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Samstag, 20. Juli 2024

Die Lehren des E. A. Poe

(Noch zwei Texte aus meinem alten Blog)

Physikalisch richtig und doch phänomenal übertrieben schilderte Edgar Allan Poe bereits 1841 die Abdrift schnöder Holzboote und Fässer in den Gezeitenstrom zwischen den Lofoteninseln. Aber genau so wie der Held fährt auch die Seele zum Grund. Sie klammert sich an ein Holzfass und hofft nicht zu ertrinken. Die grimmigen Seeleute, die, taub und blind ob der Gefahr, schweigend ihre Arbeit verrichten, sind, was ihr von den Menschen zufällt. Mit ihnen zu sprechen ist Verzweiflung. Und dann ist da noch das Haus Usher, ein marodes Schloss auf sumpfigem Grunde, bewohnt von kranken und geisteskranken Adeligen. Ein Hort zwielichtiger Erscheinungen und Geräusche, der mit dem ihm innewohnenden Sterben noch vor Anbruch des Tages versinkt, allein der Gast kann fliehen. Das sind die inneren Landschaften, wer nur Gast ist, wer weglaufen kann, der berichte. "Nur eine Schauermär, Schauermär..." "Nein, es ist alles wahr!"

Einen unbefangenen Augenblick lang könntest du eine andere Welt entdecken, ganz ohne zu träumen, aber ins Träumen geraten. Während du im Internet bist, sitzt du in Wahrheit zwischen zwei Spiegeln. Jeden Tag, den du die Aussenwelt vergisst, rutschst du eine Reflektion weiter in den Hintergrund, immerfort, bis es dich irgendwann nicht mehr gibt. Und um so weiter du in den Hintergrund gerätst, desto mehr wehrst du dich, wirst noch zappeliger und ausgefallener, um aufzufallen und deine anderen Spiegelungen klatschen vielleicht ab und an Beifall.
Poe schrieb 1842 die Kurzgeschichte "Das ovale Portrait" in der eine junge Frau, während sie von ihrem Gatten detailversunken in ein Bild gemalt wird, langsam stirbt. Er hat damals nichts vom Internet gewusst, wohl aber etwas von Obsession und Sucht. Willkommen zwischen den Spiegeln. 

Mittwoch, 17. Juli 2024

Das Kroko und die Ventildrossel Teil 9

Über die Rückreise soll nichts weiter berichtet werden. „Machs gut, Kumpel. Pass auf dich auf." sagte Paketmann zum Abschied. Dem Grünling entrollten ein paar Krokodilstränen. Kroko kam anhand der Frachteinträge wieder in seinen Zoo zurück und da war der August doch ganz froh, denn das Kroko war, ohne das er es erkannt hatte, zu einem Publikumsliebling geworden und viele hatten schon danach gefragt. Jedoch kam es in einen Einzelkäfig mit Aufschrift „Streicheln auf eigene Gefahr", was noch mehr Besucher veranlasste, es zu besuchen, wenn auch weniger, um es zu streicheln. Und seine Lichtshows wurden der Hit.

Doch Nachts war es sehr einsam und es dachte oft an das Drosseli und auch an Paketmann und konnte nicht schlafen. Das Drosseli hatte inzwischen einen Schnapsdrosselrich geheiratet. Dieser betrog sie aber häufig mit einer Blaumeise. Nun fiel einige Male Herbstlaub und die Nachtigallen sangen, bevor der Staat, in dem sich der Zoo und der Sumpf befand, strengere Artenschutzgesetze heraus gab und der Zooleiteraugust musste sich von vielen seiner Insassen trennen, auch von dem Drosseli und dem Kroko, die zu ihrem Sumpf zurückkamen. Das war eine Freude beim Wiedersehen am Sumpfesrand!

Das Kroko machte wieder Handstände und Purzelbäume und Drosseli surrte durch die Gegend wie verrückt, dass die Schallmauern nur so purzelten. Dann verschwanden die beiden im Nebel, mit Licht und heftigem Geklapper natürlich. Und der Kobold Nickel, der doch gar nicht so böse war, sondern nur eine unpassende Frau geheiratet hatte, die auch nicht böse war, sondern... nun ja der wurde zum Ranger für den Sumpf erklärt und das Umliegende und passte nun auf, dass keine Strolche mehr kamen und Tiere entnahmen. Das Kroko und das die Ventildrossel lebten nun wieder friedlich im nebeligen Sumpf und wussten, was ein Zuhause wert sein kann, weil es mehr ist als nur eine schöne oder nicht schöne Gegend, sondern vertraut. Doch ab und zu gingen sie mit den Trommelhasen auf Tournee und konnten sich für die Drossel einen Radarhelm leisten, damit sie nicht mehr im Nebel gegen die Bäume flog. 

Ende

Das Kroko und die Ventildrossel Teil 8

So lebten beide einträchtig eine ganze Weile. Bis Paketmann eines Abends freudestrahlend mit einer Holzkiste angelaufen kam, die schon reichlich vergammelt aussah. „Guck mal, was ich hier gefunden habe, grüner Freund!" Ächzend stellte er die Kiste in den Sand, drinnen klirrte es. Paketmann lupfte den Deckel, drinnen waren lauter bauchige Flaschen. „Bester Jamaika Rum! Ich habe eine Höhle in den Felsen gefunden und da stand das Zeug rum." „Weißt du, dass das Rum früher geschmuggelt wurde? Vielleicht gab es hier sogar Piraten mit Holzbeinen und Hakenhänden oder Augenklappen". Paketmann spielte Pirat, er humpelte durch den Sand und krähte „Auf, Kameraden, entert die Prise! Tod und Teufel!". Kroko schüttelte den kopf. Wie peinlich Ronnie manchmal sein konnte. „Das muss gefeiert werden." Paketmann entstöpselte eine der Flaschen. „Hoch die Tassen!"

In der nächsten Zeit war Paketmann oft nicht mehr ansprechbar. Entweder torkelte er am Strand entlang. Oder er hüpfte mit der Flasche um das Feuer und rief: „Die Hühner tun es! Die Hühner tun es! Die Hühner, jaaaha.." und so weiter und dann kicherte er immer so eigenartig. Waren da etwa bunte Kröten drin in den Flaschen? Kroko vermutete es. Bald hatte Ronnie keine Augen mehr für das Kroko, nur noch für seinen Rum und Kroko verzog sich wieder ab in den Sumpf. Fische brachte es auch keine mehr. Sollte der doch sehen wo er blieb, am besten bei seinen Hühnern. Aber wie man sich das natürlich vorstellen kann, war der Schnaps irgendwann alle und das war auch keine gute Zeit für Paketmann.

Und als das Kroko eines Tages mal wieder von einer Erbebung geängstigt zum Lagerplatz floh, fand es dort nur noch Reste und niemand war mehr da. Da wurde es traurig und kam sich verlassen vor. Doch nach einer Weile betretenen Umherwanderns fand es einen Pfad und es erinnerte sich an die Höhle, die Ronnie erwähnt hatte. Nun war der Weg nicht schwer zu finden. Und so fand es den Menschen abgemagert und krank und zitternd darumliegend. Mit einer Mischung aus Reue und Genugtuung machte es sich an die Arbeit und brachte Paketmann mit Futterkokosnüssen soweit wieder auf die Beine, dass er sich selber weiterhelfen konnte.

Dann wurde alles wieder gut und eines schönen Tages, an dem Kroko schon einen Reiher gescheucht hatte, nachdem es sich lautlos angeschlichen und dann geknurrt hatte und Paketmann es mal wieder veralbert hatte , indem er behauptet hatte, „Da kommt die letzte Welle!" und beide gerade in der Mittagshitze dösten (das Kroko mit aufgerissenem Maul), kam tatsächlich ein Schiff an. Paketmann guckte erst blöd, als käme er sich vergackeimert vor „Ich glaub, mein Hamster bohnert!", dann aber war er wie ein geölter Blitz unterwegs, so schnell, dass das Kroko blinzeln musste, und rief und winkte und lachte. Gemächlich watschelte das grüne Viergebein hinterdrein. Erstmal „sehen, was die Flut da angespült" hatte. Diesen Satz hatte es von Paketmann in letzter Zeit oft gehört. Auf dem Schiff waren Männer, die an Land kamen und sich als Ranger ausgaben. Sie fragten Ronnie, was er hier zu suchen hatte und behaupteten, es wäre gefährlich, fremde Tierarten hier auf dem Somoruarchipel einzuführen. Nun, Paketmann erzählte seine Geschichte.

Das Kroko und die Ventildrossel Teil 7

Warte mal..." Paketmann kramte in seiner Westentasche. „dacht ich mirs doch! hah!" Mit diesen Worten zog er ein längliches lila Dingsda mit silbrigen Ende hervor. „Feuerzeug, immer dabei!" Zzzoschh, sprang ein kleines Flämmchen hervor und Kroko wich zurück. „Brauchst keine Angst haben, das Feuertier ist ein Freund, wenn du es bei kleiner Speise hältst. Mal sehen, ob das Zeug hier brennt." Und sobald Paketmann den Finger vom Feuerzeug nahm, verschwand auch das Feuertier wieder darin. Paketmann sprang auf und sammelte ein paar trockene Palmwedel zusammen. Die brannten dann auch lichterloh und verschickten beißende Glühwürmchen. Kroko ging vorsichtshalber noch ein Stück weg. Doch sehr lange brannten sie nicht. „Mist, da muss ich noch weiter inseleinwärts, richtiges Holz holen, aber heute nicht mehr. Gute Nacht, mein Bester !" Paketmann zog sich in seinen gelben Pavillion zurück. Ein wenig später wälzte sich Kroko in der warmen Asche. Dann ging es wieder auf Wanderschaft über die Insel. Dabei wurde es durch einen heiseren Vogelschrei erschreckt. Das war der Ruf des Kokoskäuzchens, dass auf Beutezug ausflog. Da versteckte sich das Kroko doch kurz im Unterholz. Dann kroch es über Steine, mächtige Wurzeln und schwamm durch kleine Teiche. Alles war dicht be- und überwachsen. Stachelige Igel kreuzten schnaufend seinen weg. Fledermäuse flatterten hoch oben vorbei. Im Morgengrauen kam es wieder zurück zum Lagerplatz und duselte ein.

Am nächsten Morgen bekam es als erstes eine Ladung Sand ins Gesicht. Neben ihm brodelte der Boden. Wupps, noch eine Ladung. Kamen da die Kokosnüsse her? Aus dem Sand? Aber dann kam ein kleiner Reptilienkopf mit lustigen schwarzen Äuglein zum Vorschein. Na, klar, dass Kroko da nicht gleich drauf gekommen war. Die hiesigen Krokodile schlüpften. Oder doch keine Krokos? Noch mehr Köpfchen kamen heraus und dann krochen die kleinen Racker ganz aus dem Sand. Die runden Panzer auf dem Rücken, das waren ganz klar Schildkröten. Die so fertig aus dem Sand gekrochenen watschelten ohne Verzögerung Richtung Meer, wobei sie oft das Gleichgewicht verloren und Purzelbäume machten. Und da waren sie plötzlich, grosse rote stieläugige Landkrabben. Hässlich wie die Nacht und verfressen. Lautlos im Seitwärtsgang schlichen sie sich zur leichten Beute. War denn keiner zur Bewachung da? Tsss tsss. So eine Schluderei gab es bei Krokodilen nicht. Weil wirklich keiner weiter da war, zeigte das Kroko den Krabben die Harke, und schnappte, so gut es eben ging. Das war gar nicht so einfach, denn allzu groß war das Kroko nicht und die Scheren konnten höllisch zwicken.

Die kleinen Schildkröten waren viel zu langsam. „Krabben, wunderbar, gerade richtig, ich habe ein neues Feuer gemacht." Paketmann bückte sich „Whoa, da brauchen wir Schnur. Du glaubst nicht, was so eine Rettungsinsel alles dabei hat". Ronnie sprintete kurz weg, kam aber gleich mit einer Leine zurück, mit der er den Krabben einzeln die Scheren am Panzer festband und die Krabben dann aneinander. So konnte das Kroko die Schildkrötlein ins Meer begleiten und Ronnie bekam eine weitere Mahlzeit. Im Wasser kamen die Panzerpaddler erstaunlich gut zurecht. Sie schwammen anders als das Kroko nicht mit ihrem Schwanz, sondern mit ihren Beinchen. Mann, hier im Flachwasser war aber überhaupt was los.

Überall zischten kleine Fische umher. Und weiter meerauswärts, zwischen den scharfkantigen Korallen gab es auch grosse Fische. Und Tentakel- und Stacheltiere. Die Fische waren bekömmlicher als die bunten Frösche und auch Paketmann bekam welche ab. Wegen der Hitze am Tage schlief der Grünling meistens dann, wenn Paketmann wach war und ging nachts jagen, auch wenn das wegen der streitlustigen Tintenfische mit ihren tischtennisballgrossen Augen nicht ungefährlich war.