Donnerstag, 19. Juni 2025

Das Rotkäppchen (Perrault/Bechstein) gereimt

Es war einmal in einem Dorf ein kleines hübsches Mädchen,
das hatte eine Kappe ganz aus roten Sammetfädchen.
Der kleine Schatz war Großmutters und Mutters Augenstern.
Oft trug sie ihr Hütchen, darum nannte man sie gern
"Rotkäppchen!", wie auch ihre Mutter sie nun rief,
als sie fröhlich durch die Haustür in die Küche lief.
Die Oma und die Mutter wohnten nicht in einem Haus,
sondern es war eine Meile in den Wald hinaus.

"Großmutter ist schwach und krank und kann uns nicht besuchen,
drum bringe ihr geschwind den Wein und auch den warmen Kuchen.
Grüße sie recht schön von mir, pass auf, dass du nicht fällst
und achte auf die Wege, dass du den richtgen wählst.
Lauf nicht herum im Walde, lass die Flasche ganz,
Tu wie gesagt und komm zu mir zurück so schnell du kannst."
So oder so ungefähr, reden Mütter immer,
Mal hilft es, manchmal hilft es nicht, und manchmal hilft es nimmer.

"Das will ich alles ganz so machen, wie es dir gefällt."
gab Rotkäppchen da zurück und hat hinein gestellt
in den Korb den Kuchen und die Flasche roten Wein.
Dann band sie sich ihr Schürzchen und lief in den Wald hinein.
Um altehrwürd'ge Kiefern und um Buchen ging ihr Pfad.
Ein Fleckchen Grau blitzt' hier und dort, egal wohin sie trat.

An einer hellen Lichtung kam ein Wolf mit prächt'gem Haar
aus dem Unterholz heraus und sagte "Gott bewahr!
Mein liebes Mädchen, was führt dich so früh schon durch den Tann?"
"Zur Großmutter, Herr Graubart, die nicht mehr aufstehn kann!"
"Was willst du denn dort machen, willst du ihr etwas bringen?"
"Bald soll sie wieder munter sein und heitre Lieder singen.
Deshalb trage ich den Wein und selbstgebacknen Kuchen."

"Ach Rotkäppchen, nun sage mir, wo könnt ich sie besuchen?"
"Es ist ein Häuschen gar nicht weit, dahinter stehen Eichen,
dort wo die Haselbüsche den Weizenfeldern weichen."
'Oh du leckres Haselnüsschen, ich knacke deinen Kern'
dachte ganz bei sich der Wolf, doch sagte "Gar nicht fern!
Sieh, dort drüben wachsen Kräuter, die Gebrechen heilen.
Wolfsbeer, Wolfsbast, Wolfswurz und Wolfszahn auch bisweilen."

"Herr Graubart, werden alle Kräuter nach dem Wolf benannt?"
"Nur die allerbesten, die der Medizin bekannt.
Sammle doch ein paar davon, ich will mich dir empfehlen."
sprach das Tier, um sich dann hin zur Großmama zu stehlen.
Hinter moosbewachsnen Rinden, schaut der Wolf zurück,
dem süßen Kindchen hinterher und schnalzte "Welch ein Glück!"

Das Rotkäppchen, das sah im Walde viele schöne Blumen.
Die pflückte sie für einen Strauß und mit den Kuchenkrumen
fütterte sie Vögelein, die auf dem Wege hüpften
und schließlich auch noch die im Nest gerade frisch geschlüpften.
"So ein lieber, guter Wolf, wie er an alle denkt
und jeden, den er grade trifft, mit Weisheiten beschenkt."

Als der Wolf nun zu dem Haus der alten Dame kam,
da fand er es verschlossen und er klopfte sachte an.
Die Alte konnte nicht allein und ohne Hilfe stehen,
so krächzte sie nur "Wer ist da?" statt selber nachzusehen.
Nun rief der Wolf "Dein Rotkäppchen, ich möchte dich besuchen!
Ich bringe roten Wein für dich und selbstgebacknen Kuchen."
Mit einer hohen Fistelstimme täuschte er die Alte,
Sie sprach "Der Schlüssel liegt gleich bei der Tür in einer Spalte."

Der Wolf drang ein, sprang aufs Bett und fraß mit einem Bissen
die Großmutter und legte sich verkleidet in die Kissen.
Er trug der Alten Schlafgewand, Haube und auch Brille
und dachte freudig "So, jetzt warte ich in aller Stille.
wie gut hat schon der alte dürre Knochensack geschmeckt,
da möcht‘ ich wissen, welch Aroma in dem Frischling steckt."

Es klopfte eine Weile später an der Tür der Großmama.
Der Wolf sprach mit verstellter Stimme "Gott zum Gruß, wer ist denn da?"
"Das Rotkäppchen ist da und trägt dir leckre Speisen aus."
"Drück nur auf die Klinke Schatz, dann springt die Türe auf.“
Das Mädchen ahnte Unheilvolles, denn es roch nach Hund
und die traute Stimme klang heut äußerst ungesund.

Sie schaute sich gar ängstlich um im trüben Stubenlicht,
der Graubart rief ihr leise zu, die Decke im Gesicht.
„Leg dich zu mir ins Bettchen, komm her und wärme mich.“
Das Käppchen hob die Decke hoch und schnappte, wie ein Fisch:
"Weshalb sind deine Hände haarig und mit Krallen dran?"
"Damit ich dich mein Kindchen, besser halten kann."
"Warum hast du Großmutter, so lange Ohren dann?"
"Damit ich dich Rotkäppchen, besser hören kann."
"Warum hast du Großmutter, so große Augen dann?"
"Damit ich dich, mein Liebchen, besser sehen kann."
"Warum hast du Großmutter, so scharfe Zähne dann?"
"Damit ich dich, mein Herzchen, besser fressen kann!"

Mit weitem Maul in seinen Wanst, schlang er sie ganz hinein
dort saß sie dann mit ihrer Angst und dem Großmütterlein.
So ein Unrecht ist noch nicht der Weisheit letztes Ende.
Deshalb schlief der Wolf gleich ein und dadurch kam die Wende.
"Ein guter Bissen ist noch längst das beste Ruhekissen".

Das Schnarchen rief den Jägersmann und ohne es zu wissen,
dass er in diesem Glücksmoment der Rettungsengel war,
kehrte er ins Häuschen ein und wurde dort gewahr
wie der Wolf mit prallem Bauche lag im Schlafgemach.
Er stellte das Gewehr zur Seit und dachte erstmal nach.

Der Jäger zückte leis das Messer, öffnete den Magen
und es schlüpften aus die zwei, die dort gefangen lagen.
Der Wolf bekam nun großen Hunger und er wachte auf.
Das Rotkäppchen sah er zuerst und dann den Büchsenlauf.
Noch bevor er zwinkern konnte, gab es einen Knall
und der graue Isegrimm verliess den Erdenball.

Der warme Wolfsbauch hatte wohl die Großmama geheilt
und das Mädchen ist nun immer gleich zu ihr geeilt.
Den Kuchen aber nicht den Rotwein teilten sich die drei,
denn den goss der Jägersmann sich hinter das Geweih.










Der gestiefelte Kater (Perrault/Grimm) gereimt

Erbschaft ist ein wahrer Segen, aber nicht allein.
Ein klitzekleines Erbe kann ein großer Ansporn sein.
Auf den eignen Füßen gehn ist gar nicht so verkehrt,
statt Pferde zu besitzen, die tausend Taler wert.
Millionäre sind bekannt, mit Vätern ohne Brot,
und betuchte Großpapas mit Enkeln tief in Not.
Im Kopfe etwas Grütze drin ist mehr wert als ein Feld
und gesunder Mutterwitz mehr wert als Gut und Geld.

Es war ein mal ein Müller, dreier Söhne Vater.
Sein Gut war eine Mühle, ein Esel und ein Kater.
Wie es sich so fügte, lag der Müller bald im Sterben.
Alles was er einst besessen, teilten sich die Erben.
Der Älteste bekam die Mühl, den Esel dann der zweite,
der Kater kam zum Jüngsten, den das so gar nicht freute.

"Eine Katze!" rief er "Das ist doch für die Katz!
Was tue ich denn damit? Nen warmen Pelzbesatz
für meine kalten Ohren? Solang ich barfuß gehe,
wirkt das unverfroren. Das Fleisch wie ich es sehe,
reicht kaum für einen Braten." "Mein Herr ich will dir raten
nicht so lang zu trauern." sprach der Kater sauer.
"Spar dir dein Bedauern. Gib mir einen großen Beutel
und auch gute Stiefel. Dann schleiche ich mich heute,
nur um dir zu helfen, noch unter reiche Leute."

Der Jüngste sah verwundert drein, des Katers Reden wegen,
und doch rief er den Schuster her, die Elle anzulegen.
Als die Stiefel fertig warn, zog sie der Kater an,
und er verschloss den Beutel fest mit einer Schnüre dann.
Auf zwei Beinen, wie ein Mensch, ging er zur Tür hinaus
und er legte tief im Walde seinen Köder aus.
Der Sack war unten auf dem Grund mit Weizenkorn gefüllt. Es öffnete der Kater ihn und wartete auf Wild.

Er hatte einen Stock mit Schnüren in den Sack gestellt,
das war für seine Beute wie ein Körnerfutterzelt.
Des Königs großer Appetit auf Rebhuhn war nicht neu,
die hohe Zahl der Jagden aber machte sie sehr scheu.
Doch der Kater jagte nicht, er stellte eine Falle
und die Hühner kamen her, so ein paar richtig dralle.
Sie krochen in das Zelt hinein, der Kater zog am Strick
und schulterte den Sack, begeistert über seinen Trick.

Er ging damit geraden Weges zu des Königs Schloß.
Als die Wachen ihn dort sahen, lachten sie gleich los.
„Wohin will denn der große Sack mit dem kleinen Kätzchen?“
„Zum König will ich ganz genau, und lass er diese Mätzchen.“
„Bist du tollkühn, als ein Kater möchtest du zum König?“
„Laß ihn durch, dass wird ein Spass, der König lacht so wenig.“

Der Kater kam zum König und er beugte sich vornüber.
„Mein Gräflein schickt Euch Flügelwild vom fettesten Kaliber.“
Der König wusste sich darob vor Freude nicht zu fassen
und gab dem Kater ein paar Taler aus den Landeskassen.
„Das bringe deinem Herrn und nochmals Dank für das Geschenk!“
Zuhause schob der Müllerssohn den Kopf aufs Handgelenk.

Er sann am Fenster nach, wann wohl das Unglück von ihm ließe.
Da trat der Kater ein und warf das Gold ihm vor die Füße.
„Da hast du etwas für die Schuh, der König lässt dich grüßen.“
sprach der Kater und zog sich die Stiefel von den Füßen.
"Du hast zwar jetzt Geld genug, doch dabei solls nicht bleiben.
Morgen will ich mich erneut im Unterholz rumtreiben.
Ich werde Rebhuhnlieferant für höfischen Bedarf.
Und du, mein werter Müllerssohn, du wirst mein Herr, der Graf."

Die nächsten Tage ging der Kater wieder Fallen stellen.
Dem Jungen blieb nichts weiter mehr, als Talergold zu zählen.
Der Kater war beliebter Zaungast in des Schlosses Küche
und hörte dort vom Herde her des Kutschers derbe Flüche.
"Ich wünscht, der König samt Prinzessin wärn beim Belzebub!
Dann könnt ich heute Karten spielen in der Wirtshausstub!
Statt dessen wollen beide nun am See spazieren fahren
und ich langweil mich oben auf dem gottverdammten Karren!"
Wie der Kater das vernahm, schlich er sich flugs nach Haus
und richtete dem Müllersbursch die frohe Nachricht aus.

"Willst du ein Graf sein, musst du heut hinaus zum See und schwimmen.
Auf mein Signal hin wirst du dann das Ufer rasch erklimmen."
Der Müller zuckte nur die Schultern und die beiden liefen fort.
Gerade noch zur rechten Zeit kamen sie zum rechten Ort.
Hastig zog der junge Bursche sich ganz splitternackend aus.
Der Kater trug die Kleider fort, da kam die Kutsche angesaust.
„Ach, mein Herr ist in Bredouille, allergnädiglichster König.
Er steckt dort im Wasser fest und hat neue Kleider nötig!
Seine wurden ihm beim Bad von Landstreichern gestohlen.
Kommt er nicht rasch ins Trockne, wird ihn der Schnupfen holen!“

So hat der Kater kläglich laut und aufdringlich miaut,
bis der König irritiert den Störenfried erschaut.
Nach kurzem Knarren und auch Ächzen stand die Staatskarosse still,
"Schnell, mein Bote, reit geschwind und bring dem Grafen, was er will!"
sprach der König, denn er war dem Kater sehr gewogen.
Dann hat der Graf von Habenichts die Kleidung angezogen,
die alsbald und überreichlich zur Verfügung stand.
"Herr Kater, reich er mir den Frack und geh er mir zur Hand!"
Nachdem er sich angezogen, durfte er im Wagen sitzen.
Die Königstochter ließ ganz reizend ihre hübschen Äuglein blitzen.

Der Kater aber rannte vor, wie verfolgt von wilden Bienen.
Er fragte Leute unterwegs "Sagt, wem möget ihr wohl dienen?"
"Dem Zauberer!", so riefen alle, ob auf Wiese, Wald und Feld.
"Erzählt ihr diesen Quatsch dem König, ist es schlecht um euch bestellt.
Alles hier gehört dem Grafen, merkt euch diese Antwort gut."
Die Menschen sagten schnell "Gewiß doch!", denn sie waren auf der Hut.
Ein Fabeltier wie dieses sieht man ja nicht alle Tage,
da gibt man lieber falsche Auskunft auf jedwede Frage.

Das Tier schlich sich ins Schloß des Magiers, leckte sich vor ihm die Pfoten.
Der Magier fand so ein Verhalten ungebührlich und verboten.
"Was willst du hier?" rief er und seine Augen starrten böse.
"Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen dieses Rätsel löse.
Dass Ihr Euch in vielerlei Getier verwandeln könnt,
so hörte ich und frage ob mir ein Beweis vergönnt,
von Eurer hohen Zauberkunst? Nicht Fuchs, noch Wolf, noch Hund,
nein, ein echter Elefant wär mir zum Staunen Grund."
Der Magier sagte darauf stolz: "Das ist mir eine Kleinigkeit.“
und stand da als Elefant nach verblüffend kurzer Zeit. 
"Ein stoßzähniges Rüsseltier, das ist schon kolossal,
ein Löwe wär für mich jedoch das Zauberstück der Wahl."

Ein Löwe brüllte nun alsbald, den Kater überlief es kalt,
schnell sprang er in eine Uhr, man hörte seine Stimme nur
„Das ist der Brüller, ei der Daus, doch sicher kannst du keine Maus!“
Schaurig lachte das Genie „Die Maus vergisst du wahrlich nie!“
Der Kater hat auch nicht vergessen, die Maus genüsslich aufzufressen.
Ein Satz, ein Biss, ein leiser Schrei, dann war die Zauberei vorbei.
Des Königs Kutsche fuhr derweil über Wiese, Feld und Wald,
und wo immer man gefragt, des Grafen Name wiederhallt.
Der König war erstaunt und sprach, "Ihr seid ein reicher Mann, Herr Graf."
Sie kamen an das Schloss heran, vor dem der Kater lässig stand.

Von den Treppen sprang er munter zu den Gästen nun herunter,
öffnete galant den Wagen, sprach mit sichtlichem Behagen:
"Erlaubet mir, oh Eure Hohheit, dass ich Eintritt nun gewähre
in das Haus des werten Grafen, dem es eine große Ehre
ist euch heute zu begrüßen und er leget Euch zu Füßen,
alle seine Kraft und Macht und des Schlosses edle Pracht."
Der Graf nun führte die Prinzessin hinauf zum Saal voll Prunk und Gold.
Das Mädchen aber war dem Grafen schon seit dem Momente hold,
als er nackt am Wege stand. "Ach freie mich, mein Liebster!"
Den Graf hat man zum Prinz ernannt, der Kater ward Minister.









Mittwoch, 18. Juni 2025

Der Froschkönig (Brüder Grimm) gereimt

In einer Zeit - man glaubt es glatt, 
als Wünschen noch geholfen hat,
lebte eine Königstochter, 
des Königs und des Hofes Wonne
schöner noch als selbst die Sonne, 
die sich wohl oft wundern mochte,
wenn sie in ihr Antlitz schien.

Nah beim Schlosse lag ein Wald
dann in diesem Walde bald,
fand sich eine große Linde und
an diesem kühlen Ort
saß am Brunnen jenes Mädchen
herzlich gern und spielte dort.

Eine Kugel ganz aus Gold
warf sie hoch und fing sie wieder
ihrem Spielzeug war sie hold,
und sang dabei frohe Lieder.

Eines Tages fiel die Kugel
nicht von oben in ihr Händchen,
sondern sie schlug auf den Stein
und sie sprang darauf vom Rändchen
platschend in das Nass hinein.

Mit großen Augen folgte ihr
nach die junge Werferin,
doch der Brunnen hier war tief,
tief und ohne Grund darin.

So weinte sie nun bitter drein
da rief jemand laut ihr zu:
„Bist du nicht die Königstochter?
Sag, was störst du meine Ruh,
und klagst, die Welt wär so gemein ?"

Sie blickte um sich voller Scham,
woher diese Stimme kam,
und sah einen Frosch der bläßlich
seinen Kopf, der dick und häßlich,
aus dem Brunnenwasser hob.

Und sie sagte ihm darob:
"Ach du bists, altes Wassertier!
Um einen goldnen Ball den meinen,
der an diesem Brunnen hier
mir aus meinen Händen fiel,
muss ich unaufhörlich weinen."

"Nun sei schon still und weine nicht",
sprach der Frosch mit viel Gespür.
"Denn ich bring ihn dir ans Licht,
doch was gibst du mir dafür?"

"Alles was du willst und mehr,
Kleider, Perlen, Edelsteine,
auch die Krone, die ich trage,
all das gebe ich dir gern,
wenn den Ball du bringst zutage."

„Kleider, Perlen, Edelsteine, 
und die goldne Krone deine,
will ich nicht, statt dessen eine
Freundschaft und Gesellschaft fein,
will dein Spielgeselle sein.

Iss mit mir und trink mit mir 
vom Teller und aus goldnen Bechern
und zuletzt gib Zutritt mir,
zu deinen edlen Schlafgemächern!“

Und sie dachte, lass ihn schwatzen,
nur schnell herauf den goldnen Batzen!
Ein Frosch sitzt gern bei seinesgleichen
in den trüben Fröscheteichen.
Deshalb kann er keinesfalls
einer Frau das Wasser reichen. 

„Bringst du meine Kugel mir,
bekommst du alles das dafür
was du dir wünschst und obendrauf
Küsschen noch von mir zuhauf.“

Der Lurch, sobald sie das gehaucht,
ist sogleich zum Grund getaucht,
sank hinab und kam dann wieder
aus dem Schacht heraufgekrochen.
Und aus dem Froschemaul hernieder,
fiel die Kugel wie versprochen.

Die Königstochter war voll Freude,
als sie ihr schönes Spielzeug sah,
sie hob es auf und sprang hinfort.
Der Frosch saß wie ein Pudel da.
Was galt der jungen Dame Wort?
"Warte, warte," rief der Frosch,
"nimm mich mit, ich bin so klein!"
Doch sie blieb taub und daher hüpfte
er den ganzen Weg allein.

Tags drauf hatte die Prinzessin alles wohl vergessen
und mit dem Hofstaat beim Salat zu Tische schon gesessen.
Da kam von der Marmortreppe "Plitscheplatsche" ein Geräusch
Und es klopfte an der Tür: "Ich rufe Königstochter, Euch!"

Sie lief die Treppen schnell herab, zu sehn, wer vor dem Tor,
doch als sie es öffnete, saß nur der Frosch davor.
Sie warf die Tür ins Schloß ganz ängstlich
und stieg dann zum Saal empor.

Der König sah, dass ihr das Herze klopfte bis zum Hals,
und sprach "Was ist da außerhalb unseres Portals?
Ists ein Riese der die Keule schwingt wie ein Barbar?"
"Nein da sitzet nur ein Fröschlein, das mein Retter war."

"Als im Wald ich gestern war und meine Kugel fiel,
in den tiefen Lindenbrunnen dann bei meinem Spiel,
Da weinte ich so bitterlich in allertiefster Schmach,
dass jener Frosch, mit Hinterlist, die Hilfe mir versprach.
So verlangte er durchaus, mein Bettgesell zu sein,
doch ich dachte, niemals könnt er hier zur Tür herein."

"Mach mir auf, mach mir auf, Königstochter, jüngste,
weißt du, was du mir versprachst für meine guten Dienste?"
"Was du ihm versprochen hast, das musst du nun auch halten.
Mach ihm auf, gehorche deinem Vater, deinem alten!"

Sie öffnete die Tür betrübt und es sprang herein,
die Treppe hoch zu ihrem Stuhl, das freche Fröschelein.
Da saß es schließlich und es rief "Heb mich zu dir empor!"
Und es aß seinen Kopfsalat, bis ihr der Mut gefror. 

Gang für Gang ließ sich der Frosch die guten Speisen schmecken,
Ihr jedoch blieb jeder Bissen fast im Halse stecken.
Der Frosch bedankte sich bei ihr noch sehr für das Bankett,
"Nun bring mich, Mädchen," sagte er, "gleich in dein Himmelbett!"

Der Königstochter schauderte es vor dem kalten Lurch.
Als sie ihn fasste, fuhr ein rechter Ekel durch sie durch.
Der König aber zornig sprach "Du sollst ihn nicht verachten!
Er half dir und er darf dafür auch bei dir übernachten!"

Mit zwei Fingern trug sie ihn hinauf ins Ruhezimmer,
dort legte sie ihn schnell ins Eck, jedoch es kam noch schlimmer,
denn gerade als sie ging zur wohlverdienten Ruh,
kroch er heran "Ich will gemütlich schlafen so wie du."

Bitterböse warf sie nun den Quaker an die Wand,
mit vollen Kräften, wo er dann mit einem "Plopp" verschwand.
"Du alter garstger Frosch kannst nie zu meinem Freunde taugen!"
Doch nun stand da ein Königssohn mit wunderschönen Augen.

Eine Hexe hätte ihn verzaubert, eine böse,
und er hätte lang gewartet, dass man ihn erlöse.
Morgen würden sie dann reisen in sein Heimatreich,
Darauf gingen sie zu Bett und schliefen beide gleich.

Am andern Morgen als die helle Sonne sie geweckt,
kam ein Wagen vorgefahrn, mit Federn angesteckt,
Acht weiße Rosse standen da, in güldenem Gezäum,
von hinten rief ein Diener froh "Ach Prinz, wir kehren heim!"

Der Diener war der treue Heinrich der in seinem Schmerz,
drei harte Ringe hatte legen lassen um sein Herz.
Denn es sollte nicht vor lauter Traurigkeit zerspringen,
Bis er endlich könnt den Herren heil nach Hause bringen.

Als sie dann ein Stück des langen Wegs gefahrn hernach,
gab es einen lauten Knall, als ob ein Rad zerbrach.
Der Prinz schob seinen Kopf hinaus zum Fenster und er sprach:

"Heinrich der Wagen bricht!"
"Nein Herr der Wagen nicht,
es ist ein Band von meinem Herzen,
das da lag in großen Schmerzen,
als Ihr in dem Brunnen saßt,
als ihr noch ein Fröschlein wart."

Noch einmal und noch einmal krachten auf dem Weg die Ringe
und zweimal fragte auch der Prinz, ob es da zum Rechten ginge.
So reisten sie zum Märchenschloß und wie ich mich entsinne,
sind sie noch immer ganz wohlauf  und allerbester Dinge.


Hänsel und Gretel (Grimm/Bechstein) gereimt

Am Wald in einer kleinen Hütte lebte einst ein Paar, 
welches Eltern der zwei Kinder Hans und Gretel war.
Der Vater war ein Köhlersmann und er litt immer Not,
deshalb hatte die Familie wenig Geld für Brot.

Nachts im Heubett seufzte der, an Kummer reiche, Mann,
"Mein liebes Weib, ich weiß nicht mehr, wie’s weiter gehen kann
dich und mich zu unterhalten, dann noch beide Kinder.
Wir haben keinen Vorrat mehr und bald schon kommt der Winter."

"Wir führ'n sie in den Wald hinein, je eher desto lieber.
Dort zünden wir ein Feuer an und kommen nimmer wieder.
Lass die beiden dort allein bei Brote gottbefohlen sein.
Das ist die einz'ge Lösung Mann, nun füge dich schon drein!“

"Oh Gott, wie soll ich das vollziehn an meinen eignen Kindern?"
Die Frau frug ihn nun gradheraus "Wie willst du es verhindern?
Dann kannst du gleich ne Totenlade für uns viere zimmern!"
Die Kinder hörten's durch die Wand und fingen an zu wimmern.

Der Hänsel sprach zum Troste "Gretel hab nur keine Bange,
ich hab schon einen guten Plan, wie ich zurück gelange."
Als die Alten schon im Schlafe lagen, stand er auf.
Er schob sich durch die Hintertür und schlich den Hang hinauf.

Da nun schien der Mond recht helle auf die weißen Kieselsteine.
In sein Rocktäschlein hinein, sammelte er davon kleine.
Dann ging er noch zurück und sprach zur Gretel "Bleib gelassen,
unser Glücksstern wird ganz sicher nicht so schnell verblassen."

Noch eh die Sonne aufgestiegen, als der Tag anbrach,
rüttelte die strenge Mutter schon die Kinder wach.
"Steht auf ihr faulen Wanzen, wir holn Brennholz aus dem Wald!
Hier habt ihr einen Kanten Brot, doch esst ihn nicht zu bald."

Das Gretel trug das Brot im Rock, der Hänsel trug die Steine,
er blieb oft stehn und sah zurück."Vergiss nicht deine Beine!"
"Ach Mutter, ich seh auf dem Schornstein unsern weißen Kater."
"Narr, das ist das Sonnenlicht, nun mach nicht so'n Theater."

Wie sie auf verschlungnen Pfaden weiter vorwärts gingen,
ließ der Hänsel Steinchen aus der Hosentasche springen.
Es sprach der Vater als sie tief im Walde warn zu viert:
"Ihr Kinder, ich mach euch ein Feuer, damit ihr nicht friert.

Nun sammelt Holz." Es ward vollbracht, das Reisig dann entzündet.
Und als die Flamme recht hoch brannte, hat die Frau verkündet:
"Leget euch ans Feuerchen und ruht euch einfach aus.
Wir hauen derweil Holz und gehen in den Wald hinaus."

Am Feuer saßen Hans und Gretel bis der Mittag kam
und haben dann ihr Stücklein Brot sich in den Mund getan.
Sie hörten Schläge einer Axt, das war jedoch nur Trug.
Es war ein festgebundner Ast, der laut im Winde schlug.

Lange saßen sie noch da bis sie die Augen schlossen.
Dann als der Mond sein silbern Licht hin über sie gegossen,
wachte Gretel auf und fragte "Finden wir hinaus?"
Hänsel sprach "Die Kieselsteine bringen uns nach Haus."

Sie liefen Hand in Hand hindurch die ganze klare Nacht,
und kamen dann im Morgengrauen zum Haus wie ausgedacht.
Sie klopften an die Tür erregt, es öffnete die Frau.
"Was habt ihr nur so lang getrieben, wisst ihr doch genau,
dass wir hier die Hände ringen und uns um euch sorgen?
Und ihr verträumt die ganze Nacht und kommt zurück am Morgen!"

Den Vater aber freute es, ihm wars ans Herz gegangen.
Doch die Not hat bald darauf von vorne angefangen.
"Ein halbes Brotlaib noch und dann ist alles aufgezehrt.
Die Kinder müssen fort bevor der Schnitter uns beehrt!

Wir gehen dieses Mal noch tiefer in den Wald hinein."
Dem Vater fiel es wieder schwer, doch willigte er ein.
Die Kinder hatten abermals das Zetern mitgehört.
Doch zu Hänsels Unmut blieb die Hintertür versperrt.

Er tröstete die Gretel sanft: "Uns wird schon nichts geschehen,
der liebe Gott in seiner Macht wird sicher zu uns stehen."
Morgens kam die Frau und rief die Kinder aus dem Schlaf.
Sie erhielten ihr Stück Brot und rüsteten sich brav.

Auf dem Weg zum Wald zerdrückte Hänselein sein Brot.
Er schaute wieder oft zurück "He Junge, bleib im Trott!"
"Ach Mutter, oben auf dem Dach sitzt unsre weiße Taube!"
"Narr, es ist das Sonnenlicht, das flimmert da im Laube."

Der Hänsel warf nun nach und nach die Bröcklein hin beim Gehen,
Dann warn sie in Waldesflecken, die sie nie gesehn.
Beim Rasten wurde wiederum ein Feuer angefacht.
Die Mutter sagte "Kinderlein, ich hab an euch gedacht.

Bleibt hier sitzen, seid ihr müde, schlafet ruhig ein.
Wir hau'n Holz und auf dem Rückweg bringen wir euch heim."
Mittags hat die Gretel dann ihr Brot mit Hans geteilt,
bis zum Abend sind sie noch am Feuerplatz verweilt.

"Wart nur Gretel." sprach der Hans "Lass erst den Mond aufgehn.
Dann werden wir die ausgestreuten Weißbrotkrümel sehn."
Der Mond ging auf, sie liefen los, wohin sie auch geblickt,
hatten schon vieltausend Vöglein alles weggepickt.

Hänsel sagte Gretel ruhig "Wir finden schon nach Haus."
Doch vergingen Nacht und Tag, sie kamen nicht heraus
aus dem Wald, sie waren müd und hatten großen Hunger.
Sie aßen Beeren und verfielen auf dem Moos in Schlummer.

Am dritten Tag, als sie schon schwach, da fanden sie ein Nest
in dem ein schwarzer Vogel sang, dann flog er ins Geäst
und immer weiter her vor ihnen bis zu einer Kate.
Dort setzte er sich hoch aufs Dach und als der Hänsel nahte,
sah er dass das ganze Haus vom Giebel bis zur Türe
aus Kuchen und aus Brot bestand, verklebt mit Konfitüre.

Hänsel sprach "Von diesem Backwerk könnt ich was vertragen!
Ich nehm mir hier ein Stück vom Dach, du kannst am Fenster nagen."
Hänsel reichte in die Höh, die Schindeln zu erhaschen.
Gretel ging zum Fenster,  um den Zuckerguss zu naschen.

Eine leise Frage klang den Mundräubern entgegen:
"Knusper knusper knäuschen,
wer knuspert an meinem Häuschen?"
Die Kinder gaben darauf Antwort, ohne Überlegen:
"Der Wind, der Wind,
das himmlische Kind."

Hänsel schob sich unbeirrt den Kuchen in den Mund,
Gretel riss die ganze Scheibe aus dem Fensterrund.
Die Tür schwang auf und eine Alte schlich am Krückenstock
aus dem Kuchenhaus heraus in einem Lumpenrock.

Hakennäsig, krummgebeugt und triefäugig dazu,
runzelig, mit grünen Augen ohne Rast und Ruh,
erschreckte sie die Kinderlein in nicht geringem Maße.
"Ei traute Kindlein, tretet ein, kommt nur, kommt, ich lasse,

euch von bessren Speisen essen, mit Äpfeln und mit Nüssen."
Sie kamen gern und aßen viel und legten sich in Kissen,
die die Alte aufgeschüttelt hatte und bezogen.
Auf weißen Bettchen träumten sie, wie sie gen Himmel flogen.

Jedoch wars ein schlimmes Laster, das dahinter stand,
weil so mancher Wanderer in diesem Haus verschwand.
Die garstge Hexe fraß vor allem Kinder mit Vergnügen,
die sie fing mit Brot und Kuchen und mit süßen Lügen.

Sie hatte ihre Opferlein von weitem schon gerochen
und zu sich selbst gemurmelt: "Die werde ich mir kochen."
Bevor die beiden aufgewacht, griff sie das Hänselein
und sperrte ihn am Morgen früh in einen Käfig ein.

Sie knebelte den Jungen fest, dass ihm die Stimme stockte,
dann lief sie hin zur Gretel, die blass im Bette hockte.
"Sitz nicht rum, du faule Gans und koch das Essen für den Hans!
Wenn er richtig fett geraten, mach ich einen Hänselbraten.
Bis dahin bleibt er erst einmal in meinem alten Gänsestall."

Gretel weinte bitterlich, doch das half ihr leider nicht.
So kochte sie ihm Tag für Tag je süße Speis und Hauptgericht.
Sie selbst bekam gar schauerliches Krebsgetier zu Essen,
denn die Hexe war nur auf das Mastgewicht versessen
von dem armen Hans allein, dessen Finger regelmäßig,
sie geprüft aufs Dickesein, dabei ward ihr Mund ganz wäßrig.

"Hänsel gib den Finger mir, um zu sehn wie fett du bist."
Hänsel aber streckte ihr, das war eine üble List,
einen dürren Knochen unter ihre schwachen Augen.
Sie prüfte es und ging dann fort mit Knurren und mit Schnauben.

Aber nach vier Wochen war die Ungeduld zu groß.
"Heda, Gretel" rief sie "sei recht flink und laufe los,
hole Wasser, hole Holz, morgen will ich Hänsel kochen."
Ach, wie hatte dies der armen Schwester Herz gebrochen.

"Lieber wäre ich verhungert! Oh Gott, so hilf uns doch!"
"Lass das Geheule, Gretel, eh ich den Hänsel koch,
will ich ein paar Brote backen und du musst das Holz noch hacken.
Danach darfst du Teige kneten und zu deinem Gotte beten."

Früh hing dann die Gretel den Kessel auf die Feuerstelle.
"Bevor wir kochen, woll'n wir backen, dass es nicht am Brote fehle.
Der Backherd ist schon angeheizt, kriech rein und prüf die Hitze."
Am Ofen schossen schon die Flammen aus der Klappenritze.

Die Gretel roch noch rechtzeitig den sprichwörtlichen Braten
und wollte nicht als zweiter Gang zum Hänseltopf geraten.
"Ich weiss nicht, wie ichs machen soll, wie komm ich da hinein?"
"Ach, dumme Gans, ich machs dir vor, stell dich nur hintendrein."

Die Hexe schob den Kopf als Beispiel in die Ofenkammer,
da gab ihr Gretel einen Stoß, so dass sie mit Gejammer
weit hineinfuhr und dann schloß die Gretel Tür und Riegel.
Die Alte war in Kürze schwarz, so heiss waren die Ziegel.

Gretel lief geschwind zum Hänsel, öffnete das Gitter.
"Hänselchen, die Hex ist tot." Und durch die Öffnung glitt er,
fiel der Schwester um den Hals, dann tanzten sie durchs Haus.
Als sie über eine Kiste stürzten kam heraus,
dass darin sich Edelsteine und auch Perlen türmten.

Sie stopften sich die Taschen voll und durch die Türe stürmten,
sie aus dem Hexenwald heraus und schon nach kurzer Zeit,
standen sie an einem Wasser, wo sie weit und breit
keine einz'ge Brücke fanden, auch kein Ruderboot.
"Da schwimmt ja eine graue Gans, vielleicht in unsrer Not
kann sie uns herüber tragen, uns den Weg zumindest sagen?

Gänschen, Gänschen" rief die Gretel "Hier stehn Hans und Gretel.
Ohne Steg und ohne Brücken, nimm uns mit auf deinem Rücken!"
Das Gänschen kam den Strand herauf und Hans setzte sich obenauf.
Er gab dem Mädchen seine Hand, "So wird es nicht gelingen."
Es wird zu schwer, das Gänschen soll uns einzeln rüber bringen."

Auf der andren Seite sah der Wald schon viel bekannter aus.
Nach zwei weitren Wandertagen kamen sie zu Vaters Haus.
Sie stürzten jauchzend durch die Tür und hingen an des Vaters Hals
und als die Frau den Reichtum sah, freute sie sich ebenfalls.
Beide Kinder blieben nun behütet und geborgen.
Sie hatten bis ans Lebensende keine andern Sorgen.