Harmonie und Vollkommenheit
blühen im Augenblick.
Im schmalen Grat
zwischen gestern und morgen.
Auf dem Kamm der Woge
reitest Du durch Täler.
Immer auf dem Weg
und doch schon angekommen.
Wo ist die Woge?
Was Du beobachtest,
ist nur für Dich.
Es rinnt durch die Finger
und war doch da.
Erinnere Dich
an den Augenblick.
Dann blicke durch
Deine Augen.
Vielleicht zum ersten Mal.
..........
Der eine Blick
durchs Kaleidoskop
findet nicht vorhandene Muster.
Sterne
und Herzen:
Das Muster ist Ursache
der Täuschung.
Muster übereinander
gelegt,
ergeben Überlagerungen,
Wege im Wirrwar.
Diese Wege sind
stabiler
als die Muster.
Sie entstehen aus der Vielfalt.
Sie ergeben
sich dem Beobachter
mit der Zeit.
Sie entstehen im Beobachter
mit der
Zeit.
Der Blick hinaus
ist ein Blick hinein.
Montag, 16. September 2024
Die Woge - Spiegelbilder
Freitag, 9. August 2024
Der Namenwal - Der Plattschwanz - Die Miesmuschel
Ein zahnloser Zahnwal im arktischen Meer
sann hungrig der beissfreud'gen Zeit hinterher
Vor seinem einst Furcht einflössenden Rachen
bogen sich nun die Robben vor Lachen!
Um keinen weiteren Spott zu erleben,
hat er sich als Zweitewal ausgegeben.
Und schlürft' dann aus kleinen, weichen,
Seegurkentieren ein Breichen.
....................
Der Plattschwanz schwebt als Schleier,
durch die See im Süden.
Und er legt seine Eier
in Grotten tief hinieden.
Die Zebraschlange ist des nachts
der kleinen Fische Tod.
Und knäult am Tag sich selig ein
bis hin zum Abendrot.
Nur eines wurmet das Reptil,
der Meerestiere Lügen
Ein Seepferd sei, beim Discofox
ihm auf den Schwanz gestiegen.
....................
Was ist der miesen Muschel mies
so über allem Maße.
Sitzt dicht wie Moos am Kielesrand,
als blinder Schiffsansasse.
Die Wohnung, die fährt Tag für Tag
12 Knoten in der Stunde.
Und wird das alte Öl verklappt,
wirds ihr ganz schal im Munde.
Mittwoch, 7. August 2024
Die Morgenstadt
Aus ölig schwarzem stillen Weiher
heben sich des Himmels Lider.
Die blaue Iris frei von Schleier
reibt sich der Schläfer ganz.
Und das geheime Leuchten
sinkt zu Füssen nieder.
Es stöhnt und kreischt das gläsern Kind
in ungestümen Tälern.
Und silberhell mit heissen Wind
aus seinen Engelsblechtrompeten
bläst es die Blumen von den Gräbern.
Dann zuckt der Mund ihm ungebeten:
Zum Lächeln voller Glanz.
Freitag, 2. August 2024
Das Mädchen ohne Hände (Brüder Grimm) gereimt
Es war vor vielen hundert Jahren,
da kam der Teufel angefahren.
Er flog hoch oben durch die Lüfte
über Felder und Gehöfte.
Die Mühle, die am Dorfrand stand,
fand er besonders int'ressant.
Sie war ein furchtbar schiefes Ding,
mit dem es bald zu Ende ging.
Und wie er übern Dachfirst schaute,
sah er ein Mädchen hinterm Hause.
Es hielt den Rock an seinem Saum
und pflückte Äpfel frisch vom Baum.
Der Müller holte Holz vom Wald
und dort machte der Teufel halt.
Er trat zu ihm als Handelsmann,
und sprach "Was stellt ihr Euch so an?
Ist das Holz nicht schrecklich schwer?
Ich weiß was Bess'res, bittesehr!
Die Armut ist ein schweres Los,
das Glück ist klein, die Sorgen groß.
Ich mach Euch reich, der Pakt besteht,
wenn Ihr mir eine Sache gebt,
die hinter eurem Hause ruht.
Schlagt ein, mein Herr, ein wenig Mut!“
'Den Apfelbaum geb ich ihm freilich`,
sann der Müller und sprach eilig
"Die Sache gilt als abgemacht!"
Der Händler hat vergnügt gelacht.
"Nach drei Jahren komm ich wieder
und hol, was ich gekauft, mein Lieber."
Ohne Holz, in Windeseile
und aufs Äußerste gespannt,
kam der Müller eine Meile
heim zu seiner Frau gerannt.
„Sag mir, Mann, wie fließt der Reichtum
plötzlich hier durch unser Tor?
Ich klag ja nicht, doch meine Meinung
ist, das kommt mir spanisch vor.
Alle Kisten sind randvoll
und kein Mensch hat's hereingebracht.
Wenn das ein derbes Spässchen sein soll,
ich hab drüber nicht gelacht!"
So sprach die Frau, er daraufhin:
„Das kommt von einem Fremden.
Obwohl ich mir nicht sicher bin,
was wir darauf verpfänden.
Was ich ihm versprochen hab,
ruht hinter unserm Haus.
Ich dacht, da steht der Apfelbaum
und darauf läufts hinaus.“
„Das war der Teufel ganz bestimmt,
dem du so was versprochen,
dass dieser Kauf zum Himmel stinkt,
hätt ich sofort gerochen!
Hinterm Hause ruht in Wahrheit
nämlich unser liebes Kind,
dem die Äuglein nach der Arbeit müde
zugefallen sind.“
Doch die Not hat sie gedrückt
und Geld, das war willkommen.
Und so ward es Stück für Stück
dankbar angenommen.
Die Tochter war ein Sonnenschein
und eine fromme Seel‘,
sie blieb die nächsten Jahre rein
und ohne jeden Fehl.
Alsbald war es an der Zeit
und der Tag gekommen.
Das Mädchen hat im Büßerkleid
im Hofe Platz genommen.
Sie zog um sich den Teufelskreis,
um selbigen zu bannen.
Dann betete sie mit viel Fleiß
und ihre Tränen rannen.
Der Kaufmann kam schon früh am Tag,
nett begrüßt vom Müllerspaar.
Der Müller sagte "Der Vertrag,
der ist wirklich sonderbar.
Wie willst du unsern Apfelbaum
auf deinen Karren bringen?
Wie ich das sehe wird das kaum,
wenn überhaupt gelingen!"
„Soll ich dir den Schädel spalten?“,
rief der Mann, der so düpiert.
"Deinen Baum kannst du behalten!
Ich will das, was mir gebührt!
Führe mich zu deinem Sproß!”
Da wuchs er donnernd in die Höhe,
sicher dreizehn mal so groß
und nahm die Flügel von der Mühle.
"Das nur so als kleine Warnung,
dass du weißt, was dich erwartet.
Alles, Handel und auch Tarnung
war in Gänze abgekartet!”
Der Müller war zum Zwerg geschrumpft
und wies den Riesen in den Hof.
“Ich sehe, du kommst zur Vernunft.
Na, dann legen wir mal los!”
Der Riese griff nun nach Kind,
darauf gab es einen Knall
und ein wilder Brausewind
bracht ihn hinterrücks zu Fall.
Wie hat der Boden da gebebt
und der Riese hat sinniert
‚Das habe ich nicht oft erlebt,
dass mich jemand so pariert!‘
Als er sich dann aufgerappelt,
nahm er sich den Müller vor,
der in seiner Hand gezappelt
und sprach „Leih mir mal dein Ohr!
Diesen miesen Teufels-Bannkreis
will ich morgen nicht mehr sehen
sonst werd' ich, dass du Bescheid weißt,
mit dir Schlitten fahren gehen!
Und die Dirn ist viel zu sauber,
halt das Wasser fern von ihr!
Also kurz: kein fauler Zauber,
morgen bin ich wieder hier.“
Es hatte anderntags das Mägdlein
seine Hände nassgeweint.
Der Fremde kam mit seinem Wäglein.
und er fühlte sich geleimt.
„Müller, diese Hände sind mehr
als deutlich reingewaschen!“
„Das bildet ihr euch ein, mein Herr,
das würde mich sonst überraschen.“
Abermals wollt da der Fremde,
das Mädchen gleich ganz für sich haben
doch dank ihren reinen Händen
musst‘ er diesen Wunsch begraben.
„Falls die Hände nicht verschwinden
wenn ich komme, übermorgen,
wirst du dich dann wiederfinden
vor der Hölle schwarzen Pforten!“
Dem Vater ward nun angst, er bangte,
voll von zweierlei Entsetzen,
weil man klar von ihm verlangte
zu sterben oder zu verletzen.
Lange rang er mit sich selbst,
bis er flehte "Liebes Kind!
Wenn du jetzt dein Urteil fällst,
dass die Menschen böse sind,
ists mir recht, doch hilf mir bitte
in meiner großen, tiefen Not.
Machen wir zwei schnelle Schnitte,
oder ich bin mausetot.“
“Vater, ich bin brav und artig,
bin dein Fleisch und Blut.
Was immer du von mir erwartest,
ist mir recht und gut.”
Sie hob ihre zarten Glieder
und wie ein makabrer Scherz
fielen sie zu Boden nieder,
ohne Blut und ohne Schmerz.
Der Müller warf nun, heftig zitternd,
die Hände in ein Kästelein.
Dann floh er rasch, im Drecke schlitternd,
und schloss sich in die Scheune ein.
Die Mutter half der Tochter auf
und trug sie in ihr Zimmer,
ins obere Geschoß hinauf
und blieb bei Kerzenschimmer,
dort bis tief noch in die Nacht.
Sie lief zur Scheune dann hinaus
und führte langsam, mit Bedacht
den Ehemann wieder ins Haus.
Nach zwei Tagen trat der Böse
ein mit seinem roten Pelz.
Und er fragte ohne Grüße:
"Na, Herr Müller, wie verhält's
sich mit unsrer kleinen Maid?
Halte mich nicht lange hin,
denn ich habe wenig Zeit!"
Der Müller sprach mit argem Grimm
„Ihr müsst dort nach oben steigen
da liegt unsere arme Kleine
und ihr könnt euch überzeugen:
Hände hat sie wirklich keine.“
Der Teufel stieg geschwind nach oben
dann war es still, dann kam ein Schrei,
und aus allen Ecken flogen
Säcke, Krüge und derlei,
die mit einem Male platzten,
Fenster schlugen, Türen knallten
und es kamen schwarze Katzen
deren schrille Klagen hallten.
„Wir verfluchen Euch!“, so klang es
von Vögeln, die das Haus umschwirrten
„Wir verfluchen Euch!“, so drang es
durch Ritzen, die zum Keller führten.
Dann kehrte langsam Ruhe ein
und die Eltern schauten nach,
wies dem armen Töchterlein
ergangen war im Schlafgemach.
Sie saß, frisch wie der Morgentau,
nah am Fenster grad im Licht
und erzählte dann genau
was da war, aus ihrer Sicht.
„Ich hatte wie beim letzten Mal
meine Stümpfe nass geweint.
Ich kam zu ihm, wie er befahl
und er fühlte sich geleimt.
Er schrie und blähte sich dann auf
und zerfiel in dreizehn Katzen.
Die ließ ich zur Tür hinaus
an der sie mit Eifer kratzten.
Vater, Mutter, einerlei,
wir wollen das vergessen!
Bringt meine Hände mir herbei
und danach lasst uns essen.“
Die Mühle ward, vom Dach nach unten
penibel auf den Kopf gestellt.
Es wurde allerlei gefunden,
aber Hände, weit gefehlt!
Der Vater sprach „Mein Hab und Gut
hab ich durch dich gewonnen.
Darum verliere nicht den Mut,
ich bin dir wohlgesonnen.
Du sollst, mein wertes Töchterlein,
dein Lebtag nichts mehr tun,
als von Herzen dich zu freun
und gründlich auszuruhn.“
"Vater, du hast mich verkauft,
an den ersten besten Fremden,
deshalb nehme ich den Lauf
des Schicksals jetzt aus euren Händen.
Hier bin ich nicht sicher,
dies ist nicht mehr mein Haus.
Ändern könnt ihr daran nichts mehr.
Vater, Mutter, ich zieh aus!“
Donnerstag, 1. August 2024
Albtraum#1 / Albtraum #2 / Albtraum #3
Auf dem Brett serviert,
blass und frisch seziert,
Eiskalte Gefühle.
Und die Reste in die Spüle.
Ich hab nachts beim Regen,
lange wach gelegen,
in die Finsternis geschaut.
Mir war kalt in meiner Haut.
Dann lief ich im Traum
durch einen dunklen Raum
auf der Suche nach dem Licht
oder einer Tür.
Doch es gab dafür
nur mein Ich ohne Gesicht.
......
Ich fahr in einem Auto,
der Mörder sitzt bei mir.
Hinter uns die Polizei,
etwa nachts um vier.
In Säcken auf der Rücksitzbank,
da liegen Frau und Kind
Der Mörder hält den Colt solang
wir in Bewegung sind.
Dann halten wir und ich sag stur
„Die Polizei kommt gleich.“
Er sagt: „Ich werf den Ballast nur
dort hinten in den Teich.“
Im See, da ist das Wasser klar
und beide sinken schnell
ich stehe ganz verzweifelt da
und langsam wird es hell.
Die Polizisten sind zwei Frauen,
und eine springt ins Nass.
Die andere macht mich los vom Baum
und setzt mich dann ins Gras.
Die Kollegin kommt zurück:
„Die Frau hat’s überwunden.
Mit dem Kind hatt ich kein Glück.
Das hab ich nicht gefunden.“
…..
Ich geh an einem Haus vorbei
auf einem weißen Weg.
oder ist es doch ein Schloss,
und denk mir nichts dabei,
als mich ein grauer Mann
begrüßt, der keine Schatten wirft,
und mich danach sogleich umarmt
und mich am Halse würgt.
Die Luft wird knapp, der Rücken krampft
und davon werd ich wach
und eine Stimme sagt mir sanft,
„Du weißt, wer das gemacht!“
„Ich weiß es wohl und weil ich’s weiß,
kommt er gewiss nicht wieder!“
sage ich und bete leis
und leg mich nochmals nieder.
Sonntag, 21. Juli 2024
Zwei-Seiten-Torheit
Da
lese ich die zwei Seiten der Geschichte und denke mir hmm, hmm. Gibt es
ein Falsch und ein Richtig? Hmmm, hmm und dann nicke und lächle ich. Wie doch alles
ineinandergreift. Papier und Fleisch und Eisen und Stein und Holz (beispielhaft).
Liebe böse Freunde, ihr grausamen Kinder! Man kann hinsehen und lächeln,
dabei kurz aufstossen oder wegsehen aus dem Fenster, auf die alten
Leute mit ihren Hunden. Ich lasse täglich bestimmt mehrere Menschen
verhungern, irgendwo bestimmt, denn ich zahle keine Spenden. Aber ich kümmere mich auch um jemanden
(bin also nicht wirklich böse). Ich weiss Bescheid. Bescheid wissen kann
aber jeder. Weiss auch jeder. Ich würde sogar gern glauben, wenn das
nicht so lächerlich schiene. I want to believe. Ich bin auch
gebildet, ja, was machen mit der Bildung? Bildung macht doch
schwindelig. Schwindelig vor Ohnmacht. So kurz zum greifen nah ist
(siehe Nichtabbildung Seifenblase). So klar, so kurz davor. Nur ankommen
geht nicht (leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass). Ich werde immer
schneller, ja produktiv, wenn ichs bedenke (und wehe, jemand sagt was
anderes). "Platz" (siehe Nichtabbildung Seifenblase). Koffeinträume das
alles, rhytmisches Pochen der Schläfen, Zucken der Finger. Zerrinnt in
Zahlenkolonnen. Ist nicht vergleichbar, nur ähnlich. Papierausscheidung.
Ich sollte Papier essen und mein Essen verschenken. Gib meinem Leben
einen Sinn, sage ich. Die weisse Masse sucht in der grauen Masse, dann
zuckt (siehe Nichtabbildung Abbildung) und sagt:
'Das wars Solo, man
kann doch nicht ewig warten, es kommt da nichts mehr. Nur du gehst. Das
sagen wir dir. Du sitzt in einem Treibhaus.'
'Das weiss ich doch,' antworte ich, 'die alten Leute draussen haben Pelze und die Hunde auch, das seh ich doch.'
'Dann geh doch raus!'
'Woraus?', frage ich.
'Kauf dir einen Hund.'
'Ach, das ist es?'
'JA. Der Hund führt dich.'
Fraktale Dekonstruktion
Heute geht es weiter in den Kaninchenbau, oh Freunde. Menschliche Gedanken an sich sind fraktaler Natur. Sie sind selbstähnlich, unendlich und man jagt ihnen hinterher bis hin zur Vergrösserung der Vergrösserung der Vergrösserung (einer Kopie einer Kopie). Wer je Fraktalprogramme benutzt hat, weiss, was ich meine. Der Verstand kennt keine Atome, ist nicht auf die Abzählbarkeit der physischen Welt angewiesen (schliesslich konnte er ja nichts davon wissen). Ist man gefangen im Fraktal, nützt es nichts, "auf der Schulter von Giganten" zu stehen, Grösse spielt da eine relative Rolle. Aber man muss den Mut haben, stehen zu bleiben und hinabzuschauen, ja schwieriger noch hinauf, denn jede Ebene ist recht und gut, wenn man erkennen will, dass man in keine Richtung entrinnen kann, solange man sich nach den Gesetzen des irren Gartens bewegt. Und wie kommt man aus einem Irrgarten heraus? Richtig, man muss Löcher durch die Hecken schneiden. Ein Fraktal hat eine gebrochene Dimension, ist etwas knäuel-, schwamm- oder ornamentartiges. Es versucht, eine bestimmte Fläche oder Raum auszufüllen. Dieser Raum kann, Ebene für Ebene, grobschlächtig mit Pfählen abgesteckt werden. So machen es die formalistischen Optimisten. Und so macht es die atomare "Realität". Ob in dieser Approximation Wahrheit liegt, ist irrelevant, denn die Wahrheit ist möglicherweise genau jener seltsame Attraktor, dem es zu entkommen gilt. Mit diesen Pfählen nun haben sie Koordinaten und Abstände und können schauen, wie gross ihr Gigant wirklich ist.
Samstag, 20. Juli 2024
Weckruf eines Erstarrten (Rico's Edit)
Folgend eine Umdichtung bzw. eine Variation des gleichnamigen Gedichtes von Volker Grieß aus seinem Buch "Gezeiten der Wandlung: Gedichte für Menschen auf Wegen der Initiation". Er möge mir den Eingriff verzeihen. Wenn ihr auf das das Original gespannt seit, könnt ihr dem Link folgen und sein Buch erwerben. Es lohnt sich! Dem Stoiker sei auch das Gedicht "Die heitere Schildkröte" empfohlen. Ihr findet es in diesem Gedichtband auf Seite 28. Aber nun zum "Weckruf":
Wir, die aus den Wochenkrippen
zu Walen wuchsen, die nicht schwimmen:
Sind wir bereit, die scharfen Klippen,
des Schmerzes bis zur See zu klimmen?
Es schimmerte des Meeres Busen
von weit her, als wir schwach und klein.
Als könnte nicht auf unser Rufen
das Leben und das Werden sein.
Wir sind, wenn Liebe sich entfaltet,
wie eingefror'n im stillem Schrei.
Die Schönheit öffnet sich, uns spaltet
es im Innern tief entzwei.
Bleib jetzt Bruder, bleib jetzt Schwester!
Komm sei mutig, lass dich ein!
Welch ein Wunder wäre es,
im Wasser und ein Wal zu sein.
Mittwoch, 17. Juli 2024
Das Kroko und die Ventildrossel Teil 9
Über die Rückreise soll nichts weiter berichtet werden. „Machs gut,
Kumpel. Pass auf dich auf." sagte Paketmann zum Abschied. Dem Grünling
entrollten ein paar Krokodilstränen. Kroko kam anhand der Frachteinträge
wieder in seinen Zoo zurück und da war der August doch ganz froh, denn
das Kroko war, ohne das er es erkannt hatte, zu einem
Publikumsliebling geworden und viele hatten schon danach gefragt.
Jedoch kam es in einen Einzelkäfig mit Aufschrift „Streicheln auf
eigene Gefahr", was noch mehr Besucher veranlasste, es zu besuchen,
wenn auch weniger, um es zu streicheln. Und seine Lichtshows wurden der
Hit.
Doch Nachts war es sehr einsam und es dachte oft an das
Drosseli und auch an Paketmann und konnte nicht schlafen. Das Drosseli
hatte inzwischen einen Schnapsdrosselrich geheiratet. Dieser betrog sie
aber häufig mit einer Blaumeise. Nun fiel einige Male Herbstlaub und
die Nachtigallen sangen, bevor der Staat, in dem sich der Zoo und der
Sumpf befand, strengere Artenschutzgesetze heraus gab und der
Zooleiteraugust musste sich von vielen seiner Insassen trennen, auch
von dem Drosseli und dem Kroko, die zu ihrem Sumpf zurückkamen. Das war
eine Freude beim Wiedersehen am Sumpfesrand!
Das Kroko
machte wieder Handstände und Purzelbäume und Drosseli surrte durch die
Gegend wie verrückt, dass die Schallmauern nur so purzelten. Dann
verschwanden die beiden im Nebel, mit Licht und heftigem Geklapper
natürlich. Und der Kobold Nickel, der doch gar nicht so böse war,
sondern nur eine unpassende Frau geheiratet hatte, die auch nicht böse
war, sondern... nun ja der wurde zum Ranger für den Sumpf erklärt und
das Umliegende und passte nun auf, dass keine Strolche mehr kamen und
Tiere entnahmen. Das Kroko und das die Ventildrossel lebten nun wieder
friedlich im nebeligen Sumpf und wussten, was ein Zuhause wert sein
kann, weil es mehr ist als nur eine schöne oder nicht schöne Gegend,
sondern vertraut. Doch ab und zu gingen sie mit den Trommelhasen auf
Tournee und konnten sich für die Drossel einen Radarhelm leisten, damit
sie nicht mehr im Nebel gegen die Bäume flog.
Ende
Das Kroko und die Ventildrossel Teil 8
So lebten beide einträchtig eine ganze Weile. Bis Paketmann eines Abends
freudestrahlend mit einer Holzkiste angelaufen kam, die schon
reichlich vergammelt aussah. „Guck mal, was ich hier gefunden habe,
grüner Freund!" Ächzend stellte er die Kiste in den Sand, drinnen
klirrte es. Paketmann lupfte den Deckel, drinnen waren lauter bauchige
Flaschen. „Bester Jamaika Rum! Ich habe eine Höhle in den Felsen
gefunden und da stand das Zeug rum." „Weißt du, dass das Rum früher
geschmuggelt wurde? Vielleicht gab es hier sogar Piraten mit Holzbeinen
und Hakenhänden oder Augenklappen". Paketmann spielte Pirat, er
humpelte durch den Sand und krähte „Auf, Kameraden, entert die Prise!
Tod und Teufel!". Kroko schüttelte den kopf. Wie peinlich Ronnie
manchmal sein konnte. „Das muss gefeiert werden." Paketmann
entstöpselte eine der Flaschen. „Hoch die Tassen!"
In der
nächsten Zeit war Paketmann oft nicht mehr ansprechbar. Entweder
torkelte er am Strand entlang. Oder er hüpfte mit der Flasche um das
Feuer und rief: „Die Hühner tun es! Die Hühner tun es! Die Hühner,
jaaaha.." und so weiter und dann kicherte er immer so eigenartig. Waren
da etwa bunte Kröten drin in den Flaschen? Kroko vermutete es. Bald
hatte Ronnie keine Augen mehr für das Kroko, nur noch für seinen Rum und
Kroko verzog sich wieder ab in den Sumpf. Fische brachte es auch keine
mehr. Sollte der doch sehen wo er blieb, am besten bei seinen Hühnern.
Aber wie man sich das natürlich vorstellen kann, war der Schnaps
irgendwann alle und das war auch keine gute Zeit für Paketmann.
Und als das Kroko eines Tages mal wieder von einer Erbebung geängstigt
zum Lagerplatz floh, fand es dort nur noch Reste und niemand war mehr
da. Da wurde es traurig und kam sich verlassen vor. Doch nach einer
Weile betretenen Umherwanderns fand es einen Pfad und es erinnerte sich
an die Höhle, die Ronnie erwähnt hatte. Nun war der Weg nicht schwer zu
finden. Und so fand es den Menschen abgemagert und krank und zitternd
darumliegend. Mit einer Mischung aus Reue und Genugtuung machte es sich
an die Arbeit und brachte Paketmann mit Futterkokosnüssen soweit
wieder auf die Beine, dass er sich selber weiterhelfen konnte.
Dann wurde alles wieder gut und eines schönen Tages, an dem Kroko schon
einen Reiher gescheucht hatte, nachdem es sich lautlos angeschlichen
und dann geknurrt hatte und Paketmann es mal wieder veralbert hatte ,
indem er behauptet hatte, „Da kommt die letzte Welle!" und beide gerade
in der Mittagshitze dösten (das Kroko mit aufgerissenem Maul), kam
tatsächlich ein Schiff an. Paketmann guckte erst blöd, als käme er sich
vergackeimert vor „Ich glaub, mein Hamster bohnert!", dann aber war er
wie ein geölter Blitz unterwegs, so schnell, dass das Kroko blinzeln
musste, und rief und winkte und lachte. Gemächlich watschelte das grüne
Viergebein hinterdrein. Erstmal „sehen, was die Flut da angespült"
hatte. Diesen Satz hatte es von Paketmann in letzter Zeit oft gehört.
Auf dem Schiff waren Männer, die an Land kamen und sich als Ranger
ausgaben. Sie fragten Ronnie, was er hier zu suchen hatte und
behaupteten, es wäre gefährlich, fremde Tierarten hier auf dem
Somoruarchipel einzuführen. Nun, Paketmann erzählte seine Geschichte.
Das Kroko und die Ventildrossel Teil 7
Warte mal..." Paketmann
kramte in seiner Westentasche. „dacht ich mirs doch! hah!" Mit diesen
Worten zog er ein längliches lila Dingsda mit silbrigen Ende hervor.
„Feuerzeug, immer dabei!" Zzzoschh, sprang ein kleines Flämmchen hervor
und Kroko wich zurück. „Brauchst keine Angst haben, das Feuertier ist
ein Freund, wenn du es bei kleiner Speise hältst. Mal sehen, ob das
Zeug hier brennt." Und sobald Paketmann den Finger vom Feuerzeug nahm,
verschwand auch das Feuertier wieder darin. Paketmann sprang auf und
sammelte ein paar trockene Palmwedel zusammen. Die brannten dann auch
lichterloh und verschickten beißende Glühwürmchen. Kroko ging
vorsichtshalber noch ein Stück weg. Doch sehr lange brannten sie nicht.
„Mist, da muss ich noch weiter inseleinwärts, richtiges Holz holen,
aber heute nicht mehr. Gute Nacht, mein Bester !" Paketmann zog sich in
seinen gelben Pavillion zurück. Ein wenig später wälzte sich Kroko in
der warmen Asche. Dann ging es wieder auf Wanderschaft über die Insel.
Dabei wurde es durch einen heiseren Vogelschrei erschreckt. Das war der
Ruf des Kokoskäuzchens, dass auf Beutezug ausflog. Da versteckte sich
das Kroko doch kurz im Unterholz. Dann kroch es über Steine, mächtige
Wurzeln und schwamm durch kleine Teiche. Alles war dicht be- und
überwachsen. Stachelige Igel kreuzten schnaufend seinen weg.
Fledermäuse flatterten hoch oben vorbei. Im Morgengrauen kam es wieder
zurück zum Lagerplatz und duselte ein.
Am nächsten Morgen
bekam es als erstes eine Ladung Sand ins Gesicht. Neben ihm brodelte
der Boden. Wupps, noch eine Ladung. Kamen da die Kokosnüsse her? Aus
dem Sand? Aber dann kam ein kleiner Reptilienkopf mit lustigen
schwarzen Äuglein zum Vorschein. Na, klar, dass Kroko da nicht gleich
drauf gekommen war. Die hiesigen Krokodile schlüpften. Oder doch keine
Krokos? Noch mehr Köpfchen kamen heraus und dann krochen die kleinen
Racker ganz aus dem Sand. Die runden Panzer auf dem Rücken, das waren
ganz klar Schildkröten. Die so fertig aus dem Sand gekrochenen
watschelten ohne Verzögerung Richtung Meer, wobei sie oft das
Gleichgewicht verloren und Purzelbäume machten. Und da waren sie
plötzlich, grosse rote stieläugige Landkrabben. Hässlich wie die Nacht
und verfressen. Lautlos im Seitwärtsgang schlichen sie sich zur leichten
Beute. War denn keiner zur Bewachung da? Tsss tsss. So eine Schluderei
gab es bei Krokodilen nicht. Weil wirklich keiner weiter da war,
zeigte das Kroko den Krabben die Harke, und schnappte, so gut es eben
ging. Das war gar nicht so einfach, denn allzu groß war das Kroko nicht
und die Scheren konnten höllisch zwicken.
Die kleinen
Schildkröten waren viel zu langsam. „Krabben, wunderbar, gerade
richtig, ich habe ein neues Feuer gemacht." Paketmann bückte sich
„Whoa, da brauchen wir Schnur. Du glaubst nicht, was so eine
Rettungsinsel alles dabei hat". Ronnie sprintete kurz weg, kam aber
gleich mit einer Leine zurück, mit der er den Krabben einzeln die
Scheren am Panzer festband und die Krabben dann aneinander. So konnte
das Kroko die Schildkrötlein ins Meer begleiten und Ronnie bekam eine
weitere Mahlzeit. Im Wasser kamen die Panzerpaddler erstaunlich gut
zurecht. Sie schwammen anders als das Kroko nicht mit ihrem Schwanz,
sondern mit ihren Beinchen. Mann, hier im Flachwasser war aber überhaupt
was los.
Überall zischten kleine Fische umher. Und weiter meerauswärts, zwischen den scharfkantigen Korallen gab es auch grosse Fische. Und Tentakel- und Stacheltiere. Die Fische waren bekömmlicher als die bunten Frösche und auch Paketmann bekam welche ab. Wegen der Hitze am Tage schlief der Grünling meistens dann, wenn Paketmann wach war und ging nachts jagen, auch wenn das wegen der streitlustigen Tintenfische mit ihren tischtennisballgrossen Augen nicht ungefährlich war.
Mittwoch, 10. Juli 2024
You're safe until the fire starts
(Diesen Text habe ich aus meinem alten Blog "Froschtümpel" übernommen, Foto und Titel stammen von dieser Quelle.)
Szenerie Eins: Wieder sitze ich in einem Käfig, der ist in einem grossen, leeren
Saal, Geräusche und bunter Nebel fliehen von irgendwo. Dann setzt sich
eine Raucherin vor mich und erschüttert mich mit ihrem
Nikotin-Nihilismus. Gar nichts sei als man selbst, und das könne man
alles ändern. Es gäbe das Feste ERST nach der Beule. Sie gibt mir ihre
Zigarette für das Schloss. Es gäbe auch keinen Nutzen, keinen Sinn, nur
Emotionen. Tu was du willst. Weg mit mir, mit dir, keine Bilder mehr
jetzt. Sei ein wildes Tier. Der Käfig brennt.
Szenerie Zwei: Ich hab es geschafft, die Feder ist überspannt und gebrochen. Nutzlos
klimpert sie im Abwärtsgang. Auf schiefer Ebene fahre ich hinab mit
schwerer Fuhre. Der Motor bremst und läuft heiss. Metallischer Geruch
drückt die Brust. Funken blitzen, die Hülle zerfällt, die Räder
springen, hulahopp, hopp, hopp. Alte Tonbänder spielen, eine Puppe weint
im Rauch. Ich bin wach, hellwach, das Wasser ist kalt, die Optik
kristallklar, Wale singen mir ein Schlaflied. Doch ich kann nicht
schlafen, ich muss noch weit gehen. Mit einer Fussfessel, an der Kette,
an der Kugel.
Szenerie Drei: An einem Bootssteg am Fluss halte ich an, knie
nieder und tauche einen Finger in den Strom. Das Wasser weicht meinem
Finger, umfliesst ihn. Die Trennung ist schmerzlich, ich werde traurig.
Warum berührt das Wasser mein Innerstes nicht? Gedanken wandern... Weil
keine Öffnung dem Element Einlass gewährt? Von dieser Idee freudeerfüllt
schöpfe ich beide Hände voll und will schon trinken. Plötzliches Grauen
erfüllt mich. Was, wenn Gift darinnen wäre?
Szenerie Vier: Eine weisse Ebene. Ich fühle mich einsam. Ich sehne mich nach meinem Käfig, während sich unter
mir schon alles in Falten zieht. Das ist die Ziehharmonika des Lebens
(mal ist es lang, mal ist es kurz). Eine laute Melodie. Auf einer
wuchtigen Bassnote fliege ich davon.
Montag, 8. Juli 2024
Herr Blattschuss folgt seinen Trieben
Der
Herr Blattschuss wacht morgens auf und ist schon mürrisch drauf. Das
ist sonst nicht so, aber heute. Er weiß heute ist der Tag, an dem er
seinen eingetretenen literarischen Pfad verlassen muss. Sein Doktor hat
ihm das ans Herz gelegt, denn dem Herrn Blattschuss steht eine
Verblödung ins Haus. Herr B. ist süchtig nach Arztromanen. Die
verschlingt er zum Frühstück, Mittagessen und Abendbrot.
"Der Körper liest mit, Herr B." hat der Arzt gesagt. "Sie müssen ihren literarischen Pfad verlassen und auch mal was Gesundes lesen. Gedichtbände zum Beispiel, ja und Erstausgaben erfolgloser Schriftsteller. Die ersten werden die letzten sein, kleiner Scherz, haha, auch Antiquarisches, das ist sehr gehaltvoll, jaja. Schriftsteller war damals noch eine Berufung und kein Beruf, hören sie, Herr B.! Die armen Teufel sind dutzendweise für ihre Ideale in die Kiste gesprungen. Solche ballasthaltige Kost brauchen sie. Nicht den aalglatten Konfekt von Schwester Brunhilde und ihrem ähh, Doktor."
So denkt Herr B. an den letzten Termin und merkt nicht mal, dass er beim Ankleiden die Mütze falsch herum aufsetzt. Draussen regnet es, bald wird es auch schneien. Sorgenvolle Gedanken schieben sich, dicken Raupen gleich, durch seine Morgenwelt. Die muss er loswerden, also dackelt er noch mal in die Praxis, mit verdrehter Mütze und verdrehten Gefühlen.
"Neues
ist gefährlich" händeringt Herr B. "Ich habe von spontanen
Geisteszuständen gehört. Manche Leute sollen danach herumgelaufen sein
und von Niveau geredet haben. Genie und Wahnsinn sollen dicht
beieinander liegen, ja auf offener Straße miteinander schmusen, Herr
Dokter. Einer soll gesagt haben, verkehrt herum gelesen mache das Buch
erst Sinn! Er las ein Telefonbuch Herr Dokter. So was macht mir Angst.
Soll ich nicht lieber auf Liebesromane umsteigen? Die regen bestimmt an,
ja?"
"Nein, Herr B., das sind Gerüchte, nur so leer gedroschenes
Stroh. Leben sie die Vielfalt. Auf einen Hesse können sie schon mal ein
lustiges Taschenbuch folgen lassen."
„Da fällt mir aber ein Stein
aus der Niere, Herr Dokter, Sie machen mir richtiggehend Lust auf die
Avantgarde.“ Gesagt getan. Herr B. schlägt sich wohlfeil ins wilde
Gebüsch, dass die Federfuchser da so struppig wuchernd in die platte
Landschaft kippen. Nachdem er die ausgetretenen Straßen des Mainstreams
hindurchgehüpft ist und nur verächtlich gelacht hat über all die müden
Socken, die Dünnbrettbohrer, die immer nur den Weg des geringsten
Widerstandes gehen und nicht weitergehen wollen, stehenbleiben bei eilig
zusammengenagelten Mythenfetzen und staunend den immer wieder selben
Sensationen nachgeifern, weil sie das Langzeitgedächtnis schon lange für
ein Mitspracherecht unter ihresgleichen eingetauscht haben.
Was für ein
plumper, rückratloser Bückling er gewesen war. Er hat die schönen
einsamen Früchte nicht gesehen, die abseits des Weges unter schweren
Dornen reifen! Doch jetzt kämpft er sich vorwärts. Schon bald hat ihn
kein Mensch mehr gesehen. Er schmaust Festmähler jenseits aller
Vorstellung. Er hat sich ein Haus errichtet mit einem Fundament aus
Folianten noch aus dem Zechstein und Dachschindeln aus Anthologien. Eine
Tür ganz aus Grimoires mit Bannsprüchen gegen Heyne, Bastei und Co. Er
hält sich sogar eine kleine bissige Streitschrift in einem Zwinger aus
Lehrbüchern.
Doch ach, es sollte ihm nicht gut ergehen. Schon bald fängt
Herr B. an, zu interpretieren, mit sich selbst zu hadern, zu
reflektieren und zu sinnieren und zu philosophieren und der ganze
Zirkus. Nach einem russischen Revolutionswälzer ist Herrn B. vier Wochen
schlecht. James Joyce bringt ihn schließlich auf die Intensivstation.
"Abwechslung, Mann! Um Gottes willen!", stirnrunzelt der Arzt. Herr B. blickt ihn gequält an. Er kann nicht mehr anders, nie mehr will er zurück gehen in diese schalen Niederungen des immer wieder kehrenden Dummseins. "Wer einmal aus dem Blechnapf fraß, haarrrgh!", ächzt er und schießt sich mit einem Traktat über "Irrationale Logik" ins Nirwana. Später dann hat man ihn ganz locker auf Telefonbücher umstellen können.
Donnerstag, 4. Juli 2024
Gehirnfernsehen
1.
Ich drücke gerade noch ein paar Knöpfe: Wasmachtdaswasmachtdaswasmachtdas? Irgendwie fühle ich mich nun anders. Wer bin ich, wo bin ich? Warum habe ich Hunger auf Regenwürmer?
"Tut mir leid, an sich selber dürfen Sie nicht rum spielen..." Eine Hand legt sich schwer auf meine Schulter. Das Gesicht dazu kann ich nicht sehen, es liegt im Dunkeln, verdammt, was... "Sooo, das Backup drauf gespielt..., alles klar?" Zzzippp. Muss wohl eingenickt sein. "Ach ja, klar, Herr Doktor, ich hab hier schon mal auf sie gewartet." "Kein Thema, also dass hier sind Sie..."
2.
Seit ich von meinem Arzt so Glückspillen bekommen habe, berührt mich der Libanonkrieg im Fernsehkasten gar nicht mehr so. Erst sehe ich einen Fahrradfahrer, den eine Katjuscha vom selbigen geholt hat, nur die Füsse sind noch übrig. „Sauberer Schuss“, denke ich. Dann ein Schiff mit Flüchtlingen, dass nach Zypern fährt „Da wollte ich auch schon immer mal hin, toll.“
Ich nicke kurz ein. Bob Geldorf weckt mich und sagt mir, dass im Sudan auch diese Nacht wieder tausende Kinder auf der Flucht sind und wünscht mir einen geruhsamen Schlaf.
So ein netter Mensch. Ich lächle still in mich hinein. Die Nacht ist dann wirklich ausgezeichnet.
“And I find it kind of funny
I find it kind of sad
The dreams in which I'm dying
are the best I`ve ever had”
Ich wache auf. Erst ein wenig Müsli, dann die gute Tablette. "Reis and Schein!", wie der Engländer sagt. Mir wird kurz schlecht, dann kalt und heiß und dann geht es wieder. Dann pumpe ich das Fahrrad auf und radle los. Mir wird gar nicht bewusst, wie sich die Landschaft verändert. Lauter ocker Steine, auch Dreck und noch mehr Steine um mich rum. Verdammt heiss auch, Steinofen! Endlich ein paar Gebäude, seltsam, keiner da. Doch, Ziegen. „Mäh!“ grüße ich. Die schlackern mit den Ohren und kauen echt unbeeindruckt. Ein schrilles Pfeiffen schreckt mich auf, dann fliegt etwas großes Dunkles auf mich zu und es wird Nacht.
„Die Apfel- und die Birnbäume erblühten,
Nebelschwaden lagen über dem Fluss,
da ging Katjuscha hinaus aufs Ufer,
auf das hohe, steile Ufer.“
Noch ein Erwachen. Vor mir liegt ein Sack, der mir erzählt er käme von Care und enthielte Weizenmehl. Sauber. Mehlbomben auf Zivilisten.
Das Säcke reden können, ist mir seit längerem bekannt, sollte aber allgemein verboten werden.
Ich sehe einen Mann mit blauen Helm auf mich zulaufen. „Tut mir leid, ist mir aus der Hand gerutscht“ „Ein Mehlsack?“ „Scheiße, nein, Mörtel!“, lacht er. Alles verändert sich wieder.
Ich liege neben einem Baugerüst in der Witzlebenstrasse. Naja.
3.
Ich bin krank. Ich habe eine Missverständnislücke. Aber was fase ich da. Ich denke, jeder macht was aus dem andern. Der Ton rutscht langsam herunter, er ist zu dünn, zwei Finger breit. Die Welt als Hörbuch. Alles klimpert so schnell vorbei wie ein Postkartenständer, aber viel zu schnell und ich soll mir was raussuchen. Aber ich will nicht wirklich die Hand da rein stecken.
Das tut bestimmt weh. Ach ich hab's, ich nehm den Fuß! Wah, was für ein Schlamassel. Jetzt regnet es Ansichten.
Ich nehm nun keine Pillen mehr vom Arzt, die machen mich duhn. Die stapeln sich jetzt im Schrank immer höher, ja sie quellen schon heraus und liegen im Zimmer wie Sand. Manchmal bin ich Dagobert und tauche hinein. Schaumkronen chemischer Freude rasseln über den Balkon.
Von den Siechellen habe ich einen Eimer gestellt, einen rot emaillierten. Zum Sonne einfangen, für die Brille und für die Frösche aus dem Schwimmpool, das Blau kommt vom Curacao, wie man weiss. Goldbrassen setzen auch Segel. Sie schauen sich die Kacheln von unten an und ich fang Fang locker vom 5 Meterkickboard aus, rollend. Easy! Und dann dreht sich das alles um 360°? Ach Sonnenwende. Leise geht der Mond zu Grunde. Das kommt vom Gold! Morgens nicht in den Mund nehmen! Was dann? Regenwürmer?
4.
Den Hunger auf Regenwürmer verspüre ich immer noch ab und an.
Freitag, 7. Juni 2024
Die Handlung, die Wandlung
Die trotzige Behauptung: das Handeln offenbare den Charakter. Was ist
nun ein Charakter? Ist es ein Unterschied, ob man liebevoll zubereitete
Moral, die man dankenswerterweise kindgerecht aufgegessen hat, in sich
fühlt? Oder sich Moral als Erwachsener aneignen muss? Die Moral als
Muttersprache. Das Moralgebäude ist mit vielfachen logischen
Fallstricken bespannt.
Vom "Das macht man eben so." bis zum "Deshalb
macht man das so." ist es beim Lernen der Syntax ein Weg. Dazwischen
kommt "Ist das wirklich gut für den anderen und für mich? Warum? Warum
tut es dann weh? Wieso darf ich nicht verdrängen? Werde ich manipuliert?
Ist Manipulation schlecht?" Beim nüchternen und schonungslosen
Durchdenken prallt man grauenhafterweise gegen unangenehmen Egoismus,
Feigheit und auch schwarze Monster, die vorgeben, die Realität zu sein.
Das heisst auf der einen Seite sind sie hübsch, nur auf der anderen
schwarz und hässlich (wer hat das gesagt?) "Hoppla, Herr Monster!",
entschuldigt man sich und verbeugt sich linkisch und zieht den steifen
Zylinder gerade so, als solle etwas hineingeworfen werden. Besser, sie
alle zu entlassen, die inneren Klassenkameraden? Ja, denn sie sind
verdorben, edle Schimmel sind sie. Sie hinterlassen Leere.
Das fordert
Mut vor sich selbst und ist so seltsam, dass man sich wiederum fragt:
Warum? Wieso darf ich nicht Krüppel bleiben? Oder bin ich heil und werde
zum Krüppel? Wo ist die Wahrheit? Wird mir mein Ich genommen oder wird
mein Ich? Ist am anderen Ende des Ichs das Du, das Wir oder wieder nur
ein Ich und welches? Gebe ich mir etwa selbst die Hand?
Aber ja doch,
ich bin ja alle. Halt, ich darf nicht alle sein. Der Imperativ hat es
mir verboten. Der innere. Da ist noch ein anderer. Die beiden kämpfen,
ich bin das Schlachtfeld. Halt nochmals. Klingt das nicht passiv? Nein,
denn ich lasse kämpfen. Ich habe sie beide bezahlt. Bald bin ich alle.
Bald bin ich wie alle anderen. Die Synapsen werden mir aus den Ohren
herauswachsen wie Tentakel und mich mit allen Wesen verbinden. Ich werde
unsere Fehler verstehen.
Samstag, 1. Juni 2024
Hegel und Marx - die aristotelische Synthese
Diese braucht gar nicht neu erfunden werden, sie ist nämlich schon lange vorhanden: es ist die wissenschaftliche Methode der Induktion und Deduktion. Auch diese hat ihren Ursprung in der platonischen Ideenlehre und wird seitdem weiterentwickelt. Dabei meine ich nicht die Benutzung von Modellen und Plänen an sich, die sicher noch weiter zurückgeht, sondern die Erkenntnis Platons, dass göttliches Modell und menschliche Erfahrung gegensätzlich sind und seine Argumentation, Geometrie sei ein göttliches Ideal. Sein Schüler Aristoteles führte dann die Induktion, die Abstraktion von Naturphänomenen, ein. Die Abstraktion ist dann schon die diesmal ganz menschliche Modellbildung, Idealisierung. Die Anwendung des Modells auf die materielle Wirklichkeit ist schliesslich die Deduktion. Induktion und Deduktion sind die Vermittler zwischen geistigem Ideal und materieller Wirklichkeit und Aristoteles schliesslich der Gewinner des Conradtschen Preisausschreibens. Mit der wissenschaftlichen Methode gewinnen wir aus materiellen Tatsachen geistige Idealvorstellungen (Modelle) und mit diesen Vorstellungen beeinflussen wir wiederum die Materie.
These und Antithese lassen sich ideell einerseits als unterschiedliche Mengen und die Synthese als Schnittmenge darstellen. Andererseits können These und Antithese auch polare Punkte einer geordneten, quantifizierbaren Menge sein (z.B. schwarz und weiss in der Graustufenmenge). Falls beides nicht gelingt, können beide immer noch durch eine qualitative Übermenge eingeschlossen werden. Es geht also immer um eine Erweiterung des gedanklichen Blickfelds. Materiell gelingt die Synthese durch Umverteilung von Materie, also Taten. Die Synthese beider Thesen gelingt durch Feedback, also deutsch Rückkoppelung. Tat-Erkenntnis-Tat-Erkenntnis.... Das Ergebnis von Rückkoppelung ist Weiterentwicklung.
Bonusmaterialspinnerei:
Bisher habe ich die Dialektik als Methode behandelt. Bleibt noch die Dialektik als Weltbild, ein leicht esoterisches Unterfangen. Holen wir nun noch weiter aus und meinen, der Geist sei eine spezielle Dynamik und Verteilung der Materie. In diesem Sinne hätte Marx dann Recht, die Materie bestimmt den Geist, ja sie IST der Geist. Andererseits besteht Materie hauptsächlich aus physikalischen Kraftfeldern. Damit sind wir schon bei Einstein. Energie ist die Synthese von allem. Energetische Dialektik ist en vogue. Eine Dialektik nicht über Mengen oder Materieverteilung, sondern über Energieverteilungen, gleich mit Anschluß an die Informationstheorie. Und hoppla, wie schön sich der Kreis schließt. Betrachtet man Information als Geist, ist man schon wieder bei Hegel. Genauer betrachtet stehen sich heute also nicht mehr Marx und Hegel gegenüber, sondern klassische Physik und die Informationstheorie.
Hier nun noch eine kurze These über die Frage, ob Zeit und Raum
gequantelt sind. Das ist eine Frage, mit der sich unter anderem die
Theorien der Quantengravitation beschäftigen. Zeit und Raum sind eigentlich reine Messgrößen, die in ihrem
Fall den Geschwindigkeitsanteil von Energie beschreiben. Die kleinste
Energieeinheit ist der Planck-Quant. Dazu existieren auch eine
Planck-Zeit und eine Planck-Länge. Weiter können wir Energie, Zeit und
Raum nicht auflösen, dies ist das kleinste mögliche Beobachtungsraster.
Da Zeit und Raum also menschliche Hilfsmittel sind, um die
physikalische Wirklichkeit zu erfassen und beide auf der Energie
basieren, sind sie dadurch möglicherweise
gequantelt. Es wäre also nicht die Brille kariert, mit der wir Raum und
Zeit betrachten, Raum und Zeit wären die karierte Brille, mit der wir die
Energie betrachten.
Wir haben da für die kinetische Energie =1/2 x Masse x (Raum / Zeit)^2
Änlich gilt für die Wärmeenergie = Masse x Wärmekapazität x Temperaturunterschied
Trotzdem existieren Ausdehnung, Zeit und Masse natürlich auch ohne dass sie gemessen werden und sind intuitiv erfassbar. Energie hingegen ist ein abstraktes vereinheitlichtes menschliches Konstrukt. In „Was ist eigentlich Vernunft“ benannte ich die Eigenschaften von Objekten als die einzige natürliche Größe und alles darauf Aufbauende abstrakt. Aber hier sind wir in einem Dilemma, denn man kann nicht beweisen, dass es kleinere Messeinheiten gibt ohne dass man sie messen kann. Und da wären wir wieder. Alles was über kleinste und größte Messgrenzen hinausgeht, kann zwar gedacht, aber nicht erfasst werden. Naturwissenschaften sind kariert. Geisteswissenschaften sind kontinuierlich.
(Bild: Wikipedia)
Sonntag, 26. Mai 2024
Das Kroko und die Ventildrossel Teil 6
Derweilen unter Wasser:
Ich muss träumen, dachte der kleine Grünling, von seiner schweren
Halskrause befreit. Scheu tasteten seine Scheinwerferaugen durchs
Dunkel. Wie wunderschön sie ist. „Wer bist du?", fragte es. „Ich bin die
Meeresgöttin Margo." „Mein Wille ist es, meine Kinder vor Unrecht zu
beschützen." „Danke!" „Leider kann ich nicht überall sein" Jetzt sah sie
traurig aus. „Was für schöne Augen du hast", sprach sie. „Wohin
bringst du mich?" „Nach Haus...." Kroko strahlte vor Glück. „Nach
Haus..." wiederholte es und dachte an das Drosseli.
Unvermittelt rümpfte es die Nase. Irgendetwas roch hier seehr
eigenartig. Blubb, Blubb. Kroko trieb wieder im Sumpf. Blasige Blasen
stiegen um es herum auf, Kleinblasen und Grossblasen. Aua, der Kopf
brummte und puhh, wie das stank! Kroko kannte das von zu Hause: entweder
man hatte Besuch im Teich oder die Luft wurde bald knapp. Auf jeden
Fall hieß es Leine ziehen, denn was immer es war, es war ob der
Blasenzahl mächtiger als der Grünling. Also wieder heraus aus dem Sumpf
und an den Strand, mal sehen was Paketmann so trieb. Auf dem weg dahin
grummelte und bebte der Fußboden so eigenartig und es war beinahe wie
im Traum noch. Es dauerte eine Weile, bis Kroko den Paketmann fand. Der
hatte sich inzwischen aus dem gelben Aufblasdingens und ein paar
Stöcken am Strand eine Art Käfig mit Dach gebaut, unter dem er nun saß
und mit einem Stein wie ein Besessener auf einer der Kugeln
herumklopfte, von denen eine unserem Vierbeiner beinahe auf die Nuss
beziehungsweise den Kopf gefallen war. Neben ihm lag noch ein ganzer
Haufen solcher Kugeln, auch Kokosnüsse genannt...
Forsch
watschelte Kroko darauf zu und biss in eine hinein. Krach. Dann die
nächste. Knack. Und weiter. Die Dinger mussten unschädlich gemacht
werden, bevor sie wieder auf die Bäume kletterten. „Na, da bist du ja
wieder, hee dass sind meine... super, du kriegst sie auf!" war
Paketmanns wirre Begrüßung. Dann sprach er erstmal eine Weile gar
nichts, weil er mit seinem Steinchen und auch den Fingern die weißen
Innereien der Kokosnüsse in sich hineinstopfte und schmatzte. „ Du bist
ein prima Nussknacker", sagte er später. „Komm lass uns ein Nickerchen
machen".
Das war eine vernünftige Idee, aber Kroko wollte es
ein wenig kühler und buddelte sich vorne weiter eine Kuhle in den
feuchten Sand, die sich mit Wasser füllte. Hier ließ es sich vorzüglich
pennen. Schhhhhh, machte das Meer. So ratzten sie eine Weile lang, bis
sie wieder ein Grummeln und Beben aus dem Schlafe riss. Das Kroko
watschelte zum Paketmann und schaute ihn fragend an. „Hast Dus auch
schon mitbekommen, was? Guck mal nach da oben." Es guckte und staunte.
Es gab keinen Zweifel, da war ein ganz schön hoher Berg da oben.
Donnerstag, 9. Mai 2024
Worte
Bunt sortiert in Muschelgängen,
wo sie purzeln, schieben, drängen,
Schalltierfreunde, klein und niedlich,
harmlos und doch selten friedlich.
Die sich an den Händen fassen
und einander wieder lassen.
Hämmern eifrig an den Dingen,
dass die Schnecken hell erklingen.
Unweit, im Tel’graphenstübchen,
hockt ein recht betagtes Bübchen.
Handlich, was herüberweht,
packt er in ein Sinnpaket.
Herr Denk, Frau Fühl und Old Erfahrung,
brauchen diese Nervennahrung.
Schliesslich wollen diese Fritzen
sie für die Erkenntnis nützen.
Doch Erfahrung weiss auch schon,
Erkenntnis ist nicht nur aus Ton.
Das Wort, nur ein Geräuschbehältnis,
kann nicht sehen, wie die Welt ist.
Ohne Griff und helles Licht
reichts selbst für die Erkenntnis nicht.
Und der Geschmack, oh Graus und Schmach,
geht immer nur der Nase nach.
Mittwoch, 8. Mai 2024
Ritterballade (kooperativ mit Cornelia)
im heißen Land der Bengalen.
Denn unter der heißen Sonne
litt er scheußliche Qualen.
schob eiskalt seinen Todesfrust.
Auch dieser verliebte sich Hals über Kopf,
spielten sie später dann Schach.)
Das Kroko und die Ventildrossel Teil 5
Doch zurück zur
Kaptänskajüte. Nun, wir wollen nicht verheimlichen, dass der Käpt'n
neben jeder Menge Gold auch noch einen Papagei namens Master Mine
besaß. Das war ein schneeweißer Kakadu, der seinen Schopf lustig auf
und nieder stellen konnte und auch sprechen, zum Beispiel: „Galeone in
Sicht! Fertig machen zum entern! Gehauen und gestochen! Spießgesellen!
Spitzbube! Bandit! Teufel, Teufel! Mistviech, halt den Schnabel!" und
so weiter. „Wo hab ich denn deinen Käfig verramscht, Kamerad?" „Dein
neuer Genosse braucht glaub ich, ein wenig gesiebte Luft fürs erste!
Zackige Zähne und gerissene Äuglein! Sicher ist sicher, sonst beißt du
mir im Schlaf eins, zwei die Nase ab, nicht war?" Der stählerne Haken
bohrte sich unter Krokos Kinn „Ich hab dich gleich durchschaut" Und
dann lachte der Schwarzbart, dass die Schärpe wackelte. Und fiel
vornüber aufs Gesicht. Ein mächtiges Wummern erschütterte das Schiff.
Beim vornüber Fallen griff Schwarzbart nach der Tischplatte und warf
das Möbel mit Schwung in die Senkrechte, worauf das Kroko kopfüber in
einem goldenen Krug landete, so das nur noch die Hinterfüße und das
Schwänzchen zu sehen waren. Auch Mr. Graven an Deck, der noch immer
brütete, woher das verdammte Krokodil so plötzlich aufgetaucht, gar vom
Himmel gefallen (er war etwas schlauer als der Käpt'n) war, setzte sich
auf seine vier Buchstaben. Den Dreispitz schob er sich vom Gesicht und
runzelte erneut die Stirn. In den Mannschaftsräumen fielen die
Schlaf-Piraten aus den Kojen, suchten nach ihren Entermessern und
Laternen. In der Kombüse hopsten die Töpfe vom Haken. Holzbeinmann
blickte über die leere, aufgepeitschte Wasseroberfläche. Irgendetwas
Unterseeisches wütete am Schiff und die Gallionsfigur war bereits aus
ihrer Verankerung gerissen und verschwunden.
Da,
ein riesiger, grüner, schuppiger Leib! Da, eine Klaue! Wumm! Mr. Oars
hielt das Ruder und betete. Endlich kam Bewegung an Deck.
Aufgescheuchte Piratenmatrosen brachten ihre Gewehre in Stellung und
schossen ins Wasser. Dann fuhr eine grüne Faust mit einem gewaltigen
Hieb durch die Schiffswand, genau da, wo die Kaptänskajüte lag.
Holzsplitter regneten. Und das Ungeheuer richtete sich auf übers
Wasser. Einige der Matrosen plumpsten in die See. Die anderen erstarrten
vor Entsetzen. Was sie da angriff war, eine riesenhafte Verkörperung
ihrer schuppigen Schutzgöttin Margo, genau, wie sie als Gallionsfigur
vom Bugspriet gehangen hatte. Halb Fisch, Halb Frau. Sie waren
verflucht.
Im Zeitlupentempo zog sie die Faust wieder aus dem
Schiffsrumpf. Etwas güldenes, in ihrer Hand fast winziges blinkte
darin. Triumphierendes Gelächter erschallte. Bösartig und verlockend zu
gleich. Die Männer an Deck hielten sich nun die Ohren zu und besonders
Furchtsame warfen sich mit dem Gesicht zu Boden. Margo riss die Augen
weit auf und schüttelte ihre meeresgrünen Haare. Seetang und –sterne
flogen umher (Mr. Oars bekam einen ins Gesicht). Mit einer flinken
Handbewegung knickte sie den Hauptmast der Brigg, als sei es ein
Streicholz. Ein zufriedenes, meterlanges Lächeln spiegelte sich auf
ihrem Antlitz. Dann versank sie im Meer. Die Brigg, nunmehr ein Wrack,
dippte in ihrem Strudel. Aus dem Kapitänskajütenloch flog etwas Weißes
und schrie:"Hurrra, Hurra, gehauen und gestochen! Auf die Beine ihr
Halunken!". Dann war alles ruhig.
Samstag, 4. Mai 2024
Das Kroko und die Ventildrossel Teil 4
Die Nacht war sternenhell und es befand sich auf einem schwankenden Holzschiff. Auf und ab. Auf und ab. Weisse Stoffbahnen blähten sich an drei Mastbäumen. Und am höchsten Mast ganz oben flatterte eine Schädelflagge! Tock, tock, tock. „Wen haben wir denn da?" Der Velourgrünling schaute in ein langes, knochiges Gesicht mit schmallippigem Mund, Hakennase und kühlen hellgrauen Augen, umrandet von ebenso grauem, silberigem Haar, auf dem ein Dreispitz saß. „Guck guck!" Eine Hand mit stählernem Griff umklammerte seine Schnauze und das Kroko verlor den Boden unter den Füßen. „ Ein willkommene Abwechslung für die Küche, har, har. Du kommst in den Topf, mein Kleiner!" Dann richtete der Mann sich auf (er war sehr groß und trug das bibberige Speiseplankroko über Deck. Mit seinem Holzbein (tock, tock) unterhielt er dabei die Männer unten in ihren Kojen ganz ausgezeichnet.
Die Sterne beguckten noch immer die Schiffsplanken und manchmal
blinzelte eines. So sahen sie auch, wie der lange graue Mann mit dem
Kroko unter dem Arm unter Deck verschwand. Aber Sterne sind eitel und
sonnen sich nur in ihrem eigenen Licht. An der Tür griff der
Holzbeinmann nach einer Petroleumfunzel. Dann ging es über wackelige
hölzerne Stufen abwärts. Tock, tock.
Ein riesiger, krummer Schatten
folgte ihnen. Kroko hielt sich die Vorderbeine vors Gesicht. Dann
blieb der graue Hühne stehen und hämmerte gegen eine Tür. „Käpt'n!
Neuigkeiten!" Hinter der Tür rumpelte es, Glas klirrte und ein paar
saftige Flüche folgten. Knarr, das Brett öffnete sich einen Spalt breit
und ein Pistolenlauf schob sich dazwischen hervor. „Mr. Graven, wenn's
nichts Ernstes ist, landen sie bei den Fischen, ich schwör's!" „Nee,
Käpt'n! Ich hab was Lustiges gefunden." „Hah, sag's doch gleich, alter
Halunke! Hereinspaziert!" So schwang die Tür auf und gab den Blick auf
einen Mann frei, der etwas kleiner war als Holzbeinmann. Wie dieser war
er nicht besonders dick, sondern drahtig und wettergegerbt. Im Gesicht
wucherte ihm ein wilder schwarzer Bart und seine Augen funkelten wie
polierte Metallkugeln. So schwarz wie sein Bart war seine Kleidung, von
der sich eine rote Schärpe albern abhob. Mit einer weit ausholenden
Geste hieß er den Grauen eintreten und steckte die Pistole zwischen
Wams und Schärpe. Wo seine rechte Hand hätte sein sollen, war ein
Haken. Ein schmieriges Lächeln bemächtigte sich seiner. „Nun raus mit
der Beute, har, har!"
Schwarzbart schob mit der Hakenhand ein
paar leere Weinflaschen vom Tisch, die zu Boden polterten und im
Halbdunkel zwischen güldenen Kelchen, Kisten mit Dublonen, Edelsteinen,
Perlen und Elfenbeingötzen verschwanden. Mr. Graven packte das Kroko
auf die Platte, die Schnauze weiterhin fest umklammert. „Naa? Zuviel
versprochen? Fass mol dran" „Ich wird verrückt, ein Krokodil mit Fell!"
„Sollen wir das essen?" Sofort guckte Holzbeinmann wieder in die
Pistolenmündung. „Das könnt euch so passen" diesmal hatte die Stimme
des Käptn's einen messerscharfen Schliff. „Ordinäres Gesindel! Ohne
Bildung und Verstand! Ihr würdet ein Kiste Gold nicht erkennen, selbst
wenn ihr mit dem Gesicht drin läget! Das ist jetzt meins! Jeder, der
sich dem Ding auf fünf Schritt nähert, bekommt den Scheitel gelüftet,
beim Barte meiner Großmutter ! Nun raus, du stinkender Holzknochen!
Willst du meine Zeit stehlen?" Holzbeinmann ließ die Krokoschnauze
zögernd los und wich zurück. Böse grinsend schloss er die Tür. Sobald
der widerliche Trunkenbold wieder einmal besoffen röchelnd in seiner
Kajüte lag, würde er keinen Piaster mehr auf seine schwarze Seele
verwetten. Einen Dietrich hatte er schon lange. Da pfiff er sich eins
und grüsste im Vorbeigehen den Steuermann. „Einen gesegneten Abend, Mr.
Oars!" Mr. Oars nickte schweigend.
Freitag, 3. Mai 2024
Das Kroko und die Ventildrossel Teil 3
Das Kroko blieb auch
noch einen Weile liegen, und als der Morgen herandämmerte wurde
Paketmann wieder wach. „Hallo mein grüner Freund", flüsterte Paketmann
und setzte sich ächzend auf. „Hund und Katz, wo sind wir hier bloß
gelandet?" Sogleich begann er seinen Körper zu begutachten, ob noch
alles da wäre. War noch alles da. „Bei dir alles ok, Kroko? Warte, so
kannst du hier nicht rumlaufen." Paketmann nahm dem Kroko den Maulkorb
ab.
„Aber schön merken: Ronnie ist kein Futter." Paketmann versuchte
zu lachen aber es hörte sich mehr so an: "Hahaauaaua!" (War wohl doch
etwas mitgenommen). „Nu, was guckst du so? Troll dich!" Da hatte
Paketmann recht und Kroko machte sich auf die Socken. Nichts gegen den
Strandsand. Der war schön weiss und weich, und eignete sich bestimmt
gut zum Eiereingraben. Aber da hatte es von ferne ein paar Geräusche
gehört, die ihm bekannt vorkamen. So ein Glucksen und Blubbern, so ein
Piepen und Quaken. Konnte es sein?
Nach dem Sand hieß es sich
zuerst durch jede Menge langfingeriges trockenes Laub wühlen. Bei
Gelegenheit stellte Kroko fest, dass diese Langfingerblattbäume
überhaupt keinen Schatten spendeten. Und man konnte sich nicht unter
ihren Wurzeln verkriechen. Wozu waren sie gut? Bums! Landete ein großes
rundes Dings vor seiner Nase. Vorsichtshalber biss das Kroko hinein.
War es gefährlich? Und weil Krokodile kräftige Kiefer haben, zerbrach
das runde Dingens. Es war innen hohl und schien nicht weiter lebendig
zu sein. Auf jedenfall nichts zu Essen für ein Kroko. Und weiterhin
waren Orte, an denen Sachen vom Himmel fielen ungesund, jawohl! Also
weiter... Es ging noch über ein paar schwarze, raue Steinbrocken, durch
dickes und kratziges Unterholz. Sehr gut, denn hier war es nicht so
heiß.
Und wie es richtig vermutet hatte wurde der Boden bald
matschiger und wässeriger und jede Menge geflügelte kleine Sachen
flogen durch die Gegend. Ach das war fast wie zu Hause, nur noch besser
hier! Und was hatte das Kroko auf einmal für einen Hunger nach
glupschigen Unken oder einem schönen Mulch! Mjam! Als es den ersten
Frosch an einem Zweiglein herunterhängen sah, kümmerte sich das Kroko
nicht darum, dass der rot war, sondern machte einen herzhaften Haps.
Prima, man konnte sein Essen hier vorher sehen! Bis zum Abend hatte es
sich Leckerbissen aller möglichen Farben einverleibt und trieb gemütlich
und zufrieden in einem modderigen Tümpel, aus dem tote Holzstumpen
staken. Da der geneigte Leser ja nun aber weiß, dass man exotische
Lurche nicht essen soll wegen ihrer Giftigkeit, ging es dem armen Kroko
bald seeehr schlecht. Und es hatte einen gar fürchterlichen Traum.
Dienstag, 30. April 2024
Das Kroko und die Ventildrossel Teil 2
Lichtspiele waren hier
auch nicht erwünscht, nachts wollten alle schlafen nach dem harten Tag.
Der Gilluck (übrigens ein Langhaargilluck) hatte einen fürchterlich
rasselnden Atem, und weil dass so an das Ventilklappern erinnerte,
gesellte sich das Kroko zu ihm. Und jeden Tag wurde gestreichelt, was
ging. Das war nett so eine Zeit lang. Die grossen rosa Säuger kamen in
Scharen und brachten kleine rosa Säuger mit, die sich kaum auf ihren
wackeligen Beinchen halten konnten. Da ruderten sie mit den Ärmchen und
die grossen Augen und der Sabber lief ihnen aus dem Mund und der Nase
und drückten und knuddelten und gaben der dicken kleinen Ziege
Zuckerstückchen damit sie noch dicker würde. Oder man setzte sie auf
das Pony Peggy wo sie aber festgehalten werden mussten. Hü, Hopp!
Riefen sie und Peggy wieherte. All das leuchtete dem Kroko ein denn
sein Fell wurde prima sauber durch die Hände und so kam es eines Tages
auf die Idee, auch die kleinen rosa Säuger sollen was davon haben und
versuchte eines zu streicheln. "Buhää" war die Antwort und das grosse
Zubehör sagte was von "gemeingefährlich" und "Zooleitung" und trug den
Sabberlatz schnell weg. Da gab es abends eine Verwarnung vom
Zooleiteraugust, die sich gewaschen hatte: Was hast du dir dabei
gedacht. Halt gefälligst stille. Beim nächsten Mal kommst du in eine
Handtaschenfarm. Da wurde das Kroko störrisch und tat, was sein Name
sagte, nämlich es sperrte alle Streichelhände ab indem es mit seinem
zackigen Krokoschwanz draufhaute. Vielleicht war es ja in der
Handtaschenfarm ruhiger und man konnte mit diesen Handtaschen besser
auskommen.
Es dauerte auch nicht lange und der dicke August
wurde auch ganz dicke wütend. So, das hast du nun davon, sagte er,
jetzt muss ich mich schon wieder über dich erzürmen, schnappte sich den
Handabsperrer und verschickte ihn kurzer Hand in einer neuen Kiste
nach Übersee, Ziel Handtaschenfarm. Die gehörte einem gewissen Carlos
Haventyouseen.
Es waren Löcher in der Kiste und so konnte das Kroko
erstaunliche Dinge sehen, besonders auf dem grossen Platz mit all den
Metallvögeln, die anstandslos sowohl Kisten als auch Menschen aßen.
Eierbusse oder so ähnlich. Aber es sah aus, als sollte einer der Vögel
auch ihn verschlingen! Da wurde es dem Grünling in seinem Kasten
schummerig und ohnmächtelig. Aber drinnen war es dann doch ganz warm
und gemütsam. Aber wie es so ist, der Paketflieger stürzte ab (wobei
die Kiste vorteilsweise in Stücke zerfiel) und es überlebte keiner
außer dem Kroko und noch einem Mann, Ronald Eugene Turntosender
(Paketmann). Es gab einen fürchterlichen Gerums und Krach und dann war
alles weg, nur noch Wasser, wow so viel Wasser, und wie doof das
schmeckte.
Das
Kroko konnte prima schwimmen und Paketmann hatte in gelbes Aufblasteil
dabei. Kroko schwamm immer nebenher, weil es sonst nicht wusste wohin,
und Paketmann äugte zuerst skeptisch, aber mit der Zeit wurde er zu
erschöpft, um misstrauisch zu sein.
So schaukelten sie des Nächtens
an das Gestade eines fernen Landes wo die Bäume nur ganz oben Blätter
hatten und mit grossen Holzapfeln nach Einhergehenden warfen.
Als
die Brandung sie an das Festland geschoben hatte, kroch Paketmann aus
seinem gelben Aufblasdings und pennte gleich am Strand ein.
Freitag, 26. April 2024
Das Kroko und die Ventildrossel Teil 1
Es waren einmal ein
kleines Handabsperrkrokodil und eine Ventildrossel. Die lebten beide in
einem sumpfigen Sumpf und waren einander sehr zugetan. Da hatten sie
nun aber einigen Tages genug von ihrer modrigen Heimstatt, wo es nur
schrumpelige Mulche und glupschige Unken zu essen gab. Außerdem konnte
man des Nebels wegen die Hand nicht vor Augen sehen und so erkannte das
Handabsperrkrokodil die Ventildrossel nur an ihrem Klappern und die
Drossel das Krokodil nur an seinen grossen Augen, die leuchten konnten
wie Scheinwerfer. Das Klappern war wie ein Sonar nur es funktionierte
gar nicht, weil die Drossel eiliger als der Schall dahinhuschte. Des
öfteren veranstaltete das Krokodil lustige Schattenspiele für die
Drossel und selbige entspann eine kunstvolle Kakophonie dazu: klapp,
klapp ...
Nun also setzte sich die Drossel auf den schuppigen
Rücken und das Krokodil begann in eine Richtung zu laufen von der es
nicht wusste, welche es war, aber irgendwo musste es ja nach woanders
hingehen. Und wirklich, alsbaldig wurde der Nebel lichter und der Boden
tragfestiger. Und es ward eine grüne Wiese im Sonnenschein und
sahneblauer Himmel. Da sahen sie sich das erste Mal richtig. Das war
eine Freude! Das Krokodil war grün und passte gut zum Gras und die
Drossel konnte mal 5 Meter ohne eine bäumische Kopfnuss geradeaus
fliegen. So zirpte sie hin und her und zerbrach dabei einige
Schallmauern und das Kroko machte Purzelbäume und Handstände. Hier
wollten sie bleiben. Nun aber lebte nicht weit entfernt ein
jähzorniger kleiner rothaariger Mann namens Koboldt Nickel. Der hatte
zwei fürchterlich hässliche Hunde die Puter und Fitüre hießen.
Er war Streichelwildjäger und immer auf der Jagd nach neuen Insassen
für den bekannten und weltberühmten Streichelzoo seines grossen dicken
weisshaarigen Freundes August Schwafelsam mit einer dicken, rötlichen
Knollennase, durch die er oft schnaufte...
Beiden war Tierschutz völlig schnuppe!
Inzwischen hatte es angefangen zu regnen und das Drosseli hockte unter
Krokos Bauch und war schon wieder verdrießlich, wobei es mürrisch vor sich hinklapperte, weil nass war es im Moor auch ganz oft gewesen. Doch dann wurde es Nacht und das Getröpfel hörte auf und das Krokodil machte Disco Beleuchtung zum Takte der Drosselventile. Das entging dem bösen Koboldt nicht. Denn er saß des Nachts auf seiner Veranda und trank wilden Wein aus Würfelbechern. Da hatte er doch mal wieder mehr Glück als Verstand gehabt!
Mit Schwung erhob sich Rothaar-Koboldt (dein
Kopf brennt, hatten die Schulkinder früher immer zu ihm gesagt), aber
weil es in seinem Kopf ja auch ein bisschen matschig war verließ er die
Treppe in merkwürdiger Schräglage und landete bäuchlings zwischen den
Hühnern. Richtig, die mussten ja auch noch in den Stall. Was war er
wieder säumig gewesen, das würde mächtig Schimpfe geben, aua, aua.
Und da kam schon die neugierige Trulla Nickel herausgetrippelt und
krähte: "Was soll das für ein Gerumpel, Koboldt! Bist du wieder
betrunken? Und die Hühner noch außen. Muss ich alles selber machen?"
Jetzt schlug sie noch die Hände über dem Kopf zusammen, das konnte er
leiden.
„Spute dich Kopoldt und dann app ins Bett!" Nie kam sie,
wenn er was wollte. Also stellte sich Koboldt auf seine Hinterbeine und
stampfte mit den selbigen und lief rings herum puterrot an: „Frau!
Nein! Ich werde jetzt noch mal mit den Hunden raus. Geschäftlich, da
geht nix! Die Hühner schaffst du rein, mach auch mal was!
Rabatzmacherin."
Da lag schon auch ein leichter Schwefelgeruch mit
in der Luft. Worauf die Trulla Lippen und Äuglein zusammenkniff, sich
auf dem Absatz umdrehte und wortlos im Haus verschwand. Dort nahm sie
ihr Strickzeug und pfiff sich eins. Das mit dem Pfeifen ging schon aber
das mit dem Stricken klappte noch
nicht so gut. Koboldt stand nun
stramm und zog die Trillerpfeife:" Hühner antreten!" Das waren nicht
umsonst Westpoint Militärhühner die er von August geschenkt gekriegt
hatte. Trillller! Alle Hühner standen stramm da, bis auf das, auf dem
Koboldt gelegen hatte, das torkelte. „ Auf zum Stall, hut, hut, hut"
Vorauseilend schob er die Tür auf und ein Federweisser nach dem anderen
marschierte zack, zack durch die Öffnung: Huhn, Huhn, Hahn ........
Torkelhuhn, Schluss, Schloss, klick. Jetzt zum Hundezwinger und den
Wagen klar. „Komm Puter! Komm Fitüre!, Wir gehen auf die Jagd,
Streichelzeit!" Puter und Fitüre sprangen wie die Gummibälle um
ihn herum. Und so fing er die beiden Kroko und Drosseli ganz einfach
und hinterrücks weil die inzwischen sehr müde dem Schlaf anheim gefallen
laut schnarchten und klapperten, was das Zeug hielt. Zuvor war ihre
Musike noch von einigen Trommelkaninchen verstärkt worden aber die
wohnten weiter unten am Fluss und waren deshalb schon längst weg. Und da
ging es holterdiepolter in der Kiste zum Streichelzoo.
Das
erste, was die beiden unfreiwilligen Kisteninsassen erschreckte, war
Augusts Rübennase, so fest hatten sie geschlafen. Drosseli verkroch
sich hinter dem Kroko, das nichts zu verkriechen hatte und deshalb leis'
durch die Zähne knurrte. Na, aber da hatte es die Rechnung ohne den
August gemacht. Geschickt und schnell bekam es einen Maulkorb. „Ein
Handabsperrer aus der Familie der Velourkrokodile sehr schön Koboldt."
Tatsächlich sah das Kroko nur schuppig aus und hatte eine sehr weiche
und kuschelige Oberfläche mit Streichelgüte A. „Das pummelige Vöglein
hier nehme ich aber nur umsonst. Na, trinken wir erst mal einen drauf,
werden uns schon einig." Und haute dem Koboldt auf die Schulter, dass
die Knie einsackten und ein O machten. Der freute sich aber trotzdem, da
musste er nicht zu seiner Frau nach Hause und hatte eine Ausrede. Die
Kiste ging wieder zu und nur von Zeit zu Zeit war ein Ausruf hörbar:
Behumst du mich auch nicht? Alter Spitzbube ! Das ist ein Sonderangebot,
klarer Fall! Schnickschnack, Prost! Hahahaha! Nur im Paket, dann auch
Paketpreis! Da will ich tot umfallen und Schlemil heißen!"
Und
so kam dass Handabsperrkrokodil in das Wildstreichelgehege und die
Ventildrossel zu den Singvögeln in die Voliere wo sie nicht mehr
klappern durfte und das Singen lernten sollte. Im Wildstreichelgehege
lernte das Velourkroko dann auch noch andere Tiere kennen: einen
Angorafrosch, einen Gilluck, eine Multilope, die Schnurstraxe und die
Duckmaus und einen Sägezahnhamster und mehr. Mit dem Maulkorb konnte es
aber nix sagen.
Montag, 22. April 2024
Zweimal geschüttelt
Es fragt die Frau vom Standesamt,
die von den hohen Anden stammt,
den Mann mit einem Geissenbart,
ob er ihr was zum Beissen gart.
………………………
Beim Dämmerlicht den Spähbericht
Der Sperber mit dem Reh bespricht.
Er sah, statt dass der Füchse fangen,
Den Förster um die Büchse bangen.
Dieselbe tat zur Linken schiessen
so dass, -statt anvisiertem Ziel-
Fünf Kohlköpf' ihre Schinken liessen.
Beim Waldesgrund, in tiefer Nacht,
Das Reh sich immer schiefer lacht.
………………………
Es waren zwei alte Witwen,
die schrieben gern Algorithmen.
Dann stockte das Netz,
es empfahl das Gesetz,
dass sie sich dem Steckhalma widmen.
………………………
Erwin, dem der Brägen flötet,
weil er sich recht zugelötet,
legt das Eis gewandt anstelle
ins Frostfach in die Mikrowelle
Und als das Glöckchen dann erklingt
und es dezent nach Himbeer stinkt
und er es ganz sicher weiß
ruft er leis: das Eis ist heiß!
………………………
Und die Frau frug das Gespenst:„Wie sind sie denn gestorben?
Sie haben doch nicht so mir-nichts-dir-nichts ein Geisterdasein erworben?“
Der Geist und Emil waren zu Lebzeiten ein Gaunerpärchen.
Irgendwann wollte der spätere Geist einen "Bruch" machen, bei dem Emil
nicht mitmachen wollte und darum hat Emil zwar so getan, als ob er
mitmachen würde, hat aber die Leute vorher gewarnt, damit der Einbruch
nicht klappt. Leider wurde späterer Geist (da fehlt mir leider der Name)
auf der Flucht getötet (Unglück oder bei der Verfolgung?) und Emil
schwer verletzt. Letzterer liegt nun auf der Intensivstation, mehr tot
als lebendig (darum findet ihn der Geist auch nicht).
Falls Emil auch noch stirbt, sind die Freunde wieder zusammen. Entweder
beide als Geister oder sie sind dann beide bereit, ins Licht zu gehen …
Sonntag, 7. April 2024
Drachenschmaus (gendergerechte Version)
jedoch mit nur einem Kopfe es sich in just denselben setzt,
es täte seinem Stande gut wenn er einen Prinzen frässe.
Und während er geringelt ruht, vor seiner Höhl ein Herold krächzt
dass im nahen Schlosse hier gibt es ein Turnier um Vier
und jeder Heldin ständ es gut, wenn sie dort im Sattel säße.
Des holden Prinzen fernes Bild spiegelt sich in mancher Rüstung,
als er lichtumflossen steht auf des Schlossturms enger Brüstung.
"Ich sag euch, das Turnier beginnt, für den Prinzen Wiedekind!
Seine Hand wird der gebühren, die weiß die stärkste Lanz zu führen."
Die Ratten in der Speisekammer der königlichen Küche jammern
"Das Königshaus, das ist bankrott, bei uns herrscht bald die Hungersnot..."
Bis eine spricht "Lass uns doch wimmeln, zu den hehren Käsehimmeln.
Bei den Nonnen einzukehren, werde ich den Weg euch lehren."
Der Drachen pflückt den Wiedekind von des mächt'gen Turmes Zinnen,
klemmt ihn locker untern Arm und flattert übern Tann von hinnen.
Der Prinz ruft Hilfe und vom Auge sieht man seine Tränen rinnen.
Die Jungfern sich zum Retten rotten beim Teiche im Marillengrund,
um den Prinzen Wiedekind zu schützen vor dem Drachenschlund.
Die Knappen sehn Karotten mampfend, die Damen manche Lanze brechen,
weil die Blechhelmamazonen scheppernd sich den Rang erstreiten,
wer den Drachenpelz dem Jüngling morgen darf zu Füssen breiten.
Hernach ihre Rosse dampfend die Lungen aus dem Hals sich hecheln.
Es knattern Fahnen leis im Wind, die Fräulein rasten müd im Dreck
sie haben keine Lust mehr heute, an dem Tiere sich zu rächen.
Sie bauen Zelte auf dem Fleck und fangen lautstark an zu zechen.
Der Drachen schluckt den Wiedekind ganz samtens Rock und Firlefanz
Als kleine Mahlzeit zwischendrein, so fährt er in die Echse ein.
Über Berg und grüne Wipfel setzt er seine Reise fort, hungrig ist er, grantig ist er,
und so kehret er nicht heim, denn zu dürren Adelsknochen
noch ein paar fette Nonnelein, in ihrem eignen Saft zu kochen
dazu hat er große Lust, lüstern bläht er seine Nüstern.
Derweil grimm auch Rattenhorden in Reih und Glied die Wege schreiten
hin zum Kapuzinerorden wo die gelben Käse reifen.
Als die Schatten länger fallen, an dem elften Mai des Jahres
und Ratten in die Keller quellen, spricht die Äbtin leis den Segen
- auf Käseleib und Quittengeist -
die der Herr erhälten möge, des leiblichen Genusses wegen.
Nun nimmt das Schicksal seinen Lauf, die Schädlingsbrut ernährt sich wild.
Die Äbtin sich ganz still bekreuzigt und dann exklamiert sie "Hülft!"
Der Orden windet sich zur Kette, vom Kellerloch zum Hofe hoch,
wird alles Essbare gebracht und im Fackelschein bewacht.
Der Lindwurm traut den Augen kaum, das Klosterhof ist ein Bankett.
Nicht nur Gottesschaf voll Eifer, auch noch runde Käseleiber.
Die Flamme sanft auf Grill gestellt, schwebt er übers Himmelszelt.
Der Schmaus beginnt und viele Seelen der Herrgott zu sich rufet.
Hörner schallen, Rufe hallen, die Ritterinnen sahn das Feuer,
so voll wie die Haubitzen, sie zu Pferde sitzen.
Der Drach denkt nach und fliegt aufs Dach
und schnaubt und faucht und lacht und wiehert,
ein verquerer Bissen macht, dass er schnöd erstickt und drauf
auf die edlen Weiber kracht von den Kirchturmspitzen.
Der Nachtwind stöhnt, die Flammen prasseln, im Keller eine Schwester fröhnt.
Sie tauft mit klarem Quittenschnaps die Ratten für den heil'gen Papst.
Da fährt der Mephistopheles aus der Hölle auf und höhnt:
"Ich mag dich, du muntre Dirn, nimm diesen Säbel, schütz die Stirn.
Hinauf, hinauf, entrinn dem Feuer!
In dem starren Drachen dann harret dir ein holder Mann,
du musst ihn einfach nur zerlegen bis der Bursch sinkt dir entgegen.
Als Preis dafür ich meinem Meister, weihe dies Gemäuer."
Die Brave hackt wie die Besengte und durch des Lindwurms Schuppen sprengt sie,
schneidet sich durch das Gewebe und hofft, dass Wiedekind noch lebe,
Bald hört sie den Verschluckten schreien, er reicht ihr die beringte Hand,
"Du Säbelmaid komm mich zu freien und regiere dieses Land!"
Mit Schaudern fliehen sie den Ort, wo fortan nur die Teufel hausen.
Sie leben redlich viele Jahr, gefolgt von ihrer Kinderschar.
Das ist wirklich so geschehn ich erzähl euch keine Flausen.
Mittwoch, 3. April 2024
Das Weihnachtshuschelpuschel
lebte in einem Zitronenwald.
Mit zimtenen Bächen voll klarer Glasur,
aus Lachsschaum die Hügel, so rein und so pur.
Da fielen fünf Stirnlein gesichtwärts ins Gras,
das Puschel, das staunte und wünschte sich was.
Trompeten nun quakten, potztausendundvier,
"Weihnachten feiern, das wünsche ich mir!
Auf Renrücken reiten durch stiebenden Schlick
und schenken von Herzen mit innigem Blick."
Das Huschelpuschel hat mich gerührt,
es war ja wohl ganz allein im Geviert!
Ich schenkte ihm Glockenhummeln, ne Krake
und eine tanzende Pastinake.
Das Puschel, von dankbarem Rausch besengt,
hat mir einen Zuckerbausch geschenkt.
Der Auftritt
Weihnachtsedit:
Draußen vor den Burgmauern fiel sanft und still der erste Schnee und die Natur legte ihre friedvolle Pause ein. Die kalte Luft roch nach Tannennadeln, aus der Burgküche drang der Duft von gebrannten Mandeln und irgendwo in der Ferne hätte man ein leises Glockengeläut hören können. Im Speisesaal aber gab es justament einen veritablen Aufruhr und dies hatte mit Fugelhuf Vielgebein zu tun.
Fugelhuf war eine Ein-Mann-Band. Von der Art her ein Hundertfüßer (Centipede), stand er einem König zu Diensten und zwar einem geizigen, dem eine orchestrale Bemannung mit separat eßlustigen Individuen gegen den Strich ging, salopp gesagt. Fugelhuf spielte etwa 50 Instrumente, ein-, zwei- oder dreihändig, ein Standbein nicht zu vergessen.
Alle Blasinstrumente waren jedoch des Mundes bedürftig und davon hatte Fugelhuf auch etwa 25. Mehr oder weniger, aber gottseidank nur einer mit Zugang zum Magen, wie Ihro Durchlaucht bemerkte. Der Hundertfüßer besaß eine bemerkenswerte Präzision. Nachdem er Instrument für Instrument eine jeweilige Sinfonie oder Sonate einstudiert hatte, ratterte alles nur so und schnurrte aus ihm heraus. Beim Spielen wiegte er sich dann auch ästhetisch und der Klang der Geigen, Oboen und Brummtöpfe und so weiter schwappte nur so kreisrund in das sprachlos gaffende Publikum.
Gerade zum Beginn der heiligen Tage nun, als auch der Dekan für Neue Musik der musikalischen Fakultät Ausschau nach unerforschten Möglichkeiten hielt, die maroden und verkommen blasierten alten Zöpfe der Kammermusik radikal neu zu frisieren, begab es sich, dass Herr Vielgebein krank wurde. Ein zehrendes Fieber zerstörte seine Präzision zunehmend, Husten und Schneuzanfälle kamen hinzu!
Der Dekan erreichte den Hof mit verhaltener
Langeweile, während bei dem Musikanten schon kein Fuß mehr wusste,
was der andere tat, man munkelte auch von Gehirnerweichung. Der Hundertfüßer
hatte darob in den vergangenen Tagen begonnen, scheußliche
Klangunfälle zu produzieren, Disharmonien von solch entfesselter
Vehemenz, dass Mittelohrentzündungen den halben Hof erfassten.
Der Koch etwa konnte den Unterschied zwischen Rouladen
und Buletten nicht mehr verstehen und servierte Rouletten. Der König
grübelte, ob er sich eine Orchesterpause leisten konnte, als der
Dekan, nach Erfrischung und gründlicher Reinigung, an der Tafel Platz nahm. Man
hatte sogar ein mickriges Bäumchen aufgestellt, geschmückt mit ein
paar vergilbten Kugeln und einer einsamen Kerze, die trübselig vor
sich hin flackerte.
„Herr Vielgebein spielt heute die kleine Eiszapfenmusik von Sigurd Vogelschrei!“ tönte der Herold, alldieweil auch der Hof platziert war und sich, die Ohren wohlverstopft, über das Essen wunderte. „Fanget an!“ Fugelhuf begann nun sein jämmerliches Schauspiel, Triefbäche entwanden sich seines Körpers und gestalteten ihn so glitschig, dass er glänzte wie eine Specktomate und einzelne Instumente verabschiedeten sich, flutsch, ins Dunkel.
Während die Fürsten und Grafen und dergestalt trotz Pfropfen schmerzvoll die Augen verdrehten, durchfuhr den Dekan ein ganz neues Gefühl der Leichtigkeit. Diese Freiheit der Form! Diese lustigen Soli! Das war neu, das war vielleicht sogar Jazz! Juchzend sprang er auf und applaudierte. „Maestro, bravo, bravo.“ Dann hielt er inne und sinnierte, ob er diesem Wahnsinnswerk noch das eine oder andere Krönchen aufsetzen könne.
Da hielt er ihm eine Handvoll Heu unter die Nase, die er zerstreuterweise noch in seiner Tasche stecken hatte. Der Centipede explodierte daraufhin, der Schall der Hörner brachte eine Wand der Burg zum völligen Einsturz und Schneeflocken wirbelten von draußen herein.
„Aha!“ „Und hiermit?“ Respektlos stopfte der Dekan einen Löffel Senf in einen der Münder, bis heute ist es fraglich, ob es der richtige war. Vielgebein schwankte und schüttelte sich, ja er zitterte ein zermürbendes Vibrato, das nicht nur die Gläser und Krüge zersplitterten. Etliche der Damen fielen in Ohnmacht. Vielgebein flatulierte und verstummte. "Welch ein neuer Ton!" frohlockte der Musikwissenschaftler.
"GENUG!", brüllte der König. "„SOGAR DIE WEIHNACHTSMUSIK VERDREHT ER UNS? DAS DULDE ICH NICHT LÄNGER! VERSCHWINDE ER DER HERR DEKAN UND NEHME ER DEN KRACHMACHER MIT SICH!“ Sprachlos vor Glück hüpfte der Dekan durch das Loch in der Mauer, schleifte sein japsendes Geschenk mit sich, hängte es im Stall über sein Maultier, warf die Instrumente in seinen Karren und stapfte hinfort.
Über den Genesungsfortgang und wissenschaftlichen Fortlauf der atonalen Experimente des Dekans und seines Maestros ist wenig dokumentiert, nur einige wenige Auftritte mit ihren Neuschöpfungen, die kaum Anklang fanden, sind in den Annalen der musikalischen Fakultät notiert. Später freilich, nach seinem Tod, wurde der Dekan rehabilitiert und Fugelhufs Dissonanzen, welche man fein säuberlich in einer Truhe verstaut fand, etablierten sich auf dem Musikmarkt.
Original:
Fugelhuf Vielgebein war eine Ein-Mann-Band. Vielgebein war von der Art her ein Hundertfüssler (Centipede), stand einem König zu Diensten und zwar einem geizigen, dem eine orchestrale Bemannung mit separat eßlustigen Individuen gegen den Strich ging, salopp gesagt. Fugelhuf spielte etwa 60 Instrumente, ein, zwei oder 3-händig, ein Standbein nicht zu vergessen.
Alle Blasinstrumente waren jedoch des Mundes bedürftig und davon hatte Fugelhuf auch etwa 25. Mehr oder weniger (aber gottseidank nur einer mit Zugang zum Magen, wie Ihro Durchlaucht bemerkte). Der Hundertfüsser besaß auch eine bemerkenswerte Präzision. Nachdem er Instrument für Instrument eine jeweilige Sinfonie oder Sonate einstudiert hatte, ratterte alles nur so und schnurrte aus ihm heraus. Beim Spielen wiegte er sich dann auch ästhetisch und der Klang der Geigen, Oboen und Brummtöpfe und wasweissich schwappte nur so kreisrund in das sprachlos gaffende Publikum.
Aber es begab sich zu der Zeit, als just auch der Dekan für neue Musik der musikalischen Fakultät Ausschau nach Möglichkeiten hielt, die maroden und verkommen blasierten alten Zöpfe der Kammermusik radikal neu zu frisieren, das Herr Vielgebein krank wurde. Ein zehrendes Fieber zerstörte seine Präzision zunehmend, Husten und Schneuzanfälle kamen hinzu!
Der Dekan erreichte den Hof mit verhaltener Langeweile, während bei dem Musikanten schon kein Fuß wußte mehr, was der andere tat, man munkelte auch von Gehirnerweichung! Der Füsser hatte darob in den vergangenen Tagen begonnen, scheußliche Klangunfälle zu produzieren, Disharmonien von solch entfesselter Vehemenz, dass Mittelohrentzündungen den halben Hof erfassten. Der Koch etwa konnte den Unterschied zwischen Rouladen und Buletten nicht mehr verstehen und servierte Rouletten. Der König grübelte, ob er sich eine Orchesterpause leisten konnte, während der Dekan, nach Erfrischung und Neugewandung an der Tafel Platz nahm.
„Herr Vielgebein spielt heute die Lachkantate von Vogelschrei dem Runden!“ tönte der Herold, während auch der Hof platziert war und sich, die Ohren wohlverstopft, über das Essen wunderte. „Fanget an!“ Fugelhuf begann nun sein jämmerliches Schauspiel, während Triefbäche sich seines Körpers entwanden und ihn so glitschig gestalteten, dass er glänzte wie eine Specktomate und einzelne Instumente, flutsch, sich ins Dunkel verabschiedeten. Während die Fürsten und Grafen und dergestalt trotz Pfropfen schmerzvoll die Augen verdrehten, durchfuhr den Dekan ein ganz neues Gefühl der Leichtigkeit. Diese Freiheit der Form! Diese lustigen Soli! Das war neu, das war vielleicht sogar Jazz! Juchzend sprang er auf und applaudierte. „Maestro, bravo, bravo.“ Dann hielt er inne und sinnierte, ob er diesem Wahnsinnswerk noch das eine oder andere Krönchen aufsetzen könne.
Da hielt er ihm eine Handvoll Heu unter die Nase, das er achtlos aus dem Sitzkissen gerupft. Der Centipede explodierte daraufhin, der Schall der Hörner brachte eine Wand der Burg zum völligen Einsturz. „Aha!!!“ „Und hiermit?“respektlos stopfte er einen Löffel Senf in einen der Münder, bis heute ist es fraglich, ob es der richtige war. Vielgebein schwankte und schüttelte sich, ja er zitterte ein zermürbendes Vibrato, das nicht nur die Gläser und Krüge zersplitterten. Etliche Damen fielen in Ohnmacht. Vielgebein flatulierte und verstummte. "Welch ein neuer Ton!" frohlockte der Musikwissenschaftler.
"GENUG!", brüllte der König. "DAS DULDE ICH NICHT LÄNGER! VERSCHWINDE ER DER HERR DEKAN UND NEHME ER DEN KRACHMACHER MIT SICH!“ Sprachlos vor Glück hüpfte der Dekan durch das Loch in der Mauer, schleifte sein japsendes Geschenk mit sich, hängte es über den Esel, warf die Instrumente in den Karren und schritt hinfort. Über den Genesungsfortgang und wissenschaftlichen Fortlauf der atonalen Experimente des Dekans und seines Maestros ist wenig dokumentiert, nur einige wenige Auftritte mit Neuschöpfungen des Dekans, die kaum Anklang fanden, sind in den Annalen der musikalischen Fakultät notiert. Später freilich, lange nach deren Tod wurde der Dekan rehabilitiert und Fugelhufs Dissonanzen etablierten sich auf dem Musikmarkt.