarzbart nach der Tischplatte und warf das Möbel mit Schwung in die Senkrechte, worauf das Kroko kopfüber in einem goldenen Krug landete, so das nur noch die Hinterfüße und das Schwänzchen zu sehen waren. Auch Mr. Graven an Deck, der noch immer brütete, woher das verdammte Krokodil so plötzlich aufgetaucht, gar vom Himmel gefallen (er war etwas schlauer als der Käpt'n) war, setzte sich auf seine vier Buchstaben. Den Dreispitz schob er sich vom Gesicht und runzelte erneut die Stirn. In den Mannschaftsräumen fielen die Schlaf-Piraten aus den Kojen, suchten nach ihren Entermessern und Laternen. In der Kombüse hopsten die Töpfe vom Haken. Holzbeinmann blickte über die leere, aufgepeitschte Wasseroberfläche. Irgendetwas Unterseeisches wütete am Schiff und die Gallionsfigur war bereits aus ihrer Verankerung gerissen und verschwunden. 

Da, ein riesiger, grüner, schuppiger Leib! Da, eine Klaue! Wumm! Mr. Oars hielt das Ruder und betete. Endlich kam Bewegung an Deck. Aufgescheuchte Piratenmatrosen brachten ihre Gewehre in Stellung und schossen ins Wasser. Dann fuhr eine grüne Faust mit einem gewaltigen Hieb durch die Schiffswand, genau da, wo die Kaptänskajüte lag. Holzsplitter regneten. Und das Ungeheuer richtete sich auf übers Wasser. Einige der Matrosen plumpsten in die See. Die anderen erstarrten vor Entsetzen. Was sie da angriff war, eine riesenhafte Verkörperung ihrer schuppigen Schutzgöttin Margo, genau, wie sie als Gallionsfigur vom Bugspriet gehangen hatte. Halb Fisch, Halb Frau. Sie waren verflucht.

Im Zeitlupentempo zog sie die Faust wieder aus dem Schiffsrumpf. Etwas güldenes, in ihrer Hand fast winziges blinkte darin. Triumphierendes Gelächter erschallte. Bösartig und verlockend zu gleich. Die Männer an Deck hielten sich nun die Ohren zu und besonders Furchtsame warfen sich mit dem Gesicht zu Boden. Margo riss die Augen weit auf und schüttelte ihre meeresgrünen Haare. Seetang und –sterne flogen umher (Mr. Oars bekam einen ins Gesicht). Mit einer flinken Handbewegung knickte sie den Hauptmast der Brigg, als sei es ein Streicholz. Ein zufriedenes, meterlanges Lächeln spiegelte sich auf ihrem Antlitz. Dann versank sie im Meer. Die Brigg, nunmehr ein Wrack, dippte in ihrem Strudel. Aus dem Kapitänskajütenloch flog etwas Weißes und schrie:"Hurrra, Hurra, gehauen und gestochen! Auf die Beine ihr Halunken!". Dann war alles ruhig.

Samstag, 4. Mai 2024

Das Kroko und die Ventildrossel Teil 4

 

Die Nacht war sternenhell und es befand sich auf einem schwankenden Holzschiff. Auf und ab. Auf und ab. Weisse Stoffbahnen blähten sich an drei Mastbäumen. Und am höchsten Mast ganz oben flatterte eine Schädelflagge! Tock, tock, tock. „Wen haben wir denn da?" Der Velourgrünling schaute in ein langes, knochiges Gesicht mit schmallippigem Mund, Hakennase und kühlen hellgrauen Augen, umrandet von ebenso grauem, silberigem Haar, auf dem ein Dreispitz saß. „Guck guck!" Eine Hand mit stählernem Griff umklammerte seine Schnauze und das Kroko verlor den Boden unter den Füßen. „ Ein willkommene Abwechslung für die Küche, har, har. Du kommst in den Topf, mein Kleiner!" Dann richtete der Mann sich auf (er war sehr groß und trug das bibberige Speiseplankroko über Deck. Mit seinem Holzbein (tock, tock) unterhielt er dabei die Männer unten in ihren Kojen ganz ausgezeichnet.

 Die Sterne beguckten noch immer die Schiffsplanken und manchmal blinzelte eines. So sahen sie auch, wie der lange graue Mann mit dem Kroko unter dem Arm unter Deck verschwand. Aber Sterne sind eitel und sonnen sich nur in ihrem eigenen Licht. An der Tür griff der Holzbeinmann nach einer Petroleumfunzel. Dann ging es über wackelige hölzerne Stufen abwärts. Tock, tock.
Ein riesiger, krummer Schatten folgte ihnen. Kroko hielt sich die Vorderbeine vors Gesicht. Dann blieb der graue Hühne stehen und hämmerte gegen eine Tür. „Käpt'n! Neuigkeiten!" Hinter der Tür rumpelte es, Glas klirrte und ein paar saftige Flüche folgten. Knarr, das Brett öffnete sich einen Spalt breit und ein Pistolenlauf schob sich dazwischen hervor. „Mr. Graven, wenn's nichts Ernstes ist, landen sie bei den Fischen, ich schwör's!" „Nee, Käpt'n! Ich hab was Lustiges gefunden." „Hah, sag's doch gleich, alter Halunke! Hereinspaziert!" So schwang die Tür auf und gab den Blick auf einen Mann frei, der etwas kleiner war als Holzbeinmann. Wie dieser war er nicht besonders dick, sondern drahtig und wettergegerbt. Im Gesicht wucherte ihm ein wilder schwarzer Bart und seine Augen funkelten wie polierte Metallkugeln. So schwarz wie sein Bart war seine Kleidung, von der sich eine rote Schärpe albern abhob. Mit einer weit ausholenden Geste hieß er den Grauen eintreten und steckte die Pistole zwischen Wams und Schärpe. Wo seine rechte Hand hätte sein sollen, war ein Haken. Ein schmieriges Lächeln bemächtigte sich seiner. „Nun raus mit der Beute, har, har!"

Schwarzbart schob mit der Hakenhand ein paar leere Weinflaschen vom Tisch, die zu Boden polterten und im Halbdunkel zwischen güldenen Kelchen, Kisten mit Dublonen, Edelsteinen, Perlen und Elfenbeingötzen verschwanden. Mr. Graven packte das Kroko auf die Platte, die Schnauze weiterhin fest umklammert. „Naa? Zuviel versprochen? Fass mol dran" „Ich wird verrückt, ein Krokodil mit Fell!" „Sollen wir das essen?" Sofort guckte Holzbeinmann wieder in die Pistolenmündung. „Das könnt euch so passen" diesmal hatte die Stimme des Käptn's einen messerscharfen Schliff. „Ordinäres Gesindel! Ohne Bildung und Verstand! Ihr würdet ein Kiste Gold nicht erkennen, selbst wenn ihr mit dem Gesicht drin läget! Das ist jetzt meins! Jeder, der sich dem Ding auf fünf Schritt nähert, bekommt den Scheitel gelüftet, beim Barte meiner Großmutter ! Nun raus, du stinkender Holzknochen! Willst du meine Zeit stehlen?" Holzbeinmann ließ die Krokoschnauze zögernd los und wich zurück. Böse grinsend schloss er die Tür. Sobald der widerliche Trunkenbold wieder einmal besoffen röchelnd in seiner Kajüte lag, würde er keinen Piaster mehr auf seine schwarze Seele verwetten. Einen Dietrich hatte er schon lange. Da pfiff er sich eins und grüsste im Vorbeigehen den Steuermann. „Einen gesegneten Abend, Mr. Oars!" Mr. Oars nickte schweigend.



Freitag, 3. Mai 2024

Das Kroko und die Ventildrossel Teil 3

 

Das Kroko blieb auch noch einen Weile liegen, und als der Morgen herandämmerte wurde Paketmann wieder wach. „Hallo mein grüner Freund", flüsterte Paketmann und setzte sich ächzend auf. „Hund und Katz, wo sind wir hier bloß gelandet?" Sogleich begann er seinen Körper zu begutachten, ob noch alles da wäre. War noch alles da. „Bei dir alles ok, Kroko? Warte, so kannst du hier nicht rumlaufen." Paketmann nahm dem Kroko den Maulkorb ab.
„Aber schön merken: Ronnie ist kein Futter." Paketmann versuchte zu lachen aber es hörte sich mehr so an: "Hahaauaaua!" (War wohl doch etwas mitgenommen). „Nu, was guckst du so? Troll dich!" Da hatte Paketmann recht und Kroko machte sich auf die Socken. Nichts gegen den Strandsand. Der war schön weiss und weich, und eignete sich bestimmt gut zum Eiereingraben. Aber da hatte es von ferne ein paar Geräusche gehört, die ihm bekannt vorkamen. So ein Glucksen und Blubbern, so ein Piepen und Quaken. Konnte es sein?

Nach dem Sand hieß es sich zuerst durch jede Menge langfingeriges trockenes Laub wühlen. Bei Gelegenheit stellte Kroko fest, dass diese Langfingerblattbäume überhaupt keinen Schatten spendeten. Und man konnte sich nicht unter ihren Wurzeln verkriechen. Wozu waren sie gut? Bums! Landete ein großes rundes Dings vor seiner Nase. Vorsichtshalber biss das Kroko hinein. War es gefährlich? Und weil Krokodile kräftige Kiefer haben, zerbrach das runde Dingens. Es war innen hohl und schien nicht weiter lebendig zu sein. Auf jedenfall nichts zu Essen für ein Kroko. Und weiterhin waren Orte, an denen Sachen vom Himmel fielen ungesund, jawohl! Also weiter... Es ging noch über ein paar schwarze, raue Steinbrocken, durch dickes und kratziges Unterholz. Sehr gut, denn hier war es nicht so heiß.

Und wie es richtig vermutet hatte wurde der Boden bald matschiger und wässeriger und jede Menge geflügelte kleine Sachen flogen durch die Gegend. Ach das war fast wie zu Hause, nur noch besser hier! Und was hatte das Kroko auf einmal für einen Hunger nach glupschigen Unken oder einem schönen Mulch! Mjam! Als es den ersten Frosch an einem Zweiglein herunterhängen sah, kümmerte sich das Kroko nicht darum, dass der rot war, sondern machte einen herzhaften Haps. Prima, man konnte sein Essen hier vorher sehen! Bis zum Abend hatte es sich Leckerbissen aller möglichen Farben einverleibt und trieb gemütlich und zufrieden in einem modderigen Tümpel, aus dem tote Holzstumpen staken. Da der geneigte Leser ja nun aber weiß, dass man exotische Lurche nicht essen soll wegen ihrer Giftigkeit, ging es dem armen Kroko bald seeehr schlecht. Und es hatte einen gar fürchterlichen Traum. 

Dienstag, 30. April 2024

Das Kroko und die Ventildrossel Teil 2

Lichtspiele waren hier auch nicht erwünscht, nachts wollten alle schlafen nach dem harten Tag. Der Gilluck (übrigens ein Langhaargilluck) hatte einen fürchterlich rasselnden Atem, und weil dass so an das Ventilklappern erinnerte, gesellte sich das Kroko zu ihm. Und jeden Tag wurde gestreichelt, was ging. Das war nett so eine Zeit lang. Die grossen rosa Säuger kamen in Scharen und brachten kleine rosa Säuger mit, die sich kaum auf ihren wackeligen Beinchen halten konnten. Da ruderten sie mit den Ärmchen und die grossen Augen und der Sabber lief ihnen aus dem Mund und der Nase und drückten und knuddelten und gaben der dicken kleinen Ziege Zuckerstückchen damit sie noch dicker würde. Oder man setzte sie auf das Pony Peggy wo sie aber festgehalten werden mussten. Hü, Hopp! Riefen sie und Peggy wieherte. All das leuchtete dem Kroko ein denn sein Fell wurde prima sauber durch die Hände und so kam es eines Tages auf die Idee, auch die kleinen rosa Säuger sollen was davon haben und versuchte eines zu streicheln. "Buhää" war die Antwort und das grosse Zubehör sagte was von "gemeingefährlich" und "Zooleitung" und trug den Sabberlatz schnell weg. Da gab es abends eine Verwarnung vom Zooleiteraugust, die sich gewaschen hatte: Was hast du dir dabei gedacht. Halt gefälligst stille. Beim nächsten Mal kommst du in eine Handtaschenfarm. Da wurde das Kroko störrisch und tat, was sein Name sagte, nämlich es sperrte alle Streichelhände ab indem es mit seinem zackigen Krokoschwanz draufhaute. Vielleicht war es ja in der Handtaschenfarm ruhiger und man konnte mit diesen Handtaschen besser auskommen.

Es dauerte auch nicht lange und der dicke August wurde auch ganz dicke wütend. So, das hast du nun davon, sagte er, jetzt muss ich mich schon wieder über dich erzürmen, schnappte sich den Handabsperrer und verschickte ihn kurzer Hand in einer neuen Kiste nach Übersee, Ziel Handtaschenfarm. Die gehörte einem gewissen Carlos Haventyouseen.
Es waren Löcher in der Kiste und so konnte das Kroko erstaunliche Dinge sehen, besonders auf dem grossen Platz mit all den Metallvögeln, die anstandslos sowohl Kisten als auch Menschen aßen. Eierbusse oder so ähnlich. Aber es sah aus, als sollte einer der Vögel auch ihn verschlingen! Da wurde es dem Grünling in seinem Kasten schummerig und ohnmächtelig. Aber drinnen war es dann doch ganz warm und gemütsam. Aber wie es so ist, der Paketflieger stürzte ab (wobei die Kiste vorteilsweise in Stücke zerfiel) und es überlebte keiner außer dem Kroko und noch einem Mann, Ronald Eugene Turntosender (Paketmann). Es gab einen fürchterlichen Gerums und Krach und dann war alles weg, nur noch Wasser, wow so viel Wasser, und wie doof das schmeckte.

Das Kroko konnte prima schwimmen und Paketmann hatte in gelbes Aufblasteil dabei. Kroko schwamm immer nebenher, weil es sonst nicht wusste wohin, und Paketmann äugte zuerst skeptisch, aber mit der Zeit wurde er zu erschöpft, um misstrauisch zu sein.
So schaukelten sie des Nächtens an das Gestade eines fernen Landes wo die Bäume nur ganz oben Blätter hatten und mit grossen Holzapfeln nach Einhergehenden warfen.
Als die Brandung sie an das Festland geschoben hatte, kroch Paketmann aus seinem gelben Aufblasdings und pennte gleich am Strand ein.