Es war recht spät, die Detektivin 
saß erschöpft an ihrem Tisch, 
sie hatte einen langen Tag 
voll Beschattung hinter sich. 
Der Mond schien schon, da schlich etwas 
leise durch die Vorderpforte. 
Sie schaute auf, da stand ein Mann 
und er sprach die trocknen Worte: 
„Bin ein Geist, drum ist es zwecklos, 
mir die Hand zum Gruß zu geben. 
Doch bitte ich um ihre Zeit, 
denn ich muss mit Ihnen reden!“ 
Man sah die Frau ganz leicht erblassen, 
doch ihre Mimik blieb gelassen. 
„Solang die Kasse stimmt, mein Herr, 
setzen Sie sich bittesehr!“
Es schwob der Gast so ungefähr 
eine Handbreit überm Schemel
und er meinte kurzerhand 
"Ich suche meinen Partner Emil.
Der Emil, der ist ein Phantom, 
so ein unsichtbarer Mann
und zusammen sind wir zwei 
ein ganz prächtiges Gespann."
Und die Frau frug das Gespenst: 
„Wie sind sie denn gestorben?
Das Geisterdasein haben Sie 
doch irgendwie erworben?“
"Wir beide waren Gauner, 
unsre Leidenschaft Juwelen,
und auch diesmal wollten wir 
nen Juwelier bestehlen.
Wir wurden auf der Tat ertappt,
 man hat auf mich geschossen
und dabei ist dann leider 
zu viel Blut aus mir geflossen."
„Alles wurde langsam schwarz
und doch konnt ich noch sehen,
wie die Polizisten grimmig
über meinem Körper stehen.
Als ich wieder aufgewacht,
da war ich schon ein Geist
und Emil war recht transparent,
wie das so schön heißt.“ 
„Was habt ihr denn danach gemacht?“
„Tja, Diebstahl wollten wir nicht mehr.
Und da haben wir gedacht,
wie’s mit der Spionage wär.
Wir gingen zum Geheimdienstchef,
der kippte freilich aus den Socken,
doch er ließ sich ziemlich schnell
von den Möglichkeiten locken.“
Nun, die Schulung war sehr lustig,
denn ich ging geschickt durch Wände
und der Emil infiltrierte
Treffen und stahl Dokumente.
Und dann warn wir echt überall,
in Bagdad, Belgrad, im Ural,
doch grade hier in Amsterdam
verlor ich diesen guten Mann." 
Dienstag, 19. August 2025
Geisterkrimi
Sonntag, 17. August 2025
Der gestiefelte Kater (Grimm) gereimt
Es war einmal ein alter Müller,  dreier Söhne Vater.
Sein Hab und Gut war eine Mühle, ein Esel und ein Kater.
Wie es sich so fügte, lag der Müller bald im Sterben 
und alles was er einst besessen, teilten sich die Erben.
Der Älteste bekam die Mühl, den Esel dann der zweite,
der Kater kam zum Jüngsten, den das gar nicht freute.
"Eine Katze!" rief er laut. "Das ist doch für die Katz!
Was tue ich denn damit? Nen warmen Pelzbesatz
für meine kalten Ohren? Solang ich barfuß gehe,
wirkt das unverfroren. Das Fleisch wie ich es sehe,
reicht kaum für einen Braten." "Mein Herr ich will dir raten
nicht so lang zu trauern." sprach der Kater sauer. 
"Spar dir dein Bedauern. Gib mir einen großen Beutel
und auch gute Stiefel. Dann schleiche ich mich heute,
nur um dir zu helfen, noch unter reiche Leute."
Der Jüngste sah verwundert drein, des Katers Reden wegen,
und doch rief er den Schuster her, die Elle anzulegen.
Als die Stiefel fertig warn, zog sie der Kater an, 
und er verschloss den Beutel fest mit einer Schnüre dann.
Auf zwei Beinen, wie ein Mensch, ging er zur Tür hinaus
und er legte tief im Walde seinen Köder aus.
Der Sack war unten auf dem Grund mit Weizenkorn gefüllt,  
es öffnete der Kater ihn und wartete auf Wild.
Er hatte einen Stock mit Schnüren in den Sack gestellt,
das war für seine Beute wie ein Körnerfutterzelt.
Des Königs großer Appetit auf Rebhuhn war nicht neu, 
doch die hohe Zahl der Jagden machte sie sehr scheu.
Der Kater aber jagte nicht, er stellte eine Falle
und die Hühner kamen her, so ein paar richtig dralle.
Sie krochen in das Zelt hinein, der Kater zog am Strick
und nahm den Sack selbst huckepack und jauchzte: “Welch ein Trick!“
Geraden Weges ging er damit zu des Königs Schloß 
und als die Wachen ihn dort sahen, lachten sie gleich los.
„Wohin will denn der große Sack mit dem kleinen Kätzchen?“ 
„Zum König will ich ganz genau, und lass er diese Mätzchen.“
„Bist du tollkühn, als ein Kater möchtest du zum König?“
„Laß ihn durch, dass wird ein Spass, der König lacht so wenig.“
Der Kater kam zum König und er beugte sich vornüber. 
„Mein Gräflein schickt Euch Flügelwild vom fettesten Kaliber.“ 
Der König wusste sich darob vor Freude nicht zu fassen 
und gab dem Kater ein paar Taler aus den Landeskassen.
„Das bringe deinem Herrn und nochmals Dank für das Geschenk!“
Zuhause schob der Müllerssohn den Kopf aufs Handgelenk. 
Denn er sann am Fenster nach, wann wohl das Unglück von ihm ließe,
und da trat der Kater ein und warf ihm etwas vor die Füße.
„Das sind Münzen für die Schuhe, unser König lässt dich grüßen.“
sprach der Kater und zog flott die Stiefel von den Katerfüßen.
"Geld hast du jetzt zwar genug, doch dabei solls nicht bleiben.
Morgen will ich mein Geschäft erneut im Wald  betreiben.
Ich werd nun Rebhuhnlieferant für den höfischen Bedarf.
Und du, mein werter Müllerssohn, du wirst mein Herr, der Graf."
Die nächsten Tage, wiederum, ging der Kater Fallen stellen.
Und dem Junge blieb nichts weiter, als das ganze Gold zu zählen.
Der Kater war beliebter Zaungast in des Schlosses Küche
und hörte dort vom Herde her des Kutschers derbe Flüche.
"Ich wünscht, der König samt Prinzessin wärn beim Belzebub!
Dann könnt ich heute Karten spielen in der Wirtshausstub!
Statt dessen wollen beide nun am See spazieren fahren
und ich langweil mich oben auf dem gottverdammten Karren!"
Wie der Kater das vernahm, schlich er sich flugs nach Haus
und richtete dem Müllersbursch die frohe Nachricht aus.
"Willst du ein Graf sein, musst du heut hinaus zum See und schwimmen. 
Auf mein Signal hin wirst du dann das Ufer rasch erklimmen."
Der Müller zuckte nur die Schultern und die beiden liefen fort.
Gerade noch zur rechten Zeit kamen sie zum rechten Ort.
Hastig zog der Junge sich ganz splitternackend aus.
Der Kater trug die Kleider fort, da kam die Kutsche angesaust.
„Ach, mein Herr ist in Bredouille, allergnädiglichster König. 
Er steckt dort im Wasser fest und hat neue Kleider nötig! 
Seine wurden ihm beim Bad von Landstreichern gestohlen. 
Kommt er nicht rasch ins Trockne, wird ihn der Schnupfen holen!“
 
So hat der Kater kläglich laut und aufdringlich miaut, 
bis der König irritiert den Störenfried erschaut.
Nach kurzem Knarren und auch Ächzen stand die Staatskarosse still,
"Schnell, mein Bote, reit geschwind und bring dem Grafen, was er will!"
sprach der König, denn er war dem Kater sehr gewogen.
Dann hat der Graf von Habenichts die Kleidung angezogen,
die alsbald und überreichlich zur Verfügung stand.
"Herr Kater, reich er mir den Frack und geh er mir zur Hand!"
Nachdem er sich angezogen, durfte er im Wagen sitzen.
Die Königstochter ließ ganz reizend ihre hübschen Äuglein blitzen.
Der Kater aber rannte vor, wie verfolgt von wilden Bienen.
Er fragte Leute unterwegs "Sagt, wem möget ihr wohl dienen?"
"Dem Zauberer!", so riefen alle, ob auf Wiese, Wald und Feld.
"Erzählt ihr diesen Quatsch dem König, ist es schlecht um euch bestellt.
Alles hier gehört dem Grafen, merkt euch diese Antwort gut."
Die Menschen sagten schnell "Gewiß doch!", denn sie waren auf der Hut.
Denn ein Tier wie dieses sieht man ja nicht alle Tage,
da gibt man lieber falsche Auskunft auf jedwede Frage.
Das Tier schlich sich ins Schloß des Magiers, leckte sich vor ihm die Pfoten.
Der Magier fand so ein Verhalten ungebührlich und verboten.
"Was willst du hier?" rief er und seine Augen starrten böse.
"Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen dieses Rätsel löse.
Dass Ihr Euch in vielerlei Getier verwandeln könnt,
so hörte ich und frage ob mir ein Beweis vergönnt,
von Eurer hohen Zauberkunst? Nicht Fuchs, noch Wolf, noch Hund,
nein, ein echter Elefant wär mir zum Staunen Grund."
Der Magier sagte darauf stolz: "Das ist mir eine Kleinigkeit.“
und stand da als Elefant nach verblüffend kurzer Zeit. 
"Ein stoßzähniges Rüsseltier, das ist schon kolossal,
ein Löwe wär für mich jedoch das Zauberstück der Wahl."
Ein Löwe brüllte nun alsbald, den Kater überlief es kalt,
schnell sprang er in eine Uhr, man hörte seine Stimme nur
„Das ist der Brüller, ei der Daus, doch sicher kannst du keine Maus!“
 Schaurig lachte das Genie „Die Maus vergisst du wahrlich nie!“ 
Der Kater hat auch nicht vergessen, die Maus genüsslich aufzufressen.
Ein Satz, ein Biss, ein leiser Schrei, dann war die Zauberei vorbei.
Des Königs Kutsche fuhr derweil über Wiese, Feld und Wald,
und wo immer man gefragt, des Grafen Name wiederhallt.
Der König war erstaunt und sprach, "Ihr seid ein reicher Mann, Herr Graf."
Sie kamen an das Schloss heran, vor dem der Kater lässig stand.
Von den Treppen sprang er munter zu den Gästen nun herunter,
öffnete galant den Wagen, sprach mit sichtlichem Behagen:
"Erlaubet mir, oh Eure Hohheit, dass ich Eintritt nun gewähre
in das Haus des werten Grafen, dem es eine große Ehre
ist euch heute zu begrüßen und er leget Euch zu Füßen,
alle seine Kraft und Macht und des Schlosses edle Pracht."
Der Graf nun führte die Prinzessin hinauf zum Saal voll Prunk und Gold.
Das Mädchen aber war dem Grafen schon seit dem Momente hold,
als er nackt am Wege stand. "Ach freie mich, mein Liebster!" 
Den Graf hat man zum Prinz ernannt, der Kater ward Minister.
Montag, 23. Juni 2025
Die Weihnachtsgans Auguste (Wolf) gereimt
Fünf Kilo wog die Weihnachtsgans, die Herr Luitpold Löwenhaupt, 
seines Zeichens Opernsänger, für den Festtagstisch gekauft.
Dieser Vogel war recht kapital für diese schweren Zeiten. 
„In solchen Zeiten lass ich mich von meinem Herzen leiten.“
Bei diesem Satz, den Löwenhaupt mit tiefem Basse grollte,
spürte er längst, was sein Magen wirklich sagen wollte.
Während er die Gans mit beiden Händen kräftig drückte,
roch er in der Nase schon die feinen Bratendüfte. 
Er spürte auch von Rotkohl und von Äpfeln den Geruch,
und brummelte darüber immer wieder jenen Spruch:
"Aber etwas muss man schließlich für das Herze tun."
Doch das half ihm gar nicht, sein Gewissen auszuruhn.
Gekauft hatte er eigenmächtig
und so was wirkt oft verdächtig.
Was jedoch viel schlimmer war,
die Weihnacht war noch längst nicht da.
Deshalb, und das war notwendig
war die Gans ganz quicklebendig.
Als er sich an diesem trüben Novembertag nach Hause wagte
und, als er dann näher kam, langsam immer mehr verzagte,
fürchtete er recht verdrossen 
den Zorn und Spott der Hausgenossen.
Doch der Empfang war gar nicht grob,
nein, es gab überraschend Lob,
das hatte Luitpold nicht geglaubt, 
von Frau Hanna Löwenhaupt,
die die Gans als kräftig lobte, imposant, preiswert und fett.
Das Kindermädchen fand hingegen das Gefieder sehr adrett. 
Und sie sprach aus, was alle dachten, 
"Wo soll das Tier nur übernachten?"
Klein-Peter, sieben, Elli, zwölf und die Gerda, zehn,
die Sprößlinge der Löwenhaupts, sah‘n hier gar kein Problem.
Das Kinderzimmer gäbe es, das Bad und die Toilette
falls das Gänschen ein Bedürfnis nach Erfrischung hätte. 
Die Eltern lehnten jedoch ab. Aus reiniglichen Gründen 
hätt’ sich das werte Federvieh im Keller zu befinden.
Auf dass bei den Kartoffeln es allein sein Dasein friste,
weich gebettet in eine mit Stroh gefüllte Kiste.
Einmal täglich könnten dann die Kinder Gänse hüten,
doch nur eine Stunde lang, mehr käm nicht in die Tüten. 
Die Kinder fügten sich darein 
und das Glück war allgemein.
An diese Regeln hielten sich die Kinder kurze Zeit, 
aber nach nur einer Woche war es schon soweit:
Das Peterle begann zu klagen,
der Gans, die er Auguste nannte,
tät der Keller nicht behagen.
Es war die Elli, die erkannte,
dass Gänse Daunenfedern haben.
„Die bauscht sie auf wie eine Decke.“
fügte sie belehrend an.
„Verstehe, doch zu welchem Zwecke?“
„Dass sie nicht friert, du Dummerjan!“
„Ihr ist es kalt!“, sprach Gerda‘s Mund.
„Da ist es kalt!“, tat Peter kund.
„Ich will nicht, dass Gustje friert, ich hole Gustje rauf zu mir!“ 
Damit sprang er aus dem Bett und war auf dem Weg zur Tür. 
Die ält're Schwester fing ihn ab, zog ihn zum Bett zurück. 
Doch am andern Ende wagte Gerda nun ihr Glück. 
Elli zog und Gerda zog, so dass der Peter schimpfen musste, 
“Lasst mich los! Ich will sofort in den Keller zu Auguste!” 
Mitten im Tumult betrat die Mutter nun die Szene 
und sie trennte mit Geduld das Ziehen und Gedränge.
Die Mutter nahm den Peter mit, gebat den Schwestern Ruh
und der Rest von dieser Nacht ging still und friedlich zu.
Nach Tagen hatte Gerda mit dem Peter etwas ausgeheckt. 
Es blieb nur die Gerda wach und hat den Peter aufgeweckt. 
Als die ältre Schwester schlief und das Haus ganz stille schien, 
schlichen sich die zwei auf nackten Zehen zu Auguste hin.
Im Keller unten nahmen sie die Gans aus ihrer Kiste, 
die sie mit „Lat mi in Ruh!“ misstrauisch begrüßte.
Auf dem Weg nach oben machte Gustje ein Geschrei
„Lat mi in Ruh! Lat mi in Ruh! 
Ick will in min Truh, ick will in min Truh!“
und Theres, das Kindermädchen eilte rasch herbei.
Weitre Türen flogen auf und selbes tat Auguste,
die sich mit Geschick aus Gerdas Arm zu winden wußte.
Sie schnatterte und flatterte durch das Treppenhaus,
und baute ihren Vorsprung durch Kapriolen aus.
Bei der Jagd durch Korridore stoben wild die Federn.
Dass Theres sie endlich einfing auf den letzten Metern
des unt'ren Hausflurs war nur reines unverschämtes Glück, 
sie bracht' die Gans in einer Decke eingehüllt zurück. 
Auguste schimpfte weiterhin „Ick will in min Truh!“ 
Der kleine Peter fügte forsch noch folgendes hinzu: 
„Ich will Auguste bei mir haben, 
in meinem Bett soll Gustje schlafen!“ 
Die Mutter brachte ihn ins Bett, versuchte zu erklären, 
dass die Gänse keinesfalls ins Schlafgemach gehören.
"Im Bett schlafen nur Menschen, nun tu nicht weiter bocken."
"Aber warum muss Auguste denn im Keller hocken?"
Peterle war aufgeregt, das konnte Hanna sehen. 
So durfte Gustjes Kiste denn an seinem Bette stehen.
Gustje sprach noch etwas in ihr Federkleid hinein,
"Lat man gut sin, lat man gut sin,
Hauptsach, dat ick in min Truh bin!"
dann schliefen auch das Peterchen und seine Schwestern ein.
Auguste blieb nun da, natürlich
und sie war auch sehr manierlich.
Bei Tag lief sie an Peters Seite
und erzählte ihm gescheite
Geschichten über bittre Gräser und auch solche die gut schmecken 
und zuletzt wie man gekonnt vorgeht diese zu entdecken. 
Sie schilderte, wie wilde Gänse stets im Herbst nach Süden ziehen 
und wie sie sogar an Grönlands kalten Küsten noch gediehen. 
Die Auguste blieb dem Peter wirklich keine Antwort schuldig 
und war auf sein „Weshalb, warum?“ immer freundlich und geduldig.
Dass die Schwestern Gustje mochten, das ist wohl sehr leicht verständlich, 
doch der Peter und sein Gänschen waren beinahe unzertrennlich.
Eines Abends hat sich Gustje dann in Peters Bett gekuschelt 
und die beiden haben noch lange Zeit vertraut getuschelt.
Morgens schlüpfte Gustje danach wieder in ihr Stroh zurück
und die Elli und die Gerda ließen ihnen dieses Glück. 
Mit Siebenmeilenstiefeln nahte nun die Weihnachtszeit 
und eines schönen Mittags war Herr Löwenhaupt es leid,
länger noch zu warten. „Die Auguste ist heut dran!“ 
Tadelnd sah ihn seine Frau mit großen Augen an 
und legte gleich dazu noch ihren Finger auf den Mund. 
Sollte heißen: ‚Das besprechen wir zu spätrer Stund!‘ 
Als die Eheleute schließlich ungestört alleine waren, 
fragte Luitpold nach dem Grund für das seltsame Gebaren.
Und nun sagte Hanna kläglich,
was Luitpold wolle, wär unmöglich. 
Die Kinder hätten adoptiert, 
die Gans, die er sich reserviert.
"Was ist unmöglich?" fragte er,
dann dämmerte ihm das Malheur.
"Die Gans ist jetzt ein Spielzeugtier?
Und was wird bitteschön aus mir?
Ich bin doch hier kein Hampelmann!"
Nun schwollen seine Adern an.
"Die Gans kommt auf den Tisch und basta!"
"Luitpold, denke an dein Asthma!“
Er schnappte leise wie ein Fisch 
und verließ empört den Tisch.
Die Tür fiel krachend in ihr Schloss. 
‚Mit dem ist heute nichts mehr los.‘ 
Sie stopfte seufzend ein Paar Socken 
und dabei blieb kein Auge trocken.
Danach beriet sie mit Theres, ob es eine Lösung gäbe, 
etwa einen andern Braten, auf dass Gustje überlebe. 
Doch das knappe Haushaltsgeld würde dazu nicht genügen. 
Sollte man im schlimmsten Fall die Kleinen einfach so belügen?
Und wenn Auguste nicht mehr sei, 
wer brächte das den Kindern bei? 
Und wie sollt‘ man es betreiben,
den armen Vogel zu entleiben?
"Wenn der Herr es selber machte, fände ich das nur gerecht."
sprach Theres und auch die Mutter fand den Einfall gar nicht schlecht.
Ihr Mann kannte die Gans nur flüchtig, 
deshalb war die Auswahl richtig.
Die Heldenarie klingelte noch leis in Luitpolds Ohr, 
da trug ihm seine Anvertraute ihre Wünsche vor.
„Ihr Weibsvolk!“ sprach er und er legte seinen Mantel nieder. 
„Muss ich dem Vogel wirklich eigenhändig ans Gefieder?“
Nochmals gab es großen Lärm, als Theres die Gans sich schnappte.
„Ick will min Ruh, min Ruh!
Lat mi in min Truh!“
Worauf Peterle erwachte und sie bei der Tat ertappte.
Die Schwestern und die Mutter weinten, Auguste büxte aus, 
sie machte eine neue Tour durch das ganze Haus. 
Herr Löwenhaupt, ein echter Mann, 
trieb die Jagd nach Gustje an. 
Er stellte sie in einer Ecke, 
ohne Aussicht auf Verstecke. 
Unerschrocken griff er zu, da sie keinen Ausweg fand 
und er nahm sich aus der Küche einen langen Gegenstand. 
Die Mutter hielt die Kinder fest, der Vater lief in die Garage. 
Er befand sich mit der Gans nun auf dem Weg zur Mordanklage.
Luitpold hob gefasst das Messer, 
doch Auguste wusst es besser.
Entwischt lief sie im Kreis vier mal 
und flatterte auf das Regal.
Der Hausherr stieg erbost ihr nach, 
worauf das Teil zusammenbrach.
Es ergossen auf den Wagen 
Werkzeug sich und Holzlackfarben 
und eine Stange stach beileibe 
mitten durch die Frontschutzscheibe.
Er setzte sich erschöpft ins Auto und Auguste kam hinzu,
beide brauchten nach der Hatz ihre wohlverdiente Ruh.
Zurück im Haus erklärte Luitpold, die Gans wär ihm wohl überlegen
und er gäbe sich geschlagen, schon allein der Nerven wegen.
Er gab das Tier einstweil zurück an den glückbeseelten Peter.
und die Hanna gab zum Vorfall ihre trock'ne Meinung später:
"Vom Himmel fiel noch nie ein Meister, 
aber schon viel Scheibenkleister."
Finster brütete der Sänger, wie er noch zum Ziele käme
und man sah ihn dirigieren über seine Sessellehne.
Plötzlich kam ihm die Idee, der Ausweg würde schmerzlos sein!
Morgens mischte er der Gans Tabletten in den Napf hinein.
Zehnfachdosis Schlaftabletten, wie für einen Elefanten,
oder ein Rhinozeros samt zweier seiner Anverwandten.
Gustje lief nach ihrer Mahlzeit Zickzack wie ein müder Kreisel.
Dann legte sie sich bäuchlings hin, groggy ohne jeden Zweifel.
Die Flügel zuckten ein klein bisschen, als die Kinder sie berührten, 
wobei alle Weckversuche nur noch zu Geschnarche führten.
"Was tut Gustje?", fragte Peter. "Sie hält ihren Winterschlaf.",
sagte Luitpold, den die Frage etwas unerwartet traf.
Er wollte sich von dannen pirschen, doch der Peter hielt ihn fest.
„Warum hält sie diesen ‚ihren Winterschlaf' gerade jetzt?"  
Der Vater sprach gesenktem Haupts:
„Sie ruht sich für den Frühling aus.“  
und fühlte sich wie beim Verhör 
vor seinem naseweisen Gör.
Peterchen trug seine Freundin zu sich hoch in ihre Kiste 
und er fand, dass er bereits ihre muntre Art vermisste.
Als die Nacht schon fortgeschritten, ging ein Schatten durch den Raum, 
bedeckte den erschlafften Vogel und griff ihn bei seinem Flaum.
Zur Küche lief Theres in Socken 
und dann fielen weiße Flocken. 
Sie begann wie ihr geheißen, 
der Gans die Federn auszureißen. 
Auf die Federn fielen leise Tränen von Thereses Wangen, 
nach der Arbeit ist sie wieder traurig in ihr Bett gegangen. 
So wie Gustjes Körper lag, in der kühlen Speisekammer, 
war auch Hannas Abendkuss auf des Gatten Stirn ein klammer.
Alle träumten wirres Zeug, von Geistergänsen, schaurig klagend: 
„Lat mi in Ruhuhu, 
ick will im min Truhuhu!“
und sie schreckten mehrfach hoch, sich mit Hirngespinsten plagend.
Der Morgen kam und in der Küche sah Theres den Schnee vorm Fenster.
Was war das? Ja, träumte sie? Waren es die Nachtgespenster? 
Aus der kleinen Kammer drang ein deutliches Geschnatter. 
Sie öffnete geschwind die Tür und guckte ganz verdattert. 
Da tapste schimpfend und gerupft, Auguste ihr entgegen. 
„Ick frier, als ob ick keen Federn nich hätt! 
Man trag mich gleich wieder in Peterles Bett.“
Theres schrie auf und ihre Knie schlackerten verwegen. 
Der Vater trat nun auch herein und schnaufte ganz unsäglich. 
Was er gerade vor sich sah, das hielt er für unmöglich. 
„Was nun?“ fragte Frau Löwenhaupt, als Luitpold sich die Augen rieb, 
sie ging an ihm vorbei so dass sie vor Auguste stehen blieb. 
„Ich brauche einen Doppelkorn UND einen Kaffee!“, 
rief der Vater der noch immer dastand, weiß wie Schnee.
"Bringe einen Korb, Theres und eine warme Decke!
Luitpold, und du gehst sofort zum Laden um die Ecke! 
Kaufe mir ein gutes Pfund bester weißer Wolle.“ 
Luitpold fragte irritiert, was die Wolle solle.
"Frage nicht! Hier hast du Geld und meine Einkaufstasche.
Und Theres, du holst mir bitte eine Wärmeflasche!"
Löwenhaupt war so erschüttert, dass er gar nicht widersprach.
Er nahm sich Mantel, Hut und Schnaps und gab einfach nach.
Schon nach einer Stunde saßen Mutter und Theres
in der Stube und sie strickten jahreszeitgemäß 
für Auguste einen Pulli, kuschelwarm und blütenweiß. 
Nach der Schule zeigten auch die beiden Mädchen ihren Fleiß.
Peter hielt derweile seine Gustje auf den Knien
 und half ihr, das Pulloverchen zur Probe anzuziehen. 
Für Flügel, Beine, Hals und Sterz sollten Löcher bleiben 
und man musste deren Ort und Größe noch entscheiden.
Spät am Abend konnte man das Wunderwerk bestaunen
und Auguste meckerte in ihren Wolle-Daunen:
"Winterschlaf is Schnackeschnick, 
hätt ich min Federn bloß zurück!"
Peter sprang um sie herum und feierte das Ende
des dubiosen Winterschlafs zur Wintersonnenwende.
Als Löwenhaupt zum Abendessen den Pullover sah,
meinte er, und dieses ging besonders Hanna nah:
"Angekleidet macht Auguste richtig etwas her,
so ein schönes Exemplar gibt's auf der Welt nicht mehr!"
Die Stars des Viertels waren, wie bald ein jeder wusste, 
der kleine Peter und die fesche „Rollkragen-Auguste“. 
Als Mitglied der Familie saß die Gans am Festtagstisch 
und der Vater sah sich um, dann räusperte er sich:
„Wer hat die Auguste denn nach Hause mitgebracht?“ 
„Das warst natürlich du“ sprach Peter und hob mit Bedacht 
seine Gans auf Papas Schoß.
„Schau, sie gibt dir einen Kuss!“
Wahr ist, dass sie mit dem Schnabel seine Nase zwickte.
Nachts sprach Peter zu Auguste, die er an sich drückte: 
„Warum hast du eigentlich nen Winterschlaf gemacht?“
„Weil man meine Federn wollte, hab ich mir gedacht.“ 
„Und nach den Federn, echt verrückt…“ 
„Kam der Pullover, handgestrickt.“ 
„Das ist doch totaler Quatsch!“, sprach da das Peterlein.
Er gähnte einmal herzhaft und beide schliefen ein.
Zwei Kilo wogen beide Karpfen, die Herr Luitpold Löwenhaupt, 
seines Zeichens Gänsevater, als Sylvesterschmaus gekauft.
Fische, die im Schlamm geschwommen,
wird der Schlammgeschmack genommen, 
wenn sie im klaren Wasser baden, 
wurde ihm beim Kauf geraten.
Deshalb, und das war notwendig, 
war'n die zwei ganz quicklebendig.
Elli, Gerda gaben Namen, 
den Fischen die gerade kamen. 
Sie hießen Lothar und Susanne 
und wohnten in der Badewanne.
Sonntag, 22. Juni 2025
Der glückliche Prinz (Wilde) gereimt
Im Licht der Stadt erstrahlt das Bild des frohen Königsohns, 
das auf schlanker Säule dort in goldner Rüstung thront. 
Hoch über der belebten Stadt steht der Prinz auf einem Hügel 
und bei seinen großen Füßen ruhn zwei kleine schwarze Flügel.
Besonders sorglos sieht er aus, mit blauen Augensteinen, 
die voll heitrer Sanftmut aus runden Lidern scheinen. 
Und auch sein schöner Mund untrüglich 
lacht, als wär er wirklich glücklich.
Sie ist das letzte Schwälbelein der warmen Zeit des Jahres,
denn an einem See erlebte sie manch Wunderbares. 
Verliebte sich dort ganz und gar in eine Binsenstange. 
Die Schwärmerei, die hielt nur kurz und doch auch viel zu lange.
Das Schilfrohr war zwar elegant, doch war es nicht mobil,
es tanzte gern im Winde und es sprach weiter nicht viel.
Die Schwalbe hatte dann genug von einsamen Gelübden,
denn ihre Freunde waren nun schon längst in Nord-Ägypten.
Sie flog den ganzen Tag und kam des Abends in die Stadt. 
„Ob die Stadt für mich schon ein Quartier bereitet hat?“
Dann sah sie auf die Statue. „Dich will ich gern beehren.
Dieses Bettchen wird mir einen ruhigen Schlaf bescheren. 
Das Schlafgemach ist golden und es liegt an frischer Luft 
und die Blümchen auf dem Beet verströmen süßen Duft.“
Müde steckt sie ihren Schnabel unter das Gefieder,
 da fällt ein großer Tropfen sacht von oben auf sie nieder. 
„Wie schrecklich“, ruft sie aufgeregt, „Die Nacht ist sternenklar, 
das Klima in Europa, das ist wirklich sonderbar.“ 
Noch ein Tropfen „Sage mir, was diese Statue nützt,
 wenn sie mich noch nicht einmal vor Wind und Regen schützt? 
Ich suche mir ein Dach!“ Jedoch bevor sie losgeflattert,
 kommt ein dritter Tropfen und da schaut sie ganz verdattert. 
Sie blickt auf und sieht da, tja was sieht sie wohl? 
Die Augen des so Glücklichen sind nun der Tränen voll. 
Tränen, welche leise hin über goldne Wangen rinnen, 
dann hinab zu seinem Kinn, von dem sie zu Boden springen. 
Sein Antlitz scheint im Mondeslicht so lieblich und so schön, 
dass dem Vöglein danach ist vor Mitleid zu vergehn. 
„Wer bist du?“ fragt es sehr besorgt. „Man heißt mich ‚Prinz‘ und ‚glücklich‘.“
„Aber warum“, fragt es weiter, "weinst du augenblicklich?" 
„Der Ratsherr nennt mich Wetterhahn, die Kinder einen Engel, 
doch als ich ein Mensch noch war und fern von dem Gedrängel 
der Stadt im Schlosse Sorgenfrei lebte ohne Leid,
da spielte ich im Garten schön mit Freunden allezeit.
Danach ging es in den großen Saal zu Speis und Tanz.
Den Garten und das Schloß umringte eine Mauer ganz.
So hoch, dass ich niemals fragte, was dahinter lag.
Denn ich war heiter und vergnügt, bis zum letzten Tag.
Und jetzt, wo ich tot bin, da steh ich hier so hoch,
da sehe ich das Elend über fünfzehn Meilen noch.
Auch wenn mein Herz aus Blei ist und aus Bronze meine Beine,
kann ich nicht verhindern, dass ich unaufhörlich weine."
"Wie, dein Herz ist nicht aus Gold?" sprach die Schwalbe leise,
doch es war nicht bös gemeint in irgendeiner Weise.
"Weit von hier", so führte nun die Statue weiter aus,
"steht in einer Gasse ein recht kümmerliches Haus.
Durch das offne Fenster seh ich eine arme Frau,
an einem Tische sitzen, dünn und müd und grau.
Sie hat raue Hände, die von Nadeln ganz zerstochen
und ihr Blick ruht auf dem Tagwerk, glanzlos und gebrochen.
Blumen stickt sie auf ein Kleid, aus Seide jeder Zoll, 
dass eine reiche Dame bald zum Hofball tragen soll. 
In der Zimmerecke liegt ihr Junge krank im Bett 
und träumt von Apfelsinen, die er so gerne hätt.
Wasser, braun vom Fluss, ist alles was den Bub erfrischt. 
Ich bitt dich, dass du den Rubin von meinem Schwerte brichst.
Schwalbe, kleine Schwalbe bitte nimm diesen Rubin. 
Der Näherin und ihrem Sohn ans Fenster bringe ihn. 
Meine Füße sind an diesem Postament befestigt 
und das wär mir bei jedem meiner Schritte denkbar lästig.“ 
„In Ägypten werde ich gar schmerzlich schon ersehnt.“ 
spricht die Schwalbe nachdenklich, langsam und gedehnt. 
„Meine Freunde drehn am Nile artig Rund um Runde 
und den Lotus preisen sie mit Lobgesang im Munde. 
Bald werden Sie im Grab des großen Königs schlafen gehen. 
Er ist selbst in einem schmucken Sarge dort zu sehen. 
Da liegt er sorglich eingehüllt in gelbem Tuch aus Leinen und
um den Hals liegt eine Schnur aus grünen Jadesteinen.
Seine Hände runzeln sich wie trocknes Laub an Bäumen,
Balsamduft begleitet ihn in seinen Fabelträumen."
"Bleib Schwalbe, kleine Schwalbe, sei nicht so widerborstig.
Die Mutter ist so traurig, der Knabe ist so durstig."
Darauf sagt die Schwalbe "Leider mag ich keine Knaben,
weil sie häufig Steine in den Hosentaschen haben.
Letzten Sommer, als ich hier am Flusslauf Mücken fing, 
sahen mich die jungen Söhne der Frau Müllerin. 
Zahlreich schwirrten Kieselsteine, die sie nach mir warfen, 
die, weil ich kunstreich fliege, aber überhaupt nicht trafen.
Trotzdem sehr respektlos!“ doch weiter kommt sie nicht, 
denn sie sieht des Prinzen tieftrauriges Gesicht. 
So tut er der Schwalbe leid. „Hier wird es kühl beileibe, 
doch es kann nicht schaden wenn ich eine Nacht noch bleibe.“ 
„Ich dank dir, kleine Schwalbe!“ Sie nimmt den Stein vom Knauf 
und schwingt sich über Dächer und die Türme hoch hinauf.
Am Dom grüßt sie die Engel froh auf ihrem Himmelsritt,
beim Schloß wiegt sich ein Pärchen sanft im Wiener-Walzer-Schritt.
Sie üben für den Hofball dort an einer Balustrade,
er lobt den Sternenhimmel, sie sagt indes nur "Schade!
Mein Kleid ist noch nicht fertig, die Näher sind so müßig.
Mit Blumen wollt ich es bestickt, mit langem Warten büß ich.“ 
Die Schwalbe sieht am Hafen noch die Schiffslaternen leuchten 
und vor der Bar Matrosen da die Kehle sich befeuchten. 
Sie fliegt zum kargen Häuschen hin und schaut diskret hinein. 
Der Knabe hustet fieberig, die Mutter döst grad ein. 
Die Schwalbe hüpft zu ihr und in den Fingerhut der Alten 
legt sie den Rubin, um dann die Flügel zu entfalten. 
So fächert sie am Kissen zu dem kranken Kinde Luft 
auf die feuchte Stirne noch, so dass es leise ruft 
„Ich glaub, mir geht es besser.“ Die Schwalbe fliegt hinaus, 
zurück zum goldnen Prinzen hin und richtet ihm gleich aus, 
was sie für die Mutter und das arme Kind getan. 
Sie meint „Es geht schon seltsam zu, doch mir ist richtig warm.“ 
„Ja, das ist der guten Taten wonniglicher Segen“,
 sagt er und da fängt das Schwälbchen an zu überlegen.
Doch der Schlaf, der kecke Dieb, raubt ihr die Konklusion 
und dann küsst der Sonnenaufgang ihre Lider schon.
Morgens fliegt die Schwalbe dann zum Flusse um zu baden, 
man sieht sie da in großen Pfützen plantschen und auch waten.
Die Schwalbe murmelt vor sich hin „Heut flieg ich nach Ägypten.“
Dann tut sie einen Freudenaufschrei, einen ganz entzückten.
Sie macht noch einen Ausflug zu den Denkmälern der Stadt 
und die Spatzen auf den Dächern loben ihren Frack.
Vom Kirchturm segelt sie, als schon der Mond am Himmel schwebt,
hin zu ihrem Königssohn, der fest darauf besteht, 
"Schwalbe, kleine Schwalbe, bleibe nur noch eine Nacht!"
"Ich muss doch nach Ägypten." sagt die Schwalbe mit Bedacht.
"Morgen wollten wir hinauf zum zweiten Wasserfall,
es kaut das Nilpferd Flusskraut da im heißen Königstal.
Memnon, der Koloss sitzt auf dem Thron die ganze Nacht
und wartet auf den Morgenstern, der ihn sehr glücklich macht. 
Es gehn zur Mitternacht die gelben Löwen Wasser trinken, 
sie haben grüne Augen, die wie Berylle blinken. 
Ihr Brüllen, das ist lauter noch als das des Wasserfalles…“ 
„Schwalbe, kleine Schwalbe, das glaub ich dir ja alles! 
Weit von hier, am Stadtrand, seh ich einen jungen Mann, 
welcher sein Theaterstück nicht mehr beenden kann. 
Er hat krause Haare und Lippen, rot wie Blut. 
Gerne hätte er in seinem Ofen warme Glut. 
Lieber noch als Feuer wünscht er sich etwas zu essen 
und über diese Sorgen hat er seine Kunst vergessen. 
Welke Veilchen stehn auf seinem Schreibtisch unterm Dach 
und seine feinen Hände sind vor Hunger schon ganz schwach.” 
“Eine einzge Nacht noch will ich gern bei dir verweilen. 
Hast du einen anderen Rubin, um ihn zu teilen?” 
So spricht das kleine Vögelein aus seinem guten Herzen. 
“Ich hab nur meine Augen, doch eins kann ich verschmerzen. 
Saphire sinds, vor tausend Jahrn aus Indien gebracht.
Eines picke aus und bring es ihm noch heute Nacht."
"Lieber Prinz, das kann ich nicht..." spricht die Schwalbe unter Tränen.
"Mach nur, Schwälbchen, darüber brauchst du dich doch nicht zu grämen."
Darauf pickt das Schwälbelein des Prinzen Auge aus
und fliegt zu des Studenten Kammer hoch oben im Haus.
Sie kommt ganz leicht hinein, denn im Dach da ist ein Loch,
Schiesst hindurch, zum Bett und hüpft dann noch zum Schreibtisch hoch.
Sein Haupt, das hat der junge Mann vergraben in den Händen. 
So merkt er nicht, wer bei ihm ist, um sein Geschick zu wenden. 
Ein Luftzug geht, er sieht den Stein nun bei den Veilchen liegen
Und ruft freudig “Man beginnt wohl, endlich mich zu lieben! 
Ein Verehrer sicherlich, von meinen Kurzgeschichten.
Nun muss ich nicht länger mehr auf Brot und Holz verzichten.”
Am nächsten Tage fliegt die Schwalbe noch einmal zum Hafen.
Sie hockt auf einem Mast herum und schaut da auf die braven
Matrosen, wie sie schwere Kisten ziehn an starken Seilen
aus dem Schiffsbauch, um erneut zum Laderaum zu eilen.
Sie bücken sich und schwitzen sehr und schrein wie die Verrückten
"Hebt an!" Das Vöglein ruft zurück: "Ich reise nach Ägypten!"
Doch hört sie niemand und deswegen, als das Licht vergeht, 
fliegt sie dahin, wo des Prinzen Schatten sich bewegt.
"Mein Prinz, ich bin gekommen um dir Lebewohl zu sagen!"
"Kleine Schwalbe, kannst du deinen Abflug nicht vertagen?"
"Der Wetterumschwung ist schon da und bald liegt hier der Schnee.
In Ägypten wärmt die Sonne den Manzala-See.
Krokodile liegen träg im Schlamm unter den Palmen.
Meine Freunde bauen jetzt ihr Nest aus Lehm und Halmen
im Tempelhaus von Luxor, wo die blaßroten Tauben,
stets gaffen und frech gurren, es ist ja kaum zu glauben!
Lieber Prinz, ich muss nun fort, ich lasse dich alleine.
Nächstes Frühjahr bring ich dir zwei neue Edelsteine.
Der Saphir soll blauer sein noch als das Firmament,
der Rubin rot wie die Lava, die im Ätna brennt." 
"Unten auf dem Platz, da steht ein Streichholzmädchen.
Die Hölzer fielen ihr heraus aus ihrem kleinen Lädchen
in den Rinnstein und so sind sie alle schnell verdorben.
Ihr Vater wird sie schlagen, denn sie hat nichts erworben.
Weinend steht sie da herum, ganz ohne Strümpf und Schuhe.
Ihr bloßes Köpfchen frieret und das lässt mir keine Ruhe.
Picke, kleines Schwälbelein, mein and'res Auge aus
und bring es zu ihr recht geschwind, noch auf dem Weg nach Haus."
"Mein Prinz, ich kann verstehen, was du fühlst für dieses Kind.
Jedoch, dein Auge nehm ich nicht, denn danach wärst du blind!"
"Schwalbe, kleine Schwalbe, bitte tu, wie ichs dir sage."
Die Schwalbe nimmt das Auge, nunmehr ohne weitre Klage.
Sie lässt den Stein beim Mädchen fallen, in die hohle Hand. 
„Hoppla, kleiner Bote, sprich, wer hat dich wohl gesandt? 
Dieses blaue Glasstück sieht ja wunderprächtig aus!“ 
ruft sie und dann rennt sie, völlig aufgeregt, nach Haus. 
Die Schwalbe fliegt zum Prinzen und sie sagt „Du bist jetzt blind. 
Darum wirds für immer sein, dass wir zusammen sind.“ 
„Schwalbe, kleine Schwalbe, nein, du musst nach Süden gehen.“
"Ach mein armer Prinz, das kann nun nimmermehr geschehen.
Ich will von heut an immerdar für dich zugegen sein."
sagt sie und sie schläft erschöpft zu seinen Füßen ein.
Sie sitzt am nächsten Tag dann auf des Prinzen Goldgewändern
und erzählt viel Wundersames aus den fernen Ländern.
Wie die roten Ibisse da stehn in Reih und Glied 
und Goldfisch fangen aus dem Nil, der seinen Reichtum gibt. 
Von der großen Sphinx, die selbst so alt ist wie die Welt, 
die in einer Wüste lebt und schwere Fragen stellt.
Von den Händlern und Kamelen, die den gelben Sand durchschreiten
und den Bernsteinperlenketten, die durch ihre Hände gleiten. 
Vom dem Mondberg-König, der so schwarz ist wie die Nacht, 
der einen mächtgen Bergkristall bewundert und bewacht.
Von Pygmäen, die auf Blättern über Wasser gleiten 
und sich immerfort mit den Schmetterlingen streiten. 
Und von der grünen Schlange, die hoch im Palmbaum schläft 
und sich von zwanzig Priestern faul mit Honig füttern lässt.
"Schwälbchen, du erzählst mir da gar manche Seltsamkeit,
doch geheimnisvoller noch ist wohl das Menschenleid.
Wie des Elends Wunde, so ist kein Wunder tief.
Flieg durch meine Stadt und sage mir, was man dort sieht."
So fliegt die Schwalbe durch die Stadt, schaut wie in den schönen
Häusern dort die reichen Leute ihrem Luxus frönen.
Während dessen Bettler vor geschlossnen Türen sitzen.
Dann sieht man die Schwalbe durch die engen Gassen flitzen.
Die hohlwangigen Kinder starren da mit ihren blassen
Gesichtern teilnahmslos und traurig auf die düstren Straßen.
Unter einem Brückenbogen sind zwei kleine Jungen,
die einander wärmen und liegen, eng umschlungen.
"Wie hungrig sind wir!" rufen sie. "Nicht auf die Wege legen!"
brüllt der Wächter und sie irr'n nach draußen in den Regen.
Da fliegt die Schwalbe zu dem Prinz, setzt sich und berichtet.
Der Prinz spricht zu ihr "Ich bin ganz mit feinem Gold beschichtet.
Löse es nur Blatt für Blatt und schenke es den Kindern.
Weil die goldnen Dinge nämlich Menschenarmut lindern."
Blättchenweise zupft sie nun das feine Gold vom Rumpf,
bis der edle Königssohn ganz grau aussieht und stumpf.
Jedes Blatt des reinen Goldes bringt sie an sein Ziel.
Die Kinder lachen und sie rufen froh bei ihrem Spiel:
"Hurra, hurra, jetzt haben wir endlich wieder Brot!"
und vor lauter Leben glühen ihre Wangen rot.
Dann kommt der Schnee und auch der Frost, sie schmieden Silberbänder,
aus den Straßen und die Menschen tragen Pelzgewänder.
Zapfen hängen spitz vom Dach wie Dolche aus Kristall,
die Kinder laufen Schlittschuh, haben Wollmütze und Schal.
Die kleine Schwalbe friert und friert und doch sie ist geblieben,
denn sie hat sich ihrem Prinzen ganz und gar verschrieben.
Sie stiehlt beim Bäcker Krümel vorm Tore jeden Tag
und wärmt sich heftig flatternd noch mit ihrem Flügelschlag.
Endlich aber wird ihr klar, dass sie nun sterben muss.
Sie schwingt sich auf die Schulter hoch. "Ich geb dir einen Kuss
auf deine Hand und lebe wohl, mein lieber, guter Prinz!"
"Schwälbchen, wie erleichtert mich der Wandel deines Sinns.
Dass du endlich und so spät noch nach Ägypten ziehst.
Und küsse mich nur auf den Mund! Ich weiß, dass du mich liebst."
"Nicht nach Ägypten reise ich, nur in des Todes Haus,
der Tod ist Schlafes Bruder und ich ruhe mich nun aus."
Dann küsst sie den unglücklichen Prinzen auf die Lippen 
und die Schwäche lässt sie träg nach hinten über kippen. 
Lautlos fällt sie hin zu seinen Füßen in das Weiß 
und es ertönt ein Krachen, so wie von dünnem Eis. 
Zerborsten ist das Herz aus Blei, es herrscht ja starker Frost 
und an einem andern Orte finden sie jetzt Trost.
Hoch oben, hoch im Himmelreich steht der Prinz auf einem Hügel 
und bei seinen großen Füßen ruhn zwei kleine schwarze Flügel. 
Besonders weise sieht er aus, mit blauen Augensteinen, 
die voll heitrer Sanftmut aus runden Lidern scheinen. 
Und auch das Schwälbchen, ganz untrüglich, 
wirkt, als wär es wirklich glücklich.