Da
lese ich die zwei Seiten der Geschichte und denke mir hmm, hmm. Gibt es
ein Falsch und ein Richtig? Hmmm, hmm und dann nicke und lächle ich. Wie doch alles
ineinandergreift. Papier und Fleisch und Eisen und Stein und Holz (beispielhaft).
Liebe böse Freunde, ihr grausamen Kinder! Man kann hinsehen und lächeln,
dabei kurz aufstossen oder wegsehen aus dem Fenster, auf die alten
Leute mit ihren Hunden. Ich lasse täglich bestimmt mehrere Menschen
verhungern, irgendwo, bestimmt denn ich zahle keine Spenden. Aber ich kümmere mich auch um jemanden
(bin also nicht wirklich böse). Ich weiss Bescheid. Bescheid wissen kann
aber jeder. Weiss auch jeder. Ich würde sogar gern glauben, wenn das
nicht so lächerlich schiene. I want to believe. Ich bin auch
gebildet, ja, was machen mit der Bildung? Bildung macht doch
schwindelig. Schwindelig vor Ohnmacht. So kurz zum greifen nah ist
(siehe Nichtabbildung Seifenblase). So klar, so kurz davor. Nur ankommen
geht nicht (leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass). Ich werde immer
schneller, ja produktiv, wenn ichs bedenke (und wehe jemand sagt was
anderes). "Platz" (siehe Nichtabbildung Seifenblase). Koffeinträume das
alles, rhytmisches Pochen der Schläfen, Zucken der Finger. Zerrinnt in
Zahlenkolonnen. Ist nicht vergleichbar, nur ähnlich. Papierausscheidung.
Ich sollte Papier essen und mein Essen verschenken. Gib meinem Leben
einen Sinn, sage ich. Die weisse Masse sucht in der grauen Masse, dann
zuckt (siehe Nichtabbildung Abbildung) und sagt:
'Das wars Solo, man
kann doch nicht ewig warten, es kommt da nichts mehr. Nur du gehst. Das
sagen wir dir. Du sitzt in einem Treibhaus.'
'Das weiss ich doch,' antworte ich, 'die alten Leute draussen haben Pelze und die Hunde auch, das seh ich doch.'
'Dann geh doch raus!'
'Woraus?', frage ich.
'Kauf dir einen Hund.'
'Ach, das ist es?'
'JA. Der Hund führt dich.'
Sonntag, 21. Juli 2024
Zwei-Seiten-Torheit
Fraktale Dekonstruktion
Heute geht es weiter in den Kaninchenbau, oh Freunde. Menschliche Gedanken an sich sind fraktaler Natur. Sie sind selbstähnlich, unendlich und man jagt ihnen hinterher bis hin zur Vergrösserung der Vergrösserung der Vergrösserung (einer Kopie einer Kopie). Wer je Fraktalprogramme benutzt hat, weiss, was ich meine. Der Verstand kennt keine Atome, ist nicht auf die Abzählbarkeit der physischen Welt angewiesen (schliesslich konnte er ja nichts davon wissen). Ist man gefangen im Fraktal, nützt es nichts, "auf der Schulter von Giganten" zu stehen, Grösse spielt da eine relative Rolle. Aber man muss den Mut haben, stehen zu bleiben und hinabzuschauen, ja schwieriger noch hinauf, denn jede Ebene ist recht und gut, wenn man erkennen will, dass man in keine Richtung entrinnen kann, solange man sich nach den Gesetzen des irren Gartens bewegt. Und wie kommt man aus einem Irrgarten heraus? Richtig, man muss Löcher durch die Hecken schneiden. Ein Fraktal hat eine gebrochene Dimension, ist etwas knäuel-, schwamm- oder ornamentartiges. Es versucht, eine bestimmte Fläche oder Raum auszufüllen. Dieser Raum kann, Ebene für Ebene, grobschlächtig mit Pfählen abgesteckt werden. So machen es die formalistischen Optimisten. Und so macht es die atomare "Realität". Ob in dieser Approximation Wahrheit liegt, ist irrelevant, denn die Wahrheit ist möglicherweise genau jener seltsame Attraktor, dem es zu entkommen gilt. Mit diesen Pfählen nun haben sie Koordinaten und Abstände und können schauen, wie gross ihr Gigant wirklich ist.
Samstag, 20. Juli 2024
Weckruf eines Erstarrten (Rico's Edit)
Folgend eine Umdichtung bzw. eine Variation des gleichnamigen Gedichtes von Volker Grieß aus seinem Buch "Gezeiten der Wandlung: Gedichte für Menschen auf Wegen der Initiation". Er möge mir den Eingriff verzeihen. Wenn ihr auf das das Original gespannt seit, könnt ihr dem Link folgen und sein Buch erwerben. Es lohnt sich! Dem Stoiker sei auch das Gedicht "Die heitere Schildkröte" empfohlen. Ihr findet es in diesem Gedichtband auf Seite 28. Aber nun zum "Weckruf":
Wir, die aus den Wochenkrippen
zu Walen wuchsen, die nicht schwimmen:
Sind wir bereit, die scharfen Klippen,
des Schmerzes bis zur See zu klimmen?
Es schimmerte des Meeres Busen
von weit her, als wir schwach und klein.
Als könnte nicht auf unser Rufen
das Leben und das Werden sein.
Wir sind, wenn Liebe sich entfaltet,
wie eingefror'n im stillem Schrei.
Die Schönheit öffnet sich, uns spaltet
es im Innern tief entzwei.
Bleib jetzt Bruder, bleib jetzt Schwester!
Komm sei mutig, lass dich ein!
Welch ein Wunder wäre es,
im Wasser und ein Wal zu sein.
Die Lehren des E. A. Poe
Physikalisch richtig und doch phänomenal übertrieben schilderte Edgar Allan Poe
bereits 1841 die Abdrift schnöder Holzboote und Fässer in den
Gezeitenstrom zwischen den Lofoteninseln. Aber genau so wie der Held fährt auch die
Seele zum Grund. Sie klammert sich an ein Holzfass und hofft nicht zu
ertrinken. Die grimmigen Seeleute, die, taub und blind ob der Gefahr,
schweigend ihre Arbeit verrichten, sind, was ihr von den Menschen
zufällt. Mit ihnen zu sprechen ist Verzweiflung. Und dann ist da noch
das Haus Usher, ein marodes Schloss auf sumpfigem Grunde, bewohnt von
kranken und geisteskranken Adeligen. Ein Hort zwielichtiger
Erscheinungen und Geräusche, der mit dem ihm innewohnenden Sterben noch
vor Anbruch des Tages versinkt, allein der Gast kann fliehen. Das sind
die inneren Landschaften, wer nur Gast ist, wer weglaufen kann, der
berichte. "Nur eine Schauermär, Schauermär..." "Nein, es ist alles
wahr!"
Einen unbefangenen Augenblick lang könntest du eine andere Welt
entdecken, ganz ohne zu träumen, aber ins Träumen geraten. Während du im
Internet bist, sitzt du in Wahrheit zwischen zwei Spiegeln. Jeden Tag,
den du die Aussenwelt vergisst, rutschst du eine Reflektion weiter in
den Hintergrund, immerfort, bis es dich irgendwann nicht mehr gibt. Und
um so weiter du in den Hintergrund gerätst, desto mehr wehrst du dich,
wirst noch zappeliger und ausgefallener, um aufzufallen und deine
anderen Spiegelungen klatschen vielleicht ab und an Beifall.
Poe schrieb 1842 die Kurzgeschichte "Das ovale Portrait" in
der eine junge Frau, während sie von ihrem Gatten detailversunken in ein
Bild gemalt wird, langsam stirbt. Er hat damals nichts vom Internet
gewusst, wohl aber etwas von Obsession und Sucht. Willkommen zwischen
den Spiegeln.
Mittwoch, 17. Juli 2024
Das Kroko und die Ventildrossel Teil 9
Über die Rückreise soll nichts weiter berichtet werden. „Machs gut,
Kumpel. Pass auf dich auf." sagte Paketmann zum Abschied. Dem Grünling
entrollten ein paar Krokodilstränen. Kroko kam anhand der Frachteinträge
wieder in seinen Zoo zurück und da war der August doch ganz froh, denn
das Kroko war, ohne das er es erkannt hatte, zu einem
Publikumsliebling geworden und viele hatten schon danach gefragt.
Jedoch kam es in einen Einzelkäfig mit Aufschrift „Streicheln auf
eigene Gefahr", was noch mehr Besucher veranlasste, es zu besuchen,
wenn auch weniger, um es zu streicheln. Und seine Lichtshows wurden der
Hit.
Doch Nachts war es sehr einsam und es dachte oft an das
Drosseli und auch an Paketmann und konnte nicht schlafen. Das Drosseli
hatte inzwischen einen Schnapsdrosselrich geheiratet. Dieser betrog sie
aber häufig mit einer Blaumeise. Nun fiel einige Male Herbstlaub und
die Nachtigallen sangen, bevor der Staat, in dem sich der Zoo und der
Sumpf befand, strengere Artenschutzgesetze heraus gab und der
Zooleiteraugust musste sich von vielen seiner Insassen trennen, auch
von dem Drosseli und dem Kroko, die zu ihrem Sumpf zurückkamen. Das war
eine Freude beim Wiedersehen am Sumpfesrand!
Das Kroko
machte wieder Handstände und Purzelbäume und Drosseli surrte durch die
Gegend wie verrückt, dass die Schallmauern nur so purzelten. Dann
verschwanden die beiden im Nebel, mit Licht und heftigem Geklapper
natürlich. Und der Kobold Nickel, der doch gar nicht so böse war,
sondern nur eine unpassende Frau geheiratet hatte, die auch nicht böse
war, sondern... nun ja der wurde zum Ranger für den Sumpf erklärt und
das Umliegende und passte nun auf, dass keine Strolche mehr kamen und
Tiere entnahmen. Das Kroko und das die Ventildrossel lebten nun wieder
friedlich im nebeligen Sumpf und wussten, was ein Zuhause wert sein
kann, weil es mehr ist als nur eine schöne oder nicht schöne Gegend,
sondern vertraut. Doch ab und zu gingen sie mit den Trommelhasen auf
Tournee und konnten sich für die Drossel einen Radarhelm leisten, damit
sie nicht mehr im Nebel gegen die Bäume flog.
Ende
Das Kroko und die Ventildrossel Teil 8
So lebten beide einträchtig eine ganze Weile. Bis Paketmann eines Abends
freudestrahlend mit einer Holzkiste angelaufen kam, die schon
reichlich vergammelt aussah. „Guck mal, was ich hier gefunden habe,
grüner Freund!" Ächzend stellte er die Kiste in den Sand, drinnen
klirrte es. Paketmann lupfte den Deckel, drinnen waren lauter bauchige
Flaschen. „Bester Jamaika Rum! Ich habe eine Höhle in den Felsen
gefunden und da stand das Zeug rum." „Weißt du, dass das Rum früher
geschmuggelt wurde? Vielleicht gab es hier sogar Piraten mit Holzbeinen
und Hakenhänden oder Augenklappen". Paketmann spielte Pirat, er
humpelte durch den Sand und krähte „Auf, Kameraden, entert die Prise!
Tod und Teufel!". Kroko schüttelte den kopf. Wie peinlich Ronnie
manchmal sein konnte. „Das muss gefeiert werden." Paketmann
entstöpselte eine der Flaschen. „Hoch die Tassen!"
In der
nächsten Zeit war Paketmann oft nicht mehr ansprechbar. Entweder
torkelte er am Strand entlang. Oder er hüpfte mit der Flasche um das
Feuer und rief: „Die Hühner tun es! Die Hühner tun es! Die Hühner,
jaaaha.." und so weiter und dann kicherte er immer so eigenartig. Waren
da etwa bunte Kröten drin in den Flaschen? Kroko vermutete es. Bald
hatte Ronnie keine Augen mehr für das Kroko, nur noch für seinen Rum und
Kroko verzog sich wieder ab in den Sumpf. Fische brachte es auch keine
mehr. Sollte der doch sehen wo er blieb, am besten bei seinen Hühnern.
Aber wie man sich das natürlich vorstellen kann, war der Schnaps
irgendwann alle und das war auch keine gute Zeit für Paketmann.
Und als das Kroko eines Tages mal wieder von einer Erbebung geängstigt
zum Lagerplatz floh, fand es dort nur noch Reste und niemand war mehr
da. Da wurde es traurig und kam sich verlassen vor. Doch nach einer
Weile betretenen Umherwanderns fand es einen Pfad und es erinnerte sich
an die Höhle, die Ronnie erwähnt hatte. Nun war der Weg nicht schwer zu
finden. Und so fand es den Menschen abgemagert und krank und zitternd
darumliegend. Mit einer Mischung aus Reue und Genugtuung machte es sich
an die Arbeit und brachte Paketmann mit Futterkokosnüssen soweit
wieder auf die Beine, dass er sich selber weiterhelfen konnte.
Dann wurde alles wieder gut und eines schönen Tages, an dem Kroko schon
einen Reiher gescheucht hatte, nachdem es sich lautlos angeschlichen
und dann geknurrt hatte und Paketmann es mal wieder veralbert hatte ,
indem er behauptet hatte, „Da kommt die letzte Welle!" und beide gerade
in der Mittagshitze dösten (das Kroko mit aufgerissenem Maul), kam
tatsächlich ein Schiff an. Paketmann guckte erst blöd, als käme er sich
vergackeimert vor „Ich glaub, mein Hamster bohnert!", dann aber war er
wie ein geölter Blitz unterwegs, so schnell, dass das Kroko blinzeln
musste, und rief und winkte und lachte. Gemächlich watschelte das grüne
Viergebein hinterdrein. Erstmal „sehen, was die Flut da angespült"
hatte. Diesen Satz hatte es von Paketmann in letzter Zeit oft gehört.
Auf dem Schiff waren Männer, die an Land kamen und sich als Ranger
ausgaben. Sie fragten Ronnie, was er hier zu suchen hatte und
behaupteten, es wäre gefährlich, fremde Tierarten hier auf dem
Somoruarchipel einzuführen. Nun, Paketmann erzählte seine Geschichte.
Das Kroko und die Ventildrossel Teil 7
Warte mal..." Paketmann
kramte in seiner Westentasche. „dacht ich mirs doch! hah!" Mit diesen
Worten zog er ein längliches lila Dingsda mit silbrigen Ende hervor.
„Feuerzeug, immer dabei!" Zzzoschh, sprang ein kleines Flämmchen hervor
und Kroko wich zurück. „Brauchst keine Angst haben, das Feuertier ist
ein Freund, wenn du es bei kleiner Speise hältst. Mal sehen, ob das
Zeug hier brennt." Und sobald Paketmann den Finger vom Feuerzeug nahm,
verschwand auch das Feuertier wieder darin. Paketmann sprang auf und
sammelte ein paar trockene Palmwedel zusammen. Die brannten dann auch
lichterloh und verschickten beißende Glühwürmchen. Kroko ging
vorsichtshalber noch ein Stück weg. Doch sehr lange brannten sie nicht.
„Mist, da muss ich noch weiter inseleinwärts, richtiges Holz holen,
aber heute nicht mehr. Gute Nacht, mein Bester !" Paketmann zog sich in
seinen gelben Pavillion zurück. Ein wenig später wälzte sich Kroko in
der warmen Asche. Dann ging es wieder auf Wanderschaft über die Insel.
Dabei wurde es durch einen heiseren Vogelschrei erschreckt. Das war der
Ruf des Kokoskäuzchens, dass auf Beutezug ausflog. Da versteckte sich
das Kroko doch kurz im Unterholz. Dann kroch es über Steine, mächtige
Wurzeln und schwamm durch kleine Teiche. Alles war dicht be- und
überwachsen. Stachelige Igel kreuzten schnaufend seinen weg.
Fledermäuse flatterten hoch oben vorbei. Im Morgengrauen kam es wieder
zurück zum Lagerplatz und duselte ein.
Am nächsten Morgen
bekam es als erstes eine Ladung Sand ins Gesicht. Neben ihm brodelte
der Boden. Wupps, noch eine Ladung. Kamen da die Kokosnüsse her? Aus
dem Sand? Aber dann kam ein kleiner Reptilienkopf mit lustigen
schwarzen Äuglein zum Vorschein. Na, klar, dass Kroko da nicht gleich
drauf gekommen war. Die hiesigen Krokodile schlüpften. Oder doch keine
Krokos? Noch mehr Köpfchen kamen heraus und dann krochen die kleinen
Racker ganz aus dem Sand. Die runden Panzer auf dem Rücken, das waren
ganz klar Schildkröten. Die so fertig aus dem Sand gekrochenen
watschelten ohne Verzögerung Richtung Meer, wobei sie oft das
Gleichgewicht verloren und Purzelbäume machten. Und da waren sie
plötzlich, grosse rote stieläugige Landkrabben. Hässlich wie die Nacht
und verfressen. Lautlos im Seitwärtsgang schlichen sie sich zur leichten
Beute. War denn keiner zur Bewachung da? Tsss tsss. So eine Schluderei
gab es bei Krokodilen nicht. Weil wirklich keiner weiter da war,
zeigte das Kroko den Krabben die Harke, und schnappte, so gut es eben
ging. Das war gar nicht so einfach, denn allzu groß war das Kroko nicht
und die Scheren konnten höllisch zwicken.
Die kleinen
Schildkröten waren viel zu langsam. „Krabben, wunderbar, gerade
richtig, ich habe ein neues Feuer gemacht." Paketmann bückte sich
„Whoa, da brauchen wir Schnur. Du glaubst nicht, was so eine
Rettungsinsel alles dabei hat". Ronnie sprintete kurz weg, kam aber
gleich mit einer Leine zurück, mit der er den Krabben einzeln die
Scheren am Panzer festband und die Krabben dann aneinander. So konnte
das Kroko die Schildkrötlein ins Meer begleiten und Ronnie bekam eine
weitere Mahlzeit. Im Wasser kamen die Panzerpaddler erstaunlich gut
zurecht. Sie schwammen anders als das Kroko nicht mit ihrem Schwanz,
sondern mit ihren Beinchen. Mann, hier im Flachwasser war aber überhaupt
was los.
Überall zischten kleine Fische umher. Und weiter meerauswärts, zwischen den scharfkantigen Korallen gab es auch grosse Fische. Und Tentakel- und Stacheltiere. Die Fische waren bekömmlicher als die bunten Frösche und auch Paketmann bekam welche ab. Wegen der Hitze am Tage schlief der Grünling meistens dann, wenn Paketmann wach war und ging nachts jagen, auch wenn das wegen der streitlustigen Tintenfische mit ihren tischtennisballgrossen Augen nicht ungefährlich war.
Donnerstag, 11. Juli 2024
Rio de Chauvineiro oder Emanzonas ?
Noch so ein älteres Gedicht von meinereiner:
Ein mutig Fischlein sprang hinein,
in den Himmel, Sonnenschein.
Entging so einem Haubentaucher,
dieser war sein Endverbraucher.
Doch als schuppig Fisch als nasser,
fiel es wieder in das Wasser.
So nach vier fünf Blasen stumm,
ging es ihm im Kopf herum:
Wieso konnt der Vogel schwimmen,
es aber selber nicht erklimmen,
der kühlen Frischluft zarte Balken?
Was war von diesem Zeug zu halten?
Als nächstes war ein Otter dann
an dem armen Schuppling dran.
Nur, sobald das Wasser seichter,
ging es auch nicht vorwärts, leichter.
Und als es die Plage sätter,
nahm es sich zwei Segelblätter,
aus dem Schilf und stieg hinauf
und so nahm es seinen Lauf,
dass das Fischlein fliegen lernte,
bald von weissen Wolken schwärmte,
und des Himmels Buntgefieder,
auch auf Bäumen saß es nieder.
Wiegte sich in güldnen Strahlen
und des Mondes Silberschalen.
Kam als Backfisch dann und wann
wieder bei den Eltern an.
Mittwoch, 10. Juli 2024
You're safe until the fire starts
(Diesen Text habe ich aus meinem alten Blog "Froschtümpel" übernommen, Foto und Titel stammen von dieser Quelle.)
Szenerie Eins: Wieder sitze ich in einem Käfig, der ist in einem grossen, leeren
Saal, Geräusche und bunter Nebel fliehen von irgendwo. Dann setzt sich
eine Raucherin vor mich und erschüttert mich mit ihrem
Nikotin-Nihilismus. Gar nichts sei als man selbst, und das könne man
alles ändern. Es gäbe das Feste ERST nach der Beule. Sie gibt mir ihre
Zigarette für das Schloss. Es gäbe auch keinen Nutzen, keinen Sinn, nur
Emotionen. Tu was du willst. Weg mit mir, mit dir, keine Bilder mehr
jetzt. Sei ein wildes Tier. Der Käfig brennt.
Szenerie Zwei: Ich hab es geschafft, die Feder ist überspannt und gebrochen. Nutzlos
klimpert sie im Abwärtsgang. Auf schiefer Ebene fahre ich hinab mit
schwerer Fuhre. Der Motor bremst und läuft heiss. Metallischer Geruch
drückt die Brust. Funken blitzen, die Hülle zerfällt, die Räder
springen, hulahopp, hopp, hopp. Alte Tonbänder spielen, eine Puppe weint
im Rauch. Ich bin wach, hellwach, das Wasser ist kalt, die Optik
kristallklar, Wale singen mir ein Schlaflied. Doch ich kann nicht
schlafen, ich muss noch weit gehen. Mit einer Fussfessel, an der Kette,
an der Kugel.
Szenerie Drei: An einem Bootssteg am Fluss halte ich an, knie
nieder und tauche einen Finger in den Strom. Das Wasser weicht meinem
Finger, umfliesst ihn. Die Trennung ist schmerzlich, ich werde traurig.
Warum berührt das Wasser mein Innerstes nicht? Gedanken wandern... Weil
keine Öffnung dem Element Einlass gewährt? Von dieser Idee freudeerfüllt
schöpfe ich beide Hände voll und will schon trinken. Plötzliches Grauen
erfüllt mich. Was, wenn Gift darinnen wäre?
Szenerie Vier: Eine weisse Ebene. Ich fühle mich einsam. Ich sehne mich nach meinem Käfig, während sich unter
mir schon alles in Falten zieht. Das ist die Ziehharmonika des Lebens
(mal ist es lang, mal ist es kurz). Eine laute Melodie. Auf einer
wuchtigen Bassnote fliege ich davon.
Montag, 8. Juli 2024
Herr Blattschuss folgt seinen Trieben
Der
Herr Blattschuss wacht morgens auf und ist schon mürrisch drauf. Das
ist sonst nicht so, aber heute. Er weiß heute ist der Tag, an dem er
seinen eingetretenen literarischen Pfad verlassen muss. Sein Doktor hat
ihm das ans Herz gelegt, denn dem Herrn Blattschuss steht eine
Verblödung ins Haus. Herr B. ist süchtig nach Arztromanen. Die
verschlingt er zum Frühstück, Mittagessen und Abendbrot.
"Der Körper liest mit, Herr B." hat der Arzt gesagt. "Sie müssen ihren literarischen Pfad verlassen und auch mal was Gesundes lesen. Gedichtbände zum Beispiel, ja und Erstausgaben erfolgloser Schriftsteller. Die ersten werden die letzten sein, kleiner Scherz, haha, auch Antiquarisches, das ist sehr gehaltvoll, jaja. Schriftsteller war damals noch eine Berufung und kein Beruf, hören sie, Herr B.! Die armen Teufel sind dutzendweise für ihre Ideale in die Kiste gesprungen. Solche ballasthaltige Kost brauchen sie. Nicht den aalglatten Konfekt von Schwester Brunhilde und ihrem ähh, Doktor."
So denkt Herr B. an den letzten Termin und merkt nicht mal, dass er beim Ankleiden die Mütze falsch herum aufsetzt. Draussen regnet es, bald wird es auch schneien. Sorgenvolle Gedanken schieben sich, dicken Raupen gleich, durch seine Morgenwelt. Die muss er loswerden, also dackelt er noch mal in die Praxis, mit verdrehter Mütze und verdrehten Gefühlen.
"Neues
ist gefährlich" händeringt Herr B. "Ich habe von spontanen
Geisteszuständen gehört. Manche Leute sollen danach herumgelaufen sein
und von Niveau geredet haben. Genie und Wahnsinn sollen dicht
beieinander liegen, ja auf offener Straße miteinander schmusen, Herr
Dokter. Einer soll gesagt haben, verkehrt herum gelesen mache das Buch
erst Sinn! Er las ein Telefonbuch Herr Dokter. So was macht mir Angst.
Soll ich nicht lieber auf Liebesromane umsteigen? Die regen bestimmt an,
ja?"
"Nein, Herr B., das sind Gerüchte, nur so leer gedroschenes
Stroh. Leben sie die Vielfalt. Auf einen Hesse können sie schon mal ein
lustiges Taschenbuch folgen lassen."
„Da fällt mir aber ein Stein
aus der Niere, Herr Dokter, Sie machen mir richtiggehend Lust auf die
Avantgarde.“ Gesagt getan. Herr B. schlägt sich wohlfeil ins wilde
Gebüsch, dass die Federfuchser da so struppig wuchernd in die platte
Landschaft kippen. Nachdem er die ausgetretenen Straßen des Mainstreams
hindurchgehüpft ist und nur verächtlich gelacht hat über all die müden
Socken, die Dünnbrettbohrer, die immer nur den Weg des geringsten
Widerstandes gehen und nicht weitergehen wollen, stehenbleiben bei eilig
zusammengenagelten Mythenfetzen und staunend den immer wieder selben
Sensationen nachgeifern, weil sie das Langzeitgedächtnis schon lange für
ein Mitspracherecht unter ihresgleichen eingetauscht haben.
Was für ein
plumper, rückratloser Bückling er gewesen war. Er hat die schönen
einsamen Früchte nicht gesehen, die abseits des Weges unter schweren
Dornen reifen! Doch jetzt kämpft er sich vorwärts. Schon bald hat ihn
kein Mensch mehr gesehen. Er schmaust Festmähler jenseits aller
Vorstellung. Er hat sich ein Haus errichtet mit einem Fundament aus
Folianten noch aus dem Zechstein und Dachschindeln aus Anthologien. Eine
Tür ganz aus Grimoires mit Bannsprüchen gegen Heyne, Bastei und Co. Er
hält sich sogar eine kleine bissige Streitschrift in einem Zwinger aus
Lehrbüchern.
Doch ach, es sollte ihm nicht gut ergehen. Schon bald fängt
Herr B. an, zu interpretieren, mit sich selbst zu hadern, zu
reflektieren und zu sinnieren und zu philosophieren und der ganze
Zirkus. Nach einem russischen Revolutionswälzer ist Herrn B. vier Wochen
schlecht. James Joyce bringt ihn schließlich auf die Intensivstation.
"Abwechslung, Mann! Um Gottes willen!", stirnrunzelt der Arzt. Herr B. blickt ihn gequält an. Er kann nicht mehr anders, nie mehr will er zurück gehen in diese schalen Niederungen des immer wieder kehrenden Dummseins. "Wer einmal aus dem Blechnapf fraß, haarrrgh!", ächzt er und schießt sich mit einem Traktat über "Irrationale Logik" ins Nirwana. Später dann hat man ihn ganz locker auf Telefonbücher umstellen können.
Donnerstag, 4. Juli 2024
Gehirnfernsehen
1.
Ich drücke gerade noch ein paar Knöpfe: Wasmachtdaswasmachtdaswasmachtdas? Irgendwie fühle ich mich nun anders. Wer bin ich, wo bin ich? Warum habe ich Hunger auf Regenwürmer?
"Tut mir leid, an sich selber dürfen Sie nicht rum spielen..." Eine Hand legt sich schwer auf meine Schulter. Das Gesicht dazu kann ich nicht sehen, es liegt im Dunkeln, verdammt, was... "Sooo, das Backup drauf gespielt..., alles klar?" Zzzippp. Muss wohl eingenickt sein. "Ach ja, klar, Herr Doktor, ich hab hier schon mal auf sie gewartet." "Kein Thema, also dass hier sind Sie..."
2.
Seit ich von meinem Arzt so Glückspillen bekommen habe, berührt mich der Libanonkrieg im Fernsehkasten gar nicht mehr so. Erst sehe ich einen Fahrradfahrer, den eine Katjuscha vom selbigen geholt hat, nur die Füsse sind noch übrig. „Sauberer Schuss“, denke ich. Dann ein Schiff mit Flüchtlingen, dass nach Zypern fährt „Da wollte ich auch schon immer mal hin, toll.“
Ich nicke kurz ein. Bob Geldorf weckt mich und sagt mir, dass im Sudan auch diese Nacht wieder tausende Kinder auf der Flucht sind und wünscht mir einen geruhsamen Schlaf.
So ein netter Mensch. Ich lächle still in mich hinein. Die Nacht ist dann wirklich ausgezeichnet.
“And I find it kind of funny
I find it kind of sad
The dreams in which I'm dying
are the best I`ve ever had”
Ich wache auf. Erst ein wenig Müsli, dann die gute Tablette. "Reis and Schein!", wie der Engländer sagt. Mir wird kurz schlecht, dann kalt und heiß und dann geht es wieder. Dann pumpe ich das Fahrrad auf und radle los. Mir wird gar nicht bewusst, wie sich die Landschaft verändert. Lauter ocker Steine, auch Dreck und noch mehr Steine um mich rum. Verdammt heiss auch, Steinofen! Endlich ein paar Gebäude, seltsam, keiner da. Doch, Ziegen. „Mäh!“ grüße ich. Die schlackern mit den Ohren und kauen echt unbeeindruckt. Ein schrilles Pfeiffen schreckt mich auf, dann fliegt etwas großes Dunkles auf mich zu und es wird Nacht.
„Die Apfel- und die Birnbäume erblühten,
Nebelschwaden lagen über dem Fluss,
da ging Katjuscha hinaus aufs Ufer,
auf das hohe, steile Ufer.“
Noch ein Erwachen. Vor mir liegt ein Sack, der mir erzählt er käme von Care und enthielte Weizenmehl. Sauber. Mehlbomben auf Zivilisten.
Das Säcke reden können, ist mir seit längerem bekannt, sollte aber allgemein verboten werden.
Ich sehe einen Mann mit blauen Helm auf mich zulaufen. „Tut mir leid, ist mir aus der Hand gerutscht“ „Ein Mehlsack?“ „Scheiße, nein, Mörtel!“, lacht er. Alles verändert sich wieder.
Ich liege neben einem Baugerüst in der Witzlebenstrasse. Naja.
3.
Ich bin krank. Ich habe eine Missverständnislücke. Aber was fase ich da. Ich denke, jeder macht was aus dem andern. Der Ton rutscht langsam herunter, er ist zu dünn, zwei Finger breit. Die Welt als Hörbuch. Alles klimpert so schnell vorbei wie ein Postkartenständer, aber viel zu schnell und ich soll mir was raussuchen. Aber ich will nicht wirklich die Hand da rein stecken.
Das tut bestimmt weh. Ach ich hab's, ich nehm den Fuß! Wah, was für ein Schlamassel. Jetzt regnet es Ansichten.
Ich nehm nun keine Pillen mehr vom Arzt, die machen mich duhn. Die stapeln sich jetzt im Schrank immer höher, ja sie quellen schon heraus und liegen im Zimmer wie Sand. Manchmal bin ich Dagobert und tauche hinein. Schaumkronen chemischer Freude rasseln über den Balkon.
Von den Siechellen habe ich einen Eimer gestellt, einen rot emaillierten. Zum Sonne einfangen, für die Brille und für die Frösche aus dem Schwimmpool, das Blau kommt vom Curacao, wie man weiss. Goldbrassen setzen auch Segel. Sie schauen sich die Kacheln von unten an und ich fang Fang locker vom 5 Meterkickboard aus, rollend. Easy! Und dann dreht sich das alles um 360°? Ach Sonnenwende. Leise geht der Mond zu Grunde. Das kommt vom Gold! Morgens nicht in den Mund nehmen! Was dann? Regenwürmer?
4.
Den Hunger auf Regenwürmer verspüre ich immer noch ab und an.
Jugendsünde
War einst ein Marionettenmann,
hing an seinen Zwirnen dran.
Den Lenker suchen er getraut,
ach hat da nur ein Kind erschaut.
Wenn ich keine Fäden hätt,
grübelte der Marionett,
wär jeder Tag voll Sonnenschein
und ich trüg mein Kreuz allein.
Könnte eigne Zügel lenken
von Leuten, die nicht selber denken.
Riss sich los, doch seine Achsen
warn der Schwerkraft nicht gewachsen.
Er fiel hin mit lautem Krachen
auf den Boden der Tatsachen.
Jetzt nur weiter, ganz allmählich,
dachte sich der Holzkopf fröhlich.
Lernt nun laufen Tag für Tag,
ein famoser Puppenschlag.
Dienstag, 2. Juli 2024
Der Fürchtenlerner (Brüder Grimm) gereimt
Ein Vater hatte einst zwei Söhne, einer davon klug,
der Jüng‘re jedoch war so dumm, dass man es kaum ertrug.
Sahen ihn die Leute, sagten sie "Was für ein Tropf!
Der frisst dem armen Vater die Haare nur vom Kopf."
Der Älteste, war was zu tun, schritt tagsüber hinaus.
Doch fürchtete er sich des Nachts und ging dann nicht vors Haus.
Schauermärchen waren ihm durchaus ein Riesengraus
und er machte einen Sprung beim Anblick jeder Maus.
Zum Jüng'ren sprach der Vater endlich „Heda, du bist stark,
jedoch steckt das Faulsein bei dir tief in Bein und Mark!
Du solltest etwas lernen, das nicht ein jeder kann.
So, für was entscheidest du dich, werter Sohnemann?“
Der Jüngre sagte „Vater, da denke ich nicht lang,
das Fürchten will ich lernen, denn mir ist niemals bang.“
Darauf sagte der Vater „Junge, du bist dumm wie Brot,
mit dir hat man wirklich seine liebe Not.
Mit dem Gruseln kann man wahrlich gar kein Geld verdienen.
Und wenn dir auch hundertmal sei ein Geist erschienen.“
Der ält're Bruder lachte „Freundchen, du musst dich besinnen.
Was ein Häkchen werden will muss sich beizeiten krümmen!“
Und der Vater flehentlich „Auch wenn du dumm geboren,
so ist vielleicht bei dir noch nicht Hopf und Malz verloren?“
Bald dann kam der Küster zu Besuch zum Abendbrot
und der Vater klagte ihm seine liebe Not.
Der jüngste Sprößling sei in allen Dingen schlecht beschlagen
und gäbe dumme Antworten auf jede seiner Fragen.
"Ach denken Sie sich nur, seine neueste Idee,
ist das Gruselnlernen! Potzblitz, ohjemine!"
Darauf sagte der Küster: "Wenn weiter nichts dabei,
das kann er bei mir lernen und ihr seid von ihm frei."
Und so nahm der Küster ihn, um bei Nacht und Sturm,
die Glocken wohl zu läuten hoch im Kirchenturm.
Er weckte ihn zu Mitternacht und hieß ihn aufzusteigen.
Und schlüpfte selbst ins Lakentuch, um ihm die Furcht zu zeigen.
Als der Junge oben war und griff den Glockenstrick,
sah er einen weißen Geist im nächsten Augenblick.
"Wer da?", rief er und "Gib Antwort, arger Taugenichts!"
"Oder du wirst fliegen, dass du dir die Knochen brichst."
Der Küster aber dachte `Der ist schon nicht so gemein.´
Und er blieb ganz mausestill wie ein Grabesstein.
"Geh fort!" sprach der Junge, "Hier gibt es nichts zu gaffen!"
Dann war er auf dem Sprunge sich den Spuk vom Hals zu schaffen.
Er stieß die Gestalt treppab, die ihm keine Antwort gab.
Die rollte noch zehn Stiegen und blieb dann wimmernd liegen.
Der Junge hat ganz pflichtbewußt die Glocken noch geläutet
und hat auch nicht mal nachgedacht, was all das bedeutet.
Er ging zu Bette ohne noch ein weitres Wort zu sagen.
Doch am Morgen hört´ er sich die Küstersfrau beklagen.
"Weißt du lieber Junge denn, wo mein Mann geblieben?
Er ist schließlich noch vor dir den Turm hinauf gestiegen."
"Nein, aber da hat einer auf der Trepp gestanden,
als er keine Antwort gab kam die Geduld abhanden,
mir und diesen Spitzbuben hab ich hinabgestossen.
Niemals kommt der wieder her, so voll hat der die Hosen."
Die Frau ging hin und fand den Mann mit einem Bein gebrochen,
der lag noch da und jammerte und es fing an zu kochen,
ihr Küsterfrautemperament, sie eilte dann mit viel Lament
zum Vater unsres Jungen und rief aus vollen Lungen:
"Euer Sprößling bringt uns nichts als Riesenscherereien!
Er brach meinem Mann das Bein, das ist nicht zu verzeihen."
Es erschrak der Vater und er kam herbei gelaufen.
Er rief den Jungen zu sich her und fing dann an zu schnaufen:
"Der Teufel hat dich angeführt zu so gottlosen Flausen!"
"Aber Vater," rief der Bub "du brauchst nicht aufzubrausen!“
"Hört mich an, er stand verdächtig mitternachts herum,
und als ich höflich fragte, stellte er sich stumm."
"Ach", sprach da der Vater, "mit dir hab ich kein Glück!
Geh mir aus den Augen und komm nicht mehr zurück!"
"Ja Herr Vater, ja recht gern will ich wandern gehen,
um endlich das Gruseln als Handwerk zu verstehen."
"Lerne was du gerne willst, das ist mir einerlei
Sag nur keinem Menschen, wer dein Vater sei.
Hier sind 50 Taler, die kannst du mit dir nehmen,
Das ist allzeit besser noch als deiner sich zu schämen."
Der Junge lief schon bald die Hauptstraße entlang,
er war guter Dinge und murmelte beim Gang:
"Ach wenn es mich nur gruselte, ach wenn es mich nur schreckte."
Und so hörte das ein Mann, der in Lumpen steckte.
Der ging ein Stück des Wegs mit ihm und dann beim Abendrote,
zeigte er ihm einen Baum, dran hingen sieben Tote.
„Die armen Teufel ham mit Seilers Tochter wild getanzt.
So bleibe doch heut abend hier, dass du dich gruseln kannst.“
„Wenn das so stimmt, sollen 50 Taler deine sein.“
sprach der Junge skeptisch und der Mann schlug ein.
Da ging der Junge zu dem Galgen, setzte sich dorthin.
Die Nacht brach ein, der Nebel kam und bald schon fror es ihn.
Zu Mitternacht blies dann ein Wind, der war gar bitterkalt
und schwenkte die Gestalten hin und her im finstren Wald.
Er hatte Mitleid, machte Feuer und mit sehr viel Fleiß
nahm er die Gehenkten ab und setzte sie im Kreis.
Sie saßen da mit hohlem Blick und aufgerissnen Mündern.
Daher gab er einen Rat den unbeholfnen Sündern.
"Gebt nur acht, dass ihr euch eure Kleidung nicht verbrennt!
Sonst hab ich euch im Handumdrehn wieder aufgehängt."
Die Toten aber hörten nicht und ihre Lumpen glimmten.
Nun sprang er auf, zog sie zurück und spielte den Ergrimmten.
"Ich kann euch nicht helfen, wenn ihr euch den Leib versengt".
Und der Reihe nach hat er sie wieder hochgehängt.
Er legte sich ans Feuer hin und schlief den Rest der Nacht.
Am Morgen grüßte ihn der Mann, so daß er aufgewacht.
Der fragte wie es neulich mit dem Gruseln vorwärts ginge.
"Nicht besonders" sprach der Bub, "ich nahm sie von der Schlinge.
Leider haben sie kein einz'ges Wort von sich gegeben.
Drum gab ich meine Mühe auf und ließ sie wieder schweben."
Er zeigte zu den Toten hin, der andre dacht beklommen,
dass so ein abgebrühter Kerl ihm noch nicht vorgekommen.
Darauf gingen beide wieder ihrer eignen Wege
und es sang so wie er lief über Feld und Stege,
"Ach wenn es mich nur gruselte, ach wenn es mich nur schreckte."
der Junge als ein alter Fuhrmann ihn entdeckte.
"Wer bist du?" "Das weiß ich nicht."
"Wo bist du her?" "Das weiß ich nicht."
"Wer ist dein Vater?" "Sag ich nicht.
Ich möcht nur, dass es gruselt mich."
"Statt das wir hier noch Reden schwingen,
wollen wir dich unterbringen."
Am Abend kehrten sie dann müde in ein Wirtshaus ein.
Da stellten sie die Pferde unter und beim guten Wein,
hörte der Wirt seine Wünsche, lachte "Kein Problem!
Hier in der Nähe gibts ein Schloß, da kannst du Geister sehn."
"Nein!" rief da die Wirtin blaß "Nein, das geht nicht an!"
"Da hat mancher seinen letzten Atemzug getan..."
"Wenn es richtig gruslig ist, dann ist es fabelhaft,
dann wär das Schloß das Ende meiner Wanderschaft."
Der Wirt erzählte, er müsst nur drei Nächte darin wachen,
dann würde ihm das Schloß gehörn mit allen teuren Sachen.
Der König hätte zudem seine Tochter noch versprochen,
jenem Helden, der den bösen Geisterbann gebrochen.
Der Junge ging am Morgen zum König hin und sprach:
"Wenn's genehm ist, schau ich gern in eurem Schlosse nach."
Der König sah ihn prüfend an. „Weil du mir gefällst,
geb ich dir vier Dinge noch, die du dir auswählst."
"Ich nehm Feuer, Knüppel, Drehbank und eine Sitzbank."
Alles wurde ihm gebracht, bis die Sonne sank.
In einer Kammer hoch im Schloss brannte bald ein Feuer,
Da wartete der Junge brav auf das Ungeheuer.
Zu Mitternacht rief etwas "Au, mich friert!" aus einem Eck.
"Ihr Narren", drauf der Bursche, "kommt nur raus aus dem Versteck!
Was schreit ihr rum? Wenn euch kalt ist, setzt euch doch zur Glut."
Zwei große schwarze Katzen warns, die er zu sich einlud.
Nach einem Weilchen fragten sie "Woll'n wir Karten spielen?"
Er sagte "Gern, doch will ich erst auf eure Pfoten schielen."
„Unsre scharfen Krallen sind rein und ordentlich,
wir kratzen dir die Äuglein aus, dann siehst du keinen Stich!“
"Mit solchen langen Nägeln ist das Kartenspiel ein Graus."
sprach er und warf sie glatt aus dem Fenster raus.
Nun kamen aus dem Schatten noch mehr Katzen und auch Hunde.
Rasch verhalf er jedem Tier zur günstigen Flugkunde.
Dann ward er müde und er wollte gern ein Stündchen schlafen,
jedoch war das Bett verhext und es verließ den Hafen.
Es rollte wie ein Sechsgespann hin über Trepp und Dielen,
und bäumte sich auf wie ein Pferd, so dass herunterfielen,
unser Bube, Deck, Matratze und die Daunenkissen,
drum legte er sich auf den Flur "Dies Bett kann ich vermissen."
Nach dieser turbulenten und ereignisreichen Nacht,
Hat er mittags nochmal Halt beim selben Wirt gemacht.
Dieser machte große Augen, doch der Bub sprach kühl:
"Nur ein paar süße Kätzchen, die warn ein Kinderspiel."
Zum Nachmittag dann ging er abermals ins Schloß,
und setze sich ans Fenster, wo er den Blick genoß.
Ganz laut und ungemütlich wurde es um Mitternacht.
Erst rumpelte es heftig und dann fiel mit Krach
ein halbes furchtbar staubiges Skelett aus dem Kamin.
Verdutzt fragte der Junge, dem das zu wenig schien:
"Wo ist die zweite Hälfte?", und mit viel Getöse,
kam der Rest an Knochen und musterte ihn böse.
Das Gerippe setzte sich ganz keck auf die Sitzbank,
sortierte seine Knochen und wienerte sie blank.
"So ham wir nicht gewettet, "sprach der Junge, "meine Bank
ist nur für meinen Hintern. Du suchst wohl Streit und Zank?"
Er schlug den Schädel ihm vom Hals mit seinem großen Stecken,
so dass der dreimal sich gedreht und fiel ins Aschebecken.
Noch mehr Skelette kamen nun aus dem Kamin gesegelt,
eine ganze Mannschaft, die mit Knochen kegelt.
"He Freunde! Ich spiel mit, wenn es euch gefällt?"
"Gern," krächzten die Toten, "doch dafür brauchst du Geld."
"Am Geld soll es nicht mangeln, doch sind die Kugeln Schund."
und er schnitt die Totenköpfe auf der Drehbank rund.
"Jetzt werden sie viel besser rollen." hat er dann gelacht,
so spielten sie noch "Alle Neun!"den Rest der heitren Nacht.
Am andern Morgen kam der König "War es denn recht gruslig?"
"Ich habe schön gekegelt, Herr. Nein, es war eher lustig."
"Ich hoff ich lern das Fürchten noch an diesem dritten Abend,
dabei klang das Angebot verlockend und erlabend."
Erneut hat er sich abends auf seine Bank gesetzt,
es kamen starke Männer und diesesmal zu sechst.
Sie trugen auf den Schultern eine Totenkist'.
"Ach, das wird mein Vetter sein, der grad gestorben ist."
Kaum dass sie ihn abgesetzt, nahm er die Leich heraus
und streckte sie gemütlich vor dem Feuer aus.
"Komm Vetterchen nun komm, du bist kalt wie Eis!
Setz dich doch ans Feuer, dann wird dir wieder heiss."
Als das nicht half hat er den Mann in das Bett gelegt,
und derb an ihm gerieben, bis er sich geregt.
"Ja, für meine warmen Händchen kann ich mich verbürgen."
Der Tote aber griff hinauf. "Jetzt will ich dich erwürgen."
"Was hör ich da, mein Lieber, ist das dein Lohn und Dank?"
Gleich sollst du nochmal liegen auf deiner Leichenbank."
Er warf ihn in den Sarg zurück und schlug den Deckel zu,
Die Männer kamen abermals und trugen ihn zur Ruh.
Da trat ein alter Mann herein, größer als die andern.
"Oh du Wicht, das Höllenreich will ich mit dir bewandern."
"Nicht so schnell" sprach da der Jung, "dann musst du stärker sein."
"Dich will ich schon packen und hack dich klitzeklein."
"So stark wie du bin ich schon lang, das wolln wir erst mal sehen."
"Versuchen wirs, wenn du gewinnst, kannst du nach Hause gehen."
Dann führt er ihn durch dunkle Gänge hin zum Schmiedeherde,
mit einem Axtschlag schlug er dort den Amboß in die Erde.
"Das kann ich noch besser." sprach der Junge froh und munter.
Der Alte schob sich vor zu schauen und sein Bart hing runter.
Der Junge schwang das Äxtlein und trieb mit einem Hieb,
den Bart tief in den Amboß, so dass er steckenblieb.
"Alterchen, jetzt hab ich dich, jetzt ists an dir zu sterben."
"Mach bloss keinen Unfug, dann kannst du mich beerben".
Der Junge zog die Axt heraus und ließ ihn wieder los.
Darauf führte ihn der Alte zur Schatzkammer im Schloß.
Dort standen drei Schatzkisten mit prächtig goldnem Schein.
"Eine davon sei dem König und eine sei dein.
Die dritte Truhe gib den Armen." und der Geist verschwand,
als es zwölf schlug und der Junge ganz im Dunkeln stand.
Er tastete den Weg zurück zu seinem Kämmerlein,
legte sich ans Feuer und schlief dort friedlich ein.
Am Morgen frug der König, wie es gewesen sei.
"Ich sah meinen Vetter, viel Geld und anderlei,
aber da war nichts zum Gruseln." "Es sei nicht dein Schaden!
„Du wirst als mein Schwiegersohn bald im Wohlstand baden.“
Die Hochzeit ward gefeiert, das Gold heraufgebracht,
trotzdem murmelte der Bub noch in der Hochzeitsnacht:
"Ach wenn es mich nur gruselte, ach wenn es mich nur schreckte."
Worauf die Braut mit ihrer Zofe einen Plan ausheckte.
Das Kammermädchen war gewiss "Wir bringen ihn zum Schrein."
"Gieße einen Eimer Fische in sein Bett hinein."
Nachts brachte der Gärtner die Gründlinge zur Kammer,
die Braut goß sie auf den Gemahl, so daß er fuhr mit Jammer,
aus dem Bett, als der Fang auf ihm herumgesprungen:
"Jetzt hat es mich gegruselt. Weib, dir ists gelungen!“