Mittwoch, 3. April 2024

Der Auftritt

Weihnachtsedit:

Draußen vor den Burgmauern fiel sanft und still der erste Schnee und die Natur legte ihre friedvolle Pause ein. Die kalte Luft roch nach Tannennadeln, aus der Burgküche drang der Duft von gebrannten Mandeln und irgendwo in der Ferne hätte man ein leises Glockengeläut hören können. Im Speisesaal aber gab es justament einen veritablen Aufruhr und dies hatte mit Fugelhuf Vielgebein zu tun.

Fugelhuf war eine Ein-Mann-Band. Von der Art her ein Hundertfüßer (Centipede), stand er einem König zu Diensten und zwar einem geizigen, dem eine orchestrale Bemannung mit separat eßlustigen Individuen gegen den Strich ging, salopp gesagt. Fugelhuf spielte etwa 50 Instrumente, ein-, zwei- oder dreihändig, ein Standbein nicht zu vergessen.

Alle Blasinstrumente waren jedoch des Mundes bedürftig und davon hatte Fugelhuf auch etwa 25. Mehr oder weniger, aber gottseidank nur einer mit Zugang zum Magen, wie Ihro Durchlaucht bemerkte. Der Hundertfüßer besaß eine bemerkenswerte Präzision. Nachdem er Instrument für Instrument eine jeweilige Sinfonie oder Sonate einstudiert hatte, ratterte alles nur so und schnurrte aus ihm heraus. Beim Spielen wiegte er sich dann auch ästhetisch und der Klang der Geigen, Oboen und Brummtöpfe und so weiter schwappte nur so kreisrund in das sprachlos gaffende Publikum.

Gerade zum Beginn der heiligen Tage nun, als auch der Dekan für Neue Musik der musikalischen Fakultät Ausschau nach unerforschten Möglichkeiten hielt, die maroden und verkommen blasierten alten Zöpfe der Kammermusik radikal neu zu frisieren, begab es sich, dass Herr Vielgebein krank wurde. Ein zehrendes Fieber zerstörte seine Präzision zunehmend, Husten und Schneuzanfälle kamen hinzu!

Der Dekan erreichte den Hof mit verhaltener Langeweile, während bei dem Musikanten schon kein Fuß mehr wusste, was der andere tat, man munkelte auch von Gehirnerweichung. Der Hundertfüßer hatte darob in den vergangenen Tagen begonnen, scheußliche Klangunfälle zu produzieren, Disharmonien von solch entfesselter Vehemenz, dass Mittelohrentzündungen den halben Hof erfassten.

Der Koch etwa konnte den Unterschied zwischen Rouladen und Buletten nicht mehr verstehen und servierte Rouletten. Der König grübelte, ob er sich eine Orchesterpause leisten konnte, als der Dekan, nach Erfrischung und gründlicher Reinigung, an der Tafel Platz nahm. Man hatte sogar ein mickriges Bäumchen aufgestellt, geschmückt mit ein paar vergilbten Kugeln und einer einsamen Kerze, die trübselig vor sich hin flackerte.

Herr Vielgebein spielt heute die kleine Eiszapfenmusik von Sigurd Vogelschrei!“ tönte der Herold, alldieweil auch der Hof platziert war und sich, die Ohren wohlverstopft, über das Essen wunderte. „Fanget an!“ Fugelhuf begann nun sein jämmerliches Schauspiel, Triefbäche entwanden sich seines Körpers und gestalteten ihn so glitschig, dass er glänzte wie eine Specktomate und einzelne Instumente verabschiedeten sich, flutsch, ins Dunkel.

Während die Fürsten und Grafen und dergestalt trotz Pfropfen schmerzvoll die Augen verdrehten, durchfuhr den Dekan ein ganz neues Gefühl der Leichtigkeit. Diese Freiheit der Form! Diese lustigen Soli! Das war neu, das war vielleicht sogar Jazz! Juchzend sprang er auf und applaudierte. „Maestro, bravo, bravo.“ Dann hielt er inne und sinnierte, ob er diesem Wahnsinnswerk noch das eine oder andere Krönchen aufsetzen könne.

Da hielt er ihm eine Handvoll Heu unter die Nase, die er zerstreuterweise noch in seiner Tasche stecken hatte. Der Centipede explodierte daraufhin, der Schall der Hörner brachte eine Wand der Burg zum völligen Einsturz und Schneeflocken wirbelten von draußen herein.

Aha!“ „Und hiermit?“ Respektlos stopfte der Dekan einen Löffel Senf in einen der Münder, bis heute ist es fraglich, ob es der richtige war. Vielgebein schwankte und schüttelte sich, ja er zitterte ein zermürbendes Vibrato, das nicht nur die Gläser und Krüge zersplitterten. Etliche der Damen fielen in Ohnmacht. Vielgebein flatulierte und verstummte. "Welch ein neuer Ton!" frohlockte der Musikwissenschaftler.

"GENUG!", brüllte der König. "„SOGAR DIE WEIHNACHTSMUSIK VERDREHT ER UNS? DAS DULDE ICH NICHT LÄNGER! VERSCHWINDE ER DER HERR DEKAN UND NEHME ER DEN KRACHMACHER MIT SICH!“ Sprachlos vor Glück hüpfte der Dekan durch das Loch in der Mauer, schleifte sein japsendes Geschenk mit sich, hängte es im Stall über sein Maultier, warf die Instrumente in seinen Karren und stapfte hinfort.

Über den Genesungsfortgang und wissenschaftlichen Fortlauf der atonalen Experimente des Dekans und seines Maestros ist wenig dokumentiert, nur einige wenige Auftritte mit ihren Neuschöpfungen, die kaum Anklang fanden, sind in den Annalen der musikalischen Fakultät notiert. Später freilich, nach seinem Tod, wurde der Dekan rehabilitiert und Fugelhufs Dissonanzen, welche man fein säuberlich in einer Truhe verstaut fand, etablierten sich auf dem Musikmarkt.

 

 Original:

Fugelhuf Vielgebein war eine Ein-Mann-Band. Vielgebein war von der Art her ein Hundertfüssler (Centipede), stand einem König zu Diensten und zwar einem geizigen, dem eine orchestrale Bemannung mit separat eßlustigen Individuen gegen den Strich ging, salopp gesagt. Fugelhuf spielte etwa 60 Instrumente, ein, zwei oder 3-händig, ein Standbein nicht zu vergessen.

Alle Blasinstrumente waren jedoch des Mundes bedürftig und davon hatte Fugelhuf auch etwa 25. Mehr oder weniger (aber gottseidank nur einer mit Zugang zum Magen, wie Ihro Durchlaucht bemerkte). Der Hundertfüsser besaß auch eine bemerkenswerte Präzision. Nachdem er Instrument für Instrument eine jeweilige Sinfonie oder Sonate einstudiert hatte, ratterte alles nur so und schnurrte aus ihm heraus. Beim Spielen wiegte er sich dann auch ästhetisch und der Klang der Geigen, Oboen und Brummtöpfe und wasweissich schwappte nur so kreisrund in das sprachlos gaffende Publikum.

Aber es begab sich zu der Zeit, als just auch der Dekan für neue Musik der musikalischen Fakultät Ausschau nach Möglichkeiten hielt, die maroden und verkommen blasierten alten Zöpfe der Kammermusik radikal neu zu frisieren, das Herr Vielgebein krank wurde. Ein zehrendes Fieber zerstörte seine Präzision zunehmend, Husten und Schneuzanfälle kamen hinzu!

Der Dekan erreichte den Hof mit verhaltener Langeweile, während bei dem Musikanten schon kein Fuß wußte mehr, was der andere tat, man munkelte auch von Gehirnerweichung! Der Füsser hatte darob in den vergangenen Tagen begonnen, scheußliche Klangunfälle zu produzieren, Disharmonien von solch entfesselter Vehemenz, dass Mittelohrentzündungen den halben Hof erfassten. Der Koch etwa konnte den Unterschied zwischen Rouladen und Buletten nicht mehr verstehen und servierte Rouletten. Der König grübelte, ob er sich eine Orchesterpause leisten konnte, während der Dekan, nach Erfrischung und Neugewandung an der Tafel Platz nahm.

„Herr Vielgebein spielt heute die Lachkantate von Vogelschrei dem Runden!“ tönte der Herold, während auch der Hof platziert war und sich, die Ohren wohlverstopft, über das Essen wunderte. „Fanget an!“ Fugelhuf begann nun sein jämmerliches Schauspiel, während Triefbäche sich seines Körpers entwanden und ihn so glitschig gestalteten, dass er glänzte wie eine Specktomate und einzelne Instumente, flutsch, sich ins Dunkel verabschiedeten. Während die Fürsten und Grafen und dergestalt trotz Pfropfen schmerzvoll die Augen verdrehten, durchfuhr den Dekan ein ganz neues Gefühl der Leichtigkeit. Diese Freiheit der Form! Diese lustigen Soli! Das war neu, das war vielleicht sogar Jazz! Juchzend sprang er auf und applaudierte. „Maestro, bravo, bravo.“ Dann hielt er inne und sinnierte, ob er diesem Wahnsinnswerk noch das eine oder andere Krönchen aufsetzen könne.

Da hielt er ihm eine Handvoll Heu unter die Nase, das er achtlos aus dem Sitzkissen gerupft. Der Centipede explodierte daraufhin, der Schall der Hörner brachte eine Wand der Burg zum völligen Einsturz. „Aha!!!“ „Und hiermit?“respektlos stopfte er einen Löffel Senf in einen der Münder, bis heute ist es fraglich, ob es der richtige war. Vielgebein schwankte und schüttelte sich, ja er zitterte ein zermürbendes Vibrato, das nicht nur die Gläser und Krüge zersplitterten. Etliche Damen fielen in Ohnmacht. Vielgebein flatulierte und verstummte. "Welch ein neuer Ton!" frohlockte der Musikwissenschaftler.

"GENUG!", brüllte der König. "DAS DULDE ICH NICHT LÄNGER! VERSCHWINDE ER DER HERR DEKAN UND NEHME ER DEN KRACHMACHER MIT SICH!“ Sprachlos vor Glück hüpfte der Dekan durch das Loch in der Mauer, schleifte sein japsendes Geschenk mit sich, hängte es über den Esel, warf die Instrumente in den Karren und schritt hinfort. Über den Genesungsfortgang und wissenschaftlichen Fortlauf der atonalen Experimente des Dekans und seines Maestros ist wenig dokumentiert, nur einige wenige Auftritte mit Neuschöpfungen des Dekans, die kaum Anklang fanden, sind in den Annalen der musikalischen Fakultät notiert. Später freilich, lange nach deren Tod wurde der Dekan rehabilitiert und Fugelhufs Dissonanzen etablierten sich auf dem Musikmarkt.

1 Kommentar:

LilithCrystalHolmes hat gesagt…

Ich kann nicht mehr vor Lachen XDDD