Mittwoch, 17. Juli 2024

Das Kroko und die Ventildrossel Teil 7

Warte mal..." Paketmann kramte in seiner Westentasche. „dacht ich mirs doch! hah!" Mit diesen Worten zog er ein längliches lila Dingsda mit silbrigen Ende hervor. „Feuerzeug, immer dabei!" Zzzoschh, sprang ein kleines Flämmchen hervor und Kroko wich zurück. „Brauchst keine Angst haben, das Feuertier ist ein Freund, wenn du es bei kleiner Speise hältst. Mal sehen, ob das Zeug hier brennt." Und sobald Paketmann den Finger vom Feuerzeug nahm, verschwand auch das Feuertier wieder darin. Paketmann sprang auf und sammelte ein paar trockene Palmwedel zusammen. Die brannten dann auch lichterloh und verschickten beißende Glühwürmchen. Kroko ging vorsichtshalber noch ein Stück weg. Doch sehr lange brannten sie nicht. „Mist, da muss ich noch weiter inseleinwärts, richtiges Holz holen, aber heute nicht mehr. Gute Nacht, mein Bester !" Paketmann zog sich in seinen gelben Pavillion zurück. Ein wenig später wälzte sich Kroko in der warmen Asche. Dann ging es wieder auf Wanderschaft über die Insel. Dabei wurde es durch einen heiseren Vogelschrei erschreckt. Das war der Ruf des Kokoskäuzchens, dass auf Beutezug ausflog. Da versteckte sich das Kroko doch kurz im Unterholz. Dann kroch es über Steine, mächtige Wurzeln und schwamm durch kleine Teiche. Alles war dicht be- und überwachsen. Stachelige Igel kreuzten schnaufend seinen weg. Fledermäuse flatterten hoch oben vorbei. Im Morgengrauen kam es wieder zurück zum Lagerplatz und duselte ein.

Am nächsten Morgen bekam es als erstes eine Ladung Sand ins Gesicht. Neben ihm brodelte der Boden. Wupps, noch eine Ladung. Kamen da die Kokosnüsse her? Aus dem Sand? Aber dann kam ein kleiner Reptilienkopf mit lustigen schwarzen Äuglein zum Vorschein. Na, klar, dass Kroko da nicht gleich drauf gekommen war. Die hiesigen Krokodile schlüpften. Oder doch keine Krokos? Noch mehr Köpfchen kamen heraus und dann krochen die kleinen Racker ganz aus dem Sand. Die runden Panzer auf dem Rücken, das waren ganz klar Schildkröten. Die so fertig aus dem Sand gekrochenen watschelten ohne Verzögerung Richtung Meer, wobei sie oft das Gleichgewicht verloren und Purzelbäume machten. Und da waren sie plötzlich, grosse rote stieläugige Landkrabben. Hässlich wie die Nacht und verfressen. Lautlos im Seitwärtsgang schlichen sie sich zur leichten Beute. War denn keiner zur Bewachung da? Tsss tsss. So eine Schluderei gab es bei Krokodilen nicht. Weil wirklich keiner weiter da war, zeigte das Kroko den Krabben die Harke, und schnappte, so gut es eben ging. Das war gar nicht so einfach, denn allzu groß war das Kroko nicht und die Scheren konnten höllisch zwicken.

Die kleinen Schildkröten waren viel zu langsam. „Krabben, wunderbar, gerade richtig, ich habe ein neues Feuer gemacht." Paketmann bückte sich „Whoa, da brauchen wir Schnur. Du glaubst nicht, was so eine Rettungsinsel alles dabei hat". Ronnie sprintete kurz weg, kam aber gleich mit einer Leine zurück, mit der er den Krabben einzeln die Scheren am Panzer festband und die Krabben dann aneinander. So konnte das Kroko die Schildkrötlein ins Meer begleiten und Ronnie bekam eine weitere Mahlzeit. Im Wasser kamen die Panzerpaddler erstaunlich gut zurecht. Sie schwammen anders als das Kroko nicht mit ihrem Schwanz, sondern mit ihren Beinchen. Mann, hier im Flachwasser war aber überhaupt was los.

Überall zischten kleine Fische umher. Und weiter meerauswärts, zwischen den scharfkantigen Korallen gab es auch grosse Fische. Und Tentakel- und Stacheltiere. Die Fische waren bekömmlicher als die bunten Frösche und auch Paketmann bekam welche ab. Wegen der Hitze am Tage schlief der Grünling meistens dann, wenn Paketmann wach war und ging nachts jagen, auch wenn das wegen der streitlustigen Tintenfische mit ihren tischtennisballgrossen Augen nicht ungefährlich war.

Donnerstag, 11. Juli 2024

Rio de Chauvineiro oder Emanzonas ?

Noch so ein älteres Gedicht von meinereiner:

Ein mutig Fischlein sprang hinein,
in den Himmel, Sonnenschein.
Entging so einem Haubentaucher,
dieser war sein Endverbraucher.
Doch als schuppig Fisch als nasser,
fiel es wieder in das Wasser.

So nach vier fünf Blasen stumm,
ging es ihm im Kopf herum:
Wieso konnt der Vogel schwimmen,
es aber selber nicht erklimmen,
der kühlen Frischluft zarte Balken?
Was war von diesem Zeug zu halten?
Als nächstes war ein Otter dann
an dem armen Schuppling dran.
Nur, sobald das Wasser seichter,
ging es auch nicht vorwärts, leichter.

Und als es die Plage sätter,
nahm es sich zwei Segelblätter,
aus dem Schilf und stieg hinauf
und so nahm es seinen Lauf,
dass das Fischlein fliegen lernte,
bald von weissen Wolken schwärmte,
und des Himmels Buntgefieder,
auch auf Bäumen saß es nieder.
Wiegte sich in güldnen Strahlen
und des Mondes Silberschalen.
Kam als Backfisch dann und wann
wieder bei den Eltern an.

Mittwoch, 10. Juli 2024

You're safe until the fire starts

 

(Diesen Text habe ich aus meinem alten Blog "Froschtümpel" übernommen, Foto und Titel stammen von dieser Quelle.)

Szenerie Eins: Wieder sitze ich in einem Käfig, der ist in einem grossen, leeren Saal, Geräusche und bunter Nebel fliehen von irgendwo. Dann setzt sich eine Raucherin vor mich und erschüttert mich mit ihrem Nikotin-Nihilismus. Gar nichts sei als man selbst, und das könne man alles ändern. Es gäbe das Feste ERST nach der Beule. Sie gibt mir ihre Zigarette für das Schloss. Es gäbe auch keinen Nutzen, keinen Sinn, nur Emotionen. Tu was du willst. Weg mit mir, mit dir, keine Bilder mehr jetzt. Sei ein wildes Tier. Der Käfig brennt.

Szenerie Zwei: Ich hab es geschafft, die Feder ist überspannt und gebrochen. Nutzlos klimpert sie im Abwärtsgang. Auf schiefer Ebene fahre ich hinab mit schwerer Fuhre. Der Motor bremst und läuft heiss. Metallischer Geruch drückt die Brust. Funken blitzen, die Hülle zerfällt, die Räder springen, hulahopp, hopp, hopp. Alte Tonbänder spielen, eine Puppe weint im Rauch. Ich bin wach, hellwach, das Wasser ist kalt, die Optik kristallklar, Wale singen mir ein Schlaflied. Doch ich kann nicht schlafen, ich muss noch weit gehen. Mit einer Fussfessel, an der Kette, an der Kugel.

Szenerie Drei: An einem Bootssteg am Fluss halte ich an, knie nieder und tauche einen Finger in den Strom. Das Wasser weicht meinem Finger, umfliesst ihn. Die Trennung ist schmerzlich, ich werde traurig. Warum berührt das Wasser mein Innerstes nicht? Gedanken wandern... Weil keine Öffnung dem Element Einlass gewährt? Von dieser Idee freudeerfüllt schöpfe ich beide Hände voll und will schon trinken. Plötzliches Grauen erfüllt mich. Was, wenn Gift darinnen wäre?

Szenerie Vier: Eine weisse Ebene. Ich fühle mich einsam. Ich sehne mich nach meinem Käfig, während sich unter mir schon alles in Falten zieht. Das ist die Ziehharmonika des Lebens (mal ist es lang, mal ist es kurz). Eine laute Melodie. Auf einer wuchtigen Bassnote fliege ich davon. 

Montag, 8. Juli 2024

Herr Blattschuss folgt seinen Trieben

Der Herr Blattschuss wacht morgens auf und ist schon mürrisch drauf. Das ist sonst nicht so, aber heute. Er weiß heute ist der Tag, an dem er seinen eingetretenen literarischen Pfad verlassen muss. Sein Doktor hat ihm das ans Herz gelegt, denn dem Herrn Blattschuss steht eine Verblödung ins Haus. Herr B. ist süchtig nach Arztromanen. Die verschlingt er zum Frühstück, Mittagessen und Abendbrot.

"Der Körper liest mit, Herr B." hat der Arzt gesagt. "Sie müssen ihren literarischen Pfad verlassen und auch mal was Gesundes lesen. Gedichtbände zum Beispiel, ja und Erstausgaben erfolgloser Schriftsteller. Die ersten werden die letzten sein, kleiner Scherz, haha, auch Antiquarisches, das ist sehr gehaltvoll, jaja. Schriftsteller war damals noch eine Berufung und kein Beruf, hören sie, Herr B.! Die armen Teufel sind dutzendweise für ihre Ideale in die Kiste gesprungen. Solche ballasthaltige Kost brauchen sie. Nicht den aalglatten Konfekt von Schwester Brunhilde und ihrem ähh, Doktor."

So denkt Herr B. an den letzten Termin und merkt nicht mal, dass er beim Ankleiden die Mütze falsch herum aufsetzt. Draussen regnet es, bald wird es auch schneien. Sorgenvolle Gedanken schieben sich, dicken Raupen gleich, durch seine Morgenwelt. Die muss er loswerden, also dackelt er noch mal in die Praxis, mit verdrehter Mütze und verdrehten Gefühlen.

"Neues ist gefährlich" händeringt Herr B. "Ich habe von spontanen Geisteszuständen gehört. Manche Leute sollen danach herumgelaufen sein und von Niveau geredet haben. Genie und Wahnsinn sollen dicht beieinander liegen, ja auf offener Straße miteinander schmusen, Herr Dokter. Einer soll gesagt haben, verkehrt herum gelesen mache das Buch erst Sinn! Er las ein Telefonbuch Herr Dokter. So was macht mir Angst. Soll ich nicht lieber auf Liebesromane umsteigen? Die regen bestimmt an, ja?"
"Nein, Herr B., das sind Gerüchte, nur so leer gedroschenes Stroh. Leben sie die Vielfalt. Auf einen Hesse können sie schon mal ein lustiges Taschenbuch folgen lassen."

„Da fällt mir aber ein Stein aus der Niere, Herr Dokter, Sie machen mir richtiggehend Lust auf die Avantgarde.“ Gesagt getan. Herr B. schlägt sich wohlfeil ins wilde Gebüsch, dass die Federfuchser da so struppig wuchernd in die platte Landschaft kippen. Nachdem er die ausgetretenen Straßen des Mainstreams hindurchgehüpft ist und nur verächtlich gelacht hat über all die müden Socken, die Dünnbrettbohrer, die immer nur den Weg des geringsten Widerstandes gehen und nicht weitergehen wollen, stehenbleiben bei eilig zusammengenagelten Mythenfetzen und staunend den immer wieder selben Sensationen nachgeifern, weil sie das Langzeitgedächtnis schon lange für ein Mitspracherecht unter ihresgleichen eingetauscht haben.

Was für ein plumper, rückratloser Bückling er gewesen war. Er hat die schönen einsamen Früchte nicht gesehen, die abseits des Weges unter schweren Dornen reifen! Doch jetzt kämpft er sich vorwärts. Schon bald hat ihn kein Mensch mehr gesehen. Er schmaust Festmähler jenseits aller Vorstellung. Er hat sich ein Haus errichtet mit einem Fundament aus Folianten noch aus dem Zechstein und Dachschindeln aus Anthologien. Eine Tür ganz aus Grimoires mit Bannsprüchen gegen Heyne, Bastei und Co. Er hält sich sogar eine kleine bissige Streitschrift in einem Zwinger aus Lehrbüchern.

Doch ach, es sollte ihm nicht gut ergehen. Schon bald fängt Herr B. an, zu interpretieren, mit sich selbst zu hadern, zu reflektieren und zu sinnieren und zu philosophieren und der ganze Zirkus. Nach einem russischen Revolutionswälzer ist Herrn B. vier Wochen schlecht. James Joyce bringt ihn schließlich auf die Intensivstation.

"Abwechslung, Mann! Um Gottes willen!", stirnrunzelt der Arzt. Herr B. blickt ihn gequält an. Er kann nicht mehr anders, nie mehr will er zurück gehen in diese schalen Niederungen des immer wieder kehrenden Dummseins. "Wer einmal aus dem Blechnapf fraß, haarrrgh!", ächzt er und schießt sich mit einem Traktat über "Irrationale Logik" ins Nirwana. Später dann hat man ihn ganz locker auf Telefonbücher umstellen können.